dementes auf kolonialer Erde eine ziemlich weitgesteckte Perspektive eröffnet. 2,400,000 Hektar fQr Weisse nutzbares Land sind insgesamt in den von der Kommission besuchten Gebieten in Deutsch-Ostafrika festgesteltt worden; hiervon mindestens 1,520,000 ha für die dauernde Besiedlung durch Landwirte geeignet. Und trotzdem sind die wichtigen Einzelheiten dieses Berichteseine solange Zeit der Allgemeinheit vorenthalten worden! Selbstverständlich hat diese Verzögerung' sehr viel dazu beigetragen,dassdieöffentlicheAufmerksamkeit für die ostafrikanische Besiedlungsfrage in der Zwischenzeit wesentlich abgelenkt und das Interesse in landwirtschaftlichen Kreisen vielfach auf andere Kolonien abgelenkt worden ist. Besonders alle die fürFörderung der Besiedelungeintretenden Kolo nialfreunde, die mit besonderer Erwartung des Mate- rialesharrten.dasdiesegrosszügige, mit bedeutendem Geldaufwand amtlich durckgeführte Erkundungsreise auf alle Fälle zu Tage fördern musste, haben dasErscheinendesBerichtessolangeschwervermisst. Wenn es wirklich der Zweck dieses gewiss sehr eigenartigen Verfahrens gewesen sein sollte, eine Hintanhaltung und Lähmung der auf Deutsch- Ostafrika gerichteten Besiedelungsbestrebungen zu erzielen, so ist er sehr zielsicher erreicht worden. Die oben angeführten letzten Aeusserungen des ehemaligen Staatssekretärs, lassen eine solche Annahme sicherlich auch sehr gerechtfertigt erscheinen. Ob Herr Dernburg trotz seiner, dem Urteile so hervorragender Fachleute gegensätzlichen persönlichen Meinung über das Besiedelungs-Problem, durch die beliebte Praxis, wirklich der kolonialen Sache einen guten Dienst erwiesen hat, wagen wir sehr zu bezweifeln. Nach unserem Dafürhalten wäre es vielmehr das einzig Richtige gewesen, einen derartigen bedeutungsvollen Bericht einer amtlich eingesetzten Kommission, ohne Rücksicht auf gegenstehende persönliche Meinungen unverzüglich und unverkürzt in möglichster Eile der Oeffentlich- keit zu übergeben. Unserer Auffassung nach wäre hierdurch auch der mühevollen Arbeit Herrn v. Lindequists und seiner wissenschaftlichen wie fachmännischen Berater die richtige Behandlung widerfahren sein. Herr v. Lindequist und seine Mitarbeiter haben sich auf alle Fälle durch die Lösung der ihnen übertragenen Aufgabe einen Anspruch auf Dank und Anerkennung seitens des Kolonistentums erworben. Denn dass die jetzt endlich erfolgte Veröffentlichung des Kommissionsberichtes eine sehr bedeutsame Belebung des ostafrikanischen Besicdelungsgedankens herbeigeführt, das zeigen uns allenthalben die in diesem Zusammenhänge in der heimischen an kolonialen Fragen interessierten Presse jetzt merkbar werdenden Wirkungen dieser Publikation, von wel
chen wir nur aufrichtig wünschen wollen, dass sie sich, dem Resultate der Erkundungs-Expedition entsprechend, zu einer wirklich grosszügigen oraktischen Inangriffnahme der Besiedeturfg Deutsch-Ostafrikas verdichten mögen. Besonders erfreulich und wünschenswert würde es uns erscheinen, wenn Herr v. Lindequist in eigener Person auf diesem wichtigen Gebiete kolonialer Arbeit in Deutsch-Ostafrika auch weiterhin die Initiative und Führung zu praktischen Zielen zu ergreifen geneigt wäre! Dass in den leitenden, ausseramtlichen kolonialen Kreisen zur Zeit wieder ein tiefernstes Interesse für diese Sache vorhanden ist, das zeigen uns die auch hier mit Dank zu begrüssenden Worte, denen Herzog Johann Alb- recht von Meklenburg in der Wanderversammlung der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft in Harzburg am 10. Juni d. Js. Ausdruck verliehen hat, an weicher Tagung auch Herr v. Lindequist tätigen Anteil genommen. Wir wollen sie zum Schlüsse hier zum Abdruck bringen, weil sie selbstvertändlich, wenn auch unausgesprochen, eine absolute Verurteilung der Dernburg’schen Anschauungen und seiner Kolonisten- und ansiedelungsfeindlichen Massnahmen enthalten, als welche wir auch die Verzögerung der Veröffentlichung des Lindequist- schcn Kommissionsberichtes wohl oder Übel an- sehen müssen.
