# Berlin, 17. Febr.
11 Uhr. Am Ministertische Camphausen, Leonhardt, Friedenthal, Geh. Oberfinanzräthe Hoffmann, Rötger 11. A.
Sont Kultusminister ist ein Gesetzentwurf eingegangen, betr. das Aufsichtsrecht deS Staates über die Vermögensverwaltung der katholischen Diözesen.
Ohne Debatte erledigt das Haus die dritten Berathungen der Gesetzentwürfe, betr. die Anwendung der für den Verkehr auf den Kunststraßen bestehenden Vorschriften auf den Kreis Ziegenrück, sowie die Verwendung der in Folge der Abtretung der Preußischen Bank an daS Reich für die StaatSkaffe verfügbar gewordenen Geldmittel — und beginnt sodann die Specialbe- rathung des Budgets mit dem Etat derDomänenver- waltung.
Di-Einnahme» dieses Etats betragen 38,540,650 M. I (SJegen 28,384,860 Mark des Vorjahres) die dauernden und di« einmaligen Ausgaben 6,593,110 Mark und resp. 1,282915 Mark (gegen 6,100,000 und resp. 1,874,850 M. d«S Vorjahres.)
S« Titel 3 und 4 »Ertrag von Domänenvorwerken und Grundstücken bemerkt
Preußischer Landtag.
Abgeordnetenhaus.
8. Sitzung.
1876.
Freitag, 18. Februar.
Wr. 4S.
Abendblatt
I Forstgrundstücke, zusammen 19,742 Hektare für einen Preis von I 30,767,000 Mark verkauft worden. (Hört! Hört!) Hierbei I fällt noch stark ins Gewicht, was die Forstverwaltung alljährlich zur Ablösung von Forstservituten abtritt. Im Jahre 1870 sind zu diesem Zweck verwendet worden 2249 Hektare, im Jahre 1871 2294 Hektare, im Jahre 1872 2410 Hektare, im Jahre 1873 — 1934, im Jahre 1874 — 1077 Hektare; in diesen 5 Jahren zusammengenommen 9964 Hektare. Wenn Sie diese Zahl mit der vorhin angeführten zusammenstellen, so kommen Sie dazu, daß theils turch Veräußerung, theils durch Abfindung in den 5 Jahren bis Ende 1874 in Prieatb-sitz ü!er- gegangen sind 29,706 Hektaren; das ist eine Fläche von mehr als 5 Ouadratmeilen und ich glaube, daß dieses Land in Zukunft besser bebaut werden wird von den Acquirenlen desselben, und daß das dazu beitragen wird, die Erwerber dieses Boi ens an das Land zu fesseln und daß damit der eigentliche Weg beschritten ist, den wir zu beschreiten haben, um die Arbeiter- Bevölkerung bei uns seßhafter zu machen, sie mehr an das Vaterland zu ketten. (Sehr richtig.) Dieses Bild, was ich Ihne» gegeben habe, schließt mit dem Jahre 1874, aber nur weil das Re- sullat für 1875 noch nicht vorliegt, doch find in diesem Jahre an kleineren Grundstücken 5420 Hektaren zum Verkauf gestellt worden. WaS nun das Verhältniß zwischen den alten und neuen Landestheilen anlangt, so kommen von der angegebenen Summe 6048 Hektare an Domänengrundstücken und 2877 an Forstgrundstücken auf die alten Landestheile, und in den neuen 9s 10 Hektaren an Domänengrundstück-n und 1007 zur Abfindung von Forstservituten. Ich glaube, diese Zahlen werden Ihnen den Nachweis führen, daß die Domänen- und Forstverwaltung ! unausgesetzt darauf Bedacht nimmt, denjenigen Zielen nachzu- streben, die Sie in den Aerhandlnngrn des Jahres 1874 empfohlen haben, und daß die Ersolge bet Bildung von bau er« : lichen Wirthschaften, wie dies uns damals der Referent Ihrer Commilsion vorausgesagt hat, ohne Schult, der Regierung nicht in dem gewünschten Maße eingetreten sind. (Beifall.)
Dr. Löwe. Ich halte es für hochwichtig, daß die Negierung aus diesem Wege in der Praxis noch einen Schritt weiter gehe und nicht blos die Zahlungsbedingungen in der angegebenen Weise erleichtere, sondern in so dünnbevölkerten Gegenden wie Neuvorpommern den Leuten die erste Ansiedelung überhaupt erst möglich mache. Dies kann nur dadurch geschehen, daß das Grundstück und Alles, was dazu gehört, nicht sogleich in den vollen Besitz der Käufer übergeht, sondern ähnliche erleichternde Bedingungen dem Kauftontrakt zu Grunde gelegt werden, wie sie die Eisenbahn-Direktoren und Gesellschaften in Nordamerika zu Gunsten der Landerwerb Suchenden zum größten Vortheil der Anfiedelung und Landeskolonisation zur Anwendung bringen.
