Sie wollen bei der Einführung des neuen Wahlgesetzes ' bie Distrikts wählen beherrschen; sie wollen wieder gewählt werden; sie wollen ihre Cliquenherrschaft auch unter dem neuen Wahlmodus fortsetzen. Dazu soll ihnen der neue Verein als Werkzeug dienen.
Daß dem wirklich so ist, dafür legt die Art und Weise ihres Vorgehens bei der Gründung ihres Vereins den vollgültigsten Beweis ab. Dieses Vorgehen ist freilich so unvorsichtig, daß man es ein wirklich einfältiges nennen kann: denn es ist ein durchweg exklusives. In der letzten Zeit sind indesien an ihrer politischen Vernunft noch weitere und ganz ähnliche Debilitäten bemerkt worden, so daß auch dieses Auftreten nicht im Mindesten Wunder nehmen darf. Ihre Leiter haben den Kopf verloren und suchen ihre thatsächliche Schwäche und Kopflosigkeit durch gesteigerte Anmaßung und Uebermuth zu verdecken. Ihre Kopflosigkeiten in dem vorliegenden Falle bestehen aber in Folgendem.
Bisher that sich die Majorität dieses fortschrittlichen Körpers viel darauf zu gut, daß ihre Beschlüffe ganz frei, ohne vorbereitende Klubversammlungen, rein aus der subjektiven selbsterworbenen Ueberzeugung ihrer^ Mitglieder entsprängen. Das war eine Lüge oder eine Selbsttäuschung, wie schon aus der oft angeführten „Parteidisziplin" dei den Wahlen selbst ersichtlich ist. Jeder Parteiangehörige wurde gezwungen bei den Urwahlen sowohl, wie als Wahlmann im Hause Limpurg, nach denUZetteln zu stimmen, welche ihm ein Komile in die Hand steckte. Eine -schmähliche Zumuthung für einen selbstständigen Mann, dem die Bürgerschaft die Ehre angethan, ihr Wahlrecht auf ihn zu übertragen, indem sie voraussetzt, daß er nach eigenem Urtheil, nach eigenem besten Wissen und Gewissen ihre Vertreter aussuchen werde. Das Wort „Parteidisziplin" bannte jede Scham, die in den Wahlmännern ob dieser unwürdigen Maschinenrolle, die man ihnen zu- theilte, auflodern mußte. Im Uebrigen stand die Autorität der Führer und der Köhlerglaube der Stimmschafe an diese Autorität so fest, daß man weitere Gängelbänder nicht nöthig hatte. Sie stimmten doch, wie man es haben wollte. Diese Autorität und dieser Glaube ist nun aber erschüttert, weil in der Seele selbst der einfältigsten Schafe das Bewußtsein aufgedämmert ist, daß bei den direkten Distriktswahlen die bisherige Disziplin nicht mehr Helsen kann. Und, na, wiedergewählt werden, möchten doch anch wir wieder sein, denken selbst die dümmsten Schafe.. Folglich muß ein neues Mittel dafür erschaffen werden, eine straffere Organisation noch, als sie bisher gewesen, ein förmlicher Verein. Als erstes und oberstes Glied zu einer solchen Vereins-Kette bildete man daher in diesem demokratischen Körper einen extrademokratischen Klub, zu dessen Bildung nicht alle Körpermitglieder eingeladen wurden, sondern nur die zuverläßigsten, mit Ausnahme einzelner Anderen, deren Opposition man fürchtete, die man daher durch die Einladung zu gewinnen und unschädlich zu machen suchte. Diesen Klub bilden die Eingeweihten; sie werden denn auch die Leitung der ganzen Machination sichtbar oder unsichtbar in der Hand behalten.
(Fortsetzung folgt.)
Politisches.
