Ar. »S8. Morgrnbiatt
Samstag, 18. September 1883.
^Hüllrton
und deren Gegner bildeten in glücklicher Mischung die Schaar der Redner. Wenn aber die Geister sich hejtiger erregten und in Angriff und Vertheidigung ein herber Ton sich einzuschleichen drohte, so wußte die milde und taktvolle Hand des Vorsitzenden, des Direktors Lange von der Münchener Kunstgewerbeschule, die Debatte immer wieder zu gegenseitiger Verständigung zu führen. So ist der Eindruck, den die Mitglieder des Kongresses mitgenommen, ein durchaus freundlicher, und jene Verständigung zwischen Nord und Süd, die bei Weitem noch nicht so vollendete Thatsache ist, wie manche Heißsporne sich einreden möchten, ist durch den Kunstgewerbetag in München ihrer Verwirklichung wenigstens um einen Schritt näher gerückt.
An di- Spitze der Tagesordnung war ein Antrag gestellt, der, obgleich er wohl nicht viel mehr als eine lokale Mün- chener Höflichkeitsbezeigung bedeutete, schon die Gegensätze von Berlin und München zu entfesseln drohte. Es galt der deutschen Kunstgenoffenschast, welche zum ersten Male Werke der Kleinkunst zu ihrer Ausstellung zugelaffen hatte, einen Dank darzubringen. Bei der Zähigkeit, mit der unser Publikum noch an der ganz willkürlichen Scheidung von „hoher Kunst" und Kleinkunst sesthält — eine Scheidung, die auch Bilder und Skulpttiren strengstens aus unseren kunstgewerblichen Ausstellungen verbannt! — muß jeder Anlaß mit Freuden begrüßt iverden, der diese Schranke niederreißen hilft. Die Opposition, welche Berlin gegen diesen Paragraphen erhob, gründete sich auf die allerdings auffallende Thatsache, daß die in letzter Zeit so erfreulich erstartte Berliner Kunstindustrie auf der Ausstellung nicht vertteten war. Es war überhaupt um diese Vertretung ein eigenes Ding; aus Vollständigkeit konnte dieselbe wenigstens keinen Anspruch machen. Den Haupttheil bildeten die Edelschmiedearbciten, welche in München in den letzten Jahren als Ehrengeschenke und dergleichen zur Ausführung gekommen waren, allerdings eine stattliche Gruppe von unwiderstehlicher Frische in Erfindung und Ausführung. Wenn neben diesen Arbeiten — einige Leipziger Lederarbei-
Nachdruck der „korporative Sozialismus" des Centrums im Gegensatz zil den manchesterlichen Parteien hervorgehoben wurde, von der Absicht geleitet, sich die Führung der Massen nicht entwinden zu lassen, hat man vor Allem die Sache praktisch in die Hand genommen. Beweis die zahlreichen katholischen Gesellen-, Meister- und Lehrlingsvereine, die Arbeiter-, Bauern- und Handwerkervereine rr., die meist von Geistlichen gegründet oder von denselben geleitet werden und die mit ihren Tausenden von Mitgliedern die Kerntruppen der Centruinsparici bilden. Jndeffen, daß verkenne man nicht, so Großes in der politischen Ausbeutung auf Grund dieser Orga- nisattonen geleistet wurde und wird, so sind dieselben doch nur ein Gebäude, welches durch äußerlichen Kitt, durch die Autorität der Kirche und ihrer Diener, und, wie die ganze Partei, durch den Kulturkampf zufammen- gehalten wird; sie haben mehr einen religiös-erziehlichen und politischen, als social-wirthschaftlichen Grundcharakter und können in dieser Hiilsicht nichts zur Ausgleichung der Gegensätze beitragen. Ebenso wie stch das Centrum in politischer Hinsicht aus den verschiedenarttgsten Elementen zusammensetzt, ebenso sind in der Partei die verschiedensten sozialpolitischen und wirthschaftlichen Anschauungen vertteten. Es gibt innerhalb derselben Leute, die sich als Vertteter der Bourgeoisie dem wirthschaftlichen Standpuntte des Liberalismus, dem Individualismus und Mauchesterthuiii, bedenklich zuneigen, während andere' dem Sozialismus nahe stehen oder ausgesprochene Sozialisten sind, oder noch andere, wie gewiße Großgrundbesitzer, auf _bem feudal-agrarischen Standpunkt ihrer evangelischen Standesgenoffen stehen. Das Alles sind Gegensätze, die sich schwer vereinen lasten, und deshalb ist es erklärlich, weshalb es das Centrum bisher noch nicht zri einem alle seine Theile befriedigenden sozialpolitischen Programm hat bringen können und es ohne Gefährdung seines Bestandes auch nicht bringen wird.