Miquel: Ich möchte auf die Methode der Kolonisirung in dem frühere» Staat Hannover Hinweisen. Als dort im Jahre 1848 der Ruf nach Parzellirung der Domänen erscholl, ging man nicht sofort auf die Parzellirung selber ein, sondern man verpachtete die inmitten größerer Ortschaften gelegenen •.Somänen an die betreffenden Gemeinden. Diese überließen dann die einzelnen Parzellen den einzelnen Gemeindemitgliedern, ein Pachtverhältniß, das in vielen Theilen der Provinz noch heute thatsächlich besteht. In den meisten Fällen wird dies Verhältniß dahin führen, daß auf dem natürlichsten Wege die so gepachtete Parzelle zuletzt definitives Eigenthum des Pächters wird. Wählt man diese natürliche Uebergangsmethode nicht und geht künstlich direkt mit der Bildung von bäuerlichen Grundstücken durch Verkauf parzellirter Domänen vor, so ist sehr zu sürchten, daß dieser neu geschaffene kleine Grundbesitz sehr bald wieder verschwindet, indem er von dem benachbarten Großgrundbesitz nach und nach aufgesaugt wird. (Sehr richtig! rechts.)
Die betreffenden Positionen werden genehmigt.
(Schluß folgt.)
üttjeigdt:
Die fiebenspaltige Petitzeile oder deren Raum wird mit 10)4 kr. — 3 Sgr. --- 30 Rpf. berechnet; im Text die vierspaltige Petitzelle mit 35 kr. — 10 Sgr. — IM. Anzeigen-Annahme bei der Expedition und den bekannten Agenturen sowie bei der Filial-Expedition, Gutenbergsplatz 10 neu, in Mainz.
Bureaux: Grosse
Britannien eine Mittelmeer-Macht fei, bedeuten soff, uiiB noch unverständlicher dürfte die Erklärung des Staatssekretärs für Indien sein, daß England eine Gefährdung seiner Interessen in Indien und der Wege. Borttjin „um jeden Preis" fernzuhalten entschlossen sei. Wenn man diese Erklärungen liest, fragt man unwillkürlich: wer will denn Englands Interessen gt- fatirben? Bietet sich denn eine Veranlassung, daß I England als Mittelmeer-Macht auftrete? Wer glaubt, | daß England von Furcht beherrscht sei, oder daß es «neu Angriff auf sein Recht zulassen werde? Die Aeußerungen des Marquis öf Salisbury sind nm so unerklärlicher, als an einer Billigung des Suezkanalgeschäfts durch das Parlament doch kaum zu zweifeln rst. Es scheint zwar, daß zwischen Rußland und England einige Verstimmung herrscht, allein der Zar ist doch wohl klug genug, um dem mächtigen Jnselreiche nicht offen in den Weg zu treten. Wenn sich die Nachricht der „Daily News", nach welcher Graf Schuwalow auf längere Zeit nach Petersburg reisen und von dort vielleicht nicht wieder nach London als Botschafter zurückkehren werde, bestätigt, so dürfte damit allerdings bewiesen fein, daß dir russischen Lockrufe an der Themse kein Gehör gefunden haben, und die beiden Mächte in ihren Beziehungen zu einander wieder auf dem alten StandpuM de- gegenseitigen Mißtrauens angelangt find.
Krech: Es wär« -sehr wünschenswerth, wenn uns die Regierung ähnlich rote im vorigen Jahr« eine nähere Auskunft darüber geben wollte, welche Resultate und praktischen Erfolge dre Maßregel der Parzellirung und des Verkaufs von Dornänen- grnnifftücken int verflossenen Jahre gehabt hat.
