Elieser Ben Jehuda
Eine tote Sprache, etwa wie das alte Latein, ist Hebräisch nie gewesen. Das beweist schon der Umstand, daß die hebräische Sprache sich im Laufe der Jahrhunderte stetig entwickelt hat. Sie ist dem Gesetze des Alterns, auf das keine Verjüngung folgt, nie anheimgefallen; ihr drohte auch nie die Gefahr, völlig in Vergessenheit zu geraten. Und mochte sie auch in manchen Zeiten oder in manchen Ländern Stillstehen, eine kleine Gemeinde fand sich immer, die sie liebevoll hegte und pflegte.
Jeder Stillstand, der sich in der Entwicklung der hebräischen Sprache feststellen läßt, war nur vorübergehend. Auf jeden Niedergang folgte mit fast natumot- wendiger Gesetzmäßigkeit ein Aufschwung. War sie zeitweilig vornehmlich zu einer Iiteratursprache „erhoben“ worden, so hatte sie dennoch nie ganz aufgehört, ihren Einfluß auf die geistige und kulturelle Entwicklung der Juden auszuüben.
Nein, die hebräische Sprache ist während des ganzen zweitausendjährigen Verlaufs der Judenzerstreuung nicht tot gewesen — nicht einmal mundtot. Sie hat stets in Schrift und Wort (auch in Wort!) ein höchst eigenartiges Dasein geführt. In jüdischen Gelehrtenkreisen war der
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