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und seine Stimme zu hören, so ist es eben diese ergreifende Erzählung. Sie gehört zu dem Erbe, das die Ruandaleute aus alter Zeit mitbekommen haben; sie scheint überall im Lande bekannt zu sein. Mögen wir immerhin bisher in der Bezeichnung dafür noch kein besonderes Wort für Gewissen gefunden haben, so ist damit doch nicht gesagt, daß überhaupt keins vorhanden sei; derartige Ausdrücke findet man gewöhnlich nicht so schnell. Aber selbst wenn die Ruandabewohner kein anderes Wort für Ge­wissen besäßen, als das, was sie fürHerz" verwenden, so käme es hier ja nicht auf das Wort, sondern auf die Sache an. Auch die Hebräer hatten ja kein besonderes Wort für Gewissen. Daß sich aber die Sache selber bei unsern Einge- bornen findet, das ergibt sich, ganz abgesehen von jenen hoch­wichtigen Erzählungen, aus einer Anzahl von Sinnsprüchen und geflügelten Worten. So sagen die Ruandabewohner:

N23W3 il-3WÄN2Ä, ik^o imkore iA3beruk3".Daraus mache ich mir nichts", so heißt es zuerst undwas ich begangen habe" so lautet es am Schluß. Mit diesen Worten straft das Volks­gewissen den Leichtsinn, der das Unrecht begeht, ohne an die Folgen zu denken. Auch der Gedanke, daß jede Schuld ihre Strafe findet, gewinnt in diesem Lande einen Ausdruck durch den Satz:Wen der König nicht rächt, den rächt die kommende Zeit uä3korewe n'umwami 3boi-ewe n'imjnsj". Beachtung verdienen auch folgende Sinnsprüche:Dem Unrecht bietet man nur einmal einen Stuhl zum Sitzen an" d. h. man läßt sich nur einmal betrügen oder das Unrecht ungestraft hingehen, und das weitere:Unrecht macht arm, denn es beraubt uns unserer Freunde." Von Wichtigkeit sind auch die Ausdrücke für das Böse ikiwi, das Unrecht ik^3b3, die Lüge ikin^oma. Das Böse wird nie gelobt, sondern verworfen. Gut und böse, recht und unrecht, schuldig und unschuldig sind Begriffe, die unveräußerlich auch zum geistigen Besitz der Ruandaleute gehören. Es verdient Beachtung, daß Schwarz auch in Afrika die Farbe der Trauer, und der Schuld ist, Weiß diejenige der Freude und der Unschuld. Sind beim Opfertier, dessen Eingeweide zum Orakelerteilen benutzt werden, die dafür inbetracht kommenden Fleischteile schwarz oder dunkel gefärbt, so droht Unheil; ebenso ist dies beim Anstellen des Gottesurteils ein Kennzeichen der Schuld des Angeklagten, während umgekehrt die Helle Färbung Glück oder Unschuld ver­kündet. Die Trauerzeit nach dem Tode eines Familiengliedes ist die Zeit desSchwarzseins". Um diese Zeit zu beenden ruft man jemanden, der imstande ist, die Trauernden wiederweiß