■Mr 318. Abendblatt
Einunddreissigster Jahrgang.
erobern, stoße« bei den Änhäugein
„im Bündniß mit Schulbuben, inmitten eines sittlich schwachen, unwissenden Volkes, das de« türkischen Regimes zu vergessen noch nicht Zeit gehabt hat, und für daS daher Jedermann, der gerade den Stock in Händen hat, der Herr ist." Die „Nowoje Wremja" vergleicht dann die Mission Kaulbars mit der Abkommandirung einer Generals ins Innere des Reichs, wenn dort einmal irgendwo Unruhen ausgebrochen sind. Jm Ueörigen aber sei gerade die Entsendung des Generals Kaulbars des beste Beweis väterlicher Fürsorge Rußlands für das stammverwandte Volk gewesen, das iS mit seinem eigenen Blut befreit hatte. Die Resultate der Reise KaulbarS durch Bulgarien hätten ihrerseits bewiesen, daß dem Volk dieser Schutz Rußlands höchst willkommen sei, daß eS nur von Rußland was Wiffen wolle, nicht aber von der Regentenbande, für die Rußland und das bulgarische Volk nicht existiren, sondern die sich nur auf „Europa" stütze und es nur mit ihm zu thun habe; daß aber auch die Revolution nicht feste Wurzel gefaßt habe und nut mit der Fuchtel und dem Knüttel im Gange erhalten werde. Hier sind jedenfalls die Ansichten der maßgebenden Personen Rußlands richtig ausgedrückt, und es stimnit damit im Grunde auch, wenn der Petersburger Offiziöse der „Pol. Corr." erklärt, Rußland werd« deshalb nicht militärisch einschreiten, weil ein Rückschlag in Bulgarien zu Gunsten Rußlands unausbleiblich sei; es könne sich gedulden und die Neuwahlen für die Sobranje müßten bis zur Beruhigung der Leidenschaften verzögert werden; dazu seien sieben oder acht Wochen nöthig, während welcher Zeit sich ein Einvernehnien zwischen den Mächten erzielen ließe. DaS bulgarische Volk sei terro- ristrt und werde daher die russische Politik in Bulgarien nicht die Unbilligkeit der Regentschaft entgelten lassen. Wenn nun aber der „Rückschlag" nicht erfolgt?
* London, 8. Nov. Seitens der Polizei sind die um- fasiendsten Vorsichtsmaßregeln getroffen, um die für den Lordmayorstag geplante Sozialistenversamm- I lung auf dem Trafalgar Square zu verhindern. 8000 I Schutzleute werden morgen in Bereitschaft für jede Eventualität sein ; außerdem wird der Polizeichef, Sir Charles Warren, 200—300 berittene Polizeimannschaften unter seinem Befehle haben. Trotzdem halten die Sozialisten angeblich an ihre,« Entschlüsse, die Kundgebung stattfinden zu lasten, fest. Sie behaupten nämlich, daß der Trafalgar Square weder eine Straße noch eine Durchfahrt (tboroughfare) sei, während in dem polizeilichen Verbote nur von Straßen und Durchfahrten, und nicht von „Squares" oder Plätzen dir Rede fei. In einer am Sonnabend Abend im Hydepark abgehaltenen Versammlung erklärten Hyudman, Champion, sowie der unter dem Namen „Tyrnnuen-Unterdrücker" bekannte Anarchist Queich und andere Führer der sozialdemokratischen Vereinigung, daß die Kundgebung auf dem Trafalgar Square am nächsten Dienstag unfehlbar abgehalten werden würde. Sollte die Polizei die Versammlung verbieten, so würden die Sozialisten Schritte thun, die für viele derselben Einsperrung, vielleicht gar den Tod zur Folge haben dürsten. — Ein von Arbeitern unterzeichnetes Manifest, welches in 150,000 Exemplaren über London vertheilt worden sein soll, ermahnt dagegen die Arbeiter, fich keine Ausschreitungen morgen zu i Schulden kommen zu lassen, „nm nicht dm fremden Rivalen britischer Arbeit in die Hände zu spielen." Das Manifest scheint von den SchutzMuern auszugehm. — In Liverpool wurde am Sonnabend die Jahreskonvention der irischen Nationalliga von Großbritannien unter dem Vorsitze des irischen Abgeordnrtm T. P. O'Connor abgehalien. 