„Denn auf der Arbeit des deutschen Landwirts, wie sie ihn nun nennen wollen: Farmer, Viehzüchter oder sonstwie, auf dieser Arbeit und auf der Sesshaftmachung derdeutscheriFamilie draussen, des deutschen Bauern vom kleinsten bis zum grössten hinauf , beruht die Zukunft unserer Kolonien und die Sicherheit, dass sie deutscher Besitz bleiben !“
Ueber Kontrakte in Deutsch-Ostafrika und ihre Verpflichtungen.
Etwas für heimische Direktionen.
Die von den heimischen Direktionen mit ihren europäischen Angestellten abgeschlossenen Verträge nehmen zuweilen eine Gestalt an, die man mit Recht als unfair bezeichnen muss. Es ist selbstverständlich, dass sich die betreffende Unternehmung in dem abzuschliessenden Vertrage schützen muss. Aber ebenso selbstverständlich muss es sein, dass der andere Teil in gleicher Weise geschützt ist; dass ihm also für seine Ver
pflichtungen faire Vergünstigungen gegeuflber- stehen. Und da ist es, wie wir aus einem uns vorgelegten Kontrakt entnehmen, manchmal schlecht für den Angestellten bestellt.
So geht aus dem uns vorliegenden Vertrage hervor*), dass dem Angestellten im Falle eines achttägigen Krankseins das halbe Gehalt gekürzt wird. Wird der arme Teufel aber 8 Wochen krank, dann ist er eo ipso entlassen und bekommt die Rückreise nur in dem Falle bezahlt, wenn er ohne Verzug vom Bett aus sich auf den Dampfer begibt. Hilfreich sei der Mensch! Wenn aber die Krankheit desBeamten durch ein sei es auch noch so kleines Verschulden seinerseits (z. B. zu frühes Aufstehen aus dem Krankenbette o dgl.) verursacht ist, so fliegt der betreffende Beamte ohne einen Pfennig Vergütung für Gehalt und Heimreise p.p. Wir möchten unsere Regierung ganz besonders auf solche Dinge aufmerksam machen, da sie dazu angetan sind, die im Gou- vemementsrat bezüglich der Kontrolle der Einwanderung von allen Seiten gestellten Wünsche und Forderungen illusorisch zu machen und geeignet sind, der Entstehung eines weissen Proletariats in der Kolonie Vorschub zu leisten, was durchaus nicht im Interesse der Kolonie liegen würde, wie wohl jedermann zugeben wird. Will nach dem qu. Vertrag der Beamte einen Arzt konsultieren, so muss er erst um Erlaubnis fragen und damit den Nachweis bringen, dass er nicht gesundheitswidrig gelebt hat. Sonst fliegt er wieder und kann Kohlentrimmer-Klasse nach hause fahren. Die Kohlentrimmer-Klasse bekommt er aber in dem letzteren Falle auch nur dann gezahlt, wenn er unverzüglich den nächsten Dampfer nimmt. Und was da noch sonst an negativen Vergünstigungen in dem Vertrage enthalten ist!
