- TSr. 1»,

1879

Eerichtszeitung.

lauen, wird

Wfisnnementspreis

Herfdja^t in Frankfurt und Mainz (bei beit «en VA «<; im deutschen Reiche, in Oesterreich, birg bei den Postämtern 9 JL-. in der Schweiz 6 13*"2O E. ausschließlich des Localzuschlags.

Verlag und Druck

frankfurter Socielätsdruckeret.

mWerMm

______und Kandelsttatt.

politische Uebersicht.

Hoffnungen des Liberalismus, es werde in prrthschaftlichen Fragen ein Kom- m i ß Zw-schm Reichstag und Kanzler möglich ffiasirten bekanntlich darauf, - die Frage der 'orm von derjenigen der Zollreform zu tren- werde. Was die Erstere betrifft, war der al, so ist ja die Majorität gewillt, auf die Vor- ge des Reichskanzlers einzugehen; für diese Be- nlligkeit wird dann letzterer wohl bezüglich der stage mit stch reden lassen. Die vorige Nummer Provinzial- Torrespondenz" war dazu angethan, Hoffnungen zu verstärken und in den Zelten ' ralen war bereits, wie uns die Auslassungen Magd. Ztg." zeigten, eitel Jubel über die wohl- W Wirkung der ersten Strahlen der Friedens-

Da fährt jetzt auf einmal der offiziöse Wasch- mit Schnee und Hagel drein und kündigt an, Zoll- und Finanzfragenungedeelt" bleiben sol- Die betreffende Note lautet:

Großbritannien.

# London, 12. März. Der von hier nach Peters­burg inPrivatgeschäften" abgereiste russische Botschafter Schuwalow wird in drcr Wochen hierher zurücker­wartet. Die Kohlengrubenardeiter in Süd-WaleS und Monmouthshire find über­eingekommen, die von dm Grubenbesitzern angekündigte Herabsetzung der Löhne um 10 Prozent anzunehmen. Auf derThetis", einem für das Kap bestimmte» Kriegsschiffe brach vorgestem Nacht ein Feuer aus, wel­ches große Vorräthe vernichtete. Der Schabe» wird auf 120,000 Mark berechnet und soll die Reparatur des Schiffes sechs Wochen in Anspruch nehmen. Mit ihrem Feldzug gegen die Zulus scheinen die Engländer eben ein Glück zu haben. Auch vom afghanischen kriegsschauplatze werde» Unregelmäßigkeiten ge­meldet. In Ouettah hat man Mörserkugelu gefunden, welche mit Sand statt mit Pulver gefüllt waren. DemMorning Advertiser" wird unter dem 7. ds. aus Candahar gemeldet: General Bidaulph ging heute von hier ab, um sich nach Thull zu begeben. Ma« glaubt, daß eine starke feindliche Streitmacht vierzig Meilen von hier entfernt liegt. An den Obersten Palliser gingen gestern Verstärkungm ab. Iakub Khan hat einigen Ghilzai-Häuptlingen einen Jehad (Aufforde­rung zum heiligen Kriege) zukommm lassen, in welchem er fie auffordert, sich gegen die Engländer zu bewaffnen. I Der Jehad datirt von der Mitte Februars; ein Häupt- lmg brachte eine Kopie desselben dem hiesigen politischen Agenten.

Rußland.

# Aus Petersburg, wird unter dem 12. ds. Mts. telegraphirt: Die heutigen Zeitungen veröffent­lichen jetzt ebenfalls eine Erklärung de» gestern abgereiste» Pros. Lewin, welche, wir folgt, lautes:

»Bei Prokofjcw sand ich eine deutlich wahrnehmbare An- I schwellung der Leistendrüsen el8 das Residuum einer vor drei I Jahren überstandenen syphilitische» Ansteckung, tote dies die I eigene Aussage des Patienten, sowie die noch jetzt sichtbare Narbe bestätigen, sowie eine Entzündung bet linken Leistendrüse I in Folge von Erkältung und gleichzeitiger Ueberanstrengung. Irgend ein Symptom einer infektiösen Krankheit, geschweige denn der Pest, konnte von mir nickt entdeckt Werden. Auch bei I drei anderen Kranken hiesiger Spitäler waren alle Symptome I nwf °ie gewöhnlichen Folgen einer katarrhalischen rheumatischen I etiranuing. |