Finanzminister Camp Hansen: Ueber die vom Vörred» uer berührt« Frage ist das Hans im Jahre 1874 in eine ans- ^HUiche Berathung eingetreten. Der damalige Referent von Köller sprach sich in seinem Berickt dahin aus, daß in Bezuo auf die Bildung von bäuerlichen Wirthschaften durch Kauf oder Verpachtung im Ganzen und Großen in unserem Lande das Angebot die Nachfrage bedeutend Überwiegt und daß nur Neu- oorponmm hiervon eine Ausnahme mache. Wir haben nun im verflossenen Jahre die Versuche, bäuerliche Wirthschaften zu begründen, in dem Regierunsbezirk Stralsund erneuert. Es ist ein solcher Versuch mit dem Domänenvorwerk Redebas gen:acht worden. Dasselbe besteht aus 592 Hektaren und war verpachtet zu dem Pachtzins von 24,519 Mark. Die Regierung hat nun bereits im vorigen Jahre dem Hause mitgetheilt, daß bei einer Neuverpachtung auf einen eben so hohen Pachtzins nicht entfernt u rechnen fei: wir haben bei mehreren im Bezirke Stralsund telegenen Vorwerken das Pachtquantum bedeutend ermäßigen müßen, während wir allerdings in anderen Gegenden unseres Landes sehr hohe Mehr-Einnahmen an Pachtgeldern erzielt haben, namentlich im Regierungsbezirk Magdeburg. Die Regierung nahm an, daß statt der 24,519 Mk. an Pachtgeldern nur etwa nur 20,000 Mark zu erreichen sein würden. Bei der Aufstellung des Parzellirungsplanes dieser genannten Domäne stellte sich mit Rücksicht auf die bedeutenden Wirthschafts- gebäude, welche diese Domäne besitzt, die Nothwendigkeit, heraus, ein größeres Gut auszusondern, und alsdann den Ueberrest zu 11 Bauernstellen, 9 Kossäthenstellen und 14 Büdnerstellen eizurichten. Das Lizitationsverfahren für den Verkauf hat stattgefunden und hat Anfangs ein Überaus ungünstiges'Resultat ergeben. Erst nach mehrfachen Veraußerungs- versuchen ist es uns schließlich gelungen, einen ©efammtfauf. preis von 395,840 Mark zu erzielen, dabei wurden noch zwei Kossäthenstellen zurückbehalten, die schließlich zu 375 Mark jährlich haben verpachtet werden müssen. Wenn man dieses Kapital zu 4 pCt. anrechnet und die vom Erwerber zu zahlende Grundsteuer, von welcher der Fiskus und der Pächter frei war, in Betracht zieht und 1502 Mark dazu rechnet, bann stellt sich heraus, daß dem Pachtquantum von etwa 20,000 Mark ein Betrag von 17/710 Mark gegenüberstehen würde. Hierzu kommt, daß nach den Verkaufsbedingungen der Kaufpreis eine Zeit lang unverzinslich stehen bleibt und auch nach dieser Richtung hin ein Abzug von dem ermittelten Pacht- und Renrenpreis zu I machen sein würde. Dieses Resultat hat uns zur weiteren Bildung bäuerlicher Stellen keine Aufmunterung gegeben, doch werden wir uns nicht einschüchtern lassen. Das Jahr 1875 war für diese Verhältnisse ungünstig und das Jahr 1871 bietet eine gleiche Besorgniß. In anderen Landestheilen sind wir zwar nicht mit Bildung bäuerlicher Stellen vorgegangen, wohl aber zur Parzellirung von Domänenvorwerken, womit wir manche günstige Resultate erzielt haben. Im Regierungsbezirk Kassel welches einen Pachtertrag von 1853 Mark brachte. Davon sind 36 Hektare für Zwecke der Forstverwaltung bestimmt worden, ist z. B. ein 85 Hektare großes Vorwerk veräußert worden, die übrigen 48 Hektare haben, zu 48 Parzellen »ertheilt; einen Kaufpreis von 65,062 Mark gebracht, also ein finanziell äußerst vortheilh.ftes Geschäft. Bei anderen Komplexen hat die Veräußerung im Gänzen nach Abtrennung von Ländereien für die Forstverwaltung vorgezogen werden müssen. Auf die Veräußerung kleinerer Grundstücke in der Nähe von Städten oder wo sich das Bedürfniß nach Erwerb von kleinen Besitzungen, welche den Besitzer nicht vollständig nähren und ihn zu einem Nebenerwerb zwingen, herausgebildet hat, hat die Agrarcommission und die Majorität des I Hauses den Hauptaccent gelegt. Die Regierung macht Tag für I Tag die Erfahrung, daß nach dieser Richtung hin Wohlthaten I zu verbreiten und günstige finanzielle Resultate zu erzielen sind. I Ich will Ihnen ein Bild geben, was nach dieser Richtung hin I während der Dauer meiner Amtsverwaltung geschehen ist, will I aber noch vorausschicken, daß die zu erwähnenden Flächen- 1 größen auch die wenigen Domänenvorwerke mit umfassen, die in I der Zeit zur Veräußerung und Parzellirung gelangt sind. Wir haben im Jahre 1870 an Domänengrundstücken 2437 Hektare, I an Forstgrundstücken 141 Hektare veräußert und dafür einen I Kaufpreis von 985,420 Thaler erlangt. Im Jahre 1871, wo der Krieg fortdauerte, hat die Veräußerung etwas nachgelassen I und sich erstreckt auf 1704 Hektare an Domänengrundstücken, I 310 Hektare an Forstgrundstücken. Im Jahre 1872 ist sie dagegen gestiegen auf 3661 Hektare Domänen — und auf I 610 Hektare an Forstgrundstücken. Im Jahre 1873 stieg sie I auf 4133 Hektare an Domänen- und 1923 Hektare Forstgrund- stücke. Im Jahre 1874 erstreckte sie sich auf 3928 Hektare Do- I mänen- und 900 Hektare an Forstgrundstücken. In dies.n fünf I Jahren sind also 15,858 Hektare Domänen- und 3884 Hekt-re 1
Politische Uebersicht.
