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Stämme und Sprachen.
Ursprünglich hat jeder Stamm seinen scharf umgrenzten wohn- bereich, so wohnen im unmittelbaren Daressalaamer k^interlande die Wakhwere in Ukhwere, die wasaramo in Usaramo, die Wakanri in Ukami, ebenso die Bewohner von Uluguru, Usagara, Un^amwezi usw. )m südlichen Küstengebiete dagegen, das allein uns hier beschäftigt, herrscht ein seltsam buntes Mosaik, da leben wandonde, lVamuera, wamachinga, wamakua, wa^ao, wangoni, und wie sie alle heißen, vereinzelt auch Wan^amwezi in fast untrennbarem Gemisch durcheinander. Kaum will es gelingen, die einstigen Stammesbezirke herauszulösen und gegeneinander abzugrenzen, so sehr haben Wanderung, Krieg, Flucht und Verfolgung die Fäden verwirrt. Selbst die engeren oder ferneren Verwandtschaften der Stämme untereinander sind ohne genauere Kenntnis ihrer Sprachen schwer feststellbar, die Angaben der Eingeborenen selbst widersprechen sich darin. Erstaunlich ist, daß sich unter solchen Umständen die Sprachen überhaupt noch erhalten konnten; das Zusammengehörigkeitsgefühl der Sprachgruppen ist in vielen Dingen eher noch stärker -geworden. Allein Mischheiraten sind an der Tagesordnung, und da die Stammeszugehörigkeit vom Vater oder von der Mutter her doch nur nach Konvention übernommen werden kann, bestehen eigentlich keine somatisch einheitlichen Stämme mehr, sondern nur noch Sprachgemeinschaften. Um so seltsamer wirkt die oft rücksichtslose Bevorzugung des eigenen, Mißachtung des fremden „ Stammesgenossen". Mehrfach hatte ich den Eindruck, daß die Europäer nicht als fremde Basse, sondern nur als ein neuer unter den vielen Stämmen empfunden wurden, ebenso Araber,Inderusw.,nur daß in diesen Fällen eine Mißachtung angesichts der Überlegenheit natürlich nicht Platz greift. Da für den Stamm und für die weitere Familiengemeinschaft nur ein Ausdruck (kubilu) besteht, herrschen oft die verwickeltsten und unklarsten Verhältnisse. Charakteristisch für solche Unklarheiten in ungeschulten Köpfen war die mir einmal erteilte Auskunft: Die Stammesangehörigkeit der Kinder richte sich bei den wandonde nach dem Vater, bei den wamuera nach der Mutter. Auch über die Sprache der Kinder in Mischehen wurden abweichende Mitteilungen gemacht. Es hieß, die Kinder erlernten erst die Sprache der Mutter, dann des Vaters oder die Knaben folgten dem Vater, die Mädchen der Mutter usw. Man muß sich hüten, eine einmal beantwortete
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