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gründung des Leuischen Reiches wenig wahr^nnehmen. Die' schenken, in wieweit wir darauf rechnen können, daß die Einigung,

Eins geht auf oder bleibt

Rull. Der Na

taatSIrkens füi; br,§ Reich und für jede»

allen '.'iibic

Schäden welche dadurch dem Wohlstände der deutschen Na­tion seit drei Jahren zugefügt wurden, sind unberechenbar. Hoffentlich Wird der bei der Subscription der Reichs­bank gemachte Fehler nicht noch bei der Repartition der Zeichnungen vergrößert werden. Eine abermalige Bevorzugung der großen meist spekulativen Zeichnungen von den kleinen ernstlichen Subscribenten würde die Sache noch verschlimmern und die ganze Aktienaus­gabe mit einem Odium belasten, das auf die künf­tige Wirksamkeit des Centralinstituts unmöglich gut einwirken könnte.

Im italienischen Parlament nehmen die Debatten über das Sicherheitsgesetz einen sehr stürmischen Verlauf. Die Regierung erklärt unum­wunden, sie könne von der Forderung, daß ihr die weitgehendsten Maßregeln zugestanden werden, nicht abgehen, während andererseits die Linke diese Forde­rung mit Recht als eine horrende hezeichnet. Der einzige" Artikel, aus dem der Entwurf der Regie­rung besteht, ist ein inhaltsschwerer, er überliefert die ganze Provinz Sicilien einfach der Regierung auf Gnade oder Ungnade; die schreiendsten Acte der Po­lizeigewalt werden mit Berufung auf das Sicherheits­Gesetz vorgenommen werden, und was gegen die Diebe und Mörder schützen soll, wird oft genug die recht­schaffenen Leute in die Gefängnisse bringen. Trotz der Hartnäckigkeit, welche die Regierung bekundet, ist es aber doch noch sehr die Frage, ob sie wirklich den Muth besitzt, in ihrem Entschlüsse zu verharren. Die Reden der Deputirten zeigen nämlich, daß im Lande eine beispiellose Aufregung herrscht und daß an dem Begehren Minghetti's sich ein Bürgerkrieg auf Sici­lien entzünden könnte eine Aussicht, welche selbst die ni Polizeisachen wahrlich nicht sentimentale ita­lienische Regierung stutzig machen dürfte.

' tionalliberalismus polemisirte nicht nur gegen den ; halben Fortschritt, sondern auch und zwar in erregter Weise gegen einzelne seiner Prehorgane, die seit Kur­zem nicht mehr Kompromißordrc pariren wollen. Es - find darunter Blätter, die bisher den besten Klang in der Partei hatten, und wenn es schließlich selbst dem alten Stein in Breslau zuviel wird und dieser in das Schatzkästlein seiner Erfahrungen greifend, sich ; vernehmen läßt:

Stahl, wenn er noch lebte, würde seine glat­testen Reden halten, um diese Provinzialordnung | durchzubringen. Eine Präfektenwirtbschaft mit stän­dischen Elementen war ja das Ideal der Landraths- | kammer; das Junkerthum gegen die Büreaukratie geschäht; die übrigen Klassen der Gesellschaft einer Vereinigung dieser beiden Faktoren preisgegeben, was will man mehr?"

|o versteht man den Grimm, der ob solchen Abfalls den nationalen Compromißler Rickett erfüllt und ihn den ehemaligen Journalisten und Redakteur und jetzigen Zeitungseigenthümer sagen läßt:Die Presse möge die Stellung, welche nothwendig ist, bewahren, d»enn sie von der Partei beachtet werden solle," d. h. sie möge es sich bei Sttafe der Nichtbeachtung nicht rinfallen lassen, die Zirkel der Compromißmacher zu stören. Wir müssen es der betroffenen Presse über­lassen, darauf die gebührende Antwort zu finden und zu geben, meinen aber, es dürste darin etwas von der Leit vor den Wahlen die Rede sein.

Die Subscr^tion auf die Antheile der deutschen Meichsbank ist vorüber und hat ein den Verhält- uissen nach glänzendes Resultat geliefert. Ist auch dieGe- sammtziffer der Zeichnungen noch nicht genau bekannt, jo steht doch fest, daß eine vielfache Ueberzeichnung pattgefunden hat. Die Befürchtungm jener Reichr-

tt »tarieret

Die sechsspoliige Petitzeil, oder deren Raum wirdtit 10X k. = 8 kgr. --- 80 Npf. berechne!; in. Text il» »terspaltige Petitzrile mit 85 fr. ---- 10 Sgr. ) Ät. Anzeigeu-Äunahn e bei der Eppeditioi unL ben befanttka Agenturen sowie bei der Filial-Expedition, Gutenbergs« platz 10 neu, in Mainz.

