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Sklaverei zur Zeit sin Bedürfnis.
aber seit keine Sklaven mehr geboren werden und alle neu- gebornen Kinder frei sind, sucht man aus ihrer Arbeitskraft, ohne sich um die Erziehung zu kümmern, soviel wie nur irgend möglich herauszuschlagen. In andern Ländern haben die Sklaven, die gewohnt waren, wie die Kinder in den Tag hinein zu leben, gar nichts mit ihrer neu gewonnenen Freiheit anzufangen gewußt und sind in das bitterste Elend geraten. In Jamaika hat das allzu plötzliche Ende der Sklaverei den gänzlichen Verfall der ehedem so blühenden Kolonie und einen geradezu unbeschreiblichen Grad von Faulheit mit sich gebracht. Etwas ähnliches zeigt sich auch in Dahome. Die als Sklaven betrachteten Gefangenen, mit denen der König von seinen jährlichen Kriegszügen zurückkehrt, stehen sich sehr übel dabei, daß der Absatz so schlecht ist, denn seit sie nicht mehr verkauft werden können, werden sie in viel größerer Anzahl als früher hingerichtet. In Dahome behandelt man die Sklaven überhaupt viel härter als im Togo- und Povo-Gebiet oder an der Goldküste.
Die Sklaverei ist hierzulande ein Bedürfnis, welches befriedigt werden will. Um die Sklaverei gründlich zu beseitigen, müßte man das Bedürfnis nach Sklaven beseitigen, d. h. die Eingebornen zur Arbeit erziehen. Solange das nicht geschieht, bleiben, wie das Beispiel der englischen Goldküste zeigt, alle gesetzlichen Maßregeln ohne Erfolg. Wenn aus dem unabhängigen Gebiet ein Sklave zur englischen Goldküste nach Quitta flieht und den Schutz des dortigen Kommandanten anruft, so ist er frei. Aber in Quitta und Accra selbst gibt es Sklaven in Menge. Dieser Widerspruch erklärt sich daher, daß, wenn ein Sklave von Quitta oder Accra beim englischen Kommandanten seine Freiheit beanspruchen wollte, die Rache sofort Nachfolgen würde. Das wissen die Sklaven sehr wohl.
Daß sich, trotzdem die Haussklaverei sogar in den englischen Kolonien noch weiterblüht, dennoch die Verhältnisse recht gründlich geändert haben, dafür liefern die in Weida sehr zahlreichen und umfangreichen Ruinen jener „Barracones", in denen früher die Sklaven zur Verschiffung bereit gehalten wurden, den besten Beweis. Die heute noch bestehende Form der Sklaverei ist gewiß ein Nebel, aber kein so großes, als man in Europa anzunehmen geneigt sein dürfte.