Nur seine tüchtige und geschickte Parteileitung hat dem Ceutrmn bisher über diesen Mangel hinweg zu helfen gewußt. Man fühlt indeß, daß irgend etwas geschehen muß, um eine festere Grundlage in sozialpolitischer Hinsicht zu gewinnen. Daher die verschiedenen Versuche, ein geeignetes Programm für die Partei aufstellen zulasten, die im Vorjahre auf dem Katholikentag hier in Frankfurt zu dem Beschlusse, eine sozialpolitische Kommission niederzusetzen, und weiterhin zu der bekannten Haider Konferenz führten, deren Beschlüße das Hauptthema der diesjährigen Generalversammlung bildeten, freilich ohne Gnade vor den Augen derselben zu finden. Wir werden in einem folgenden Artikel auf diese verschiedenen programmatischen Versuche näher eingehen und die Gründe darthun, weshalb auch der jetzige Katholikentag ohne ein bestimmtes Resultat in Keser Richtung zu Ende gegangen ist. Denn dir nichtssagende Resolution, durch deren Annahme man die „Einigkeit" der Partei manifestirte, kann doch nicht als ein solches bezeichnet werden, vorausgesetzt, daß man sich allseitig in der Partei mit ihr einverstanden erklären wird, was noch abgewartet werden muß.
Deutsche« Keich.
1 Berlin, 14. Sept., 9 Uhr Abends. (Telegramm.) Die Nachrichten über den Terniin der Einberufung von Reichstag und Landtag und über die Ausarbeitung bestimmter Gesetzentwürfe tauchen so vielgestaltig und einander widersprechend auf, daß man folgende Auslassung der „Kreuzztg." wohl für zutreffend halten sann. Dieselbe chreibt: „Es werden bedeutende durchgreifende Reformen namentlich auf dem Gebiete der Finanzverwaltung, sowie auf dem wirthschaftlichen Gebiete, ferner in der Kommnnalsteuer- Gesetzgebuug, endlich in Betreff der Schul-Dotation in Ansicht gestellt. Wir halten es für selbstverständlich, daß auf allen jenen Ge steten die Thätigkeit der Regierung eben so wenig wie die Arbeit der Parteien ncht. Wir halten es auch sür sehr nahe liegend, daß die Betheiligten ihre persönlichen Gedanken über die Behandlung der thuen zunächst vorliegenden Fragen in Umlauf zu bringe» suchen; aber wir erkennen dies auch als den wesentlichen Kern jener, wie uns scheint, voreiligen Notizen. So viel uns bekannt, hat über keine
thätigkeit zn einem berechtigten Stolze gereichen. Daß die kunstgewerblichen Arbeiten ein so wenig vollständiges Bild von der allgemeinen Leistung Deutschlands boten, mag wohl in der durch Furcht vor Uebcrfiillnng etwas zurückhaltend geübten Art der Einladung seinen Grund haben. Hoffen wir, daß jetzt, wo das Eis gebrochen ist, künftige Kunstausstellungen auch dem Aufschwung der Kleinkunst in vollem Maße gerecht werden.
Es kann nicht die Aufgabe dieser kurzen Besprechung sein, die einzelnen Thesen durchzugehen. Ganz allgemein sei nur bemerkt, daß für manche Schroffheiten, die, vielleicht eine Folge süddeutsch-lebhafter Empfindung, sich in der Fassung von einigen derselben sanden, die Debatte die nöthige Mil- demng brachte. Gegenüber manchem kräftigen Ausdnick des Deutschthums besonders fand Pros. Köhler ans Hannover, der Paris ein gutes Theil seiner ästhetischen Bildung banst, stets das geeignete Wort, das die Beschlüsse des Kongresses auch vor dem Verdacht des Chauvinismus bewahtte.