Bureaux: Grob« Gscheuheimergasi« 37.

tagsmitglieder, welche noch im letzten Augenblick die Gewinnvertheilung zum Nachtheile des Reiches än­dern wollten, haben sich somit nicht verwirklicht. Viel­mehr haben Jene Recht behalten, welche von Anfang an der Meinung waren, daß unter den Bedingungen, welche das Gesetz fixirt, das Privatkapital sich bereit­willigst dem Unternehmen zurVerfügung stellen werde. Dieser Andrang des Kapitals zur Betheiligung an der deutschen Reichsbank ist ein bemerkenswerthes Zeichen der Zeit. Von den Crcditbanken, welche unter kaufmännischer Leitung volle Freiheit der Be­wegung haben und unter Umständen weit größere Gewinne erzielen können, zieht das Kapital sich scheu zurück und flüchtet in den Schooß der ausschließlich von Staatsbeamten geleiteten Reichsbank, welche nur ein mäßiger, scharf begrenztes Erträgniß in Aussicht stellt. Was sagen unsere Manchestermänner zu diesen Früchten ihrer Lehren von der Unfehlbarkeit der Selbsthilfe, von den verderblichen Folgen der Staats­industrie? Die Praxis hat in Deutschland wie an­derwärts alle diese Theorien über den Haufen ge­worfen. Sie hat auch auf dem Gebiete des Bank­wesens gelehrt, daß die Vortheile der freien Concur- renz durch die vielen Mißbräuche, welche dieselbe erzeugt, mehr als ausgewogen werden, und daß es namentlich zu den größten Unzuttäglichkeiten führt, das von dem Münzregal untrennbare Privileg zur Notenemission an Privatgesellschaften zu überlassen. Von der Reichs­regierung in erster Linie wird es nunmehr abhängen, ob das in ihre Hand gelegte Zettelmonopol durch eine vorsichtige und geschickte Verwaltung der Ge­sammtheit zum Nutzen gereichen wird. Leider berech- ttgen die ersten Schritte nicht zu den besten Hoffnungen in dieser Beziehung. Es hat, wie selbst national» liberale Blätter bitter beklagen, in Süddeutschland einen sehr ungünstigen Eindruck gemacht, daß in der Hauptstadt Berlin die Zeichnungen schon mehrere Tage vor dem Subskriptionstermine angenommen wurden, während in allen andern Städten dieselben nur wäh­rend der kurzen offiziellen Subskriptionsstunden zuge­lassen wurden. Liegt hierin nicht eine offenbare Be­vorzugung des Großkapitals, eine Benachtheiligung Süddeutschlands? Vergebens haben demnach verschie­dene süddeutsche Abgeordnete im Laufe der Bankde- batteu die Reichsregierung in dieser Beziehung gewarnt und für das süddeutsche Capital wenigstens die volle Gleichberechtigung gefordert. Wie bei so vielen andern Anlässen zeigt es sich eben auch hier wieder, daß die Leitung der volkswirthschaftlichen Angelegenheiten im Reiche unendlich viel zu wünschen übrig läßt. Der Wille Einzelner mag gut sein; von einem harmonischen Zusammenwirken aller Kräfte, von einem sachkundigen Ueberblick über die vielfach ineinander greifender In­teressen des Handels und Verkehrs ist leider seit Be-

