Immanuel Romi
In der Weltliteratur ragt Dantes Göttliche Komödie wie ein Montsalwatsch in einsamer Höhe empor. Mehr noch als durch das gewaltige Ausmaß seines prachtvollen Baues wirkt dieses Werk durch seine Einmaligkeit unheimlich groß und unnahbar fern.
Dantes Schöpfung ist einmalig, selbst im Hinblick auf die Vergangenheit. Wer nicht kritiklos Jenseitsschilderung mit Jenseitsdichtung gleichsetzt, muß schon mindestens ein Jahrtausend überspringen, um einer Jenseitsdichtung zu begegnen. Aber selbst Homers wundervolle Schilderung von Odysseus’ Hadesfahrt und die von Vergil beschriebene Reise des Äneas in die Unterwelt verhalten sich zu Dantes Göttlicher Komödie doch nur wie (freilich vollendet meisterhaft ausgeführte) Miniatmbilder zu einem Riesengemälde. So kann man wohl sagen: Vorbilder hat Dante wohl gehabt, aber keine Vorläufer; erklärlicherweise auch keine Nachfahren. Nach Dante hat kein Dichter es mehr gewagt, in die Himmelshöhen hinauf- und in die Erdentiefe hinunterzusteigen.
Um so merkwürdiger ist es, daß gerade ein hebräischer Dichter, ein Landsmann und Zeitgenosse Dantes, nach dem Vorbild der Göttlichen Komödie eine Jenseits-
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