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Lebenskraft des Evangeliums durchdringen läßt, um so herrlicher kommt sie zur Erscheinung und Entfaltung. Sollte es nun wohl wirklich weise sein, wenn dem Eingeborenen die Überzeugung beigebracht wird, unsere Kultur habe nichts mit Religion oder gar mit dem Christentum zu tun, sie bestehe nur in äußerer Fertigkeit und geistiger Regsamkeit, sie sei keineswegs eine Frucht, die aus der Wurzel des Respekts vor dem Göttlichen erwachse, es sei ganz gleichgültig, welcher Religion man folge? Und doch empfiehlt man dies Verhalten als den gewiesenen Weg für die Zivilisation der Kolonien.

Die Vertreter des deutschen Volks in den Kolonien, soweit sie nicht Missionare sind, überlassen, seltene' Ausnahmen abgerechnet, in religiöser Hinsicht den Eingeborenen sich selbst. Denn im allgemeinen scheut sich der Deutsche davor, sein Christentum zu bekennen oder gar den Eingeborenen auf diesen Schatz hinzuweisen. Daß in der Regierungsschule kein Religions­unterricht erteilt wird, wollen wir ihr nicht zum Vorwurf machen. Aber wie schmerzlich, wenn in der Schule eines christlichen Staats dem eingeborenen Schüler überhaupt kein Bekenntnis zum Christentum von seiten des Lehrers entgegentritt, wenn der Eingeborene im Geschichtsunterricht mit Deutschlands Vergangen­heit bekannt gemacht wird, ohne daß stark hervorgehoben wird, was das deutsche Volk dem Christentum verdankt und wie es dahin gekommen ist, sich ihm zuzuwenden. In einem Blatt, das in Suaheli erscheint, wurde in einem Artikel über die deutschen Winterfreuden das Weihnachtsfest beschrieben, ohne daß dabei der Name Jesu Christi erwähnt wurde, an anderer Stelle wurde die christliche Zeitrechnung erwähnt und gesagt, wir rechneten nach Christus, er sei ein großermwsIimu"-Lehrer! gewesen und im Jahre 1 geboren! Wie viel höher stellt sogar der Islam die Person Jesu in seinen heiligen Büchern!

Wir verlangen keine Ausbreitung des Christentums auf Staatskosten durch besondere staatliche Veranstaltungen, aber wenn sich die Vertreter der europäischen Kolonialmacht eines Bekenntnisses zu ihrer eigenen Religion schämen, so sprechen sie damit sich selber ihr Urteil. Der Eindruck, daß deutsche Kultur nichts mit Gottesfurcht zu tun habe, muß beim Neger noch ver­stärkt werden durch den Vergleich, den er unwillkürlich anstellen muß zwischen dem Anhänger Muhammeds und dem europäischen Christen, wie er ihn fast überall kennen lernt. Er sieht, wie der Muhammedaner durch Befolgung der Gebetsvorschriften, durch Lesen des Koran und durch Äußerungen in der Unterhaltung