5h« Abgeordnetenhaufe, das nunmehr in die zweite Berathung des Etats eingetreten ist, kam gestern wieder einmal die Sperre zur Sprache, welche die Regierung und ihre Organe in ihrem Bereich über die Blätter oppositioneller Richtung zu verhängen pflegen. Was opponirt, wird excludirt, heißt es, und hiernach bestimmt sich di« Praxis, ohne daß die Bedürfnisse de- Publikums berücksichtigt werden. Was der Abg. Schröder von Schlangenbad zu erzählen wußte, gilt auch von anderen Orten und Stellen, und das Kleinliche der ganzen Angelegenheit macht sie für die Regierung nur peinlicher. Die Herren Minister hielten es für gerathen, zu schweigen; sie geben also die Thatsachen zu und verzichten darauf, dieselben zu vertheidigen oder zu entschuldigen. Aus diesem Schweigen darauf schließen zu wollen, daß die Sache nun anders werde, wäre irrig; wie wir das preußische System kennen, gehören diese Kleinig- und Kleinlichkeiten zum Ganzen, und so vornehm man auch geworden sein will, auf den alten Hausrath und die Hausmittelchen des Manteuffel-Raumersch en Regiments wird nicht verzichtet; „soweit find wir noch nicht." ■v Wie uns gestern aus Berlin telegraphirt wurde, hat der Staatsgerichtshof nun doch auf Grund der Broschüre Pro jrihilo die Erhebung der Anklage auf ^desverrath gegen den Grafen Arni« beschlossen. Das Alinea 1 des Art. 92, das hier in Frage kommt, lautet':
»Wer vorsätzlich Staatsgeheimnisse oder FestungSpläne oder solche Urkunden, ActenstScke ober Nachrichten, von denen er weiß, daß ihre Geheimhaltung einer anderen Regierung gegenüber äür das Wohl des deutschen Reiches oder emes Bundesstaats ferfotbetlid) ist, dieser Regierung mittheilt, oder öffentlich bekannt 'macht, wird mit Zuchthaus nicht unter zwei Jahren bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Festungshaft nicht Senter sechs Monaten ein."
Deutsches Reich.
G Berlin, 17. Febr. Daß der Etat der DomÜ- nenverwaltung zu einer Kulturkampf-Debatte Veranlassung geben würde, hatte wohl Niemand ahnen können. Bei dem der Domänenverwaltung unterstellten Ressort der unter Staatsverwaltung stehenden Bäder gab der klerikale Abg. Schröder (Lippstadt) in einer humoristisch gefärbten Rede seinem Mißfallen Ausdruck, daß tm Kurfaal von Schlangenbad ver ganze Heerbann der vom nationalen Servilismus angekränkelten Zeitungen vertteten sei, während Blätter wie „Germania", „Frankfurter Zeitung", „Volks 8 und „Vofsische Zeitung" nicht zu finden seien. Die Kurgäste von Schlangenbad seien also in Bezug auf ihre geistige Nahrung noch schlechter dran, als die Insassen des Gefängnisses zu Plötzenfee, wo als Aeußer- stes noch die „Vossische Zeitung" gestattet sei. Der Abg: ] Schröder bemerkte, er habe dem betreffenden Beamten tu Schlangenbad seine Verwunderung darüber ausgesprochen, daß dort nicht einmal die „Franks. Ztg." und die „Köln. V.