Die Forderungen der Gegenwart an die Jüdisdie WoMiahrfspiiege.

Von S. W r o n s k y - B e r l i n

Die Wohlfahrtspflege ist zu allen Zeiten ein Ergebnis der Lebenserscheinungen der einzelnen Epochen gewesen. Sie spiegelt inhaltlich all die Kräfte wider, die lebensfördernd und gestaltend sich jeweilig auswirkten und gibt sich selbst in währendem Wechsel Bildung und Form.

Wir finden sie am reinsten zu Zeiten, wo urwüchsige Kraft die Jugendzeit eines werdenden Volkes durchflutet; erleben ihre feinste individuelle Gestaltung, wenn reich gereifte Kultur zur breitesten Entfaltung drängt und suchen in anscheinend frucht­loser Qual nach ihrem Ausdruck in der dunklen unbewußten Ge­staltung formloser Uebergangszeit.

Unser ist es, aus dem Werden und Entstehen dem Kern Gestalt und Form, dem wachsenden Keime Richtung und Halt zu geben.

Das Wesen des Uebergangs kennzeichnet mehr denn je die Zeit, die unser Leben umfaßt, ihm Rythmus und Ziel verleiht. Aus dem wirbelnden Chaos, in dem Zellen einer in Trümmer zerschlagenen Welt sich vergebens zu paaren suchen, scheint noch nichts sichtbare Gestalt angenommen zu haben. Ünd doch spüren wir den Wind Gottes über den Wassern und aus dem starken Sturm wird das leise Säuseln der Offenbarung von der wunderbaren Lebensfülle, die durch das jüdische Blut mit erneuter Kraft rollt. Und wir werden mit frohem Staunen inne, daß in uns schöpferische Keime zum Leben erwachen, die zu kraftvoller und reiner Tat drängen, wo eine Umwelt tastend und kämpfend und verzagend vor immer neuem Mißlingen steht.

Aber in der heißen Glückseligkeit der Erkenntnis des Zu­sammenhangs mit dem Urewigen überkommt uns zwingend das Gefühl der Verantwortung in einem Augenblick der Geschichte,