500Delegirte waren et jdjitrten und der zur Verlesung gelaugt« Jahresbericht theilte mit, daß die Liga jetzt 432 Zweige hab«. In dm Resolutionen wird Gladstone unb den Wählern, die ihn unterstützt Haden, Dank für deren Anstrengungen zu Gunsten Irlands und der feste Entschluß aus- gedrückt, die exmittirten irischen Pächter zu unterstützen; gleichzeitig wird dem Volke Amerikas und Australiens für dir Theilnahme, die es für die irische Sache bethätigte, gedankt. Diese Resolutionen wurden später ratifizirt in einer Volksversammlung, in welcher O'Connor sagte. Irland sei jetzt ruhig, weil die Regierung die Politik der Liga ausführe, nachdem sie gefunden, daß sie gegen das irische Volk nichts auszurich- ten vermöge. — Die irische Regierung Hot den Redakteur
I derheit der Wähler. Natürlich sind die Abstentionisten lautet gute Bürger, die einen tiefen Abscheu haben vor dm ultra» ! radikalen Gepflogenheiten des Geineinderaths, aber fich deffm just am Wahltage nicht erinnern. Die Geschichte der gemäßigten Parteien Frankreichs ist aus lauter solchen Kapiteln zu- sammengesetzt. — Der Staatsrath hat einige prinzipiell loichtige Entscheidungen getroffen, wonach Beamte, welche infolge Eidesverweigerung oder aus politischen Gründen durch den Staatsstreich von 1851 ihre Stellungen verloren hatten, die 18 Jahre des- Kaiserreichs bei der Pensionsberechnung als Dienstjahre angcrechnet werdm müssen.
* Paris, 7. Nov. Die „Corr. Hav". schreibt: „AuS Athen meldet ein Telegramm, daß H. von M o n t h o l o n im Namen Frankreichs mit der griechischen Regiemng einen Handelsvertrag abgeschloffen hat, nach welchem Frankreich in Gnechenland dal Recht der meistbegünstigten Nation zuerkannt wird und verschiedene Waaren einen um 50 pCt. herabgesetzten Zoll zu entrichten haben werden. Frankreich seinerseits verpflichtet fich, den Rofinen- zoll nicht zu erhöhen." (Deutschland hat bekanntlich schon seit 1884 einen solchen Vertrag mit dem Recht der Meistbegünstigung. Red.) — A»S Lyon wird ein« erfreuliche Zunahme der Ausfuhr von Seidenwaaren nach den Vereinigten Staaten gemeldet. Dieselbe ist in den zehn ersten Monaten dieses Jahres auf über 41 Millionen gegen 35 Millionen im Vorjahre gestiegen.
eroBbritnmiKn.
des Herrn Stöcker aus Widerstand; mmi nennt jetzt verschiedene, mit der Agitation des Herrn Stöcker verknüpfte Persönlichkeiten als Kandidaten, dir wahrscheinlich in einer Stichwahl nicht alle nationalliberale Stimmen bekommen würden; andererseits wird auch aus Herm v. Rauchhaupt hingewiesen, deffm Sehnsucht, in den Reichstag zu kommen, notorisch ist, bis jetzt aber erfolglos war. Eine Einigung scheint sehr schwer zu werden, denn Herr v. Rauchhaupt dürste den Führern der „Beftiper Bewegung" kein sehr gmehmer Kandidat mehr sein, nachdem er sich in offenen Gegmsatz zu Herm von Hammerstein und Kleist-Retzow und deren Antrag gesetzt hat. Der Fortgang der Diskussion über diesen vielbesprochenen und beschriebenen Antrag beweist immer deutlicher, llaß ähnliche Differenzen wie in Berlin in der konservativen Partei überhaupt bestehen. Herr von Hammerstein hatte fich bis jetzt über die offene Opposition seines Fraktionsgmossen damit getröstet, daß dieser eine vereinzelte Stimme sei und hatte gegen ihn eine Anzahl hochkonservativer adliger Namm des Herrenhauses und der Generalsynode ausgespielt, die sich für den Antrag erklärt haben. Er erlebt jetzt dm Schmerz, daß Herr von Rauchhaupt Succurs erhält, und zwar durch einen konservativen Führer des Abgeordnetenhauses, den Grafen Lim-
Als Feld zur Verwirklichung seiner Pläne hat der Verein zunächst die Lüneburger Haide in ihren vielfach noch unbearbeitet liegenden Streckm Haide und Moor ausersehen.
