ACHTES KAPITEL
Die palästinischen Apokryphen
Um 110—120 n. Chr. wurde in Jabne (Jamnia) die letzte Gruppe der biblischen Schriften und damit der ganze Kanon abgeschlossen. Bei manchen Büchern wurden indes Bedenken gegen ihre Aufnahme laut. Eine Anzahl Schriften wurde in der Tat ausgeschlossen, oder wie der technische Ausdruck lautete, „versteckt“ (ganas). Diesem Wort entspricht das griechische Wort apokryph. Von diesem Schicksal sind zumeist Bücher betroffen worden, deren Inhalt nicht allzu hoch bewertet werden darf, aber allerdings auch einige, deren Ausschließung man bedauern muß. Für die Kenntnis der hebräischen Sprache bedeutet dies jedenfalls einen Verlust. Von den in Rede stehenden Schriften, die ursprünglich hebräisch, in wenigen Fällen aramäisch geschrieben waren, sind nur noch geringfügige Reste in der letzten Zeit in der Ursprache aufgefunden worden. Sonst aber sind sie uns in griechischer bzw. syrischer, äthiopischer, lateinischer oder altslawischer Übersetzung erhalten geblieben. Der Umfang des apokryphischen Schrifttums, von dem in älterer Zeit viel mehr bekannt war als jetzt, kann für die Gegenwart noch nicht als abgeschlossen gelten. So wurden erst im Jahre 1909 die „Oden Salomos”, die handschriftlich in syrischer Übersetzung aufgefunden worden sind, allgemein bekannt.
Da die meisten apokryphischen Schriften nur dadurch der Vernichtung entgangen sind, daß sich Christ-
