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Zehnter Brief.
März 1841.
Die Betrachtungen, l. F., mit denen mein voriger Brief schloß, haben noch lange in meinem Herzen nachgeklungen, und ich kann noch nicht davon ablaffen, ohne den Gegenstand noch weiter in seine Tiefen zu verfolgen. Ich kenne keine Frage, die mir wichtiger wäre, als diese, die oft so gefühllos und gedankenlos angeregt und selbst von Wohlwollenden so oberflächlich und leichtfertig behandelt wird, und die doch für uns eine Frage des moralischen Seins oder Nichtseins ist. Es handelt sich hier in der That um nichts Geringeres, als darum, ob wir in uns das göttliche Menschenebenbild bewahren und ausbilden oder unsere Seelengestalt durch giftige Einflüsse verkrüppeln lassen wollen. Verachtung! ein entsetzliches Wort, geeignet, wenn es in seiner ganzen, grauenhaften Bedeutung empfunden wird, das rollende Blut in den Adern zum Erstarren zu bringen, den freien, aufwärts gerichteten Blick des Menschen zur Erde niederzubeugen, die ganze Kraft des Mannes, gleich einer centnerschweren, erdrückenden Last zusammensinken zu lassen! Die, die so leichtfertig mit dem Worte um sich werfen, die es ohne Umstände auf ganze Classen anwenden, es auf die Geburt beziehen, — die beweisen nur, daß sie es nie begriffen haben und nie begreifen konnten,