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IX. Kapitel. Tanz 1 und Spiel.
Spiel und Gesang sind dem Baininger nicht fremd. Er singt, wenn er des Abends vor der Hütte sitzt, und er stößt wie der Alpenbewohner laute Jodler aus, wenn er durch die Berge wandert. Aber die schwierigen Lebensbedingungen haben seinem Wesen doch einen ernsten, ja schwermütigen Grundton gegeben, der besonders auch in seinen Tänzen und Spielen durchklingt. Die Tänze und Spiele der Baininger 2 sind von besonderer Art und haben offenbar einen tieferen, auf religiösen Motiven beruhenden Sinn. Die tiefere Bedeutung und der ursprüngliche Sinn der Spiele scheint aber den Leuten nicht mehr in Erinnerung zu sein, jedenfalls konnte ich hierüber keine nähere Aufklärung erhalten. Man spielt höchstwahrscheinlich, ebenso wie man nur nach gewissen Motiven malt, weil es der Väter Sitte war.
Charakteristisch ist, daß bei fast allen bis jetzt bekannten Tänzen und Vorführungen der Baininger grausame Körpertorturen, Fasten und Auspeitschungen eine Rolle spielen.
Das bekannteste Spiel ist der „Hareicha-Tanz". Die bei diesem Spiel verwendeten riesigen Tanzaufsätze haben dem Nordwest- baininger weit über die Grenzen seiner Gaue hinaus einen gewissen Ruf verschafft, denn wenn in einem Gau der „Hareicha-Tanz" angesagt wird, so kommen die Schaulustigen von nah und fern, um dem Spiele zuzuschauen.
Der „Hareicha-Tanz" gilt dem Andenken Verstorbener. Hat ein angesehener Mann eine große Taropflanzung angelegt, oder eine gute Ernte eingeheimst, so sagt er mehrere Monate vorher den „Hareicha- Tanz" an. Der „Tanz" bedarf langer und weitschweifiger Vorbereitungen, weil die Anfertigung der bei dem Spiele verwendeten riesigen Tapagebilde Zeit und Mühe kostet. Der Veranstalter dingt sich kundige Leute, die ihm die Tanzaufsätze anfertigen (nicht ein jeder versteht das). Dann wird zuerst ein langes Haus gebaut, das aber die Frauen nicht betreten dürfen (a vus hareichi). In diesem Hause werden zunächst die Tapastoffe (kambulucha) von den Männern gefertigt. Der Baum „kambulucha" (Brotfruchtbaum) wird, nachdem er gefällt worden ist, zuerst im Feuer heiß gemacht und darauf
1 Der Ausdruck „Tanz" hat sich zwar eingebürgert, ist aber unzutreffend, weil es sich weit eher um theatralische Vorführungen handelt.
2 Nur der Nordwestbaininger. Die Spiele der Südostbaininger usw. sind ans noch völlig unbekannt.
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