Hermann Heijermans
Die Ahnen der Ghettogeschichte schilderten das Ghettoleben mit Liebe und Pietät; sie sahen wohl den faustdicken Dunstkreis, in den die „Gasse“ gehüllt war, aber sie spähten aus nach dem Lichtstrahl, der die Dunkelheiten erhellte. Sie hafteten nicht am Äußern, sie sahen das Kahle und Abgestorbene nicht, das vor ihrem Auge lag, sie suchten vielmehr in der Finsternis das Licht und das Schöne im äußerlich Häßlichen.
Spät, sehr spät, drang auch der Naturalismus in die „Judengasse“ ein. Die naturalistischen Ghettoschilderer drehten den Spieß um; sie blieben in ihrer fanatisch naturalistischen Einseitigkeit bloß am Äußern haften und ließen alles Seelische, sozusagen die innere Gestalt, die sich in allen Lebenslagen nicht verleugnet, völlig außer acht. Sie arbeiteten mit viel Kunstverstand, aber ohne seelische Verbundenheit. Und waren mitunter hartherziger als die Wirklichkeit.
Unter den naturalistischen Ghettoschilderem der erste und wohl auch der bedeutendste war — Hermann Heijer- mans.
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