Ein eigenes Schicksal hatte der Antrag, welcher die Abhaltung einer deutschen und österreichischen Kunstausstellung in Berlin 1885 befürwortete. Leider war der Referent Herr Geh.-Rath Lüders aus Berlin durch Trauerfall am Erfchci« ncu verhindert. Die für ihn eingetretenen Referenten schienen nur jDcnig Fühlung mit der Stimmung zu haben, welche die Süddeutschen diesem Anträge entgegenbrachten, und die nur als eine rückhaltlose Zustimmung bezeichnet werden durfte.
So verloren sie sich aus der einen Seite in interesselose Einzelheiten und bekämpften auf der anderen Seite eine Opposition, die sich noch gar nicht geltend gemacht hatte, so daß endlich nach langen Debatten der Beschluß nur korrekt erschien, den Antrag, als nicht genügend vorbereitet, von der Tagesordnung abzusetzen. Da dieser Beschluß jedoch in seinen Folgen einer Ablehnung gleichgekommen wäre und somit die Meinung des Kongreßes, welche der 85er Ausstellung durchaus günstig war, nicht zum Ausdruck brachte, so wurde er in modifizirtrr Form ant folgenden Tage durch Hirth-München nochmals zur Debatte gebracht und fast einstimmig angenommen.
Manchen herben Stoßseuszer ries der Satz hervor, welcher von der Verschleppung kunstgewerblicher Schätze von der
Ssrnnhfurt, 14. September.
Gestern ist die in Düsseldorf abgehaltene dreißigste Seneralversammlung der Katholiken Deutsch- lands zu Ende gegangen. Wtt find also nunmehr in ter Lage, einen Gesammtüberblick über die fünftägigen - ausgedehnten Verhandlungen zu werfen und ihre Resultate zusammenznfaßen und abzuwägen. Wie schon hervorgehoben, konzentrttt sich das Hauptintereffe an dem diesjährigen Katholikentag auf di« hervorragende Würdigung, welche diesmal, wie angekündigt worden, der sozialen Frage auf demselben zu Theil werden sollte. Haben doch die alljährlich wiederkehrenden Zusammenkünfte der deutschen Katholiken unter dem Kultur- kämpf längst eine Bedeutung gewonnen, die weit über ihren eigentlichen religiös-konfessionellen Rahmen hinaus- $ reicht. Wir haben es hier nicht mehr blos, wie Papst fc Leo in seinem diesjährigen Begrüßungsschreiben sich ausdrückt, mit Versammlungen von Abgeordneten der katholi- | schen Vereine zn thun, die zusammenkommen, „um sich das mitzutheilen, was als nützlich für die Religion und die Pflege der christlichen Tugend erkannt ist und durch solchen Gedankenaustausch zur wackere» Vertheidigung der Religion sich zu ermuthigen" —, sondern die Katholikentage find in dieser „Vertheidigung" zu einem gewichtigen 1 politischen Faktor herangewachsen. Sie sind das Spiegelbild aller Strömungen und Bestrebungen im katholischen Volk, das äußere Band, welches diese zusammen- hölt, sie find gleichsam die Heerschau, die Generalversammlung der Getreuen der Centrumspartei. Eben in diesem Verwachsensein mit der parlamentarischen Vertretung liegt die politische Bedeutung der Katholikentage. Der streitbare Ton, der aus den diesjährigen Verhandlungen herausklingt, ist in erster Linie ein Ausdruck der Stätt. und der Befriedigung über den günstigen Verlauf bei Heerschau. Und Herr Windthorst hat Ursache zufrieden zu fest,. Es ist seinem Geschick abermals ge- b luiigen, die drohenden Divergenzen von der Partei fern zu halten und äußerlich wenigstens die Einigkeit der- selben zu wahren, — wie lange fteilich, ist eine andere Frage.