ich für mein Theil wenigstens dieser Provinzialordnung unter Annahme des Amendements Miquel zustimmen kann. Ich kann aber dabei nicht verkennen, daß uns eine Reihe von Einwän­den der schwersten Art entgegengeworfen werden; man wird uns sagen, daß dieser Muth des Vertrauens auf neue Erklä­rungen von Seiten des Staatsministeriums an Verwegenheit grenze, daß wir unser eigenes Ansehen und das Ansehen dieses Hauses in die Schanzen schlagen. Man wird uns vorwerfen, daß wir durch dieses ewige Komproinittiren und Konzediren das Volk in seinen Ansichten verwirren; daß unsere Stimm­abgabe bei Weitem mehr einer Konnivenz gegen das jemalige Ministerium und einer dcplacirten Nachgiebigkeit gegen das Herrenhaus entspringt. Wenn ich solch schweren und unter dem Anscheine einer gewissen Richtigkeit hervortretenden An­schuldigungen gegenüber und diese An chuldigungen find ja nicht nur im Schooße der Presse der Fortschrittspartei, son­dern auch in der Presse der nationalliberalen und selbst der freikonservativen Partei bereits hervorgctreten selbst in der schwierigen Lage, in der ich mich befinde, indem ich mich von der Majorität meiner Fraktion trenne, trotzdem entschlossen bin, unter der Voraussetzung der Annahme des Amendements des Abg. Miquel für die Provinzialordnung zu stimmen, dann müssen es sehr gewichtige Gründe, politische Erwägungen ersten Ranges sein, welche mich dazu bewegen. Ich bin in der That schlechter­dings nicht im Stande, diese Provinzialordnung in ihrer Ver­einzelung zu betrachten: ich muß sie in Zusammenhang nehmen mit der ganzen politischen Situation, mit einer Reihe von Ge­setzen und Gesetzentwürfen, welche sich auf die Reorganisation der inneren Verwaltung Preußens beziehen. Wenn ich einen Rückblick werfe auf die innere Entwicklung Preußens , so tritt mir die Erscheinung entgegen, daß die innere Verwalmng Preu­ßens nach einem schwunghaften Ansätze plötzlich erlahmte und sich selbst wieder zur Passivität verurtheilte. AIs die große Reorganisation im Anfänge dieses Jahrhunderts vor sich ging, war der Mittelpunkt derselben die Städteordnung Stein's. Sie war gedacht als das Glied eines großen Planes, der sich auch auf die Landgeneindeordnung erstreckte und die Betheiligung des Laienelements an der gesammten Staatsverwaltung, wenn auch noch in unvollkommenen Formen, doch mit seherischem Blicke ins Auge faßte. Die Stein'sche Sädteordnung ist ein Torso geblieben, sie ist verkümmert und verschlechtert worden in ihrer Jsolirtheit unter dem Drucke, den die Beamtenhierarchie und der Polizeistaat auf dieselbe ausübte ein getreues Bei­spiel für das, was die isolirte Kreisordnung auch jetzt in Preu­ßen zu erwarten haben würde. Nachdem dieser erste Anlauf mißglückt war bis auf diesen Torso, hatten wir bis 1848 zu er­warten und dann organisirten wir wiederum in dem Gesetz von 1850 die Gemeinde, den Kreis und die Provinz. Es war dies wiederum eine vollständig ephemere Erscheinung. Allerdings waren diese Gesetze in dem formalen Geist der Zeit entworfen, aber ich behaupte noch heute, ihre Durchführung wäre ein Se­gen gewesen, denn der Inhalt würde sich an der Hand der Er­fahrung und gereiftem Einsichten allmälig gesunden haben. Es ist eine wunderbare Erscheinung, daß wir in dem nämlichen Augenblicke, wo wir an die kolossale Ausgabe herangetreten sind, rin großes deutsches Reich zu gründen, an die gewaltige Aus­gabe einer Reorganisation der innereren Verwaltung in Preußen geben sollen. Und doch ist dies kein Zufall; denn wenn auch Keiner mehr als ich übeezeugt ist, daß die Grundlagen desdeu- schen Reiches sicher gelegt find, so bin ich nicht blind gegen die mancherlei nicht nur äußeren sondern auch inneren Gefah­ren , die der Entwickelung und unter Umständen selbst dem Bestände desselben noch entgegenstehcn. Diesen Gefahren werden wir mit Sicherheit nur begegnen können, wir werden das Reich in voller Entn ickelungs > Fähigkeit nur dann entwickt!» können, wenn Preußen nicht nur der Hort der äußeren Sicherheit des deutschen Reiches, sondern wenn es zugleich der Hort ist für die moderne Entwickelung aus

Politische nebersicht.

Schon wieder ertappen wir das Wolff'sche jkelegraphen-Burean auf den bekannten krum- «en Wegen des officiösen Dienstes und sehen auf8 Jteue, wessen Geschäfte ein Institut, das nach seinem Zweck völlig objectiv und daher durchaus neutral sein *y[te, zu besorgen hat. Wie schon erwähnt, enthielt die gestrigeKöln. Zig." folgende vom 4. datirte Mittheilung aus Karlsruhe:

D,e erstannliche Macht der gedruckten und der geflüsterten Lsüge, die sich in den letzten Wochen gezeigt hat, soll bei den Lundes-Regiernngen den Wutrsch rege gemacht haben, den diplo- Mltischen Ausschuß des Bundesrathes in einer Form zu rea kti- viren, welche ihm eine praktische Bedeutung ver­sprechen kann."