Wir geben diese Dinge wieder mit dem besonderen Wunsche, dass die heimische Presse auf sie mit dem entsprechenden Nachdruck hinweise, damit nicht junge Unkundige, in ihrem stürmischen Verlangen, nach den Kolonien zu kommen, bittere Enttäuschungen erleben. Gerade in einem Lande, das die Möglichkeit des Krankseins in einzelnen Gegenden weit bedeutender in sich birgt als Deutschland, sind Dinge, wie sie in jenem Vertrage stehen, Ungeheuerlichkeiten. Es muss im Interesse des Prestiges der Europäer immer und immer darauf hingewiesen werden, dass eine Einwanderung von Deutschen in Deutsch-Ostafrika nicht noch dem alten, nord- amerikanischen Rezept erfolgen kann, wonach der
•) Wir haben übrigens schon andere ähnliche hier, und vor Jahren einmal einen Vertrag gesehen, den eine Kameruner Gesellschaft mit ihren europäischen Angestellten geschlossen hatte, der ganz gleich war.
I Feuilleton \
Der „Dynamit-Feldwebel“.
Unser Polizei-Unteroffizier D. war, wie man so zu sagen pflegt, ein fixer Kerl. Er war geradezu ein Muster dieser besonderen Art von Kolonialmenschen, die vor allem in früherer Zeit anz gewiss einen bedeutsamen Faktor der ulturellen Landeserschliessung bildeten. Seit der Neuorganisierung der Zivilverwaltung und der Schutztruppe die nach dem letzten Aufstande in Deutsch-Ostafrika zur Durchführung gelangt ist, sind die Anforderungen, welche an die korrespondierenden Beamten der Kaiserlichen Lokalbehörden, die heutigen Polizei-Wachtmeister, gestellt werden, ja wesentlich andere geworden. Auch die allgemeinen Verhältnisse im Lande haben sich seitdem ganz gewaltig verändert. Von den letzten sechs Jahren ist ein jedes Jahr hinsichtlich seiner Kulturwirkung, geradezu je einem Jahrhundert gleich zu stellen. Die „gute, alte Zeit M ist unwiderbringlich dahin; sie trug auch hier die Merkmale schlichtester Einfachheit, göttlicher Einfalt und urwüchsiger Robustheit an sich. Man braucht ihr gewiss nicht nachzuweinen, aber sie bürgt doch Erinnerungen lehrreicher, wie unterhaltsamer Art.
Jeder Bezirksamtmann und Stationschef war in jener Zeit, da der Mangel an kulturfördernden Kommunikationen in seiner Hinderniswirkung auf eine rationelle Wirtschaftsentfaltung nur noch durch den Mangel an verfügbaren Geldmitteln und an fachmännischem Personal überboten wurde, besonders im Innern, eine Art von Robinson Crusoe, auf weltenfernter Enklave, der sich in seinem Amtesreiche so gut recht wie möglich mühte, alle anderwärts längst überwundener Stadien und Formen der kulturellen Menschheitsentwicklung ganz auf eigene Faust mit seinem Land und seinen Leuten noch einmal zu durchlaufen! Erfüllt vom Vertrauen auf die eigene, mehr oder weniger ausgeprägt vorhan
dene Nacherfindungsgabe und Schöpfermacht, suchte er auf solche Weise den Anschluss an die moderne Zivilisation und die europäische Kultur zu erreichen. In diesem, auch durch „anspruchsvolle“ Pflanzer und Farmer völlig ungestörtem Ringen, Schaffen und Streben, oftmals sehr grotesker Art, ganz und gar unbeeinflusst durch die wohltätig ausgleichenden Einwirkungen, die Telegraph, Eisenbahnen und ähnliche Kulturfaktoren später dann so radikal und umwälzend hervorbrachten, in dieser abgeschlossenen Welt, da war der alte, brave Polizei-Feldwebe! ganz und gar die rechte Hand, das alles- ausführende Organ, das unentbehrlichste Faktotum des ziemlich absolut herrschenden Bezirksamtmanns. Was dieser ersann und erklügelte mit „höheren“ Geistesschwingen, auf irgendeinem Gebiete menschlicher Daseinsäusserung, durch jenen erfuhr es materielle