-t- Mainz, 8. Nov. Bezüglich der am 15. d. Mts. stattfindenden Stadtverordneten - Wahlen ist zwischen den drei Parteien ein Compromiß zu Stande gekommen, nach welchem die Demokraten 4, die Ultramontanen 10 und die National-Liberalen 6 Plätze erhalten sollen; als 21. Stadtverordneter ist Hm- Jean Ring in Vorschlag gebracht.
I, Mainz, 9. Nov. Die „Opposition der Arbeiterpartei", die in der Sonntagsversammlung nicht zum Wort kam, wird auf Freitag Abend eine allgemeine Wählerversammlung in die Stadthalle «inberufen. Die Tagesordnung wird lauten: „Die Stadtverordnetenwahlen, die verschiedenen Parteien und die Stellung der Oppofition innerhalb der Arbeiterpartei zu denselben."
I> Mainz, 8. Nov. Der sozialistische Landtagsabgeorduete I o e st hat unterm heutigen Datum an die großh. Regierung folgende Interpellation gerichtet: „Hat die großh. Negierung Kenntniß davon, daß in letzter Zeit ohne alle Ver- anlaffung, in rein willkürlicher Weise, Volksversammlungen verboten und aufgelöst wurden, wodurch das dm Staatsbürger» durch Gesetz vom 16. Mai 1848 gewährleistete Versammlungs- recht illusorisch gemacht wird. Ist insbesondere die großh. Rc- qiening davon unterrichtet, daß gestern eine dahier tagende Wählversammlnng wegen der Aeußerung: „August Bebel zähle zu den besten Rednern des Reichstages", durch den Polizeikom- miffär Schüler auf Grund des Sozialistengesetzes aufgelöst wurde, und wenn ja: was gedenkt die großh. Regierung zu thun, um derartigen Mißbräuchen der Amtsgewalt entgegen zu wirken."
* Hanau, 6. Nov. Nach der „Freis. Ztg." haben wir neulich berichtet, daß der Landrath Graf Wilhelm von B i S- I m a r ck in einer Verfügung einem Volksschullehrer kundgegebe» I hat, daß das Kartenspielen in einem öffentlichen Lokal I mit dem Amt eines DolksschullehrerS nicht zu vereinbaren sei. Der Artikel schloß mit der Frage: „Hat Graf Wilhelm Bismarck immer so strenge Anfichten über das außeramtliche Verhalten öffentlicher Beamte« vertreten?" Dazu wird der „Freis. Ztg." nunmehr von zuverläsfiger Seite aus Hanau unter Angabe eines Augenzeugen folgendes mitgethrilt: „Es ist noch nicht lange her — es war in der Nacht nach dem Sedanseste — daß unser Herr Landruth, unterstützt durch mehrere Herren vom Civil und I Militär, weil das Gasthaus zu den drei (Namen unleserlich) ge- I schloffen war, kurzer Hand mittels Aufkletterns, in den oberen I Stock eingestiegen ist, um auf diesem Wege in das untere Wirths- lokal zu gelangen. Man hat im Publikum — sämmtliche Volks- I schullehrer gewiß einbegriffen — wenig dabei gefunden, man hat darüber gescherzt, und gewiß hat es Jedermann fern gelegen, dieserhalb eine Beschwerde irgendwie zu führen. Nu» sollte man aber doch andererseits meinen, daß man auch kein Verbreche» darin finden sollte, wenn ein Lehrer an einem öffentlichen Orte I einmal Skat spielt."
Vo Mische Neber sicht.
Gegen den Antrag Hammerstein - Kleist reitet hinter Herrn v. Rauchhaupt jetzt auch der Abg. Graf Limburg - Stirurn in die publizistischen Schranken. Der Graf ist genau so gouveruemeutal, wie der sächsische Landrath, diesem aber an der Fixigkeit des JustinftS für die Witterung der Ausichieu der Regierung bedeutend über; Herr v. Rauchhaupt vergaloppirt sich bisweilen und muß dann zurückgeholt werden, dem Herrn v. Limburg- Stirum kann dergleichen nie passiren, da er keinen Galopp anschlägt, eS sei beim, daß er das Kommando dazu gehört hat. Um so bedeutsamer ist es, daß der schlefischle Graf sich den aus der Sache selbst gewonnenen Einwendungen Rauchhaupt'S gegen den Hammersteiu-Kleist'schen Antrag anschließt, dann aber fortfährt:
„Maßgebend für mich ist, daß bei allen Erörterungen über die Stellung des Kirchenregiments zur Generalsynode und zu den politischen Gewalten nie davon die Rede ist, wie eigentlich die maßgebendste Person im Kirchenregiment der sum- mu8 epiecopus, zu den Dingen steht. So lauge die höchste Person nicht der Meinung ist, daß die geltenden staatsgesetzlichen Bestimmungen dem Kirchenregimente und der freien Entwickelung der Kirche schädlich find, kann ich mich auf eine Aenderung dieser Gesetze nicht einlaffen, um so weniger, da es theoretische Erwägungen und nicht in der Praxis empfundene Uebelftäiide find, welche dem. ersten Theile des Gesetzentwurfes zu Grunde liegen."
