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wem wäre es unbekannt, daß bei uirserer modernen Rechts­sprechung der Mechanismus todter Formen die innere Rechtsfrage überwiegt, daß der geringste Formfehler schwerer in die Waagschale fallt, als das schreiendste Unrecht?

Wenn aber Niemand mehr das geringste Rechtsgeschäft ohne den Beistand eines Rechtsgelehrten ausführen kann und darf, dann legt ein solcher Zustand ein trauriges ArmuthSzeugniß ab für die Unmündigkeit des Volkes und für Diejenigen, welche ein mündiges Volk fürchten zu müsten glauben. Jeder Einheimische und jeder Fremde soll bekanntlich die Gesetze seines Landes und desjenigen, in welchem er sich gerade befindet, kennen; folglich sind unsere jetzigen Gesetze so sonnenklar, daß jeder mit gesunder Ver­nunft Begabte sie verstehen kann. Wozu also noch eine Bevormundung durch Rechtsgelehrte? Auch in den neuesten baierischen Gesetzgebungsausschuß wurden nur Juristen gewählt; liegt da nicht die Befürchtung nahe, daß solche dem theoretisch-juridischen Wesen eine viel größere Wichtigkeit beilegen, als mit den Interessen des Volkes verträglich ist? Den philosophischen Theorieen steht das praktische Leben, den Spitzfindigkeiten der Gelehrten der gesunde Menschenverstand des Volkes gegenüber: die Wirk­lichkeit soll aber niemals niedriger stehen, als die Theorie, welche nicht selten nur eine ideelle, eine erkünstelte und erdichtete Erklärung des Bestehenden ist!

(Fotsetzung folgt.)

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Ein neuer politischer Verein in Frankfurt.

Die wichtigste Revolution in dem Inne­ren des Menschen ist:der Ausgang des­selben aus seiner selbstverschuldeten Unmün­digkeit"". Statt dessen, daß bis dahin An­dere für ihn dachten, und er blos nach­ahmte, oder am Gängelbande sich leiten ließ; wagt er es jetzt, mit eigenen Füßen auf dem Boden der Erfahrung, wenngleich nocks wackelnd, fortzuschreiten."

iKant: Anthropologie.)

Einem tiefgefühlten Bedürfnisse abzubelsen, haben es zwölf Apostel des Frankfurter Fortschritts (die Herren Dr. Reinganum, Andreae-Graubner, Vogtherr, Dr. Neu- kirch, Di*. Jul. Friedl.ben, C. Adelmanu, Dr. Fuld, Dr. G. I. Jung, Di*. S. Müller, I)r. Passavant, Dr. Braun- fels, Dr. Ebner) unternommen, in unserer, so vereins­armen Zeit einen neuen politischen Verein zu gründen. Unter diesen zwölf Herren befinden sich nicht mehr als neun htesige Advokate«! Das ist wohl schon bezeichnend genug! Außer ihnen nur Ein Kaufmann, ein industrieller Direktor, der aber von Haus aus nicht Kaufmann ist, und ein Buchdrucker, und nicht ein einziger Handwerks- mann. Das ist gewiß noch bezeichnender? Sie scheinen die Berücksichtigung dieses Standes für einen überwun- denen Standpunkt und die Herrschaft der Advokatenwirth- schast in unsererfreien" Stadt für fest begründet zu halten. Sie könnten sich indessen dennoch bitterlich täuschen!

Die Gründung dieses Vereins geht von Mitgliedern des gegenwärtigen gesetzgebenden Körpers aus, und es waren zur ersten vorbereitenden Versammlung (am 18. Dezember) nur Mitglieder dieses Körpers eingeladen, aber nicht alle, sondern nur die verläßlichsten Stimmschafe, und als Zweck der neuen Gründung wurde angegeben: den Mitgliedern der gesetzgebenden Versammlung Gelegenheit zu geben, in freier, geselliger Besprechung unter sich und mit anderen Bürgern, welche nicht im gesetz­gebenden Körper sind, städtische Verhältnisse zu er­örtern. Die stebenhundertstimmigen Herren Gesetzgeber fühlen demnach das Bedürfniß, aus den Regionen deS

Hauses Limpurg, in welchen bis jetzt ihre gesetzgeberische und politische Weisheit zu lauter Wasser geworden ist, zu ihren Mitbürgern berabzusteigen und sich mit ihnen in niederträchtiger Weise zu unterhalten. Vortrefflich!

