Soimküxspost her Neursien Zcilitiig
Seit« 9
Dritter IahrWiiy
Nr. 7
Die Macht de» Kill Droom
Uon ChristapI/ Walter Drey.
Man geht 'durch die vielen stinkenden Strassen der CTjlitcicnftabt, man durchquert säst das ganze Viertel, das die Eingeborenen als „die Strassen der tausend Freuden" bezeichnen, und dann ittnft man nur noch durch einen seit- anien Tortvcq gehen: hochgcschwcisi reckt sich das Dach n die blaue Nacht Des Ostens, in heissen, Wind pendelt eine Papicrlalcrne, die den Dnrchqanq so schlecht erhellt, dass inan immer in eine Pfütze voll Unrat tritt — und diesen, freundliche» Ort qcqenüber schwankt die große gelbe Laterne mit dem blauen Drachen vor einen, qcdncktcn Hanse. Der Bordcrrauni, eine der üblichen Teestube», ist
Man geht durch die stinkenden Straßen der Chinesenstadt...
Immer beseht nrit schwatzenden Eingeborenen. Aber es gibt, wie ein Anschlag >n englischer und französischer Sprache verrät, auch die scharfe» Getränke Europas und Amerikas hier. Darum bleibt ein großer Ecktisch den Weißen aus «tlec Herren Ländern reserviert.
Sie kamen auch alle hierher, denn Bill Droom, wie er sich nennt, ist ein Weißer, zu dem die Europäer und Amerikaner Vertrauen «hegen, weil sie 'staiiimcSberwandt sind. Die Chinesen sprechen jedoch mit ihm wie mit ihresgleichen, denn in seinem krause» Gesicht trägt er die reglose Schweigsamkeit des Chinesen. Das rote Haar loht ihm i» die Stirn, die eine breite Narbe unter dem Wulst verstecken möchte
— seine Hände sind schlank wie die eines Mannes, der nie «ine Ankerwinde bediente, dem jede körperliche Arbeit überhaupt frenid geblieben sein muß. Sein Kopf zeigt jene geschwungene Form, wie man sie bei den wohlhabenden Weißen Asiens, bei Offizieren, Kauflcuten und reichen Müßiggängern, findet.
Bill Droom, der Wirt des „Blauen Drachen", erzählt jedem, der cs wissen will, er sei Leichtmatrose und nichts anderes gewesen. In einer einzigen Nacht habe er einem spleenigen Engländer in, Spiel das ganze Geld für dieses Loch abgenomme». Wäre er mit dem „Fang" »ach Europa gefahren, nicht einen Cent von de» schönen Dollars hätte er gelandet! Er kenne sich: in Gin wär's drausgcgangcnl Der Küp'n habe ihn geärgert — die Fahrerei hing ihm lange zum Hals heraus — hier im Laden befehle er, sonst »icinand — und wahrhaftig, das schlechteste Geschäft habe er nicht gemacht! Wen» er dann das GlaS anscht, schließt er für Minuten die Augen und mag einen de» ganzen Abend nicht mehr auscheii.
Wer die Freundschaft der Chinese» gewonnen hat, erfährt endlich mancherlei. Sie sind schrecklich inißtranisch, keine Folter brächte ihnen die Wahrheit aus dem Munde. Hat man nächtelang mit ihnen aus Mctailpsciscn schwarze Kugeln vcrzischc» lasse», wissen sie endlich, daß nie,„and das Vertrauen durchbreche» kann, dann löst sich ihre Zunge,
— daher weiß ich auch, die Geschichte Bill Drooms richtig zu erzählen:
Percv Hopkins hatte nach dem Ableben seines Onkels nichts Eiligeres zu tun, als mit dem ererbte» Vermögen eine Weltreise anzulreten. SIüii'i geh- tausend Plnnd denn- tucrte er für die Znlnnst bei ocr Bank in England, nicht
viel weniger »ah», er mit. Aus vieles Bitten führte ihn ein Seeoffizier, der sich im Lause der Reise mit dem lebenslustigen snngcn Mann befreundet hatte, i» das abgründige Schanghai, lind hier begann die Wandlung Percv Hopkins', des reiche» Erbe», in den „Matrosen" Bill Droom, eine Wandlung, die Abcnlcnerlichkeit, Schicksal und Wahnwitz zugleich bedeutete.
