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ROMANBEILAGE ZU
zu treffen. Aber zu ihrer bitteren Enttäuschung musste sie bald erkennen, dass es ihr nicht gelingen wollte, in Cecil Grant ein mehr als flüchtiges Interesse für sie zu wecken.
Der Kapnapoleon war nicht gerade ein Weiberfeind, aber die Frauen sollten und durften in seinem Leben keine Rolle spielen. Er wusste sein Herz und seine Sinne zu disziplinieren, und diese Disziplin hielt auch der reizenden Fürstin gegenüber stand.
Aber sie wollte das Spiel nicht verloren geben. Wollte sich diesen, gerade diesen Mann erobern.
Sie suchte ihm näher zu kommen, indem sie seine Ideen förderte wo immer sie nur konnte. Alle ihre weiten Beziehungen stellte sie in den Dienst seiner Sache, ja sie kaufte eine grosse Londoner Tageszeitung an, über welche der Kapnapoleon verfügen sollte.
Wenn es ihr auch nicht gelang, auf diesem Wege sein Herz zu erobern, so blieb sie doch in dauernder Berührung mit ihm. Sie hatte einen Vorwand, dann und wann nach dem Kap zu fahren und dort wenigstens manchmal eine Stunde mit ihm zu verplaudern.
Schliesslich gewöhnte sich Cecil Grant daran, in der Fürstin eine Figur auf dem grossen Schachbrett zu sehen, dessen Felder sein Geist beherrschte und dessen Bauern, Könige und Damen er schob, wie er wollte Und die feingebildete, glänzende Lady war es zufrieden.
Alles fand sie genial und hinreissend, was ihr Abgott ersann, befahl oder unternahm. Nichts hätte sie ihm abgeschlagen und war nur betrübt, dass er nie etwas von ihr verlangte.
Die Beziehungen zwischen den beiden so grundverschiedenen Menschen gaben der Londoner Gesellschaft ein viel erörtertes Rätsel auf.
Cecil Grant war von unscheinbarem Aeusseren, wenn nicht geradezu hässlich zu nennen. Auf dem feisten, untersetzten Körper ruhte ein plumper, unschöner Schädel. Seine Stirn war auffallend niedrig und über der kräftigen, etwas gebogenen Nase wuchsen die buschigen, schwarzen Brauen zusammen, was dem Gesicht etwas Finsteres, Unfreundliches gab. Ein kurzgeschnittener, struppiger Schnurrbart liess die aufgeworfenen, grobsinnlichen Lippen frei. Die Hände waren gross, gewöhnlich. Schön waren eigentlich nur die lebhaften, stahlharten, grauen Augen mit dem Cäsarenblick.
So scharf der Verstand dieses Mannes war, so reich und grosszügig sein Denken, so arm und unentwickelt war sein Gefühlsleben. Er war ein kaltherziger, brutaler Egoist, der die Menschen verachtete und kein Mitleid kannte. Selbst seine Freunde waren ihm nur Werkzeuge, und er schied sie in taugliche und weniger taugliche. Nur aus Berechnung schonte er, was anderen heilig war. Seine Moral war ein starkes Empfinden der Verantwortlichkeit für die grossen Aufgaben, die er sich gestellt. Diese Moral erlaubte ihm, alles niederzutreten, was sich ihm in den Weg stellte, alles auszunutzen, was ihm dienlich war die Dinge zurechtzuhämmern nach seinem Gutdünken, die Menschen zu modeln nach seinen Zwecken.
Er besass Geschmack bei absolutester Bedürfnislosigkeit. Er trank den gemeinsten Fusel ebenso gern wie den feinsten Wein. Unter den Frauen bevorzugte er das ordinärste Genre, weil es die wenigste Zeit in Anspruch nahm, und seine Zeit war ihm kostbar, sehr kostbar sogar. Man konnte leichter zehntausend Mark als eine halbstündige Unterredung von ihm erlangen. Er pflegte sich förmlich einzuspinnen in seine Entwürfe und blieb dann tagelang völlig unzugänglich. Um ihn war eine Atmosphäre grosser Einsamkeit!
Und um diesen gefühlsrohen Mann, der nichts wusste von Frauenwürde, der kein Auge hatte für Grazie und Anmut, warb Helene Koniatowska, warb mit rührender, demütiger Hingebung. Sie warf allen Stolz von sich, hätte sich ihm geschenkt selbst zu flüchtigstem Sinnenrausch.
Sie zitterte am ganzen Körper, als sie sein Auto Vorfahren hörte.. Aber sie zwang sich, ihm ruhig und kühl entgegenzutreten und begann alsbald, von der Zeitung und den politischen Neuigkeiten zu sprechen, welche ihr die Londoner Post gebracht.
Cecil Grant hörte zu, ohne sie zu unterbrechen. Dann sagte er unvermittelt, fast barsch: „Sie werden morgen nach London fahren, Helene!“
Sie zuckte schmerzlich zusammen: „So rasch wollen Sie mich schon wieder los werden?“
Er sagte ihr eine kleine Galanterie, die ihr eine feine Röte in die Wangen trieb und sie unendlich reizend aussehen liess.
„Was darf ich tun?“ fragte sie weich.
Cecil Grant setzte ihr in knappen Worten seinen Plan auseinander.
„Aber zu dem Schreiben kann uns nur ein Mensch verhelfen!“ rief sie bestürzt.
„Ich weiss! Lord Allenby!“ bestätigte er kurz.
