dieses Ideales, wie wir gesehen haben, seinen wesentlichen Anteil, sein großes weltgeschichtliches Verdienst; am Judentum aber, und vor allem an denjenigen Juden, welche sich losgemacht von dem tötenden Bann seiner starreu Gesetzesformeln, und mit dem konfessionslosen Geist der neuen Zeit erfüllt haben, an ihnen ist es, der Welt jetzt zu beweisen, daß sie auch der ganz besonder» Aufgabe, die in unsrer Gegenwart an sie herantritt, sich nicht entziehen wollen! Mögen die treuen Gesetzesfreunde, so lange Geduld und Ueberzeugung bei ihnen Vorhalten, ungestört ihres Glaubens leben und ihn der Nachwelt überliefern, die Frei­gewordenen aber mögen nicht vergessen, daß auch die Freiheit ihre Pflichten hat, und daß ihre erste Pflicht die ist, ihr besseres Wissen, ihre geläuterten Anschauungen und Grundsätze nicht für sich zu behalten, sondern fürs Allgemeine zu verwerten, daß sie dieses aber nicht besser können, als wenn sie sich mit den Gleich­gesinnten aus allen andern Konfessionen, und ganz besonders mit Denen, welche ihre Kirchen bereits verlassen, und zu freien Ge­meinden zusammengetreten sind, zu gemeinsamer Arbeit, d. h. zu gemeinsamer Propaganda für das Ideal der Gegenwart Vereinen.

Können sich die Freidenker jüdischen Stammes auf diesen Standpunkt erheben, ihn unumwunden, nicht blos passiv in der Stille, sondern aktiv im öffentlichen Leben zu dem ihrigen machen, und mit der Beharrlichkeit, die eine charakteristische Eigenschaft des jüdischen Strebens ist, für ihn kämpfen, dann mag leicht das Wiederauftauchen der Judenfrage, wie wir es jetzt erleben, der Ausgangspunkt einer Bewegung werden, von der die antijüdischen Wortführer sich nichts träumen ließen."*

* Siehe: Apologie der Juden, von einem Germanen, in der neuen Zeitschrift: Merkur. Deutsche und internationale Revue. Von F. Stöpel. Januarheft 1880. Berlin S. 17.