Dazu bemerkt der „Reichsbote": „Erst dann für gesetzliche Aenderung der öffentlichen Einrichtungen auftreten zu wollen, wenn der König öffentlich erklärt hätte, daß er die bestehenden Einrichtungen für schädlich halte, das dürfte ein bisher ungewohnter Standpuntt sein. Ins Praktische übersetzt würde das wohl heißen, der Herr Graf Limburg - Stirurn wird erst für den Antrag stimmen, wenn die Königliche Regierung sich dafür erklärt. Wir find überzeugt, wenn die Regierung das thäte, würde sofort der Widerspruch auch in der Preffe auf vielen Seiten verstummen; aber als ein in der Sache selbst begründeter Standpunkt kann das doch nicht angesehen werden." Der „Reichsbote" kennt, wie man sieht, seine Pappenheimer, aber weil dem so ist, sollte ihm der Standpunkt des Grafen Limburg auch nicht als ein „bisher ungewohnter" erscheinen. Er ist der hergebrachte bei der Mehrzahl der Konservativen gewesen und erklärt uns die seltsamen Wege ihrer Politik vom Freihandel zum Schutzzoll, vom Kulturkampf zum Maigesetzabbruch u. s. w. In allen diesen Fällen hatte eben die Königliche Regierung erklärt, daß fie die bestehenden Einrichtungen für schädlich halte, „und das war gut" sangen die Konservativen mit Adam im .Dorfbarbier".
Bon besonderer Bedeutung, weil den Anschammgen der leitenden ungarischen Kreise entsprechend, find die Bemerkungen, welche der Pester „Nemzet" an dir Thronrede knüpft. DaS als offiziös geltende Blatt hebt hervor, daß die Rede einerseits die.Erhaltung deS Friedens betone, anderseits bringe fie aber die definitive Lösung der bulgarischen Frage in einen so bedin- gungSlosen Einklang mit den internationalen Verträgen und den vitalen Jntereffen der Monarchie, daß man, um über die Lage beruhigt zu sein, annehmen müsie, die Regierung besitze Garantien dafür, daß Rußland die internationalen Verträge auch in Bulgarien respektiren und mit der Wirthschaft „auf eigene Faust" aufhören werde, dies auch umsomehr, als die Achtung vor den so lebhaft betonten internationalen Verträgen und das Jntereffe deS Friedens Rußland hiezu kein Recht verleihen. Unter dieser Bedingung werde sich natürlich" auch in Ungarn Jedermann freuen, wenn der Friede gerettet werde und wenn Oesterreich-Ungarn auch mit Rußland in gutem Verhältniß bleibe. Wenn die Interessen des Reiches mit dem Frieden in Konflikt kommen, dann— sagt „Nemzet" — schrecken wir auch vor den Opfern des Krieges nicht zurück. Dies ist ein so natürlicher letzter Theil der Alternative, daß Niemand hierin eine Provokation oder eine Gefährdung des Friedens erblicken kann; allein dies ist zugleich ein so unerläßlicher Theil der Alternative, daß ohne denselben keine Regierung von dieser Monarchie und von der ungarischen Nation Opfer zu fordern vermag. Was die übrigen hervorragenden Blätter der ungarischen Hauptstadt anbetrifft, so sind „Pesti Hirlap" und „Egyetertes" mit der Thronrede im Ganzen einverstanden, weil sie in ihr die Grundgedanken der Aus- kasftingen Tisza's wiederfinden. Auch daS „Neue Pester Journal" äußert fich-«licht unzufrieden, während „Buda- pesti Hirlap", „Pesti Naplo" und „BudapesterTagblatt" behaupten, durch die kaiserliche Ansprache sei von Seiten Oesterreich-Ungarns die Auslieferung Bulgariens an Rußland vollzogen. Des Urtheils des „PesterLloyd" haben wir schon Erwähnung gethan. Man sieht, daß die Ansichten recht weit auseinandergehen; unserer Ansicht nach liegt kein Grund vor, in der Ansprache einen Rückzug vor Rußland zu erblicken.