-Ztg." aufliegen, und daraus zurAntwort erhalten, daß bei der von diesen Zeitungen vertretenen Richtung wohl wenig Aussicht auf deren Abonnement vorhanden sei. Abg. Schröder schloß mit dem Wunsche, daß die Regierung Auftrag ertheilen möge, in den Lese-SalonS der Bäder, der hohen Kurtaxe entsprechend, Blätter aller Parteien aufzulegen , andernfalls die Kurtaxe für die Ultramontanen, Demokraten und Fortschrittler abzuschaffen. Vom Regierungstisch«, an welchem die Minister Camphausen und Friedenthal Platz genommen hatten, erfolgte keine Antwort. — Zu einer animirten Debatte gab noch der Etat der direkten S t e u e r n^ Veranlassung. Herr v. Kardorff stellte das Ansuchen" an den Finanzminister, die indirekten Steuern zu erhöhen — in erster Linie ist es den Abgeordneten für Oels um die Erhöhung der Tabakssteuer zu thun — und die direkten Steuern auf ein Min mum zu beschränken. Diese Bemerkungen brachten Eugen Richter in Harnisch. Richter stattete zuvörderst dem Abgeordneten v. Kardorff seine Glückwünsche zum Präsidium des neuen industriellen Vereins ab, dessen Begründung auch den Fortschrittlern wenig zu behagen scheint. Nach Richters Ausführungen würden Kardorffs Theorien nur zur Vertheuerung aller Lebensmittel fuhren, von den Schultern der Reichen würden die Lasten auf die Schultern der Armen abgewälzt werden. Richter verlangte schließlich, daß wanden großen Rittergutsbesitzer mehr zu den Steuern heranziehe, da diese im Verhältniß zur Großindustrieviel zu niedrig besteuert seien. Sonst boten die heutigen Etatsverhandlungen wenig Interessantes.— Die Reichs-In st izcommission hat heute die erste Lesung der Justizgesetze beendet. Zum 3. April ist die Commission vom Vorsitzenden Abg. Miquel wieder berufen, und wirb dieselbe noch die Redaktion der gefaßten Beschlüsse über die Anwaltsordnnng und Zusammensetzung der Senate vornehmen. Während der Pause wird der Justizausschuß des Bundesraths die Beschlüsse der Commission zu prüfen und zu denselben Stellung zu nehmen haben. Fällt das Votum des Bundesraths ablehnend aus, so kann nach der Ansicht der Mitglieder der Commission die ganze Justizreform als gescheitert betrachtet werden. Im anderen Falle wird die Commission in die zweite Lesung der Justizgesetze eintreten. Der vom Abg. Bernards zum Einführungsgesetz des Strafprozesses gestellte Antrag, wonach kein Abgeordneter während der Dauer der Session ohne Genehmigung des Reichstages oder der Einzellandtage verhaftet werden kann, ist bis zur zweiten Lesung des Strafprozesses zurückgestellt worden. — In der Gruppe, welcher der Etat der Seehandlung zur Vorberathung überwiesen ist, sind mehrere Anfragen an die Regierung gerefft worden, u. 3L, wie viele und welche Papiere seit dem Jahre 1366 von der Seehandlung lombardirt worden sind Die
Der Staatsgerichtshof muß, als er die Erhebung ,1er Anklage resp, die Einleitung der Untersuchung beschloß, einersetts die Ueberzeugung gehabt haben, daß Lie Veröffentlichung der bekannten Actenstücke in der anonymen Broschüre dem Grafen Arnim zur Last falle- andererseits aberde Ansicht gewonnen haben, daß die Geheimhaltung derselben für das Staatswohl erforderlich gewesen sei. Für Beides wird natürlich die Anklage Len Beweis noch zu erbringen haben. Wenn die mit- 5etheilten Schriftstücke wirklich sämmtlich zu den Atten es Arnim-Prozesses gehören und sich bei denselben befinden, wie die Broschüre versichert, so dürfte der juristische Nachweis, daß die Publikation vom Grafen Arnim ausgegangen sei, doch wohl ein sehr schwieriger ßverden.
