Mcndele Modier Sforim

Was Jiddisch ist, weiß heute ein jeder. Die jiddische Sprache hat sich aus jener jüdisch-deutschen Mundart ent­wickelt, die von den im Mittelalter aus Deutschland ver­triebenen Juden nach den slawischen Ländern verpflanzt wurde.

Jiddisch, früher Jüdisch-Deutsch, später fälschlich Jargon geheißen, ist nie ein rein deutscher Dialekt ge­wesen; eine große Zahl von Hebraismen war immer in ihm vorhanden, später kamen noch' slawische Sprach- brocken hinzu. Die slawischen Bestandteile im Jiddischen dürften kaum einen größem Umfang haben als die fran­zösischen in der deutschen Sprache. Aber von hebräischen Worten wimmelt es in der richtigen Ghettosprache. Be­sonders groß ist die Anzahl von Hauptwörtern, die hebräischen Ursprungs sind. Dagegen weisen Wortbeugung und Zeitabwandlung fast ausschließlich deutsche Formen auf. Diese Verschmelzung des Hebräischen mit dem Deut­schen bewirkt eine gewisse Geschmeidigkeit in den Aus­drucksformen, eine zwanglose Aneinanderreihung von Ge­danken, eine Beweglichkeit im Stil, wie wir sie selten in einer andern Sprache finden. Von Regeln der Grammatik unbelastet, bewegt sich diese Sprache leicht und frei;

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