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Das dogmafreir I«der»th«m.

Das dogmafreie Judenthum fordert keinen Glauben an irgend eine Autorität, es gestattet jedem Alles seiner Prüfung zu unterwerfen, und was sich als falsch erweist, oder was nicht ver­standen werden kann, das muss nicht angenommen werden. Wie könnte es auch verlangen, Autoritäten früherer Zeiten ohne Prüfung anerkennen, da dieselben unserer Zell au Bildung, Wissenschaft und Erfahrung nachstehen.

Das dogmafreie Judenthum fordert nicht den Glauben an die Autorität der talmudischen und rabbinischen Lehrer, auch die Bibel besitzt keine unbedingte Autorität für den, dem sie als über­natürliche, göttliche Offenbarung einfach unverständlich ist. Denn sie erscheint Vielen als directe göttliche Offenbarung unverständlich, weil sie in Widerspruch steht mit der Naturwissenschaft, sie erscheint unverständlich, weil sie in Widerspruch steht mit der Geschichte, sie erscheint endlich auch unverständlich, weil die Bibelkritik Wider­sprüche in ihr selbst entdeckte. Und die Bibelkritik ist keine Spiegel­fechterei, sondern in ihrem praktisch rein negativem Theil, auf welchen es hier ankommt, eine auf Thatsachen gegründete Er­fahrungswissenschaft.

Das dogmafreie Judenthum hat wissenschaftlich die Motive der meisten Religionsvorschriften klargelegt, bei den andern den Weg gezeigt, wo die Motive zu suchen sind, und dabei fand sich als der Zweck aller Gebote und Verbote: die Stillung des religiösen Bedürfnisses.

Hier ist der Punkt, wo das selbstbewußte Judenthum ansetzen muss. Denn mögen die Motive der Einsetzung der Vorschriften welche immer gewesen sein: Opposition gegen andere Religionen, juristische Spitzfindigkeit, die Härte der Zeit der Motive giebts vielleicht fast so viele als Vorschriftenalle Vorschriften haben jedoch nur einen Zweck. Die Motive^entstehen in ihrer Zeit und vergehen