V Ein Telegramm des Wolff'schen Bureaus überrascht uns auf Grund einer Mittheilung der „Bresl. Bettung"' mit der Nachricht, daß in der katholischen Gemeinde Kuhnau (Kreis Kreutzburg) am 16. Febr. ein staatsfteundlicherKaplan zum Pfarrer gewählt worden sei. Hinzugefügt wird, daß sich die ultramon- ckan gesinnten Mitglieder der Gemeinde der Wahl ^Enthalten hatten. Die Richtigkeit der Nachricht vorausgesetzt, wäre dies der erste Fall einer Pfarrerwahl Seitens der Katholiken auf Grund des Gesetzes vom '21. Mai 1874. Alle bisherigen Versuche, die Ge- »meinden zur Wiederbesetzung erledigter Pfarrsteffen zu veranlassen, scheiterten an der Taktik der Ultramon- ckauen, die sich die Bestimmung des Art. 9 des genannten Gesetzes, — wonach mehr als die Hälfte der zum Termin erschienenen Mitglieder der Gemeinde Den Beschlüssen zustimmen muß, wenn diese gültig sein sollen — zu Nutzen machten und mit Leichttgkeit die „Staatstreuen" überall überstimmten. Haben sie sich -kn Kuhnau der Abstimmung wirklich enthalten, so ist nnzunehmen, daß in der dortigen Gemeinde die Ultra- montanen in der Minderheit find, also durch ein Beto nichts auszurichten vermochten. Die klerikalen Organe werden wohl bald darthun, wie es sich mit der von der „Breslauer Ztg." gemeldeten Thatsache verhütt.
#■ Die Ausführungen der republikanischen Pa- -»iser Blätter, in denen eine friedliche Politik -empfohlen wird, insbesondere aber die antiklerikale Haltung der „Republique fran^aise“ werden von der „Nordd. Allg. Ztg." sehr beifällig commentirt. Wenn die gegebenen Erklärungen, bemerkt das Blatt, 'den Geist des liberalen Frankreichs athmen, so könne Deutschland daraus mit Genugthuung entnehmen, „daß ein solches Frankreich, durch gleiche Bestrebungen auf geistigem Gebiet mit der deutschen Po- Mik verbunden, für uns ein friedlicher, mit der Zeit.
( vielleicht ein freundschaftlicher Nachbar sein würde." Mit Freuden begrüßt die „Nordd. Allg. Ztg." die 'Consolidirung eines Regimes, welches, „von dem Geiste
. unseres Jahrhunderts getragen, mehr denn jedes «ndere den Frieden unter den großen Mächten und $ie Gemeinsamkeit der Pflege der allen Staaten gemeinschaftlichen geistigen Interessen verbürgen würde." Die „Nordd. Allg. Ztg." ist ja die reinste Republi- kanerin! Merkwürdiger Anblick, auf einer Pickelhaube eine phrygische Mütze! Wenn nur ihre Empfehlung Len französischen Republikanern nicht schadet! In Len Vogesen gehen die Blätter des Herrn Buffet so weit, zu fragen, woher die Demokraten das viele Geld für die Wahlagitationen hernehmen, wenn sie uicht von Preußen erhalten. Diese Democraten zählen uun freMch unter sich die großen Industriellen, Lenen es nicht an Geld fehlt, aber es ist keine Lüge miserabel, sie fände nicht etwa einen Gläubigen.
Die „Nordd. Allg. Ztg." bringt deshalb ihr Lob vielleicht nicht zur rechten Zeit an, sie hätte bis nach Len Wahlen warten sollen, um dem Vorwurf der Preußenfreundlichkeit, den die Monarchisten gegen di: Republikaner erheben, nicht Vorschub zu leisten. Vor der ersten schweizerischen Revifionsabstimmung lobte die „Nordd. Allg. Ztg." den Entwurf der Liberalen xnb man behauptet, ihr Lob habe zur Verwerfung jenes Entwurfes nicht wenig beigettagen.
Die großen Worte, welche in letzter Zett so hüu- E fig von Mitgliedern des englischen Cabinets in Fragen der auswärtigen Politik gebraucht werden, scheinen mehr für England als für die Welt im Ganzen bestimmt zu fein. Man begreift wenigstens nicht, was sonst die Behanptuna Disraeli's, daß Groß-
liliilistckl'Ickllla
Md ÄMSelsblatt. ™
t Angriffe gegen die Seehandlung, welcher Beförderung des i Grünbrmgsschwinbels vorgeworfen wirb, werben sich im Plenum wiederholen; mehrere Anträge auf Aufhebung der Seehandlung, resp. Beschränkung ihres Kapitals, werben vorbereitet. — Eine Anzahl von Petitionen, welche sich ; auf ben bekannten Fall Hofferichter beziehen unb eine : Abänderung der Eidesformel verlangen, sind der Justiz- Commission des Abgeordnetenhauses überwiesen worden; zum Referenten ist der nationalliberale Abgeordnete Bessert ernannt. — Die Budget-Commission verhandelte gestern über die vom Reichstagsabgeorsneten Moritz WiggerS eingesandte Petition wegen Bahnlegung Preußens an den Rostock-Berliner Kanal. Der Referent Abgeordnete Berger befürwortete das Kanalprojett, während die anwesenden Vertreter des Handelsministeriums sich demselben energisch widersetzten, da Mecklenburg, die Adjacentm unb der Kanalverein keine Mittel hergeben wollen unb Alles von der preußischen Regierung verlangen. Die Bubget- Commission beschloß auf Antrag Hammacher, bie Petition der Regierung noch einmal zur technischen Prüfung zu übergeben unb über bas Kanalprojekt Rostock-Berlin durch die Centtalbaustelle ein gutachtendes Urtheil abgeben zu lassen. — Jo es Victor von Scheffel hat heute dem Abgeordnetenhaufe telegraphisch seinen Dank für das Be- gluckwünschungstelegramm ausgesprochen.
