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SA'ADJA ben JOSEF, *Gaon zu *Sura, geb. 882 n. in Dilaz im Bezirk Fajjum (Oberägypten; vgl. Art. Pitom), gest. 942 in Sura, eine der uni­versalsten Gestalten im j. Geistesleben der nach- talmudiscben Zeit. Tief in der arabischen Bildung seines Kulturkreises wurzelnd, zugleich aber als praktischer Organisator wie als bahnbrechender geistiger Führer die Bedürfnisse des zeitgenössi­schen J.-tums klar erkennend, hat er nahezu alle Gebiete des wissenschaftlichen Schaffens befruch­tet, ja, entscheidend beeinflußt, in denen gerade das arabisch-j. Zeitalter geblüht hat. Auf Jhdte. hinaus das umfassendste Genie seines Volkes, durch tiefe Bibel- und Talmudkenntnis ausge­zeichnet, als Sprachgelehrter, Bibelerklärer und Übersetzer der heiligen Schriften die j. Wissen­schaft des MA's geradezu begründend, als erster der klassischen Religionsphilosophen das Pro­blem der j. * Religionsphilosophie formulierend, als Vorkämpfer des talmudisch-rabbinischen Le­benssystems die gerade damals seitens der *Ka- räer bedenklich drohende Gefahr siegreich ab­wehrend, als Verteidiger der Integrität der hei­ligen Schrift Zersetzungsbestrebungen überwin­dend, darf er wohl als die große Persönlichkeit an der Pforte der j.-arabischen Kulturperiode gelten. Er wurde von einheimischen Lehrern in den Lehren des J.-tums und in der arab. Sprach­wissenschaft wie auch in der philosophierenden Theologie ausgebildet und verfaßte bereits im Jugendalter eine gediegene und geschickte Streit­schrift gegen die Karäer, ein Lexikon der hebr. Sprache und eine hebr. Grammatik (Sefer ha- agron), Werke, die ihn zum Vater der hebr. Sprachwissenschaft gemacht haben. Später zog S. nach Palästina und genoß dort den Unterricht der maßgebendsten Gelehrten jener Zeit. Nach der Heimat zurückgekehrt, schuf er sich einen Kreis von Schülern und entwickelte auch eine rege lite­rarische Tätigkeit, namentlich auf dem Gebiete der Bibelforschung und -Übersetzung und des tal­mudischen Rechtes. Um 920 ging er wieder nach

dem Osten und wurde von der Hochschule in *Sura obwohl Fremder und nicht der eigent­lichen Gelehrtenhierarchie angehörend als Mit­glied des Ältestenausschusses (Alluf, Resch kalla) aufgenommen. Er fand das babylonische J.-tum in großer Desorganisation. Die Hochschule in Sura führte ein Schattendasein, die andere Hochschule in *Pumbedita war von inneren Kämpfen durch­wühlt und gleichzeitig von zwei Gaonen geleitet (vgl. *Kohen-Zedek bar Josef). Dies machte sich der Gaon der jungen Hochschule in Palästina (Jerusalem), Ben Me'ir, zu Nutze und wollte von den babyl. Hochschulen die Anerkennung des Primates seiner Akademie erzwingen. Er trat Ende 921 mit einer * Kalenderreform auf, kraft deren er die ordnungsmäßigen Feste für andert­halb Jahre (*Pessach 922 bis *Sukkot 923) um zwei Tage zurückzuverlegen befahl. Das war eine starke Kraftprobe, bei der es sich für Ben Me'ir auch um die Wiederherstellung der z. Zt. der ^Patriarchen Palästinas üblichen Sanktion des Festkalenders durch die Zentralbehörde des palästinensischen J.-tums handelte. Ein Teil der babyl. J.-schaft gehorchte seinen Weisungen, der andere Teil, mit dem Exilarchen *David b. Sakkaj und Kohen-Zedek aus Pumbedita an der Spitze, wollte von der Kalenderreform nichts wissen. Dieser Partei schloß sich S. als Wortführer an und verfaßte mehrere Streitschriften gegen Ben Me*ir. Trotzdem wurde das Pessachfest 922 in vielen Gemeinden, auch Babyloniens, nach der Anordnung Ben Me-irs gefeiert, während die anderen Gemeinden sich an den überlieferten Kalender hielten. S. rastete nicht, sandte eine ganze Reihe von Sendschreiben in die verschie­denen Gemeinden und scheint es dahin gebracht zu haben, daß Ben Me'ir seine Kalenderreform zurückziehen mußte. Dadurch machte sich S. um die Wiederherstellung der Einheit im J.- tume, wie auch um die Rettung der Würde des babyl. J.-tums verdient. Um jene Zeit verfaßte er auch eine polemische Schrift (in hebr. Versen)

Jüdisches Lexikon, Bd. V.

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