Baruch de Spinöza

Überall, wo das Judentum in Freiheit sich erneuert, pulst das jüdische Leben in hörbarer Lebendigkeit. Im siebzehnten Jahrhundert pulste es in der Amsterdamer jüdischen Gemeinde stark und starker als sonstwo in einem Judenort der Welt, denn hier, in Amsterdam, hatte sich eine Erneuerung des Judentums von Grund aus vollzogen: hier lebten im wortwörtlichen Sinne neue Juden auf freiheitlicher Erde.

Ln freien, gastlichen Holland hatten sich viele Portu­giesen, Nachkommen der Marannen, ansässig gemacht. Ihre Vorfahren hatten ein Jahrhundert lang ein von der Inquisition erzwungenes und von deren Schergen über­wachtes Christenleben geführt, im Innersten jedoch, in einem Herzenswinkel, wohin das Späherauge nicht dringen konnte, ihrem angestammten Glauben die Treue gewahrt. Diese Söhne und Enkel von Scheinchristen waren nun nach Holland eingewandert, um hier die Rückkehr zum Judentum zu vollziehen. Diese Söhne und Enkel waren, eigentlich keine Scheinchristen mehr gewesen, denn sie hatten das Christentum nicht angenommen, sie waren vielmehr darein geboren und darin erzogen, aber sie empfanden es trotzdem als etwas von aufien Erzwungenes,

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