Der kluge Führer des Centrums ist stch gar wohl bewußt, wie viel Keime des Zwiespaltes auch füt eine anscheinend so starke und geschloßene Partei wie die seinige ;in der sozialen Frage enthalten find, wenn er auch die Sache so darstellt, als ob hierin gar kein Grund zu irgendwelchen Differenzen vorliege. Schon einmal drohte gerade in streng katholischen Bezirken durch die sozialen Gegensätze eine Spaltung auszubrechen. Wir meinen die christlich soziale Arbeiterbewegung in Aachen und Esten, die im Jahre 1869 unter der Führung einiger Kapläne begann und sich in einer selbstständigen sozialistisch gefärbten Mionspolitik äußerte, aber nachdem sie 1877 ihren Höhepunkt erreicht hatte, kurz darauf eine für das Centrum günstige Wendung nahm, indem die Parteileitung destelben verstand, die Zügel wieder in die Hände zu bekommen. Seitdem marschiren die Arbeiter in den katholischen Jndustriebezirken, soweit nicht schon die Sozial- demottatie Boden gefaßt hat, wieder in der Gefolgschaft der Centrumspartei. Diese hat sich aber doch aus den damaligen Vorgängen eine Lehre gezogen, denn seit jener Kett wenden die katholischen Politiker den sozialen Fragen eine größere Aufmerksamkeit zu, während vor 1877 don einer Thätigkeit der Partei auf diesem Gebiete Nichts »der wenigstens nicht viel zu spüren war. Der Kulturkampf nahm alle Kräfte zu sehr in Anspruch, als daß man den sozialpolitischen Fragen größere Beachtung hätte widmen können.
Was indeßen die katholischen Politiker in dieser Hinsicht bis dahin versäumt hatten, haben sie seitdem reichlich wieder einzuhole-l versucht, und man muß es ihnen lasten, daß sie dies mit ebenso vielem Eifer wie mit großem Geschick gethan haben. Nicht nur, daß sich eine : Reihe katholischer Schriftsteller mit den sozialpolitischen Fragen wissenschaftlich beschäftigt hat, daß in der Presse .denselben erhöhte Beachtung gewidmet und mit besondere in
Barbarei bei Restaurationen und von der Möglichkeit einer Staatshilfe gegen diese Uebelstände handelte. Luthmer-Frank- furt wies darauf hin, wie neben dieser Staatshilfe das Beste zur Beseitigung dieser Mißstände durch Privat-Initiative gt- scheh n müsse. Wo Habsucht der Grund zur Verschleuderung und Verschleppung von Kunstwerken ist, kann auch der Staat nicht Helsen, wie Italien aufs klarste beweist. Unwistenheit und Indolenz aber ist am besten durch Unterweisung zu bekämpfen. Indem man einen gleichgiltigen und unwissenden Hüter künstlerischer Schütze über die Höhe seiner Verantwortlichkeit ausklärt, indem man viele für die Existenz derselben interessirt, schafft man den besten Schutz gegen schlechte Behandlung derselben. In diesem Sinne find auch Publikationen — mögen sie nun buchhändlerisch lukrativ sein, oder nicht — gar nicht hoch genug anzujchlagen. Jede Publikation ist ein illustrirtes Inventar, welches Tausende^ zu Wächtern dessen einsetzt, was die Nation besitzt.
Der wichtigste und weittragendste von sämmtlichen^ Münchener Sätzen aber war der, welcher den Gedanken der Gründung eines Verbandes im Keim enthielt. Der Berliner' Verein hat das hohe Verdienst, diesen Gedanken ausgesprochen! und zu seiner Verwirklichung einen Statutenentwurs beigesügt zu haben. Es mag sich wohl kein Besucher des Kongress«»^ der Empfindung erwehrt haben, als ob der Münchener Verein diesem Gedanken keine volle Sympathie entgegenbringe. Vielleicht war es die Sorge, eS möchte durch den Verband eine Centralisation nach norddeutschem Muster