* Hamm, 17. Febr. Die von bem am*13. hier versammelt gewesenen ersten westphälischen Städtetag gefaßten Resolutionen haben folgenden Wortlaut:
1) Ler sofortigen Einführung der Kreisordnung, der Provinzialordnüng und des Verwaltn« g sg erich ts- gesetzes in die Provinz Westfale» stehen durchschlagende praktische oder politische Bedenken überall nicht entgegen; dieselbe ist vielmehr sofort anzubahne».
2) Die Revifion der jetzigen Landgemeinde- und Städte-Ordnung ist zwar dringend nothwendig ; dieselbe bietet aber der sofortigen Einführung der sub 1 aiqzesührten Gesetze keinerlei entscheidende Hindernisse.
3) Die Einführung der sub 1 gedachten Gesetze erfolgt riet)« tiger Weise gemeinsam für die Prov. Westfalen, Rheinland, Hessen-Nassau, Hannover, und Schleswig-Holstein, damit Rechtsungleichheiten unter diesen Provinzen ver» mieden werden. Wie in § 86 der Kreisordnung und in § 10 der Provinzialordnüng für die östlichen Provinzen Verschiedenheiten berücksichtigt sind, kann solches in ausreichender Weis» auch in den gemeinsamen Gesetzen für die westlichen Provinzen geschehen.
4) Ta die Verhältnisse der Städte in den verschiedenen Provinzen nicht sehr erheblich von einander abweichen, ist es ausführbar, für die ganze Monarchie eine in den Grundprinzipien gemeinsame Städte-Ordnung zu «klaffen. — Nothwendig ist solLes Vorgehen, damit nicht weiter die erheblichsten Rechtsungleichheiten in der Stellung unb den Rechten der ©tabtgemcinben, ihrer Verwaltung und Vertretung, insbesondere auch in dem Verhältnisse zu den Staatsbehörden fort- bestehen. — Dabei wird es thunlich sein, nach mehreren Beziehungen jeder einzelnen Stadt es zu überlassen, in welcher Weise sie die eine oder die andere Bestimmung der Städte-Ordnung für sich zur Anwendung bringen will; die Städte-Ord» uung hat selbst in solchen Beziehungen nur die Schranken zu ziehen, unter und über welche hinaus nicht gegangen werden bars. Insbesondere ist es jeder Stadt zu überlassen, ob sie der Magistratsverfaffuug oder der Stadtverordnetenverfaffung unter dem Vorsitze des Bürgermeisters den Vorzug geben will. 5) Für die Einführung der Kreisordnung in die westlichen Provinzen sind in folgenden Beziehungen Abänderungen der Kreisordnung für die östlichen Provinzen geboten: a. Für die ' Städte liegt in der Reg l ein Bedürfniß nicht vor, im Kreis- verbande zu bleiben; im Gegentheil schädigt ihre Theilnahme am I Kreisverbande ihre ohnehin schon überstark angespannte Leistungsfähigkeit, sowohl bezüglich der Leistung von Communalsteuern^ als auch bezüglich der persönlichen Leistungen in den Ehrenämtern der Selbstverwaltung der Städte, b Deshalb ist den Städten das Ausscheiden aus dem Kreisverbande zu gestatten, mindestens aber ben Städten von mehr als 10,000 Einwohnern, da sie völlig im Stande sind, ine Pflichten, welche vom Staate an Stadtkreise gestellt werden, zu erfüllen. Es entspricht dies auch der Gerechtigkeit, da solche Städte, wenn sie im Landtteise bleiben müssen, notorisch mehr zu den Kreiszwecken an Steuern beitragen müssen, als sie auszuwenden hätten, wenn sie für sich Stadtkreise bilden, da sie demnach einen Theil ihrer Steuern jetzt den eigenen Zwecken zu Gunsten des platten Landes entziehen müssen, c. Ist für die Kreisverwaltung, insbesosdere für die Thätigkeit des Kreisausschuffes die Theilnahme bet Städte von 10,000 bis 25,000 Einwohnern durchaus unentbehrlich, so ist ihnen minbe» stens doch das Recht des Austritts aus dem kommunalroirthtchaft- lichen Verbände zu