Während Regierung und Volksvertretung von Bulgarien, unbeirrt durch russische Drohungen und von Ruffen angezettelte Verschwörungen, mit bewunderungswürdiger Ruhe an der Wiederherstellung normaler Zustände weiterarbeiten — die von uns schon im Morgenblatte veröffentlichte Adreffe der Sobranje an die Regentschaft ist auch, in dieser Beziehung ein bemerkens- werthes Dokument — reden sich die Russen in immer größere Wuth hinein. Die Ansprache des Kaisers Franz Joses an die Delegationen hat in Petersburg durchaus keinen günstigen Eindruck gemacht und die Naivetät, welche in den Bemerkungen der „Nowoje Wremja" eine Zustimmung zu den Auslaffungen des Kaisers zu finden glaubte, geht schwerer Enttäuschung entgegen. Daffelbe Panslavistenblatt hat zwei Tage vorher ausgesührt, daß „Europa" sich in Betreff der bulgarischen Angelegenheit ebenso vor Rußland beugen werde, wie es dies im Jahre 1863 gethan habe, nachdem Fürst Gortschakow „Europa" zu verstehen gegeben hatte, daß die polnische Frage eine innere Frage Rußlands fei. Nun hat die „Nowoje Wremja" die Entdeckung gemacht, daß auch die bulgarische Frage eine „innere" Frage Rußlands fei, weshalb alle Handlungen der bulgarischen Negierung als ein „Ausstand gegen Rußland" betrachtet werden müßten I Diesen Ausstand habe der bulgarische Fürst mit Hülfe desselben Europa vorbereitet, das jetzt „in sich gegangen" fei; «S fei der Aufstand eines Theiles der Intelligenz
= Stuttgart, 8. Nov. Das Königspaar verläßt am Mittwoch Vormittag halb 11 Uhr di« Residenz und begibt fich über Immendingen, Zürich, Aiwölo nach Nizza, wo am Donnerstag Vormittag halb 11 Uhr die Ankunft erfolgen soll. — Freiherr Axel v. Varnbühler (ein Sohn des ehemalige» Ministers), der bisher als Landrath in preußischen Diensten staub, hat, wie bereits gemeldet, einen sechsmonatigen Urlaub behufs Beschäftigung im württembergischeu Staatsdienst erhal- teu. , Wie das „Deutsche Boiksblatt" mittheilt, wird derselbe im Ministerium des Auswärtige» Verwendung finden, um später den württembergischeu Gesandten in Berlin, Herrn v. Baur- Breitenfeld, der aus Gesundheitsrücksichten seinen Posten verlaffen will, zu ersetzen. Freiherr Axel v. Varnbühler ist der Schwager de« früheren württembergischeu Gesandten am preüßi- chen Hofe, des verstorbenen Freiherrn v. Spitzenberg.
8 Metz, 6. Nov. DerPezirkspräfident von Lothringen, )rhr. von Hammerstein, tritt am 1. Dezember „aus Ge- undheitsrückfichten" einen sechsmonatigen Urlaub an. Man nimmt hier an, daß dieser Urlaub mit der bereits früher schon gemeldeten Versetzung nach Straßburg Zusammenhänge, und daß H. auf seinen hiesigen Posten überhaupt nicht mehr zurückkehre.
Urankretch.
