I.
Zunächst muß ich auf das Entschiedenste der Meinung widersprechen, die besonders Münch 1 ) vertritt, als sollte in der Bibel ein Krankheitsbild in allen seinen Stadien gezeichnet werden. Das würde ohne Analogon in allen Gesetzbüchern sein, und die Bibel ist doch nun einmal in erster Reihe ein Gesetzbuch. Man sieht ohne Weiteres, daß es nur darauf ankommt, zu bestimmen, wer rein, wer unrein ist, weil an letztere Kennzeichnung die schweren bürgerlichen Folgen der Isolirung für die betroffene Person geknüpft werden sollen. Bedürfte es für diese Auffassung noch eines formalen Beweises, so brauchte man nur daran zu erinnern, daß der Gesetzgeber an vielen Stellen sich nicht damit begnügt, zu constatiren: „es ist die paraath“, was für ärztliche Zwecke doch ausreichen würde, sondern immer noch hinzusetzt, „er ist unrein“. Mit Recht sprach daher Huth 2 ) von einer „Lepra legalis“.
Dagegen möchte ich aus diesem Doppelausdruck der Schrift eine andere Folgerung ableiten. In dem ganzen Capitel ist durchweg nur von solchen Krankheitszuständen die Rede, deren richtige Beurteilung wenigstens dem Laien Schwierigkeiten machte, so daß er das Urteil des Sachverständigen einholte, das häufig genug aber auch diesem erst nach längerer Beobachtung abzugeben möglich war. Man kann nun nicht gut annehmen, daß alle Fälle gleich in diesen ersten Anfängen beobachtet und dem Priester vorgeführt wurden, erwähnt doch die Schrift selbst den Fall der „veralteten ^araath“; manche Fälle, deren Träger z. B. längere Zeit abwesend waren, sind wohl erst in voller Entwicklung im Lager aufgetaucht und dann sicherlich auch von den Laien sofort richtig erkannt worden. Das soll wohl mit der steten Wiederholung „es ist die 9 araath, er ist unrein“, eingeprägt werden, daß die 9 araath, wo an ihrem wirklichen Vorhandensein kein Zweifel ist, stets, nicht nur in den aufgezählten, diagnostisch schwierigen Fällen Unreinheit bedingt. Der Schlußsatz des ganzen Gesetzes faßt das dann noch einmal zusammen: „der ^aru'a, an dem der neg'a ist, soll den und den Beschränkungen unterliegen“, d. h. jeder zweifellos mit der Krankheit Behaftete. Bei der Tragweite der Diagnose wird man ein endgiltiges Urteil trotzdem dem Sachverständigen überlassen haben, in diesem Falle den Priestern, denen die Schrift an anderer Stelle die Aufgabe zuweist, daß nach ihrem Ausspruch entschieden werden soll jeder Streit und jeder nega (Dt. 21, 5).
Noch einer zweiten Meinung möchte ich hier entgegentreten, die namentlich von Seiten der Theologen wiederholt ausgesprochen worden ist, als solle das ganze 9 araath-Capitel nur allegorisch aufgefaßt werden, als habe die Schrift nur von einem „Aussatz der Seele“ reden wollen. Verlangt man nur, daß eine solche
*) Münch: Die zaraath (Lepra) der hebräischen Bibel. Hamburg und Leipzig 1893.
2 ) 3bid., pag. 48.