geschaffen werden, welche die individuelle Ausbildung des Vereinslebens schäbigen, könnte. Um diese Besorgniß zu würdigen, muß man daran denken, daß der Münchener Kunstgewerbeverein auf ein mehr i als dreißigjähriges Vereinsleben zurückblickt, welches btn^ Verein die eigenthümliche Entwickelung gegeben hat, mit der er einzig in Deutschland dasteht. Aber der Segen mündlichen und persönlichen Austausches zeigte sich auch hier wieder ausis Deutlichste. Nachdem der Antrag der Berbandsgrün» düng von den Delegirten der 13 Vereine in Kommissionsberathung genommen war, schwand ein Bedenken nach dem andern, und aus den eifrigen, dreistündigen Debatten erstand der Verband der Kunstgewerbevereine deutscher Zunge, deren Zweck der erste Paragraph der Statuten dahin angibt: Das Bewußtsein der Zusammengehörigkeit alle« Angehörigen deL KunstgewerbeS in Deutschland »u pflegen, einen möglichst lebhaften Austausch' der Fortschritte, Ideen und Ersahrungen aus allen Gebieten deS KunstgewerbeS zu vermitteln und di«
der wichtigen Fragen, welche die Reichs- und Landesvettretung beschäftigen werden, über di« Richtung und Ausdehnung, in welcher sie srüher ober später zur Erledigung gebracht werden sollen, schon irgend eine maßgebende Berathung innerhalb des Staats - Ministeriums und zumal mit dem Leiter desselben stattgefunden, und es kann sich daher nur um vorläufige Absichten handeln." — Der Finanzminister wünscht eine Uebersicht darüber zu erhalten, wieviel Familienglieder der für das Stencrjahr 1883/84 zur Klassensteuer veranlagten Haushaltungen in 1) beii Stufen 1 bis 2, 2) den 3. und 4., sowie 3) den Stufen 5 bis 12 im Durchschnitt auf eine Haushaltung treffen und in welchem Umfange gewiße Bernss- mid Erwerbsklassen in den vorbezeichneten drei Abtheilungen vertreten sind. Zu diesem Zwecke ist angeorbnet worden, daß aus Grand der Klaßensteuerrollen und Einkommens - Nachweisungen eine Nachweisung ausgestellt wird. Dieselbe müß enthalten: die Zahl der in jeder der drei Abtheilungen veranlagten Einzelnsteuernden unb Haushaltungsvorstände , ber zu den Haushaltungen gehörenden Personen einschließlich ber j Haushaltungsvorstände, ber aus eine Haushaltung im Durchschnitt faüenben Personen; bet barunter befindlichen, in ber Gewerbesteuerklasse B. veranlagten Handelstreibenden rc., ber gewerbesteuerpflichtigen unb gewerbesteuerfreien selbstständigen Handwerker, der Handwerksgesellen unb sonstigen Gewerbe- gehilfen, der gewöhnlichen Arbeiter, Dienstboten, Reichs-, Staats- unb Gemeindebeamten, der Volksschullehrer und Geistlichen. — Die „Norddeutsche" gefällt sich, wie es scheint, in der neuen Nolle, hochkomische Dinge scheinbar mit tiefem Ernst zu trattiren. Sie widmet ihren heutigen Leitartikel dem bereits neulich von ihr gemachten Vorschlag eines Ab-! aeordneten-Verantwortlichkeits-Gesetzes. ! Gegen die Absicht, den Steglitzer Unglückssall zn frnktifiziren, verwahrt sie sich; vielmehr, sagt sie, scheint es geboten, eine I bedeutsame Frage, die einmal aus die Tagesordmuig der I politischen Diskussion gesetzt, schwerlich so bald wieder von derselben verschwinden bürste, ans allgemeinen Gesichtspunkten ziz erörtern. Die Thatsache ist nicht ans der Wett zu schaffen, dD Abgeordnete in ihrer parlamentarischen Thätigkeit Scha- ! beti anrichten können, und zwar größeren und empfindlicheren Schaden, als selbst die unfähigste Verwaltung herbeizuführen I im Stande wäre. Diese Möglichkeit zugegeben, ist die