für das
Mittlere Deutschland.
Mittwoch, den 3. Januar_ IM 16 .
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Was ifi Recht?
Unter diesem Titel ist in München „Ein Stimme aus dem Volk b e i B e r a t h u n g e i n e s a l l g e m e i n e n bürgerlichen Gesetzbuchs für Bai ern" erschienen unv uns dieser Tage von Augsburg aus zugesendet worden. Sie ist „den nichtrechtsgelehrten Mitgliedern der bairischen Kammer" gewidmet, und enthält so viel Richtiges und Wahres, daß wir uns gedrungen fühlen, sie ganz mit» zutheilen.
„Die Hoheitsrechte der Staatsgewalt zerfallen bekannt- !id) nach der Art und Weise ihrer Ausübung m die gcsetz- gebende, die richterliche und die Regiernngs Gewalt.
Das Recht der Gesetzgebung stcht in Baicrn neben der Krone der Volksvertretung zu, d. h. das baierifche Volk ist der Staatsregierung gegenüber zur Theilnahme an der 'Ordnung der öffentlichen'Angelegenheiten nach der landständischeu Verfassung berechtigt.
Die richterliche Gewalt ist jene, welche das verletzte Recht gegen dessen Verletzer wiederherstellt, um entweder als bürgerliche Rechtspflege dem Berechtigten das Senrige wieder zu erstatten, oder als Strafrechtspstege das Ansehen des verletzten Gesetzes durch Bestrafung des Ueber- treters zu wahren.
Die Regierungsgewalt endlich ist Vollziehung, wenn sie die bestehenden Gesetze und die ergangenen Gerichtsurtheile aussührt.
In vorliegender Betrachtung, wozu die bevorstehende Einführung eines allgemeinen neuen bürgerlichen Gesetzbuches in Baiern die Veranlassung gab, haben wir es hauptsächlich nur mit der Pflege des bürgerlichen Rechtes und mit dem Civilproceßverfahren zu thun.
Wir beantworten daher zuerst die Frage: was ist ein Eivi! Gesetz?
Das Civil - Gesetz soll eine Anordnung der Vernunft sein, die ans das allgemeine Wohl abzielt und durch denjenigen verkündet wird, dem die Sorge für die Gesellschaft obliegt.
Jedes dieser Worte wiegt schwer und an jedes lassen sich die mannigfachsten Betrachtungen knüpfen. Die bürgerliche Gesetzgebung soll vernunftsgemäß das allgemeine Wohl bezwecken — thut sie dieß nicht, so stellt die Vorsehung- das gestörte Gleichgewicht wieder her, indem sie zulaßt, daß Stürme sich entfesseln und das Werk von Jahrhunderten wie eine Hand voll Staub zerstreuen. —
Seit Hugo Grotius den Staat nach dem Vorbild Cicero's wieder auf den Willen seiner einzelnen Mitglieder
gründete, haben sich die Ansichten immer mehr Bahn gebrochen , daß die Völker nicht für die Negierungen, son- dern die Regierungen für die Völker da sind, und daß die öffentliche Rechts- und Wohlfahrts-Ordnung über Fürst und Volk erhaben sei
Dieser Rückkehr zu den Ideen römischer und grichischer Philosophen verdankt die Gegenwart um so größere Fortschritte, als vorher die Deutschen völlig zu Sklavensiuu herabgedrückr waren und die knechtische Unterweisung keine Grenzen mehr kannte; denn in Deutschland war es, wo die unbeschränkte Machtvollkommenheit der Regierenden den büreaukratischen oder Beamten-Staat zeugte, in welchem ^die Menschen nur noch da waren, um regiert und in einer steten Unmündigkeit erhalten zu werden.
Das Streben der Jetztzeit hingegen ist der Regierungsverwaltung ohne Mitwirkung und Aufsicht des Volkes, sei sie nun für richterliche oder Verwaltungs-Zwecke bestimmt, im Allgemeinen abgeneigt; denn die Beschäftigung mit den Anschauungen der Staaten des Alterthums führte auch auf deu durch lange Knechtschaft in Vergessenheit gerathenen germanischen Grundsatz der Selbstverwaltung zurück; der ganze Zug der Gegenwart ist daher auf Volks- Verwaltung gerichtet, wo das Volk nach dem Sprichwort „wer mitthatet, soll auch mitrathen" seine öffentlichen Angelegenheiten selbst mitverwaltet.
Das allgemeine Wohl gebietet aber, daß die Volks- verwaltung nicht allein bei der Gesetzgebung sondern auch bei der Gerichtsbarkeit und bei der Verwaltung im engeren Sinne Geltung habe. Je mehr sie sich entwickelt, desto mehr wird dadurch das Wirken der Regierung gefördert und gestärkt; beim einen mächtigen Staat begründet die allgemeine Zufriedenheit! Diese kann aber nur in einem Staate herrschen, worin Keiner den Anderen hindert, sondern Jeder der vollkommensten Freiheit genießt nach seiner Regel zu leben, dem allgemeinen Wohle zu dienen und eine höhere Vollendung zu erstreben. —
Die Selbstverwaltung hat sich bekanntlich auf Grundlagen des germanischen oder altdeutschen Rechtes vorzüglich in England ausgebildet. Wo sie durchgeführt wird, da ist, wie in England, ein veringerter Wirkungskreis der Beamten - Regierung, bei noch weiterer Entwickelung aber auch Entbehrlichkeit der Anwälte die nothwendige Folge.
Die Wirklichkeit hat leider den hohen Begriff eines Fürsprechers oder Rechtsbeista-ndes so entstellt, daß für den Nichijuristen mit dem Ausdruck „Advokat" unwillkürlich die Vorstellungen von all den vielen mit einer Proceß- führung verknüpften Kleinlichkeiten verbünden sind. Denn