Einteilung.
Paläftina ober Amerika?
Seit einer Reihe von Jahren hat der Judenhaß sein altes, und vor Alter etwas fadenscheinig gewordenes religiöses Mäntelchen abgelegt und stolzirt jetzt in nagelneuem Kleide von brennenden Nationalfarben einher. Nicht mehr im Namen des alten ehrwürdigen Gottes und weil die Juden — oder richtiger die Römer — vor 19 Jahrhunderten den Heiland gekreuzigt haben, sondern im Namen des modernen Götzen, des kaum drei Jahrzehnte zählenden Nationalitätsprincips, wird der Judenhaß gepredigt. Es braucht kaum noch besonders hervorgehoben zu werden, daß auch die Juden diese Frontveränderung ihrer Feinde mitgemacht haben. Waren wir ja als der angegriffene Theil doch stets gezwungen, die Wahl des Schlachtfeldes sowie die Bestimmung des Feldgeschreies unseren Feinden zu überlassen. So kam es, daß auch wir, welche bis vor Kurzem „hie Jude" und „hie Christ" mitriefen, jetzt in das Feldgeschrei „hie Arier — hie Semit" einstimmen müssen. Das neue Feldgeschrei hat, vom jüdischen Standpunkt aus betrachtet, vor dem alten den großen Vorzug, daß er die Taufe vollständig ausschließt. Früher konnte und mußte jeder fahnenflüchtige Jude sofort nach Empfang der heiligen Taufe als Christ angesehen werden, jetzt kann der Makel der semitischen Geburt nicht einmal durch das Taufwasser mehr sortgespült werden. Jetzt bleibt dem Juden nur noch die Wahl zwischen Verfolgung und Auswanderung, und namentlich in den Ländern, wo eine antisemitische Propaganda der That betrieben wird, handelt es sich für die Juden thatsächlich in der ersten Reihe um die bittere Frage: wo hinaus? Es handelt sich augenblicklich darum, was soll aus jenen Tausenden werden, wo soll ihnen sich die Möglichkeit erschließen, neue Hütten zu bauen, nachdem der heimath- liche Herd von roher Faust zertrümmert worden ist? Jahrein, jahraus werden Tausende unserer Glaubensgenossen gezwungen, irgendwo von Neuem festen Fuß zu fassen, müssen unzählige von unglücklichen, vaterlandslosen Existenzen ein neues Heim suchen, in dessen Boden sie feste Wurzel schlagen, wo sie ein Feld finden' können, auf dem sie ehrlich arbeiten und von dem Ertrag ihrer Arbeit sich und die Ihrigen redlich ernähren könnten. Daß die Auswanderungsfrage, die Frage „wo hinaus?" für uns so brennend geworden, so sehr, daß alles Andere ihr gegenüber in den Hintergrund treten muß, das ist eben die beklagenswertste Folge des im Vorwort von einer anderen Feder geschilderten Fehlers/ den wir begangen, daß wir zu vertrauensselig, und darum bisher unthätig