T Paris, 8. Nov. Als Raoul Duval am Samstag n feiner Rede, die auch heut« noch di« Preffe lebhaft be- I chäftigt, mit eindringlicher Beredsamkeit gegen die Obstruktionspolitik sprach, erhoben viele Deputirte der Rechten den Einspruch, daß dies nicht ihre Politik sei, und als nun Duval sich auf den bekannten Schriftsteller Cornily berief, der im „Matin" einen eigenen Artikel unter dem Titel: „Obstruez, obstruez!“ publizirt hatte, warf Cassagnae selbst ein: „Niemand von der Rechten billigt dies." Wie wird Cornely seine Verläugnung durch die Parteigenoffen im Parlament aufnehmen, wird er repliziern oder den Fußtritt schw'igend annehmen? Der heutig« „Matin" belehrt unS, daß er den letzteren Weg eingeschlagen. „Words! words !* Worte, I Worte! mit diesem Shakespeare'schen Citat sucht Cornely die Rede todtzuschlagen, deren Inhalt er in die Worte znsam- meusaßt: „Meine Herren Republikaner, Sie find unfähige Tyrannen. Ich bin der Ihrige. Meine Herren Monarchisten, Sie sind Schwachköpse. Treten Sie zu den I Unjrigen." Um Duval di« Nutzlosigkeit und Gefahr- I lichkeit seines Unternehmens zu beweisen, vergleicht er I ihn mit drei historischen Mittelparteilern, mit Lamou- rette, der trotz dem berühmten Küß, den er seinen Gegnern I gab, in der Revolution guillotinirt wurde, mit Lamartine, I dessen politischer Stern ebenso rasch sank, als er gestiegen war, I und mit Chaudey, den die Kommune hat erschießen kaffen. I Zur Vertheidigung seines Evangeliums der Obstruktion, das, I wie es scheint, nicht nur Caffagnae, sondern auch der legiti- I mifiische Herzog von Larochefoucauld nicht anerkennen will, I sagt Cornely kein Wort. Ist nicht dies schon ein erfreulicher Erfolg der Worte Raoul Duvals, der sie vor dem Vorivurf Conttly's sichert, bloße Worte zu sein? — Die gestrigen I Gemeindewahlen in Paris machen der „Ville- I lumifcre" wenig Ehre. Die Wähler find äußerst träge und I die vernünftigen Kandidaten verschaffen durch Unverträglichkeit I den extremen Kandidaturen, die im Grund nur einen ganz I geringen Theil der Wählerschaft für fich haben, den Sieg. Im Ovartier Rotte-Dame hatte im Jahre 1884 der gemäßigte I Republikaner R u e I, der demissionirte, weil er in seinem I Geschäft mit oder ohne Wiffen unterwerthig« ausländisch« I Goldwaarrn verkauft hatte, über den seither zum Deputirten gewählten Autouomisten Pves Guyot den Sieg I davongettagen. Im ersten Wahlgang hatte der Antiautonomist I R icbourg «inen ziemlichen Vorsprung vor dem Autonomisten I Haud. Würden ihm im zweiten Wahlgang alle Gemäßigten ihre Stimmen gegeben haben, so würd« er gewählt wor- den fein. Statt deffen wurde eine neue reaktionäre Kandidatur aufgestellt, während der Antonomist Hand einige Anhänger anderer radikaler Kandidaten für fich gewann und damit die Oberhand erhielt, obschon von 2865 eingeschriebenen und I 1707 abstirmmnden Wählern nur 668 für ihn gestimmt haben. Im Quartier Höpital Saint-Louis war die Wahl eines Antiantonomisten nach dem ersten Wahlgang durchaus sicher. Da aber die beiden Kandidaten dieser Farbe nur um fünf Stimmen verschieden waren (Deberttand hatte 1014 und Dupont 1009) so konnte fich keiner von beiden zum Verzicht entschließen, obschon ihnen der Sozialist Duc- Qu er cy, der mit seinen 901 Stimmen sich vor den 988 Stimmen deS Sozialisten Faillet zurückgezogen, ein gutes Beispiel gegeben hatte. So kam es, daß bei der Stichwahl Faillet das relative Mehr von 1794 Stimmen erreichte, während Deberttand es nur auf 1618, Dupont nur auf 1031 Stimmen brachte. Da die Zahl der eingeschriebenen Wähler 8045, die der abstimmenden 4542 betrug, so vertritt auch Faillet mit leinen 1794 Stimmen nur eine sehr geringe Min-
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Deutsches Deich.