Die beiden Europäer betraten n» jenen, Abend auch die Teestube „Zum blaue» Drachen", und nachher konnte Perch nichts davon nbbringc», -den Luxusdanipser, »in einen Passagier erleichtert, seinen weitere» Zielen zustrebcn zu lassen, wie energisch ihm auch der seemännische Freund die möglichen Folge» seines Leichtsinnes ausznmalen versuchte. Percv hatte sich Svührend des Abends ans dem Vorraum hinansbegebe». Der chinesische Wirt führte ihn durch eine» hnlbfinsteren Gang und eilte in die Gaststube zurück, als hätte er nicht mit der 'Neugierde europäischer Nichtstuer gerechnet.
Percv, der sich allein sah, machte auf eigene Faust einen Strcifzug durch das Haus und geriet an eine ange- letmte BambuStür, durch deren Spalt ein',„alter Lichtschein fiel. Nichts Verdächtiges machte sich bemerkbar, er blickte in das Zinnner. — in farbige Seide schic» der Na>„» gehüllt, unzählige winzige Papierlüinpchcn erhellten ihn mäßig — und in der Mitte, aus einem Lager von Vast»,alte», fand er eine zierliche Chinesin, reglos schlafend. Lange betrachtete er, wie verzaubert, dieses menschliche Spielzeug. Nachher schlich er zurück, und in der beginnenden Schweigsamkeit der Nacht — deren östliche Schwüle das flüchtig erhaschte Bild noch inärchenhafter inachte, — warf cr sich schlaflos im Kabinenbctt umhcr.
Cheong-Ling, der Vater der Schönen und Inhaber des „Blauen Drachen", war ein echter Chinese. Als der reiche Engländer Abend für Abend sein bescheidenes, ja fast armseliges Gasthaus beehrte, Vergessen in, Opiumrausch suchte, als cr Preise von jeder Höhe fordern konnte, ohne auf. de» lciseslen Widerstand zu stoße», begriff er sofort. Selbst der tägliche Spaziergang Pcrcns durch die schmutzige Gasse wäre nicht mehr nötig gewesen, um ihn, die Pläne des Weißen z» verraten.
Pcrey schob cs natürlich seinen. Glück z», als er »litten am Tage „»beobachtet — der Chinese hatte eine große Zahl von Gästen zu bediene» — abermals in das geheimnisvolle Zinuncr Vordringen konnte und ans das liebenswürdigste von der Chinesin empfangen wurde. Sie saß in, rotscidcnc» Kimono inmitten kleiner Musikinstrumentc und sang leise
Sie saß im rotseidenen Kimono inmitten kleiner Musikinstrumente.
vor sich hin. Seine Anrede schien sie zunächst zu erschrecken — doch dann antwortete sic in gebrochenem Englisch. Er sah jenes eigentümlich hinreißende Lächeln der Mongolin um die mandelsörmigcn Auge», das die Liebesluitur von Jahrtausenden verrät . . .
In erschlichenen Minuten ostmaligei, BeisginmenseiiiS erfuhr Perch, Cheong-Ling sei ungemein streng und orthodox, Er werde seine Tochter nur eine», Chinesen zur Frau geben und sei bereit, jeden zudem-.lieben Venu-b eines Andcrsrassigen mit dem selbstverständlichen und irl»abten
chinesischen Sühnemord zn begegnen. Sie selbst schien verzweifelt über die Knechtung aller Gefühle, über den Haß des allen Mannes gegen das Europäertum, sic preßte Per- c»s Kops an sich und tlißte seine "lugen. Was könne sie tun? 'Alle Götter, ja selbst die Geister der Verstorbenen üben Rache an der ungehorsame» Tochter eines Chinesen!
