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vorkommt, ist Binnen- und Kleinhandel und befindet sich fast ausschließlich iu den Händen der capitalkräftigen Griechen, Deutschen und Franzosen. Und auch er ist eines große!: Aufschwunges nicht fähig, da die Bevölkerung des Landes dünngesät und arm ist. Ebensowenig aber kommt dem Handwerk für Palästina eine größere wirthschaftliche BZdeu- tung zu. Unter den gegenwärtigen Verhältnissen haben jüdische Handwerker keine Aussicht, hier ein gedeihliches Fortkommen zu finden in Ausübung der erlernten Profession, hat man doch im Jahre 1887 unter' den 20000 Juden Jerusalems über 1000 Familien gezählt, welche von der Ausübung ihres Handwerks lebten oder, richtiger gesagt, leben wollten. In Sased kommen auf 2000 Familien 600 Handwerker. Hier ist eben der Prosessionist auf den eigenen Consunr seiner Products angewiesen, da er um exportiren zu können weder billig zu arbeiten vermag, noch längere Zeit auf eine günstige Verkausgelegenheit für seine Erzeugnisse warten kann. Entgegen der allgemeinen Regel hat daher das Handwerk ebensowenig wie der Kleinhandel in Palästina einen goldenen Boden zu erwarten. Es besteht in dieser Hinsicht hier noch das System der sogenannten Oekenwirthschast, wonach Jeder das, wessen er bedarf, selbst im Hause erzeugt, und umgekehrt, das, was er producirr, selbst im Hause verbraucht. Um ein Handwerk in dem uns geläufigen Sinne wirthschaftlich existenzfähig zu machen,'muß ein Bedürfnis^ nach Luxus vorhanden sein. Eine Gegend aber, welche nur spärlich von ländlicher Bevölkerung bewohnt ist, die aus Armuth und Bedürfnißlosigkeit barfüßig und halbnackend einhergeht, gemünztes Geld fast nur von Hörensagen kennt und das grobe Hemd nebst Gürtel, das seine Kleidung - ausmacht, sich selbst anfertigt, eine wenig zahlreiche Städtebevölkerung, die zum , Theil von den Unterstützungen lebt, die das Ausland ihr zuwendet, die aber vollständig verzichten muß auf Alles, was zu des Lebens Nothdurft nicht unentbehrlich gehört, läßt keinen Raum für einen Handwerkerstand übrig. Es bleiben somit für die Auswanderer nach Palästina nur noch der Ackerbau und die Industrie als die beiden einzigen Quellen, aus denen sie ihre Nahrung und ihre wirthschaftliche Selbstständigkeit ziehen können. Aber diese beiden sind dafür um so ergiebiger, stießen um so reichlicher und können Hunderttausende von russischen Flüchtlingen, die jetzt verzweifelt vor der Frage stehen: „Wo hinaus?" von allen Sorgen befreien' und wirthschaftlich, damit aber auch zugleich moralisch und gesellschaftlich, bergen und schützen.
III.
Jlc&erßcm in 'gfaCäflina.
§ 1. Allgemeine Bemerkungen.
Palästina, das Land, in dem einst Milch und Honig stoß, wird jetzt im Allgemeinen von den Juden Westeuropas als ein Land betrachtet, das sich nur !venig noch zu Ackerbau und den ihm verwandten Zweigen der Erwerbthätigkeit eignet. Doch diese Ansicht ist als ein durchaus unbegründetes Vorurtheil zu bezeichnen. Welche Stürme des Schicksals auch dahingebraust sein mögen über diesen heiligen Boden, ihn selbst haben