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wie wir sahen, letzten Endes in dem Mangel an Bodenständigkeit und Wurzelhaftigkeit sein Gepräge findet, so ist es einleuchtend, daß ein paar Jahrhunderte Ghettoleben diesen Mangel vergrößern mußten. Aber auch hier ist nur deutlicher herausgekommen, was längst im Wesen, im Blute geruht hatte.

Dieselbe Wirkung: nämlich die Eigenart des jüdischen Wesens zu bekräftigen, hat dann das Ghettoleben auf Umwegen noch dadurch ausgeübt, daß es die beiden Mächte gestärkt hat, auf denen zum guten Teile die zähe Konstanz des jüdischen Wesens beruht, die beide die Funktion gehabt haben: die durch Auslese herausgebrachten Charaktere weiter einseitig zu be­einflussen und fest zu erhalten: die Religion und die Inzucht.

Daß die Religion eines Volkes selber aus dessen Wesen entspringt, wurde oben als die Auffassung ausgesprochen, die diesen ganzen Ausführungen zugrunde liegt. Aber darum bleibt es doch wahr, daß eine exklusiv-formalistische Religion, wie die jüdische, eine ganz gewaltige Wirkung ausüben kann auf die Wesenheit ihrer Anhänger, insbesondere auf die Vereinheitlichung und Schematisierung der Lebensführung. In welcher weit­gehenden Weise die jüdische Religion diese Wirkung ausgeübt hat, ist seinerzeit ausführlich dargelegt worden: man erinnere sich nur ihrer rationalisierenden Tendenz, die wir als ihren Grundzug kennen lernten.

In gleicher Richtung aber: Art erhaltend, Art verstärkend wirkte, ich möchte sagen, die physiologische Seite der jüdischen Nationalreligion denn mit dieser steht sie in engstem Zu­sammenhänge, die Ljzucht,. die, wie wir sahen, die Juden seit mehreren tausend Jahren geübt haben.

Die Inzucht, sage ich, steht mit der Religion bei den Juden in engem Zusammenhänge; man wird noch mehr sagen dürfen: sie ist eine unmittelbare Folge der tragenden Idee dieser Religion: der Auserwählungsidee. Das ist in einer Reihe von Unter­suchungen in letzter Zeit mit feinem Verständnis nachgewiesen worden, insbesondere von Alfred Nossig, der sich darüber wie folgt vernehmen läßt 613 :Als ein frappantes biologisches Ergebnis dieser (Auserwählungs-) Idee tritt uns die Tatsache des Bestehens und der noch immer ungewöhnlichen Lebens- und Reproduktionskraft der Juden entgegen. Der mosaische Gedanke eines ,ewigen Volkes 4 scheint sich verwirklichen zu wollen.

Sombart, Die Juden 28