Diese tu der That auffällige und nach den Ereig- Men der letzten Woche bedeutungsvolle Rottz wird natürlich von Köln nach Berlin telegraphirt, allwo sie im Wolff'schen Bureau einer Bearbeitung unterworfen wird. Üud in nova seit animus mutatas dicere formas corpora aus dieser officiösen Appretirau- flalt kommt sie in folgender Gestalt zum Vorschein:

:Köln, Sonntag, 6. Juni. Schon mehrfach und auch von km Reichskanzler selbst ist darauf hingewiesen worden, daß der Ausschuß des Bundesraths für auswärtige Angelegenheiten eine Wesentliche Institution im Reiche ist. DerKöln. f«tuna" wird aus Karlsruhe gemeldet, daßdie erstaun« che Macht gedruckter und geflüsterter Lüge, die sich in den letzten Wochen gezeigt", den Wunsch rege gemacht habe, diesem Ausschuß des Bundesraths für auswärtige Angelegenheiten eine Form zu geben, die seine praktische Bedeutung ver­größern würde.

Ungeschickter können plumpe Bauernfänger ihr Hümmelblättchen nicht produciren, wie es hier mit politischen Karten Seitens des chrenwerthen Wolff- fchen Bureau's geschieht. Zunächst beachte man die Einleitung des Telegramms da haben wir den ordi­närstenWaschzettel", dessen Angaben übrigen» komischer Weise zu der Karlsruher Mittheilung derKöln. Ztg." wie die Faust aufs Auge passen. Um das einiger­maßen zu verwischen, muß diese Mittheilung also «rrigirt, oder wie es dieplump' Sprak'" nennt, gefälscht werden. Auch darin find die Bediensteten des Büreans traurige Schächer. Der Karlsruher Wunsch geht nach einer Reaetivirung des diplo­matischen Bundesraths-Ausschuflcs, welche demselben eine praktische Bedeutung versprechen kann. Mas Wolff'sche Büreau macht daraus einen Wunsch, dem Ausschuß eine Form zugeben, die seine prak­tische Bedeutung vergrößern würde. Gehen wir zu weit, wenn wir hier von einer Fälschung frechen? In Karlsruhe erkennt man, daß der Aus­schuß gar keine prakttsche Bedeutung habe, weil er die ihm von der Verfassung zugewiesene Aktivität nicht ausübe, man will ihn also reaktiviren, d. h. ihn in den Stand setzen, gemäß der ihm zugewiesenen Aufgabe auch zu wirken. Wolff borgt sich zu­nächst die Autorität Bismarck's, um aus dem Aus­schuß einewesentliche Institution" zu machen und läßt dann den Karlsruher wünschen, es möge für diese Institution eine Form gefunden werden, die seine praktische Bedeutung vergrößern würde. Etwas ver­größern, was nicht existirt, recht finnig. Eine Form flnden, die bereits existirt, noch sinniger. Mit den Worten ist nun aber auch die Sache gefälscht, die Mittheilung derKöln. Zig." verlangt einen Aus­schuß, wie er in der Verfassung vorgesehen ist, Wolff's geistreiche Transseriptiou kann nur so verstanden wer­den, daß die Verfassung dahin geändert werde, die­sem Ausschuß eine größere praktische Bedeutung zu geben. Hier wird Bismarck von dem offiziösen Eifer «nd Ungeschick überbismarckt und selbst der guten »Rat. Ztg." wird es dunkel vor den Augen; sie weiß weder aus der Karlsruher Mittheilung noch aus dem Wolffschen Telegramm einen Vers zu machen, am fe wenigsten ober beide zusammenzureimen. So wird das deutsche Publikum bedient.

Die gestrige Debatte Über die Provinzialord- »ung hat mit dem Compromiß Alles bestätigt, was in den letzten Tagen an dieser Stelle über das Schick­sal der Vorlage, wie über die Stellung der Parteien | zu derselben gesagt geworden ist. Der Fortschritt ; debütirte mit der Zweiseelentheorie, die ihn jetzt am eigenen Stamm Heimsucht; er stellte einen entschiede­nen Vertheidiger und einen entschiedenen Gegner des Eompromisses in die Debatte und Eins von

Preußischer Landtag.

Abgeordnetenhaus.

74. Sitzung.

Berlin, 7. Juni.

10 Uhr. Am Ministertisch Gras zu Eulenburg, Geh. Rath Persius und andere Komniiffare; später Falk, Achenbach, Frie­denthal.

Dom Abg. Schröder (Lippstadt) ist eine Interpellation eingebracht, betreffend 1) die Benutzung des in Lippstadt er­scheinenden LokalblattesDer Huhn" für amtliche Bekannt­machungen der Gemeinde, 2) die Bestrafung von Gemeinde- Vorstehern wegen Theilnahme am Mainzer Katholikenverein; vom Abg. Wierzbinski eine Interpellation.

