Die Not unserer Waisen-und ErzieUnngsänsiaUen.
Von Emil W a 1 d s t e i n , Breslau.
„Not der Waisen- und Erziehungshäuser“, wie das Thema unserer jetzigen Verhandlung lautet, ist kein festumrissener, ist kein eindeutiger Begriff. Die Worte können mancherlei, und sogar recht gegensätzliches bezeichnen. So sah man vor Jahren in der abnehmenden Pfleglingszahl der Heime eine Not derselben heranschleichen, insbesondere der Waisenhäuser; man befürchtete, daß demnächst sozusagen — der Betriebsstoff ausgegangen sein wird.
Wir stehen heut unter ähnlicher Furcht, nur beschlich sie uns vom entgegensetzten Wege her, und mehr auch sonst noch, es ist nicht bei der Furcht verblieben, die Not selbst ist uns nahegekommen, ganz nahe, körperlich, mit recht fühlbarem Druck. Auf der Tagung einer Zentralwohlfahrtsstelle, die sich mit Heilung gesellschaftlicher Gebrechen und Leiden berufsmäßig befaßt, darf man die Kenntnis der Art dieser Not ohne weiteres voraussetzen. Sie auszumalen und zu begründen, wird sich erübrigen.
Einige Zahlen in ihrer Zusammenstellung werden aber auch die Kenner interessieren. Und da sei gesagt:
Im Reichenheimschen Waisenhaus in Berlin waren 1913 und 1920 die Verpflegungskosten 18000 und 50000 Mk , die Gehälter 18000 und 30000 Mk., wobei dort auf noch bedeutende Mehrkosten gerechnet wird.
Frankfurt a. Main hat bei 30 belegten Betten 1913 19200 Mk. gebraucht, 1920 bei nur 19 Betten 55500 Mlc.
Diez a. d. Lahn verpflegte 1913 40 Kinder, 1920 nur 30. Die Kosten aber betrugen 1913 12000Mk., 1920 90000 Mk.
Eine Breslauer Anstalt hat im Vorjahr weit über 50000 Mk. des Kapitals zugezehrt, in diesem Jahre wird der Kapitalabgang 100000 Mk. stark übersteigen.