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diese Weise einen Streit einzuleiten, bei dem der Angreifer ohne Zweifel unterliegen würde.
Im Gegensätze hierzu besteht Individualeigentum an den Erträgnissen und Nutzungen des Bodens, an Baum 1 und Strauch, an Frucht und Halm, ebenso an den Baulichkeiten und Hütten. Scharf ausgeprägt ist aber auch hier der Eigentumsbegriff noch nicht, denn die Hütten stehen im Gesamteigentum der Familien, die sie gebaut haben und bewohnen. Das wird besonders dann praktisch, wenn die Familien die alte Hütte verlassen, um eine neue zu erbauen. Sie pflegen dann wohl gut erhaltene Balken und Dachgerüstteile von der verlassenen Wohnung abzutragen, um sie bei dem Neubau zu verwenden.
An den übrigen, schon oben erwähnten, beweglichen Sachen besteht grundsätzlich Individualeigentum in mehr oder weniger scharf ausgeprägter Form. Werden solche Sachen, die, abgesehen vom Vieh, für den Baininger keinen großen Wert haben, gestohlen, so hat das gewöhnlich keine weiteren Folgen. Handelt es sich aber um wertvollere Sachen, z. B. um Schweine, so geht der Bestohlene mit einigen Freunden zum Diebe und fordert den Gegenstand oder einen Ersatz dafür zurück. Weigert sich der Dieb, so kommt es zum Streite, bei
IV. Kapitel. Verwandtschaft, Ehe, Kinderpflege.
Der Baininger kennt keine totemistischen Verbände; es fehlt ihm auch jede Art von exogamen oder endogamen Heiratsgruppen. Demgemäß steht das Familien- und Eheleben nicht unter dem Banne scharf einschneidender Heiratsgesetze, wie wir sie bei den Küstenleuten kennen gelernt haben und bei wohl allen bis jetzt untersuchten Bewohnern Neuguineas und der melanesischen Inselwelt wiederfinden. Der bei anderen Völkern so ausgeprägte Begriff der Blutschande ist nach den Bekundungen meiner Gewährsmänner den Bainingern unbekannt. Der Geschlechtsverkehr zwischen Geschwistern, Stiefgeschwistern oder Vetter und Base soll zwar nicht üblich sein, aber auch nicht bestraft werden.
Die Familie ist bei diesem Bergvolke ein denkbar einfacher Verband ; vielleicht bildet sie auch nur die Brücke vom Hordenwesen mit allgemeiner Promiskuität zum Familienverbande weiter entwickelter Völker.
1 Über das eigenartig entwickelte Erbrecht an Nutzbäumen vgl. V. Kap. d. B.
dem der Stärkere obsiegt.