Das Haus erledigt darauf ohne Debatte die dritte Bera­thung der Gesetzentwürfe betreffend die Berichtigung des Grund« steuerkatasters und der Grundbücher bei Auseinandersetzungen vor Bestätigung des Rezesses und betreffend die Erweiterung der Statuten der Landescreditanstakt zu Hannover, ferner die erste und zweite Berathung des Gesetzentwurfs betreffend die Abänderung der in den Hoher.zollernschen Landen zur Erhebung kommenden Abgaben auf Hunde, und tritt dann in die Be­rathung der aus dem Herrenhaus zurückgekommenen Provinzial» ordnung ein, die nach der Geschäftsordnung die Form einer dritten Berathung hat, d. h. aus General- und Spezialdiskussion besteht. Zur Generaldebatte melden sich gegen die Vor­lage nach den Beschlüssen des Herrenhauses: Haenel, Richter (Hagen), Schlüter, Windthotst (Bielefeld) und Kieschke; für dieselbe: Tiedemann, Rickert, v. Koester, Miquel und Graf Bethusy-Huc.

Haenel: Ich spreche gegen die Provinzialordnung in der Form, wie sie aus dem Herrenhause zurückgekommen ist, ich spreche für dieselbe unter der Voraussetzung der Annahme der Amendements des Abg. Miquel. (Beifall.) Selten ist eine

AboimeMeittspreis:

Vierteljahr-, in Franlsurt, im deutschen Reich«, in Oesterreich, Luxemburg, 2% £blr.=jt. T -iz Mark; in der Schwei, Fr. 8. 37)4 6. aus» schliesslich des Lomlzuschlags.

Herausgeber. Leopold Sonuema««.

Verantwortlicher Redacteur:

«vuarv Lack in Frankfurt am Rai«.__

di« wir hier gewonnen haben, noch wirklich auch mit allen Kräften, mit dem Einsatz der Person und nöthigensalls des Am­tes in dem anderen Hause vertreten wird. Es wird ficherlich von den Erklärungen nicht nur eines einzelnen Ministers, son­dern auch des Slaatsministeriüms abhängen, wie wir uns heute definitiv zu entschließen haben. Ich wünsche, daß diese Erklä­rung in einer Weise und mit einer Bestimmtheit ausfalle, daß

einzelne» deutschen Staat, der in demselben begriffen ist. Nur wenn die Ilrberzei-gnng bis in die letzt Hütte gedrungen ist, daß ;uir hier in dem rreußi'cht» Staat den Vorkämpfer für die modern,n Idee» in unserer staatlichen Entwickelung finden, nur dann ist jene letzte Garantie Lite, gegeben, die wir sür den Bc-