Eine Kommission zur Entwerfung von Programm und Statuten wurde ernannt, und diese hat denn auch, ohne besondere Wehen, wie es scheint, ihr Kindlein bereits zur Welt gebracht, was aus nur sechs Gliedern oder Para­graphen besteht. Herrlich! Alles an ihm ist, wie auch an dem letzten Wahlmanisest dieser schachmatten Partei, antik-lapidar.Frankfurter Verein" soll die Genossenschaft benamst werden, jederunbescholtene Mann" in ihr Auf­nahme finden können, vorausgesetzt daß 21 Rhadamante oder Ausnahme-Ausschüßler nichts an ihm auszuseken finden und derselbige Mann zwei Gulden Jahresbeitrag be­zahlt. Von dem Ausspruche dieser Höllenrichter findet keine Appellation an die Versammlung selbst statt. Famoser demokratische Grundgedanke das!

Doch das Allerfamoseste hätten wir beinahe vergessen! Das ist der Paragraph 1, der die Zwecke des Vereins enthüllen oder verhüllen soll. Dieser Paragraph lautet:Der Verein ist gegründet, damit in ihm die Bür­ger sich zusammenfinden, welche, dem demokratischen Grundgedanken huldigend, die Ausbildung der Verfassung und die Verbesserung der Verwaltung unseres Staates im freiheitlichen Sinne und nach den Bedürf­nissen der neuen Zeit erstreben. Hauptsächliche Beachtung wird der Verein den kommunalen Einrichtungen der Stadt und den Landgemeinden zuwenden."

Denn gerade, wo Begriffe fehlen (verdeckt oder verläugnet werden sollen), da stellt ein Wort zur rech­ten Zeit sich ein!" Diese Verse des Dichters passen auf diese Worte der Vereingründer ganz vortrefflich. Einige volltönende Schlagwörter,demokratischer Grund­gedanke"freiheitlicher Sinn"Bedürf­nisse der neuen Zeit" bilden den Inhalt dieses Artikels.Abgelauscn haben wir das an den Sohlen schon!" Kein vernünftiger Mensch giebt mehr etwas aus solche Redensarten, die den alleinigen Zweck haben, poli­tische Gelbschnäbel und Gimpel anzulocken. Schon unsere alte Gesetzgebung vom Jahre 1816 huldigte dem demo­kratischen Grundgedanken ganz gründlich, welches ihr Ar­tikel 5 also ausdrückt:Alle, der durch Artikel 46 der Wiener Kongreß-Akte für frei und zum Mitglied des deutschen Bundes erklärten Stadt Frankfurt zustehen­den Hoheits- und Sel. stverwaltnngs - Rechte beruhen in ihrem weitesten Umfang ans der Gesammtheit ihrer Bürgerschaft." Und doch hat man das Recht der Majorität, was allein diesem demokratischen Grund­gedanken entspricht, durch die indirekten Klaffenwahlen sehr geschickt hinwegzueskamotiren verstanden, und diese Eskamo- tage halten dieselben Herren, die jetzt auf denselben Ge­danken einen neuen Verein gründen wollen, mit der größ­ten Zähigkeit bis auf den heutigen Tag fest!

Lassen wir uns also durch das Geflunker mit ganz nichtssagenden banalen Redensarten, wie sie jeder dema­gogische Dorfschnerder oder Dorfbarbier im Munde führt, nicht irre machen; legm wir auch keinen besonderen Werth aus die höchst komische Figur, welche dieseDemokraten" in ihrer ersten vorbereitenden Versammlung bildeten, al- ihnen einige demokratischen Schälke die Forderung eines nicht lebenslänglichen Senats als einen gar zu unbeque­men Prügel zwischen die Beine ihresdemokratischen Grund­gedankens" warfen und sie sich in ihrer Angst nicht anders zu helfen wußten, als daß sie diesen Gegenstand für eine offene Frage" erklärten: sondern fragen wir ganz einfach, was wollen diese Herren eigentlich; was ist zwi­schen den Zeilen ihres nichtssagenden Programmes zu lesen? Die Antwort auf diese Fragen ist sehr leicht zu geben.

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