„Der Mohr hat seine Schuldigkeit gethan, der Mohr kann gehen!" Unter dieser Ueberschrift hatten wir einen Artikel, der darauf hinwies, mit welch de- spektirlicher Gesinnung das gesinnungstüchtige Frankfurter Journal augenblicklich gegen Frankreich behaftet ist, und wie sein sittliches Gefühl gegen den demokratischen Absolutismus des Jung-Bonapartismus sich enrpört. Die Ueber
schrift hatte richtiger wohl so lauten müffen: „Der Mohr hat seine Schuldigkeit nicht gethan, und deshalb bekommt er den Laufpaß." Das mot d’ordre in Betreff Laufpasses ist aber ein ganz allgemeines, nnd nicht allein das Frankfurter Journal hat sich beeilt, Ordre zu pariren, sondern alle Journale, welche im Dienste der preußischen Mission stehen, haben ein Gleiches gethan. Sogar der Kladderadatsch bringt eine „Pariser Korrespondenz", welche also lautet: „Früher wurden die Herrscher alt und die Völker blieben jung. Doch diese Biedcrzeiten sind vorbei, wenigstens bet uns hier in Paris. Von der Altersschwäche und Hinfälligkeit, der hiesigen Bevölkerung kann man sich kaum einen Begriff machen. Jung und frisch an Geist und Willenskraft ist nur der Kaiser geblieben, obschon er nun bereits in den Jahren ist, wo man, so zu sagen, „sein Fett weg hat". Die Relegation der sieben Studenten, die sich in ausländischen Kneipen berauscht, die beabsichtigte Zerstörung des Luxemburggartens, die Komödie in Compiögne, wo eine österreichische Gesandtin den französischen Nationalgetst in parodistffchen Gassenhauern verhöhnen durfte, das Couplets singende Kind von Frankreich, das sich über die Unterthanen lustig macht, die es einst nach Mexiko und Algier schicken wird — alles das würde selbst unter der eisernen Zuchtruthe des Onkels bedenklich gewesen sein. Jetzt — zeigt man dem Pariser Abends in den Theatern einige halbnackte Geschöpfe der demi-monde, und er sperrt den Mund auf, um — ihn offen zu behalten. Sie denken, ich übertreibe? Glauben Sie es nicht, sondern freuen Sie sich! Mit diesen Franzosen werden wir kein Jena mehr erleben!" — Wir wißen nun in der Thal nicht, was an diesem Schlußsätze größer ist: die Schamlosigkeit oder die Dummheit?? In der preußischen Hauptstadt wagt es ein Blatt, die Preußen aufzufordern, sich darüber zu freuen, daß sie vor einem zweiten Jena bewahrt bleiben würden, nicht aber durch die eigene Kraft und die neue Heeresorganisation, sondern durch die Erbärmlichkeit und Demoralisation des Feindes. Das ist gewiß ein großes Kompliment für die preußische Großmachtsstärke und eine Reklame für seine deutsche und europäische Mission. Aber — und hier liegt die ungeheure Ignoranz — die ganze Welt weiß, daß Preußen, leider allein, aus Furcht vor der französischen Intervention seinen schleswig holsteinischen u. s. w. Annektirungsgelüsten vorerst Ruhe geboten hat, weil in Biarritz kein Geschäft zu machen gewesen ist. Wir haben wahrlich keine Lust, irgend einem deutschen Staate ein Jena zu wünschen; aber eine solche blinde Ueberhebung steuert direkt auf ein solches hin.
Der Geschäftsführer des „Natiorralvereins" hat ein bewegliches Rundschreiben an die Agenten des Vereins erlassen, durch welches er sie ersucht, doch ja für die Einziehung der noch rückständigen Mitgliederbeiträge für das Jahr 1865 ungesäumt Sorge zu tragen: denn später wird's natürlich immer später, und das Hinausziehen in das Jahr 1866 hinein könnte nur „ungünstige Folgen" haben. Auch die möglichst baldige Ein- kassirung der Beiträge für das kaum begonnene Jahr wird als sehr erwünscht bezeichnet, was gleichfalls Jedermann nur natürlich finden wird. Von einigem Interesse ist es, wie der dermalige Geschäftsführer die Klagen seiner Agenten über die „wachsende Lauheit und Verdrossenheit" vieler Mitglieder zu beschwichtigen sucht. Das käme daher, meint der gute Mann, weil irr solchen Mitgliedern unter dem Eindruck der heutigen Lage und ihrer Schwierigkeiten „der Grundgedanke und die Gruudstimmung, woraus der Nationalverein geboren," verdunkelt und zurückgedrängt worden sei und anderen Gedanken und Stimmungen Platz gemacht hätten. „Die Quelle des ganzen Haders, der