parlamentarische Körperschaft in einer schwereren und peinlicheren Lage gewesen, als wir heute. Ich muß den größeren Theil der Schuld und der Verantwortlichkeit hierfür aus den Herrn Mi­nister des Innern werfen (Sehr wahr!) und ich bedauere eS daher doppelt, daß ich denselben noch nicht auf feinem Platze sehe. Bei der Einbringung dieser Provinzialordnung be­trachteten wir es als den wesentlichen, als den prinzipiellen Fortschritt, daß der Gedanke der Selbstverwaltung mitten in die eizentlichen Aufgaben der Staatsverwaltung hineingetragen wurde. Die Mehrheit des Hauses legte bei diesem Ziel­punkte des Entwurfs ein Hauptgewicht darauf, daß die Iden­tität des Provinzialausschusses bewahrt sei in Rücksicht auf i-Hte kommunale und feine staatliche Aufgabe. Dirs« von der Regierung selbst vorgeschlagene Identität fand so sehr d«ti Beifall in der Kommission, daß ein dort gestelltes Atncn- dement, ^welches in der Organisation des Provi»zialau5- f&tißjjrTR staatlichen und die kommunalen Aufgaben auch nur leWkauseinander treten lasten wollte, in verschwindender Mino- rititt blieb, und daß dieser Antrag auf den entschiedenen Wider­spruch des Vertreters der Staatsregperung traf. Im Plenum wagte man nicht, darauf zurückzukomtnen, und die große Mehr­heit des Hauses hat unter dem Motive der Identität des Pro- rinzialausschufles in seinen kommunalen und staatlichen Aufga­ben deni Entwurf zugestimmt. Nachdem wir hier glaubten eine feste Einigung gerade über diesen wesentlichen organisatorischen P. nkt mit der Staatsregierung erlangt zu haben, nahm der Minister des Innern im Herrenhaufe einen andern Standpunkt ein; wenn er ihn als einen besseren bezeichnet-, so war mein erster Gedanke, als ich diese Sensation erregende Erklärung des Ministers las: hier wird ein entscheidender Stoß gegen das Zweikammersystem in Preußen geführt. Mir erscheint es sehr zweifelhaft, ob überhaupt in irgend einem Einzelstaat neben dem Reichstage, neben der Unsumme der kommunalen Körperschaften, die wir gegenwärtig aufbauen, ein Zweikammersystem in Be­tracht des Ausreichens der Kräfte und der Zeit noch möglich ist; mir erscheint dies mehr als zweifelhaft, wenn wir «in Zwei­kammersystem in Preußen sehen, wo die beiden Körperschaften fich wie Gegensätze entgegentreten, hier eine Volkskammer, dort «ine Kammer, welche nicht etwa, wie die Versa stung es verlangt, auf der vermittelnden Autorität des Königs beruht, sondern welche gegen den Geist der Verfassung geworden ist zu einem Abbild einer Schichtung und einer Gliederung der Gesellschaft, die längst abgestorben und todt ist, und die nur eine romantisch« Grille noch als lebensfähig betrachten kann. Definitiv ist das Zweikammersystem verurtheilt, wenn di« Staatsregirrung dies-S komplizirte Räderwerk, anstatt zu erleichtern, erschwert und ei­gentlich außer Arbeit fetzt. Wenn «in Ministerium erst in dem Widerspiel der Meinungen einen festen Standpunkt faßt, dann ist «S unmöglich, mit einer derartigen Organisation auf die Länge der Zeit und gegenüber de» Aufgaben auf allen Gebieten des Staatslebens weiter zu arbeiten. (Sehr richtig I links). Der Herr Minister hat bei der ersten Bera­thung die Zurückweisung oder Gefährdung der Vorlage unsererseits als einen großen politischen Fehler erklärt. Wir haben diesen Fehler vermieden, der Minister hat ihn selbst be­gangen (Sehr wahr!); denn daß eine schwere Gefährdung des Zustandekommens der Provinzialordnung in seiner Haltung im Herrenhaus« liegt, wird auch auf dieser Seite des Hauses (zur Rechten gewendet) von Niemandem bestritten werden. (Abg. Hundt von Hassten: Ja! Heiterkeit). Ich freue mich, daß nur eine ganz vereinzelte Stimme den Minister noch in Schutz zu nehmen sucht. (Heiterkeit.) Es beweist dies, daß die per­sönliche Anhänglichkeit selbst objektive Schwierigkeiten einer Lage übersehen läßt. Denn Sie können doch Nicht leugnen, daß durch die Erklärung des Ministers des Innern ein schweres Mißtrauen in bet Majorität des Hauses verbreitet worden ist über die Frage, wie weit wir im Stand« find, einer Einigung, die wir yiit dem Slaatsministerium getroffen haben, Vertrauen zu

1875.

Dienstag, 8. Juni.