gestatten, insbesondere bezüglich des Kkeis- wege-Bauwesens. d. Die Wahl zu dem Kreistage hat nicht nach Wahlverbänden, sondern durch die Vertretungen der Ge» ineiuden zu erfolgen ; den Städten ist die volle Vertretung nach Maßgabe der Bevölkerungszahl ohne jede Beschränkung zu ge»' währen, e. Die den Landräthen im $ 77 der Kreisordnung für die östlichen Provinzen vorbehaltene Ueberwachung der Polizeiverwaltung ist bezüglich der Städte, mindestens derjenigen von 10,000 Einwohnern an, den königlichen Regierungen bezw. Regierungspräsidenten zu übertragen, f. Die dem Kreisaus» schusse nach 8 136 ff. bet Kreisordnung für die östlichen Provinzen übertragenen Geschäfte in Polizei - Angelegenheiten der Städte sind deren Polizei - Verwaltungen, mindestens in den Städten von 10,000 Einwohnern an, belassen ober in gewerblichen Eoncessions-Angelegenheiten den Magistraten zu übertragen, resp, soweit es sich um Entscheidungen über Beschwerden gegen die Verfügungen der städtischen Polizei - Verwaltungen, bezw. der Magistrate handelt, an ben Bezirksrath, bezw. das Bezirksverroaltungsgericht zu überweisen.
# Strassburg, 16. gebt. Der „Augsb. Allgem.Ztg." wird aus Straßburg berichtet: „Der Fastenbrief des Bich ofs Räß ist unterdrückt worden. Der Bischof hatte >atin, seine bisherige versöhnliche Haltung ganzsjaufgcbend, den Eulturkarnpf in der maßlosesten Weise besprochen, unb sich insbesondere mit außerordentlicher Heftigkeit gegen bie Landesregierung selbst wegen der gemischten Schulen gewendet.-Ohne Zweifel hängt dieser Wechsel in der Haltung mit der jüngsten Rom- fahrt zusammen, und soll wohl eine Wahlkampagne einleiten."
Oesterreich.
P-rr, 16. Febr. Der einstige Emigrant unb gefeierte Historiker Bischof M. Horvath wurde von ben liberalen Wählern des Jnnerstädter Wahlbezirks auser- krren, um als Nachfolger Teak's diesen Wahlbezirk im Abgeordnetenhaufe zu vertreten. Bischof M. Horvath hat sich nun vorgestern den Wählern vorgestellt. Der Bischof erklärte, er acceptire das durch Deals Tod erledigte Mandat unter der Bedingung, daß ihm mit Rücksicht auf feine gestörte Gesundheit die aktive Theilnahme an größeren parlamentarischenKämpfen erlassen werden möge. Betreffs des selbstständigen Zollgebietes legte der Redner dar, dasselbe fei für Ungarn eine Nothwendigkeit. Oesterreich habe es immer so einzurichten gewußt, daß es von ,Ungarn Naturprodukte billig bekomme und „für seine nicht eben billigen aber ziemlich schlechten Manufakturen in Ungarn einen sichern Markt finde." 1867 habe Ungarn in der Freude über seine wiedererlangte Verfassung unterlassen, seine materiellen Interessen gebührend zu schützen. Wohl zu bedenken sei allerdings, ob man das selbstständige Zollgebiet jetzt schon errichten oder abwarten solle, bis die jetzigen schwierigen Finanzverhältnisse sich günstiger gestaltet haben werden. Ueber die Civilehe bemerkte Bischof Horvath: „Nach meiner Ueberzeugung ist dieBafis des Staates die Gemeinde und die Gesammtheit der Familien. Es ist daher nicht nur das Recht, sondern geradezu die strengste Pflicht des Staates, seine Elemente stets in Evidenz zu halten unb deshalb dieMatriken selbst, resp, durch seine Beamten zu führen. Hieraus aber ergibt sich auch mit unabweisbarer Logik, daß die Civilehe nicht
Adoirneirrentsprci-.
Da» Viertestahr r in Frankfurt, im deutschen Reiche, tn
Oesterreich, Luxemburg, 2X Thlr. = fl. 4, s.4. =
Marl; in der ausschließlich
Herausgeber: Leopold Eonneman«.
Verantwortlicher Redacteur:
Eduard Sack in Krankknrt am Mala.
