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Deutsche Rokorriakzeituug.

Nr. -15

Schwalbennestern. 15 m unter dem Gipfel des Berges ist ein kleiner Exerzierplatz eingeebnet, der von Arbeiterwohnungen

umgeben ist.

' Tritt man frühmorgens auf den nur wenige Quadrat- meter großen Stationshof. so überblickt man ein einzigartiges Landschaftsbild. Wie von wilder Brandung gepeitscht, stürzen die von Süden aus der Mbo-Ebene heraneilenden Nebelmassen in die tiefer liegenden Gebirgstäler und hüllen sie in weiße, dem Auge undurchdringbare Gischt, und über der Gischt er­glänzen in erhabener Ruhe die nahen und fernen tiefblauen Berggipfel in dem strahlenden Glanze der aufgehenden Sonne. Bald Zerreißt das Nebelmeer und höher und höher flattern die Schleier, immer fester und fester ballen sie sich zusammen, bis sie endlich als fertige Wolken langsam gegen Norden segeln. Nach Südwesten öffnet sich das tief und steil eingeschnittene Singam-Tal, in dem bei der Befriedung des Landes Leut­nant Foertsch im Dezember 1905 den Heldentod fand. Nach Süden zu folgen der säulenartige Zintgraffsche Tafelberg und die wilden, bizarrgeformten Berge von Mama und Elong und endlich ganz hinten am Horizont, in einer Entfernung von 30 km, die zart angedeuteten bläulichen Konturen des lang- qestreckten Manenguba-Gebirges. Der Tafelberg, die Mama- nnd Elong-Berge, die bei unserem Abstieg von Ninong zur Mbo- Ebene irn Nebel unsichtbar geblieben waren, bilden mit ihrem Westhang den großen Steilabfall des gebirgigen Mittel-Kame­runer Hochlandes, dessen Fortsetzung wir nach seiner Umbiegung aus der Nordsüd- in die Ostwest-Richtung bei Mueba erstiegen hatten. Nach Südosten schweift der Blick über die gewaltige Mbo-Ebene; flach wie eine Tischplatte liegt sie da, und weithin breitet sich ihr eintöniges, gelbgrünes Grasmeer aus, in das einige lange, schmale und kleine runde Baumgruppen und hin und wieder einige kurze, silberne Flußschlingen des Nkam nur geringe Abwechslung zu bringen vermögen? Nach Osten sieht man über das schöne nordsüd verlaufende Tal des Menua, eines der Hauptnebenflüsse des Nkam hinweg zu dem runden Rücken des zur Mbo-Ebene abfallenden Fondsa-Tuala-Berg- landes. Alles in allem ein Bild von berückender Schönheit.

In der Regenzeit und selbst noch tief bis in die Trocken­zeit hinein, wenn in der Frühe die Nebel aus der Ebene Herauf­ziehen. ist es in Mbo bitter kalt, und die Nässe des Bodens und der Luft erzeugen leicht Affektionen der Atmungsorgane und Rheumatismus. Leider tragen die Häuser in Mbo diesen klimatischen Verhältnissen recht wenig Rechnung; ohne Dielen, direkt ans die blanke Erde gestellt, bieten sie mit ihrem leichten Mattenboden, den hölzernen Fensterladen, denen je eine photo­graphische Platte 13 X 18 als Guckfenster dient, den verstockten, mit Schimmel bedeckten Wänden, ihrer dumpfen, muffigen Lust und ekelhaften Rattenplage einen ungesunden und un­gemütlichen Aufenthaltsort, der lediglich durch tägliches Heizen eines eisernen Ofens bewohnbar wird. Es ist zu wünschen, daß diese provisorischen Bauten, die in der kriegerischen Zeit, in der sie errichtet wurden, ja kaum anders ausfallen konnten, jetzt, nachdem die Befriedung des umliegendes Landes erfolgt ist, recht bald in massive umgewandelt werden.

Von dem großen, in der letzten Zeit wiederholt besprochenen westasrikanischen Graben, der als Verlängerung des sub­marinen Schollenbruchs, aus dem die Vulkanmseln Annobon, Sav Thome, Principe, Fernando-Poo und das Kamerun-Ge­birge emporgequollen sind und der sich auf der sogenannten Kamerun-Linie" bis tief in das Schutzgebiet bis zurBenne- Linie" erstrecken soll und in der Richtung des Kide-Tales die Mbo-Ebene durchschneiden müßte, war weit und breit nichts zu. sehen. Ein derartiger großer, wohl auf Grund einer etwas sehr kühnen Hypothese konstruierter Graben, ist nicht vorhanden, was auch schon 'aus dem orographischen Bilde der von uns vor kurzem bearbeiteten Spezialkarte von Teilen der Bezirke Ossidinge, Bamenda und Dschang *) deutlich hervorgehen dürste.

Da die vom Kommandeur Major Puder zum Schutze der an der schrägen Grenze tätigen deutsch-englischen Grenz­kommission gegen die Muntschi unternommene Expedition kurz vor meiner Ankunft in Mbo hier durchpasstert war und mit ihrem gewaltigen Trägerapparat den ganzen Bezirk längs der Straße totalausgefressen" hatte, war ich gezwungen, schon während meines Aufenthalts in Mbo meine Leute mit dem auf den Feldern des Postens in Fontem geernteten Reis zu beköstigen und mußte auch noch die Verpflegung für den nächsten Marschtag durch Mitnahme von Reis sicher stellen.