Be- I rechtignng selbstverständlich, Gegenmittel gegen dieselbe zu er- I örtern; und wenn auch kaum daran gedacht werden kann, im Widersprüche zu Artikel 30 ber Reichsversassung resp. 84 ber preußischen, einzelne Abgeordnete oder gar Parteien für I aus ihren Abstimmungen resultirenden Schaden materiell verantwortlich machen zu wollen, so ist doch keinen Augenblick I das Recht der Erörterung zlveiselhaft, ob nicht Diejenigen, wflche auf ihre Autorität als Sachverständige in einem Spe- I ziälfall hin, ober als Führer größerer Gruppen Abstimmungen I b«3 Hauses in einer Richtung beeinflußt haben, baß nachweisbar Schaben für öffentliche ober private Interessen barauS gefloßen ist, bafür mehr als eint nur moralische, mit btm Mandate verbundene Verantwortlichkeit zu Übernehmen hätten." I Das offiziöse Blatt versichert, baß es bie Schwierigkeiten I eiqer praktischen Gestaltung ber Abgeordneten-Verautwortlich- I keil nicht verkenne, und meint schließlich: „Die Fvrberung irgeiib einer materiellen Verantwortlichkeit für Abgeordnete I müßte natürlich eine noch viel dringendere werden, wenn I jemals ber reine Parlamentarismus, nach beut Demokraten I unb entschieden Liberale streben, zur Wirklichkeit werden sollte." I — Der spanische Gesandte am hiesigen Hose, Gras Beuo- mar, ist heute früh nach Hornburg abgereist; es zeigt sich i also immer mehr, daß der Anwesenheit des Königs von Spa- I nien bei im Manövern ein politischer Charakter beiwohnt. — Ueber einen angeblichen Mordanschlag auf den König von Spanien während seines Aufenthaltes in Paris berichtet ein Telegramm der „Nationalzeitnng" mit dem Hinzufügen, daß die, Sache wenig glaublich klinge. Danach hätten spanische und ftanzösische Sozialisten eine Verschwörung zum Zweck eines Anschlages auf das Leben des Königs angeftiftet. Die Fürsorge der Polizei habe aber die Ausführung verhindert. — Die Versammlungen fitr die Berliner K o in m n n a l w a h l e u nehmen einen immer stürmischeren Verlaus. Gestern mußte eine große von ber deutschen Bürgerpartei berufene Versammlung, in der u. A. Adolf Wagner sprechen sollte, polizeilich aufgelöst werden, weil es nicht möglich war, die Ruhe in ber Versammlung, in ber auch Fortschrittler unb Sozialdemokraten stark vertreten waren, aufrecht zu erhalten.
# Berit», 13. Sept. Im „deutschen Handelsblatt" bemerkt | : Jul. Frühauf in einem Artikel „Der spanische Markt I , und bie deutsche Industrie", nachdem er den neuen deutsch spanischen Handelsvertrag besprochen hat: „Er tritt ' nunmehr an den deutschen Handelsstand die ernste Forderung I
Ein Nachwort znm Deutschen Kunstgewerbetag in München.
L. MS letzte unter den Schwesterkünsten hat jetzt auch die dekorattve Kunst eine Form gesunden, um nach dem Vorgang der „Deutschen Kiiiistgenvffenschast" und des „Verbandes deutscher Architekten imb Jngeineurvereine" ihre Vertreter aus Norb und Süd zu einer geschloffenen Korporation pl vereinigen. Aus dem zweiten kunstgewerblichen Kongresse, der in der ersten Woche dieses Monats zu München statt- fand, ist bekanntlich ein „Verband deutscher Knnstgewerbe- Bereine" gegründet worden, welchem provisorisch bis jetzt 13 Vereine mit etwa 7000 Theilnehmern beigetreten sind. Durch diesen Beschluß hat der genannte Kongreß eine weit über die Tagesbedeutung hinansgehende Wichtigkeit für das deutsche Kunstgewerbe gewonnen und es mag daher nachträglich rin Blick auf seinen Verlauf und seine Resultate nicht ohne Interesse sein.
