VII. Kapitel.

Die Wildtierbilder und deren Beziehung zu

der westlichen

Hochlandkultur.

Bei einer so großen Anzahl von Bildern, wie die Fezzaner Galerien sie bieten, müssen sich wesent­liche Stilunterschiede auchhistorischer Natur nachweisen lassen, wenn deren Entstehung in der Tat durch lange Zeiten hindurch und unter Einwirkung von verschiedenen Seiten her erfolgte. Gerade die Annahme, daß solche Einwirkung von verschiedenen Seiten her erfolgte, muß es uns nahelegen, nachzuforschen, ob sich in solcher Richtung, wenn auch in ferner gelegenen Gebieten, etwa verwandte Kunstformen auffinden und zum Vergleich heranziehen lassen. Im vorigen Ab­schnitt sahen wir nun die Möglichkeit, einer Gliederung von Stilformen der Fezzaner Kunst nicht nur nach Perioden, sondern auch nach Raumzugehörigkeit nachzugehen. Die älteren Wildtier­bilder ließen auf eine Jagdkultur und eine auf den westlichen Hochländern beheimatete Bevölke­rung als Urheber schließen, dagegen die Haustierbilder auf Völker der östlichen Tiefebene und eine Weidekultur. Damit sind wir wieder bei Tatsachen und einer Unterschiedlichkeit angelangt, die beide im ersten Abschnitt des ersten Kapitels dieses Buches den Ausgang der gesamten Be­trachtung gewährten. Halten wir in den gegebenen Richtungen Ausschau, so stoßen wir auf die beiden bedeutenden Tatsachenbereiche: im Westen auf die Felsbildergalerien der mauretanischen Hochländer des Saharaatlas und im Osten auf die der Libyschen Wüste, der Tiefebene des Nils, Ägyptens und der Nubischen Wüste.

Die erste Frage wäre also, ob sich Stilverwandtschaften zwischen den Wildtierbildern Fezzans und jenen des Saharaatlas nachweisen lassen. Die Untersuchung mag begonnen werden, indem auf Seite 29 die Zeichnungen unseres großen Bubalus von Tel Issaghen I und eines solchen vom Saharaatlas (Ksar Amar) wiedergegeben werden (Fig. 13/14). Derartige Bubalusdarstellungen sind unter den prähistorischen Felsbildern des Saharaatlas verhältnismäßig selten. Meine Mit­arbeiter haben die von Ksar Amar, Enfouss und Ain Safsaf aufnehmen können (vgl.Hadschra Maktuba Taf. 123, 124, 125, 142, 156). Sie gehören dort zu den größten Werken und haben ein Bildlängsmaß von 1,5 bis gegen 3 m, während unser Fezzaner Prunkstück nur ein solches von wenig über 1 m hat. Wenn aber von diesem Größenunterschied und einer anderen wichtigen Abweichung in der Technik, auf die sogleich einzugehen ist, abgesehen wird, tritt demgegenüber eine Stilüber­einstimmung hervor, die in Anbetracht der großen Entfernung zwischen den beiden Regionen (über 1200 km) geradezu verblüffend ist. In beiden Stilen sind die Bubalusse mit frontal gesehenen Hörnern bei sonst konzentrierter Profildarstellung wiedergegeben. Leib und Kopf sindmassig, die Beinform steht geschlossen zusammengefaßt, wenn nicht überhaupt nur 2 statt 4 Beine in Be­tracht gezogen sind. Die Übereinstimmung erstreckt sich bis auf eine sehr beachtenswerte Einzel­heit: Auch der Schwanz hat dem Bestreben nach Konzentration Folge geleistet, er ragt nicht, wie

4 Ekade Ektab.

27