Gestaltung. Bezirksamtmann und Polizei-Feldwebel bedeuteten so nichts weniger als die gegenseitige Ergänzung einer Persönlichkeit zu höchster kolonialer Potenz! Ein Mann von solcher Art, insofern natürlich der eine Teil solchem idealen Doppelwesen in Betracht kommt, war auch unser braver Polizei-Unteroffizier D. Er machte den besonderen Anteil des Bezirkschefs unvergessen einfach alles. Er baute Häuser, Strassen, Brücken, in technisch erstaunlicher Vollkommenheit, er legte mit reichem Erfolg gesegnete Pflanzungen und Gemüsegärten an, er besorgte nicht minder mustergiltig die Vieh- und Milchwirtschaft, regelte die Fleisch- und Wurstversorgung, die sonstige Lebensmittelzufuhr und den Marktbetrieb, und erfüllte noch tausenderlei andere verschiedenartigste Obliegenheiten, ganz nach Befehl und Wahl des Herrn Bezirksamtmanns, und alles sozusagen neben seinen eigentlichen militärischen und polizeilichen Berufspflichten auf dem Exerzierplatz und im Büro. Kurzum, unser Polizei-Feldwebel leistete Dinge und Geschäfte, für welche ihm ganz unmöglich, weder seine vormilitärische, zivile Berufsausbildung, noch seine vorafrikanische Militärdienstzeit die besondere Eignung und Befähigung verliehen haben konnten. Er war nämlich von Zivilberuf ein Schlächter und kam von der bayrischen Infanterie. So konnte man also wirklich annehmen, dass
lediglich die instruktive Einwirkung des Bezirksamtmanns eine derartig vielseitige Betätigung innerlich schlummernd gewesener Kräfte hervorgerufen. Diese Ansicht vertrat natürlich der Amtschef. Man konnte sehr leicht aber auch der Meinung sein, der anpassungsfähige Mann habe sich seine ausserordentlich grosse Verwendbarkeit für seine Stellung als Polizei-Unteroffizier, durch mehrjährige praktisch-afrikanische Erfahrungen im Dienste der Truppe erworben. Wie dem auch sei, jedenfalls war er, wie so manch* anderer seiner Berufsgenossen der alten Zeit, als alter Schutztruppen-Unteroffizier der denkbar beste Polizei-Feldwebel, selbst für den ideenreichsten und strebsamsten Bezirksamtmann! Man musste ihn nur zu nehmen wissen, und das verstand sein „Herr und Meister“ und so ging alles so
§ ut, als man es sich nur wünschen kann. Eine chwäche hat aber schliesslich jeder Mensch. Bei unserem Polizei-Feldwebel war es eine geradezu pathologisch ausgeprägte Vorliebe für — Dynamit! Es klingt das wohl ein bisschen sonderbar und in Afrika nicht gerade landläufig, bei solch’ einem „Kraftmenschen“ schliesslich aber doch nicht ganz und gar verwunderlich. Doch nicht etwa „innerlich,“ oder gar „subcutan“ wie böse Menschen natürlich sofort mutmassen würden, äusserte sich seine Schwäche für den eigenartigen Stoff, der gewöhnlich als Sprengstoff bezeichnet wird, einfach aus dem Grunde, weil man nicht ahnt, was für eine vielartige Verwendung Nobels Erfindungserzeugnis unter Umständen zu erlangen vermag, ln dieser Hinsicht der staunenden, wenn auch engbegrenzten Mitwelt die Augen geöffnet zu haben, ist eben das Verdienst unseres Polizei-Feldwebels, das nunmehr auch der Nachwelt überliefert werden soll. Denn, wenn ich oben sagte, unser Polizei-Unteroffizier machte einfach alles, so kann ich ohne wesentliche Uebertreibung noch hinzufügen, er machte alles mit Dynamit! Er war ein wahrer Ravachol des dunklen Erdteils, nur dass er die furchtbare Zerstörungskraft des weissen Pulvers in den Dienst kulturfördemder Kolonialarbeit zwang, ln allen seinen Unternehmungen spielte vor allem das Dynamit eine erste Rolle und ich muss vermuten, dass ihm die Bureauarbeit eigent-