I ; Wer die Unzahl von Kongreffen und „Tagen" verfolgt, an denen besonders die Monate August und September so fruchtbar find; wer dabei die stete Wiederkehr von Festbanketten, Ausflügen rc. sich vergegenwärtigt, dem ist es nicht zu verdenken, wenn er diese großen Versammlungen deutscher Männer im Wesentlichen mit den früheren Turn-, Sänger- und Schützenfesten zusammenwirst und ■ dem Rede- und Trinkbedürfniß der Deutschen einen Haupt- antheil an denselben znschreibt. Wenn bei dem Münchener Kongreß dieser Festfreude der ihr gebührende zweite Platz angewiesen und straffe parlamentarische Arbeit in den Vordergrund gestellt wurde, so war dies in erster Linie ber aus- . gezeichneten Vorbereitung zu verbanken, welche bie Arbeiten des Kongreffes seitens be§ Vorortes München erfahren hatten. Aus ben unzähligen Fragen unb Wünschen, zu welchen ein ta ber Gestaltung begriffener Jntereffenkreis, wie bas Kunst- gewerbe, Anlaß gibt, waren zwölf ber wichtigsten Thesen als Tagesordnung des Kongresses ausgewählt. Die Referate, welche die Münchener Mitglieder E. Lange, von Schmadel, Hirth, von Bezold, Dahlmann, von Miller u. A. hierüber erstatteten, gehören znm Besten und Inhaltreichsten, was über die Entwickelung unseres Kunstgewerbes gesagt worden ist. Es war nur natürlich, daß mit so vorzüglichem Material
I | heran, den spanischen Markt zu studiren, ber einer» : I feiti uns noch viel zu wenig bekannt, andererseits nach einem I Bericht des österreichische» General-Konsulats in Barzelona ge- I rabe für deutsche Waaren sehr aufnahmefähig ist, so lange keine I Revolution bas Land in politische Wirren stürzt. Einige deutsch« I Branchen haben stch bereits mit Glück Eingang verschafft (fein« I Möbel, süddeutsche Bijouterien, Frankfurter Lederwaaren, Ber» I liner Wolltücher und Rüschen, Solinger und Remscheider Stahl» I Waaren), und die englische und französische Konkurrenz zurück» I gedrängt. Für alle Waaren geschmackvoller Dessins mäßigen I Preises, worin gerade Deutschland feit der neuen kunstgewerb- I lichen Strömung sich auszeichnet, find die Chancen für nn< I günstig. Es ist aber nöthig, daß die deutschen Textil-Fabriken I sich spanische Stoffe, der Farbenwahl und -Stellung wegen, I kommen lassen, da alle südlichen Länder gerade für Farben I einen außerordentlich empfindlichen Sinn haben und obendrein I traditionellen alten Mustern gern folgen. Dieser einfachen Klug- | heil, fremde Gewohnheiten und Geschmacksrichtungen sorgsam I zu studiren, haben wir Deutschen bisher noch viel zu wenig
Rechnung getragen. Der Luxus des spanischen Hauses ist im I Zunehmen begriffen, es beginnt auch dort bereits bie Strömung I für bessere, Wenn möglich elegante kunstgewerbliche Ausstattung ber bisher meist bürftig befortrten Räume. Hier kommen also j eine stattliche Reihe beutscher Branche» in Betracht. Günstig I sind, wie Frühauf hervorhebt, die Aussichten in Bronce-, Kunst- I schlosser- und Metallarbeiten, in Porzellan- und Steingut» I Geschirren. Neben Paris hat auch England bisher wesentlichen I Marktantheil in vielen Luxusartikeln besserer Qualität gehabt. I Der spanische Kaufmann pflegt wenig an die Einkaufsplätze zu I reifen, cs wird also nöthig sein, das Land unsererseits bereisen I fu lassen. Hoffentlich verfällt man nicht gleich am Anfang in I den alten, stets schwergebüßten Fehler, fremde neue Märkte ge» I rabe für gut genug zu halten, vor Allem bie bei uns uiian- I bringbare Ramschwaare dahinzuwerfen. Will man sich Bahn I brechen, so folge man bem englischen Grundsatz, gerade bei neuen Märkten doppelt gewissenhaft auf solide Waare zu halten, unsere billigeren Preise werden dann bie Wege schon breiter ebnen. Sicher könnten unsere beutschen Konsuln durch ein»
I gehynbere Berichte Über bie Richtungslinien unserer merkantilen Feldzüge, bie Haupterfordernisse ber kaufmännischen Operationen, bie Lage bet Kreditverhältnisse im Allgemeinen, die gemachten Fehler im Besonderen das Werk wesentlich fördern, mehr als dies leider bisher geschehen ist.