Der junge Hopkins versprach, sie mit dein nächsten Schiff nach Europa zu bringen. Sie möge heute nacht bereit sein, inil ihn, zu fliehen — aber die ,,'Aprikoscnblüle" weigerte sich. Scheinbar gab cs keinen Ausweg, und Perch erwog bereits, sich das Mädchen nüt Geivall zu hole». Er wollte ihr am nächsten Tage hierüber nur die notwendigsten Andeutungen machen, damit sic sich nicht fürchte. Nun schien Cheong-Ling offenbar Verdacht gegen den Europäer zu haben. Er begleitete ihn auf Schrill und Tritt in den spärlich erhellte» Gänge» seines Hauses — und wenn zwanzig Gäste nach seiner Bediennng schrien!
Percv Hopkins bun,vielte tagelang in Schanghai wie ein Traun,Wandler umher, dreimal am Tage „ahn, cr Tee oder Opium im „Blaue» Drachen". Er sah Die „Apri- kosenblütc" nicht.
Gegen Mitternacht eines dieser aufreibenden Tage zwang er Cheong-Ling zu einer 'Aussprache, drang er immer mehr in den dicken Mann, der, ,vic ein Weib keisend, tobte, mit de» Armen in der Lust suctitelte und endlich erklärte, einen. Fremden nur unter bestimmte», von seine», Glaube» dik-
Gegen Mitternacht zwang er Cheong-Ling zu einer Aussprache.
ticrlen Bedingungen die Tochter überlassen zu wollen. ES dauerte wieder Stunden, bis diese Fragen besprochen waren. Als Perch in der Tämmernng des östlichen Morgens die Spelunke verließ, hatte cr cingewilligt, alle Wünsche des Chinesen zu crsütlcn.
Cheong-Ling hatte sich durch einen chinesischen Bankier Auskunft beschafft. Daher wurde alles sehr schnell erledigt. Erstens müsse Percv die chinesische slaalsangehörigkeil erwerben, was nur unter Auf,„and allen Einflusses 'möglich sei. Hier habe er eine» Paß des Malrosen Bill Droonv geboren von einer englichen Paria-Fee in Schanghai. Mit Hilfe dieses Papicres werde cr alles erreichen. Das Geld falle ihm bei», Tode Chcong-Lings ja wieder zn. llntec diese» Umständen glaube Cheong-Ling allen Forderungen seiner stictiqion und Valerlandslicbe gerecht werden zn köiincn. Das Land sei ohnehin von Eindringlingen überflutet und er denke nicht daran, mit einem den, Gesetze »ach englischen Staatsangehörige» überhaupt ein Ablomme» zu treffen . . .
Drei Tage später gab cs keinen Perch Hopkins mehr. Die Bank von England überwies in seine», Auftrag das Geld an den chinesische» Bankier aus Konto Cheong-Ling, der Matrose Bill Droom ließ es sich einiges koste», chinesischer Untertan zu werde». Nach Verlauf einer weitere» Woche übergab Bill Droom seinem Schwiegervater dar restliche Geld, erhielt eine chinesische O.uittnng über den Betrag von drcizelw.tausendvicrhundcrt Psnnd als Kaufst,»,me für die Teestube „zum blauen Drachen", die mit dein morgige» Tage in seine» Besitz übergehe, speiste am Abend in der Gesellschaft des Schwiegervaters und vermochte in seiner Freude über die morgige Hochzeit lau», zn schlafen. Cr lag während der ganzen »lacht wach, durch die Wände des billigen Hotels, das er mit den, Rest seiner Vermögens gerade noch für diese kurze Zeit bezahlen konnte, Härleer mit gnälcnder Deutlichkeit alle Geräusche der chinesischen »lach!. Wieder stand er ans, starrte stundenlang i» das Firmament „nd „ahn, nitz dem ersten Morgengrauen sein bescheidenes Frühstück ein.
Endlich stand cr vor den, „Blauen Drachen", „„schlüssig, ob ec so früh schon cinlrctcn solle. Ans sein Poche» öffnete der st,in,nie Diener Eheong-LlngS. Der Europäer setzte sich in die Ecke der Gaststube, betm Eintrclc» früher Gäste er- crlnnerke er sich, daß „„„mehr cr der Wirt kci. 'Ans der Straße begann das Treibe» des Tages. Händscr riese» ihre W.me ans, Tagesöhuer schleppten Listen, Kunde wühlten in, Schmutz, immer „och ließen Vaicr und Tochter sich nidjt