stand, für die kräftige Entwickelung unseres deutschen Reiches brauchen. Wir haben jetzt eben die Kreisordnung vollendet, wir haben damit zum dritten Male wieder den Anfang ge­macht zu einer Reorganisation der inneren Verwaltung in Preußen. In der politischen Konstellation, in der wir uns b«, finden, gegenüber den gesteigerten Aufgaben, welche Preußen gegen sich selbst und gegen Deutschland zu erfüllen hat, habe ich nicht den Muth, die Verantwortlichkeit auf mich zu nehmen, den ersten Schritt auf jener abschüssigen und ominösen Bahn, die Preußen zwei Mal gegangen ist, zu thun, so lange die Provinzialordnung mir noch erscheint als innerhalb der Linie liegend, die die Kreisorduung gezeichnet hat, und so lange ft« mir noch als ein entschiedener Fortschritt gegen das Bestehende sich darstellt. Ich muß es als ein V-rhängniß bezeichnen, daß die beiden großen Aufgaben, von denen ich vorhin sprach, der Ausbau des deutschen Reiches und die Reo. ganisation der in­neren Verwaltung in Preußen, sich durch den Kampf gegen den Ultramontanismus kompliziren. Ich habe stets auf Seiten der Vertheidiger der Staatsautorität gegenüber den kirchliche» Uebergriffen gestanden; «S hat mich aber vielfach mit Schmer, erfüllt, daß wir tiefen und ehrenwerthen Gefühlen in unserer Bevölkerung entgegentreten müssen; ich habe nie geleugnet, daß, wenn auch die Leidenschaftlichkeit in einzelnen Erscheinungen schlimme Resultate gefördert hat, ein echter Patriotismus auch diejenigen beseelt, welche heut« zu meinem Bedauern in einem von mir zu bekämpfenden Lager stehen und gerade darum leg« ich ein Hauptgewicht darauf, daß wir mit unseren legislatorische» Arbeiten uns nicht isoliren in dem Kampfe gegen die kirchlich« . Bewegung. Es ist meine felsenfeste Ueberzeugung, daß wir durch den Einklang der Gesetzentwürfe, die uns heute zur Ent­scheidung mittelbar durch die Provinzialordnung »erliegen, einen gewaltigen Fortschritt in der Entwickelung Preußens machen. Dieses Gesammtbild ist vollkommen werth , ein Vor­bild für die Entwickelung in den übrigen deutschen Staaten zu werden. Von diesem Standpunkte aus werde ich unter der Voraussetzung der Annahme der Amendements Miquel für dies« Provinzialordnung stimmen. Mag man mich vielleicht ge­rade von Seiten meiner politischen Freunde als einen unbe­grenzten Anhänger derselben betrachten, bestimmte Grenzen er­kenne auch ich. Es scheint mir fast über die Grenz« der mir möglichen Concessionen hinauszugehen, daß auch nach den Ri- quel'schen Vorschlägen di« städtischen Element« nicht bi« von unS Allen in dem Sinne gewünschte Beachtung finden solle», daß in den Städten das reichste und geübteste Material für di« Selbstverwaltung und eine ausgebildete Selbstverwaltung sich vorfindet, welch« insbesondere in den Aufsichtsinstanzen sehr be- rücksichtigenswerth ist. In dem Amendement Miquel erblick« ich nicht eine Verschlechterung, sondern eine Verbesserung der Kon­struktion der Provinzial-beziehungsweise Bezirksausschüsse. (Sehr richtig!) Diese Vorschläge weichen in doppelter Richtung von den Beschlüssen des Abgeordnetenhauses ab. Es ist nicht zu leugnen, daß dadurch eine Anerkennung der Mittelinstanz, der Bezirks- regieruttg in ihrer neueren bureaukratischen Gestaltung ausge­sprochen ist, die trotz der leisen in dem Amendement Miquel noch vorhandenen Verwarnung viel stärker ist, als es bisher der Fall war, und daß ferner in diesem Vorschlag« aufgegeben ist eine Verbindung der Selbstverwaltung in diesen Bezirken mit der kommunalen Organisation. Ich habe die Beseitigung der Mittelinstanz der Regierung nie zu einer prinzipiellen Frage ge­macht, ich habe stets den Gedanken des Abg. Gneist, dies« neuen Organ« der Selbstverwaltung zunächst an fest« und bewährte Stellen der bisherigen Verwaltung anzulehnen, gebilligt und geglaubt, daß man unserer Bevölkerung nicht eine bequemere Einrichtung, die sie durch diese Mittelinstanz zweifellos besitzt, schon jetzt entziehen soll, Zeit und Arbeit werden nicht gespart werden, in der größeren Langwierigkeit wird der Preis für die größere Sicherheit der Parteiinteressen durch die Selbstvetwalt» tung liegen. Von diesem Gesichtspunkte aus war die »ersuchte Ausdehnung auch, der Bezirksausschüsse an di« conmmnalen Or­gane nur ein Scheinding, das zur Zeit kein reelles Leben hatte. Wird später der Bezirk mit communalen Ausgaben erfüllt, so wird auch das Amendement Miquel in Verbindung mit der ' Herrenhausvorlage kein Hinderniß fein, daß der Provinzialland­tag resp. Provinzialausschuß sämmtliche Mitglieder des Bezirks» rothes mit der Verwaltung der betreffenden Commnnalaufgaben betraue. Ich verkenne nicht, daß die einzelnen Bestimmungen der Provinzialordnung zu großen Bedenken Anlaß geben, aber ich erkenne trotzdem in der Provinzialordnung Keime des Lebens und der Entwickelungsfähigkeit. Vertrauen Sie der Geiundheit dieser Anlage und lehnen Sie die Proviuzialordnung nicht abl (Lebhafter Beifall.)