„Ich soll ihn bitten?“
„Sie können alles von ihm erreichen!“
„Alles! Ich weiss! Aber unter welchen Bedingungen!“
KOLONIE UND HEIMAT“
Nr. 18
Wie ein körperlicher Schmerz durchzuckte es sie. Er wusste, wie rücksichtslos Allenby um ihre Gunst geworben. Wusste, dass er sogar gewagt, sie im Wintergarten der Herzogin von Sutherland auf den Nacken zu küssen und dass er dafür von Robby Plunkett gezüchtigt worden war. Und nun sbllte sie von diesem Manne einen ungeheuren Dienst verlangen, einen Dienst, der den ehrgeizigen Diplomaten seine ganze Karriere kosten konnte! Damit trieb Grant sie ja förmlich in seine Arme. Ach wie wenig musste sie ihm sein, wie wenig!
Grant beobachtete den Kampf, der in ihrem Innern tobte, aber es half nichts, er musste den Brief haben, musste ihn bald haben. Und er war entschlossen, zu diesem Zweck die Macht auszunutzen, die er über sie besass.
„Helene!“ begann er, indem er seiner Stimme einen weichen Klang zu verleihen suchte: „Sie verstehen, wie Grosses von diesem Brief für unsere gemeinsame Sache abhängt. Aber es war unrecht von mir, Ihnen den Gang zu Lord Allenby zuzumuten. Verzeihen Sie mir!“
Sie sprang auf, ihr Gesicht war sehr blass geworden: „Das sollen Sie nicht sagen, Mr. Grant. Sie dürfen mir alles zumuten. Sie wissen es! Wenn es auch —“ sie sank mit tränenerstickter Stimme wieder in den Sessel — „wenn es auch furchtbar schwer für mich ist.“
Grant tat gerührt: „Ich würde es mir nicht vergeben können, Sie zu einem Schritt veranlasst zu haben, der Ihrer nicht würdig ist. Ich — ich will ja stolz auf Sie sein dürfen!“
Er war hinter sie getreten und hatte den Arm um ihren Sessel gelegt. Ihre blassen, zarten Hände, die mit kostbaren Ringen geschmückt waren, zerknüllten das feine Spitzentuch in fieberischer Nervosität: „Und ich werde diesen Schritt doch tun!“ flüsterte sie.
Er zog den süssen Duft ihres vollen, seidenweichen Haares ein: „Und wenn ich Sie nun bitte, hier zu bleiben, Helene!“
„Was hätte es für einen Sinn, wenn ich Ihnen dort nützlich sein kann?“ Sie sprach wie zu sich se bst.
Er nahm ihr Köpfchen zwischen beide Hände und sah ihr von oben in die feuchten Augen. Sie erschauerte unter seiner Berührung. Dann näherte er langsam seine Lippen den ihren und küsste sie auf den Mund.
Vor dem Abschied forderte er ihr Versprechen, sein Anliegen zu vergessen.
Unter Tränen lachend beschwichtigte sie ihn. Als er die Treppe hinabstieg, ging ein befriedigendes Lächeln über seine Züge: er wusste, dass sie fahren, dass sie ihm den Brief verschaffen würde.
Auf dem gleichen Schiffe, auf dem am andern Tage die Fürstin Helene Koniatowska die Reise nach England antrat, dampfte auch James Werner dem Britenreiche zu. •-
Die Geschicklichkeit, mit der er sich an jenem Sonnabend als erster über den Gartenzaun des Captain Bomhard geschwungen, war hm nicht gut bekommen. Der Stadtkommandant war sofort fest entschlossen, sich den dreisten Burschen bei dieser Gelegenheit zu langen, und Sonja Barska gab ihrem getreuen „Zuträger“ einen Wink, sich schleunigst aus dem Staube zu machen, wenn er einer exemplarischen Strafe entgehen wollte.
Als Werner in Mr. Benonis Arbeitszimmer trat, um diesen von seinem „Missgeschick“ zu verständigen, fand er Benje in sinnloser Wut, mit einem Brief in der Hand im Zimmer auf und ab rennend: „Er hat sie ausfindig gemacht!“ schrie er wie ein Narr einmal über das andere: „Und nun trifft sie sich wohl schon mit diesem Lumpenhund der mich betrogen, der mir mein Geld gestohlen!“ tobte er unaufhörlich.
Werner hatte seinen Chef nie so gesehen, trotzdem er schon manchen Wutanfall hatte über sich ergehen lassen. Benjes Augen waren blutunterlaufen; die Stirnadern waren geschwollen und liefen wie dicke blaue Narben über das verzerrte Gesicht; der Schaum stand ihm vor dem Mund.
„Um Gottes Willen, Mr. Benoni, was ist denn los?“ fragte Werner, über diesem entsetzlichen Bilde einen Augenblick der eigenen Sorge vergessend.
„Hier lies! lies! Ich werde nach London fahren. Mit diesen Händen werde ich ihn erwürgen, den Schurken, mit diesen Händen.“
Er fiel gänzlich erschöpft in einem Sessel: „Nein, ich kann ja nicht nach London fahren. Mitten in dieser Krise!“ besann er sich: „Der Satan hole Eure Politik!“
„Wie wär’s, wenn ich für Sie nach England führe?“ unterbrach James Werner den Erguss seines Chefs. Es war ihm plötzlich der Gedanke gekommen, Benje gar nichts von seinem Malheur zu sagen. Er würde seinen Aufenthalt im Auslande schon so zu dehnen wissen, dass seine Missetat hier mittlerweile in Vergessenheit geriete. Wer wusste überhaupt, wie lange diese ganze Burenherrlichkeit noch dauerte?
„Was kannst Du denn gegen diesen Langenbrück ausrichten?“ wehrte Benje ab. (Fortsetzung folgt.)
