laden neben dem Pfarrhaus stand, das der eine meiner beiden Großväter fünfzig Jahre lang als treuer Seelenhirte seiner armen Landgemeinde bewohnte, und in welchem ich als kleiner Knabe die meisten Schulferien im Sommer oder Herbst verbrachte, bis herein in die jüngsten Tage! Wie manchen braven Kameraden hatte ich während meiner zwölf Schuljahre gerade unter meinen jüdischen Mitschülern! Mosenthal, der Dichter der „Deborah", war einer meiner Jugendfreunde; Bert hold Auerbach, dessen nähere Bekanntschaft ich in den vierziger Jahren in Heidelberg und Baden-Baden machte, stand mir geistig noch näher. Von ihm erhielt ich noch kurz vor feinem Tode einen lieben Brief, in dem er mir seine Freude darüber aussprach, daß ich in meiner Broschüre „Jesus von Nazareth auch ein Semite" dem christlichen Hochmut entgegengetreten war. Und welch sclwnes inniges Familienleben, welche zumteil hochbegabten Männer und Frauen, welches Verständnis und welche warme Teilnahme an den religiösen wie an den vaterländischen Reformbestrebungen lernte ich später dann, teils durch die Vermittlung meines Vaters, teils durch meine Wirksamkeit als Predigerder freien Gemeinden, besonders in Mannheim kennen! Wie danke ich's gerade und vorzugsweise diesem meinem persönlichen Verkehr, daß mein Gesichtskreis von Jahr zu Jahr ein weiterer, daß mir der Gedanke einer über allen Konfessionen und Religionen hinausliegenden höheren und allgemeineren, der Religion der Humanität, immer deutlicher und mich ergreifender aufging, und daß ich zuletzt die Vereinigung und Versöhnung Aller, die seit Jahrhunderten der Glaube und der Streit um den Glauben getrennt, und die Mitarbeit an diesem Friedenswerke als meine höchste Lebensaufgabe erkannte!
Diesen Gedanken sprach ich schon im Jahre 1846 aus, am 4. Januar, in dem allerersten meiner Vorträge, die ich in der „freien", damals noch „deutsch-katholisch" sich nennenden Gemeinde in Mannheim hielt, als ein Teil der Antwort auf die Frage, was diese „freien Gemeinden" wollen? Als ihre nächste Aufgabe bezeichnte ich die Lossagung von allem Glaubenszwang , und die Mitarbeit an einer auf Vernunft und Wissenschaft sich stützenden Fortentwicklung der Religion, als die weitere aber erklärte ich das Hinarbeiten auf „Vereinigung mit den Gleichgesinnten aller Konfessionen", und ganz besonders auch mit unfern Mitbürgern aus dem Judentum. „Und sollte, — rief ich damals in jugendlicher Begeisterung — sollte uns bei diesem Gedanken nicht das Herz höher schlagen! Die Brüder, die sich vor 300 Jahren, die Brüder, die sich vor
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