N Berlin, 8. November. Dir freisinnigen Wahl- männer des ersten Berliner Landtagswah-kreises werden sich heute Abend über dm von ihnen an Stelle Ludwig Löwens zu wählenden Kandidatm schlüffig machen und von dem Augmblick ab ist das Jntereffe an dieser Ersatzwahl erloschen, denn di« Wahl d«s Betreffenden mit einrr Zwkidrittel- majorität steht bann fest. Mit Spannung aber wird man der aus den 6. December festgesetzten Ersatzwahl zum Reichstag« entgrgensthm. Di« Freisinnigen habm ihren Kandidaten, den alten Klotz, gestern offiziell proklamirt und schicken fich an, eine lebhafte Agitation zu entsaltm. Die Sozialdemokraten haben den von hier ausgewiesenen Schriftsteller Christensen ausgestellt und wollen, obwohl deffen Wahl aussichtslos ist, doch in die Agitation eintreten; ob fie deffen nach der Ausweisung ihrer sämmtlichm Führer fähig sind, ist nach dm Erfahrungen der letzten Wochen zu bezweifeln. Die Sach- läge wird sich für sie ändern, wenn Ende November der Reichstag und mit ihm die sozialdemokratischen Abgeordneten' nach Berlin kommen. Es ist diesen Abgeordneten im letzten Jahre nicht mehr möglich gewesen, hier in öffentlichen Versammlungen zu sprechen. Die Wahlvorbereitung wirb ihnen, namentlich wohl auch dem ausgewieseneii Abgeordnetm Singer die Gelegenheit dazu bieten. Die Beschränkung der Ver» sammlungssteiheit findet auf Wählerversammlungen keine Anwendung ; dieselben bedürfen keiner vorherigen Genehmigung. Es ist anzunehmen, daß die sozialdemokratischen Abgeordneten die kurze Frist vom Beginn des Reichstages bis zum Tage der Wahl möglichst ausnntzen werden. Die Rationalliberalen
burg-Stirum. Dieser, einst wie Herr von Rauchhaupt ein hervorragendes Licht der Neukonservativen in den Jahren des Kulturkampfs, schließt sich nicht nur der Opposition desselben gegen den Hammerstein'schen Antrag an, sondern versichert auch in der „Schlesischen Zeitung", daß di« Mehrheit der Fraktion Herrn von Rauchhaupt folgen werde. Damit wäre also die langerwartete Spaltung in der konservativen Partei kon- statirt, dmn Herr von Hammerstein kann doch unmöglich auf den bereits formulirten und öffentlich verkündeten Antrag verzichten, dm er selbst als entscheidend für die Zukunft der Partei hingestellt hat. Er ist auch nicht der Mann der blaffen Furcht und zudem ist Niemand gerade von ihm so leicht zu bekämpfen, wie sein Freund Graf Limburg-Stirum. Dieser hat ein auffallend hohes, häufig zu Heiterkeit Anlaß gebendes Organ, und nachdem Herr von Hammerstein das Mauscheln mit Erfolg als parlamentarisches Kampfmittel eingesührt hat, liegt nichts näher, als daß er den Grasen Limburg-Stirum durch «ine mit der Fistelstimme vorgetragene Red« abführt.
—f. Berlin, 7. Nov. „Gesellschaft für innere Kolonisation" nennt fich ein Verein, der fich am Sonnabend Abend unter Vorsitz eines Freiherrn von Henneberg und eines Lieutenants Schmidt konstituirt hat. Als Zweck der Gesellschaft gibt § 1 bet Statute», Welche an demselben Abend berathen und festgelegt Würden, an: 1) die Begründung von Kleinbauer-Ansiedelungen in Norddeutschland und 2) Unterstützung und Förderung all« aus innere Kolonisation gerichteten Bestrebungen, seien dieselben staatlicher oder privater Natur,
des in Roscommon erscheinenden „Herold" wegen Prr- öffentlichung gewisser Beschlüsse von Zweigen der Nationalliga in Anklagezustand versetzen taffen.
* London, 8. Nov. Ein Liberaler in Warwick, welcher dm Vorschlag gemacht hatte, Gladstone in Anerkennung seiner langen öffentlichen Dienste ein nationales Ehrenge- schenk zu überreichen, erhielt von dem ehemaligen Premier folgendes Schreiben: „Ich wünsche nicht, daß mir irgend ein nationales Ehrengeschenk überreicht werde und ich würde e< bedauern, selbst wenn es einem weitverbreiteten Gefühle ent- I sprang, was, wie ich glaube, nicht existirt." — Karl Blind hat seinen Austritt aus dem Londoner „Internationalen Schiedsgerichts- und Friedens- Verein" angezeigt. Seit Jahren Mitglied des Vollzugsausschusses, stand er bereits früher einmal aus dem Punkte, bte Verbindung zu lösen, da wiederholte, von ihm indessen uiit Erfolg Mampft« Versuche gemacht worden waren, eine elsässisch- lothringische Frage im deutschfeindlichen Sinne aus die Tagesordnung zu setzen. Sein jetziger Schritt ist durch die, feit der afghanischen Verwickelung hervorgetretene Hinneigung b«8 Ausschusses zur russischen Politik veranlaßt. — In O st - Worcestershire und Staffordshire erhietteii am Samstag nahezu 2",000 Nägelmacher eine Lohnerhöhung von 10 Prozent. Der Rägelmacher - Verband entschied in» deß, daß alle mit einer Lohnerhöhung bedachten Arbeiter (tiitcti sollen, bis die Arbeiter in den Cradleh Heath und Nowley Old Hill Works, die sett 13 Wochen ausstehen, denselben Lohnanf- schlag erhalten haben. Die Nietenmacher in Staffordshire haben ebenfalls behufs Erzielung einer Lohnerhöhung gestrikt.