0 Mitleilgn. a. d. deutsch. Schutzgeb. 1907, Karte 10.

Mit dem Wunsche auf frohes und gesundes Wiedersehen nehme ich am 19. November von Dr. Eckhard Abschied und trete den Marsch nach der Militärstation Dschang an. Im flotten Marsch geht es in wechselnder Folge an schön bewaldeten Hängen aus wundervoller Straße bergauf und bergab. Es wird wieder einmal nebelig und in den tiefen und dunklen Schluchten des Gebirges empfindlich kalt. Dichter und dichter gruppiert sich das Unterholz und macht zuletzt jede Aussicht unmöglich. Die unter dem dichten Blätterdach des hohen Ur­waldes verkümmerten jungen Stämmchen sind mit langen graugrünen Mooszöpfchen behängen, und in den sumpfigen Mulden treten die ersten Farrenbüume auf. Nach einigen Stunden steht die Sonne wieder strahlend am blauen Himmels­zelt und wohlige Wärme umfängt die verklammten Körper. Hinter einer kaylen Grashöhe senkt sich der Weg in schönen Kehren zu einem breiten Teil hinab, aus dem koulissenartig Höhenwelle hinter Höhenwelle emporsteigt, die hintere immer die vordere überragend. Während die Berge in den vorher­gehenden Tagen stets überaus charakteristische scharf geschnittene Formen aufweisen, zeigen sie jetzt kuppelartige, weiche Profile und leicht eingeschnittene Täter, in denen sich die Felder und die in Baumgruppen zerstreut liegenden Weiler bis hoch hinauf hinziehen.

Gegen Mittag ist das Unterkunftsdorf Fossong-Wentschen erreicht, in dessen schönem und behaglichen Europäer-Hause ich von dem mir befreundeten Oberleutnant Menzel, dem Chef des Bezirkes Dschang, der auf einer Dienstreise nach Bare begriffen, hier auf die Nachricht von meinem Anmarsch hin einen Tag aus mich gewartet hatte, mit dem fertigen Mittag­brot empfangen werde. Nach Beendigung des Abend-Spazier- ganges, der nach einem vor kurzem aufgeschlossenen Tonlager geführt hatte, sitzen wir in unsere Mäntel gewickelt, bei dem magischen Lichte des Mondes bis tief in die lautlose Nacht hinein vor der Tür unseres Hauses und tauschen die neuesten Nachrichten aus der Heimat und aus der Kolonie.

Beim Anbruch des nächsten Tages stehen unsere kleinen Kolonnen marschbereit, und nach einem kurzen gemeinschaft­lichen Frühstück heißt es wieder Abschied nehmen.

Auf leicht geneigter Straße steige ich durch ein kleines Nebental zu dem Menua hinab, dessen Wasser in schnellem Lauf durch schöne Bananenhaine und dichte Raphiapalmen- Büsche hindurch dem Nkam entgegeneilen. Auf fester Brücke wird der 8 m breite Fluß überschritten, und schwitzend und stöhnend schiebt sich die Trägerreihe in der grellen Mittags­sonne langsam den steilen Aufstieg zu dem breiten Foreke- Dschang-Rücken hinan. Auf der Höhe angekommen, erblicken wir vor uns eine weite offene Landschaft, durch die uns unser ständig an eingefenzten Feldern hinführender Weg in wenigen Stunden nach der Station Dschang bringt. Ich nehme im Hause des Stationschefs Quartier und habe hier das Vergnügen, nach längerer Zeit wieder einmal in einem europäischen Bette schlafen zu können.

Die auf einem langen, schmalen Rücken liegende Station ist eine Schöpfung des um die Erschließung des Dschang- Bereiches hochverdienten Oberleutnants Rausch; sie besteht aus zwei großen und zwei kleinen Wellblechhäusern nebst einer größeren Zahl von Buschhäusern und zählt neben Bamenda zu den am gesündesten gelegenen Orten der ganzen Kolonie. Eine auf dem Stationsgelände weidende Viehherde, die haupt­sächlich zu Zuchtzwecken gehalten wird, später aber auch der Milchwirtschaft dienstbar gemacht werden soll, die frei herum­laufenden Dienstpferde, der an einem Flüßchen gelegene, tadellos in Ordnung gehaltene Gemüsegarten und eine in offenem Schuppen betriebene Tischlerei geben der jeder Befesti­gung entbehrenden Stationsanlage einen derartigen fried­fertigen Anstrich, daß man beim Anblick dieses Bildes eher an einen Gutshof als an eine Militärstation denken muß.

Bei meinem Eintreffen in Dschang wurde eifrig gebaut, und drei große massive Gebäude gingen ihrer Vollendung entgegen, so daß in kurzem der ganze Stationsbetrieb in ge­sunden und feuersicheren Gebäuden untergebracht sein wird. Der Bau einer Ziegelbrennerei und die Anlage eines Säge­werkes sollen dann die nächsten Aufgaben des rührigen Stalions-« chefs sein.

Wenn man bedenkt, daß ein Stationschef neben den vorher angeführten Arbeiten noch Wege, Brücken und Rasthäuser zu bauen oder ständig zu unterhalten hat, Farmen anlegen und Kulturversuche vornehmen soll, daß er eine ' umfangreiche Politische Tätigkeit und Gerichtsbarkeit ausüben,