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Aber nicht allein die jüdischen Originalrezepte ftnb ^ es, denen die Verfasserin ihre besondere Sorgfalt zuwendet. Wie die ganze Auf­fassung des modernen Lebens eine andere geworden ist, wie früher fest­gewurzelte Gewohnheiten und Gepflogenheiten sich verändert und gesteigert haben und alles vorangeschritten ist, so ist es in nicht geringem Maße mit der Küche und der Kochkunst der Fall. Man ißt jetzt viel besser wie früher und der mit allen Nerven angespannte Mensch der heutigen Zeit verlangt auch von seiner Nahrung eine Verfeinerung und die Fähigkeit des angenehmen und anregenden Wechsels, dem gegenüber das gemächliche Weitergehen aus gewohntem Wege nicht mehr ausreicht. Und diesem wachsenden Bedürfnis nach Ausbreitung, Erweiterung und Verfeinerung möchte die Verfasserin dieses Kochbuches nach Möglichkeit entgegenkommen. In über 3700 Rezepten behandelt sie die einfache Hausmannsküche so gut wie den festlichen Tisch, jedes Gericht in den verschiedensten Arten der Zubereitung angebend, in Rücksicht auf die verschiedenen Geschmacksrichtungen und je nachdem man die Mittel dafür verwenden kann und will. Sie bespricht alles, was in das Ge­biet der Gastronomie gehört. Sie sucht der sachgemäßen Behandlung von Fleisch, Geflügel, Fischen, Suppen, Salaten, Kompotten, Saucen, Gemüsen, eleganten Vorspeisen und seinen Desserts rc. die gleiche Gründ­lichkeit und Mannigfaltigkeit angedeihen zu lassen wie den altjüdischen Originalspeisen; der einfachen, sparsamen Hausmannsküche, die gleiche gründliche und vielfältige Besprechung wie den modernen Arten der Konservierung von Obst, den Gemüsen, pikanten Saucen und Beilagen; sie bringt für die Herstellung von feinen Teigen, Pasteten, jeder Sorte von feinem Backwerk, eine ebensolch ausreichende Menge von Rezepten, wie für Puddinge, Gefrorenes, feine Getränke, Liköre und sonstige Delikatessen.

Und im besondern sind es die neuen Erzeugnisse der Chemie und des Handels, auf deren größere Heranziehung in den Bereich der jüdischen Küche sie verweist; sie wird sich damit gewiß den Dank vieler erwerben, die hierdurch angeregt, sich diese Bequemlichkeiten zu Nutzen machen. Es handelt sich um die mancherlei noch unbekannten und rituell vollkommen erlaubten Extrakte, die vorzüglichen, verschiedenen Koscherkäse, das neuere, ganz neutrale Fett Palmin, ein Präparat aus Kokosnuß, sehr fettreich und zu mancherlei zu verwenden, ferner­hin (an Stelle der in jüdisch-orthodoxen Kreisen nicht zulässigen, chemisch reinen Gelatine und der Hausenblase) die Pflanzenart Agar-Agar, mit welcher man kalte gestürzte Puddinge und Cremes vortrefflich zubereiten kann. Zu allem liefert sie genaue Rezepte in reicher Auswahl und für alle Verhältnisse, in möglichst klarer Darstellung geschrieben, so daß selbst Ungeübtere, wenn sie einigermaßen Talent und Sinn für das Kochen haben, dieselben leicht aussühren können, der geübten und praktisch erfahrenen Hausfrau oder Köchin jedoch, das Buch mit der Zeit bei­nahe unentbehrlich werden wird. Zwar sind die einfachsten Kochkennt- niffe hier, wie in jedem andern Kochbuch vorausgesetzt, aber es ist die Übung, die den Meister macht, und wie kein anderes Sprichwort trifft auch dies beim Kochen zu; denn aus einem Kochbuch allein, und sei