Aulgarten.
* Dem bereits in unserem gestrigen Privaitelegramme aus Timowa erwähnten Bericht des Präfekten von Bur- gas über den Putsch entnehmen wir noch Folgendes:
Am 22. October (3. Nov.) Nachmittags hörte ich von einer Verschwörung. Ter Mann, welcher mir dieselbe enthüllte, erklärte, daß der Plan im Hause der Brüder K i s s e l s k i am 2. Nov. festgestellt worden sei und daß die r n s s i s ch e n O f f i z i e r e Nabokow, Saleski und andere Zankowisten anwesend waren. In dieser Versammlung wurde ein chiffriries Telegramm vom General Kaulbars an den russischen Konsul in Burgas verlesen. Diese« Telegramm erklärte, daß die Große Sobranje in Tirnowa verhaftet worden sei und die Armee fich gegen die Regierung zu Gunsten Rußlands erhoben habe. Der Plan der Verschwörer- ging dahin, den Präsetten (Zankow) und den Bataillons-Kom-' Mandanten (Karawanow) sowie drei Eompagniesührer zu verhaften. Da es spät war, konnte ich nicht mehr die nothwendigen Maßregeln ergreifen. Den ruffischen Offizieren Nabokow und Galewitsch, welche ihre Uniformen angezogen hatten, gelang e8, zwei Kompagnien Soldaten für fich zu gewinnen und die genannten Personen zu verhaften. Die übrigen Kompagnien wollten fich den Revolutionären nicht unterwerfen, obgleich deren Offiziere verhaftet worden waren. Hauptmann Karawanow traf m Verzweiflung, ehe er nach Altos entfloh, einige Soldaten und sagte ihnen, daß die Affaire für Bulgarien nachtheilig fein werbe. Aus seinem Wege nach AitoS zerstörte er die Telegraphendrähte. Nachdem er dort angekommen war, nahm er zwei Kompagnien der Garnison Mit fich und kehrte nach Burgas zurück, besetzt« e< und befreite alle von den Rebellen verhafteten Personen. Ordnung herrscht jetzt in Burgas. Die bulgarischen Behörden fanden Nabokow in dem Distrikt von AitoS, wo er Waffen- fähige Männer sammelte und denselben die chissrirte Depesche des Generals Kaulbars vorla«. Er führte dieselben gegen Phi- lippopel, um die Bevölkerung aufzuregen. Major Panitza ist schon mit einer genügenden Militärmacht in BurgaS.
Aus BurgaS wird d« „K. Z." unter’m 7. d. M. g«. meldet, daß bi« militärischen Posten, welche in der Nähe des ruffischen Konsulats ausgestellt waren, von den Behörden zu»
haben in der Person des Stadttath Marggraff zwar einen Kandidaten aufgestellt, den Luxus einer Agitation werden sie sich wohl aber möglichst schenken, zumal ihre Versammlungen nur dann einigermaßen besucht fiub, wenn die Konservativen hinkommen. Diese letzteren allein sind über ihren Kandidaten noch nicht schlüffig geworden, obwohl sie die einzigen sind, die mit einiger Aussicht auf Erfolg in diesem Wahlkreise den Freisinnigen gegenübertreten. Es spielen sich im Schoße der konservativen Partei aus Anlaß dieser Wahl tiefgehende Differenzen ab, und diese sind wohl auch der Grund, daß Herr v. Levetzow die Kandidatur schließlich abgelehnt hat. Die Versuche mit einem sogenannten anständigen Konservativen, der durch den Berliner Antisemitismus nicht direkt twwpromit» tirt ist, den Wahlkreis zu erobern, des Herm Stöcker auf Widerstand
Dienstag, 9. November 1886
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