* Berlin, 13. Sept. In dec neuesten Nummer der von ihm herausgegcbeuen Zeitschrift „Stahl und Eisen" fällt einer der hervorragendsten Vertreter der schutzzöllnerischen Großeisen» Jndustriellen in Rheinland und Westfalen, Herr B n e ck in Düsseldorf, ein recht bemerkenswerthes Urtheil über bie den t sch e WirthschaftS » Politik. Wie aus früheren ■ Mittheilungen bekannt ist, wurde nach der Verstaatlichung bet rheinisch-westfälischen Eisenbahnen der Ausnahmetarif für Äe - treibefenbungen von ben Nordseehäfen nach dem Jnbustriegebiete aufgehoben. Hr. Bueck sieht in diefer Maßregel einen Beweis bafür, baß bei uns „eng begrenzte S onber int eressen unb aus politischen Bestrebungen hervorgehenbe Parteirückfichten eine große, frucht» bringenbe Auffassung wirthschaftlicher Fragen" verhindern. Er spricht von einer „weitge henden Berücksichtigung agrarischer Interessen" unb sagt bann weiter: „Dies« Maßregel ist vielfach nicht verstauben Worben; beim das Dekret, welches bix Aufhebung eines Ausnahmetarlfs verfügt, hat doch nicht bie Kraft, ben Baben in ben bett. Laubestheilen so zu befruchten, baß er sofort erzeuge, was von bet dichtgedrängten Judustriebevölkerung an Getreide verbraucht wird. Diese Aushebung hat in der Hauptsache nur die Folge gehabt, daß da» Getreide, welche in den hier in Rede stehenden Bezirken fehlt und unter jeden Umstünden beschafft werden muß, anstatt in deutschen Schiffen nach Emden ober Leer zu gehen unb auf beutschen Eisenbahnen bem Bestimmungsorte zugefühti zu werden, jetzt, wie wohl anzunehmen, auf holländischen Schiffen nach den holländischen Hafen gelangt und auf holländischen Flußfahr» zcugen den Rhein hinaus nach den Jndustriebezirken verschifft wird. Damit ist aber der blühende Getreide handel von Emde» und Leer rninirt." Von freihändlerischer Seite ist das Alles schon häufig ansgeführt worben; boch ist auch, nachdem stch Herr Bueck der Sache angenommen hat, kaum zu erwarten, daß bie Abgeordneten des Jubustriebezirks gegen bie falsche Politik bet Eisenbahn-Verwaltung eintreten werbe. Diese müuen in wirthschaftlichen Fragen leine Opposition machen, wie ihr Verhallen gegenüber ber Vorlage wegen Erhöhung ber Holzzölle gezeigt hat. Mit ber letzteren beschäftigt sich Herr Bueck ebenfalls. Sein Urtheil lautet dahin, baß ber Import von Brettern ober in anberer Weise bearbeitetem Holz „natürlich, in Folge be8 hohen Zolles" (so nennt Herr Bueck ben im Jahre 1879 eingesührten Holzzoll, welcher nach bem Plane ber Reichsregierung bekanntlich verdoppelt unb Ber» breifacht werben sollte) ausgehört unb daher ber früher so blühe nbe H0l'zhanbel ber EmsHäfen ungemein gelitten habe. Hr. Bueck mahnt schließlich, an bem Zolltarif nicht immer unb immer wieder zu rütteln, sondern dem „Volke die stetig: Entwickelung auf der Grundlage eines in seinem Bestände gesicherten Zolltarifs" zu gönnen. Er richtet dies« Mahnung auch an Dikjenigen, „die jährlich mit neuen schutzzöllnerischen Forderungen hervortreten", und
eine angeregte Debatte sich entwickeln mußte. Daß diese aber ten abgerechnet — sich die Silbcrfchmiedcarbeiten zweier sich nicht auf ein rcsultatloseS Wortgefecht beschränkte, fon- Frankfurter Firmen in voller Bedeutung und mit dem Ein- derir zu nennenswerihen Resultaten führte, war wohl der druck einer gewissen küustlrrifchen Vornehmheit behaupten glücklichen Mischung der etwa 200 Theilnehmer zählenden konnten, so bars diese Thatsache die auch von ben süddeutschen Versammlung zu verdanken. Nichts langweiliger, als eine • Autoritäten voll anerkannt wurde, unserer heimischen Kunst- parlaineutarische Verhandlung unter Leuten, die von vorne- ' "" --- " ~ "
herein Alle dasselbe wollen. Hier aber hatten die Gegensätze Gelegenheit, aufeinander zu platzen: Nord- und Süddeutsche, Vertreter der Staats - Autorität
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rind Mandelsblatt.
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