Zweites Capitel.
Die älteste Beschwerde gegen die Juden: Die religiöse Beschwerde.
I. Gegen das Judenthum und gegen den Talmud erhobene Beschuldigungen. — Merkmale des Judenthums. — Seine Moral. — Der Talmud: sein Ursprung, seine Autorität. — Die Mischna und die Gemara. — Die Halacha und die Haggada. — Der Haß gegen die Goim und die Doppelmoral des Juden. —
Was der Talmud dem Judenthum gewesen ist.
II. Den Juden feindselige Märchen und abergläubische Vorstellungen. — Der
Ritualmord.
I.
Der Glaubensunterschied ist nicht mehr der Hauptbeweggrund des Judenhasses. Vielleicht ist er es niemals gewesen. In dem Spanien Ferdinands und Jsabellens, wie in dem Frankreich Philipps des Schönen oder in dem England Johanns ohne Land und Eduards I. scheinen sich häufig Leidenschaften sehr weltlicher Natur dem Juden gegenüber der Glaubensmaske bedient zu haben. In unseren Tagen hingegen wäre eher das Umgekehrte der Fall: der Fanatismus ist aus der Mode.
Beseelt blsweilen die Antisemiten noch die Sorge um die himmlischen Dinge, so verbergen sie es sorglich. Die Meisten erklären sich frei von jeder Bekenntnißleidenschaft, und man muß ihnen glauben. Gleichwohl bleibt trotz Allem auf dem Grunde des volksüblichen oder gebildeten Antisemitismus ein Bodensatz von religiösen Abneigungen zurück. In Mittel- und Osteuropa erhalten sich bei dem Christen und dem Juden Glaubensanschauungen, Legenden, abergläubische Vorstellungen, welche dazli beitragen, eine gegenfettige