EINLEITUNG
1. Die jüdische Literatur nach Inhalt und Umfang begrifflich genau zu bestimmen und abzugrenzen, bietet einige Schwierigkeiten. Es erscheint vor allem notwendig, die jüdische Literatur nicht nach den Literaturen anderer Sprachen zu beurteilen, wie es überhaupt vieles in der Geschichte des jüdischen Volkes und im Judentum gibt, für das man keine Analogie findet. Wenn wir beispielsweise von der Geschichte der deutschen, französischen oder englischen Literatur sprechen wollen, so werden wir davon alles ausschließen, was in diesen Literaturen nicht original ist, sondern in sie durch Uebersetzungen aus anderen Sprachen aufgenommen wurde. Es mag dabei manche Ausnahme obwalten, so wenn man z. B. die deutsche Shakespeare-Uebersetzung, die auf die Entwicklung der modernen deutschen Literatur von größtem Einfluß war, mit in deren geschichtliche Darstellung hineinzieht. Andrerseits schließt jedoch jede Literaturgeschichte die Behandlung streng wissenschaftlicher Schriften als nicht zur eigentlichen Literatur gehörend aus. Man wird vielleicht in einer umfassenden Literaturgeschichte philosophische oder geschichtliche Werke behandeln, soweit sie das literarische Leben und die literarischen Schöpfungen gefördert haben und so einen Teil der Nationalliteratur bilden. Hingegen wird man zweifellos von der Behandlung Lehrbücher der Medizin, der Chemie, der Astronomie, der Mathematik usw. ausschließen, da diese in die Geschichte der Wissenschaften gehören.