Tiedemann: Die Einführung der beiden Organe, d«S Provinzialraths und des Bezirksraths, wie sie das Herrenhaus beschlossen hat, sind meiner festen Ueberzeugung nach eine wesent­liche Verbesserung des vom Abgeordnetenhause geschaffenen Ent­wurfs. Wenn, wie der Vorredner hervorhob, selbst viele Zei­tungsorgane der nationalliberalen Partei in so heftiger Weis« gegen die Beschlüsse des Herrenhauses agitirt haben, so wissen diese Herren Zeitungsschreiber wohl gar nicht, daß sie damit eigentlich gegen die Gedanken polemisirt haben, wie sie der Adq. Lasker bei der ersten Berathung deS Entwurfs hier im Haus« ausgesprochen. (Redner verliest mehrere Stellen aus der betref­fenden Rede des Abg. Lasker und fährt fort:) In der That g eht aus diesen Sätzen unzweifelhaft hervor, daß di« Schaffung des Bezirksraths nichts weiter ist, als eine praktische Formn» tirung bet theoriteschen Deduktionen, wie sie der Abg. Lasker damals dem Hause gegeben. Ich werde mit meinen FrakttonS» genossen für di« Miquel'schen Anträge stimmen und kann daS Haus nur dringend bitten, sie anzunehmen.

Richter (Hagen): Die Amendements meiner politischen Freunde verfolgen nicht die Absicht, den Kreis der Anforderungen zu erfüllen, die wir an eine gute Provinzialordnung zu stellen haben, sie haben auch nicht den dekorativen Charakter, die Ab­lehnung der Provinzialordnuug ohne di« Annahme dieser Amen­dements zu rechtfertigen. Sie sind zum Theil nur eventueller Natur und aus dem naturgemäßen Streben hervorgegangen, ei» Gesetz, das, sobald es angenommen ist, auch gegen bie ihm nicht Zustimmenden Geltung bekommt, bis zum letzten Augenblick« zu verbessern. Sollten, wie es heute scheint, diese Amendements keine Aussicht auf Annahme haben, so werden wir uns nicht weiter dafür bemühen und ihre Verwerfung wird uns bi« A b- lehnung der ganzen Provinzialordnung um so mehr erleichtern. Die Beschlüsse des Herrenhauses, auch in der heute amenbirten Gestalt, treffen gerade die empfindlichsten Stelle» der Provinzialordnung: Die Organisation der Landes­behörden und die Bildung der Provinzial-Ber- tretung. Ich muß dies um so mehr betonen, als mir bie ganze Debatte dahin zu führen scheint, an bi« Stelle einer Kritik beS uns vorliegenden Gesetzes mehr und mehr allgemein« politisch« Erwägungen treten zu lassen. (Sehr wahr links.) Bei der ersten Berathung über die Organisation der Landes« behörden wurden gegen die Beibehaltung einer doppelten Mittel­instanz von allen Seiten die höchsten Bedenken geäußert. Man hob insbesondere die dadurch bewirkte außerordentlich« Ver­schleppung der Verwaltung hervor. Gleichwohl refigmrte man sich gegenüber den bestimmten Erklärungen des Ministers deS Innern, daß die Regierung dies« doppelte Mittelinstanz nicht auf geben wollte.! Den eitrigen Trost für diese Resignation fand man bann, daß bie Mitglieder d-s Bezirksausschusses auS dem Provinzialausschuß oder dessen Stellvertretern genommen werden mußten. Dieser Trost ist jetzt durch das Herrenhaus auch geraubt. Der Bezirksrath ist als eine völlig selbstständige Mittelinstanz neben dem Provinzialrath hingestellt; personell ist der Zusammenharg bet Mitglieder völlig gelöst. Der Provin­zialrath selbst ist nach seiner Verkleinerung nicht größer als der Bezirtsrath, aus denselben Elementen zusammengesetzt, hier und dort ein Regierungsrath, hier der Regierungspräsident, dort den Oberpräsident, und außerdem Laienmitglieder, di« auS dem- selben Holze geschnitzt sind. Niemand wird begreifen, welch« bessere Gewähr für eine Entscheidung der aus 7 Personen be­stehende Provinzialrath geben solle als der aus denselben Per­sonen zujammengesetzte Bezirksrath. Ueber all diese Bedenk«» heben Sie sich hinweg. Der Bezirkrath, der nach unsere» früheren Beschlüssen und nach der ursprünglichen Regierungs­vorlage zugleich kommunale Funktionen haben sollte, ist jetzst lediglich eine Aufsichtsbehörde in der Landesverwaltunß geworden, bie Mitglieder des Bezirksraths sind vollständig losgelöst von der Provinzial - und Kommunal » Ver­waltung ; sie treten nur in Funktion unter dem Lor- sitz des Obetpräsidenten in Angelegenheiten der LandeSrer»

Sfr. 159.