Wie das®. T." meldet gelaugte a», Odessa j nach. Petersburg eint Nachricht, welche die dortigen I politische« Kreise i» große Aufregung versetzt. Es handelt I sich um ttee neue That derAevvlutionüre' I

Mazorität für dieselbe ja erzielen; ans dem Laufe der Debatte« ging jedoch hervor, daß die Eisenschutzzöllner und ihr Anhang nicht daran dachte», durch ein Votum gegen Kornzölle die ihnen günstigen Cirkel de« Reichs­kanzlers zu stören. So kam es, daß H Stadtverordnete 3U, denen sich als zwölfter Herr Bürgermeister Preutzel gesellte, gegen die Resolution stimmte», während sich für dieselbe 15 Stimmen fanden. Der Antragsteller Herr I. Funckl vertrat seinen Antrag im durchaus sachlicher und überzeugender Weise, der Wortführer der Gegner war hauptsächlich Herr Banquier Aug. Voswinckel, derselbe, der in der letzten Sitzung des laudwirthschasrlichen Kreis- vereine» sich für eine Steuer auf Petroleum undandere Luxusgegenstände" ausgesprochen hat. Die fchutzzöll- tierischen Eisenindustriellen, deren mehrere nn Kollegium sitzen, vermieden es, sich geradezu für Getrcidezölle aus- zusprechen, und schützten mehr Kornpetenfnedenken vor/ Die Majorität von 15 Etimmun erscheint bei einer Siadtverordnetenzahl von 36 etwas gering: es kommt dies jedoch daher, daß zufällig eine Anzahl Gegner der Getreidezölle gestern verhindert war, in der Sitzung zu erscheinen, während die Gegenpartei vollzählig zur Stelle war. Bereits die heute erschienene Hagener Zeitung" bringt von 5 gestern verhinderten Stadtverordneten nachträglich Beitrittserklärungen, ein sechster der als Gegner der Getreidezölle bekannt ist, ist vereist, doch wird er sicherlich ebenfalls-der Resolution beitreten, ein siebenter, der schwer erkrankt ist, ist eben­falls ausgeprochener Anhänger der Fortschrittspartei, so daß im Ganzen allo 22 entschiedene Gegner der Getreide- zölle im Kollegium fitzen. Ueber die Stellung der 3 übrigen noch in Frage kommenden Stadtverordnete« ist nichts bestimmte» bekannt. Jntereffant ist ferner noch, daß die 11 Stadtverordneten der Minorität sämmtlich Einkommensteuer und zwar, theilweise die höchsten Sätze bezahlen, von einer iNdireckten Steuer also allerdings wenig spüren werden, und daß 8 derselben Vertreter bei 1. Wählerklaffe (dieselbe besteht in Hagen aus ca. 50 Wählern) und nur drei der III. Wählerklasse find. Die Majorität besteht, aus Steuerzahlern aller Stufen und Vertretern aller Wählerklaffr«; es befinden sich darunter 4 Kleineisenindustrielle, die jeder 100 Arlriter beschäf­tigen, die der II. Klaffe stimmten geschloffen für die Re­solution. Die Minorität will ein Miuoritätsgutachten an den Reichstag abgehe» lassen.

8 Lsipzig, 12. März. Das Brieflein, welches die Herren Gemeinde vor stände der Umgegend Leipzigs anläßlich ihrer fortgesetzten Weigerung, die legal gewühlten Sozia- listen in ihr Amt einznführen, von der Leipziger Kreishanpt» manuschajt erhalten haben, soll nicht von jen-r Art gewesen sein, die man an den Spiegel zn stecken Pflegt. Soviel sich aus Gerüchten und privaten Mittheilungen znsamniensteLen läßt, hat die genannte Behörde nachdrücklichst die sofortige Ein­führung der Reugewählten verlangt. In Volkmarldorf ist man dieser Weisung in aller Stille nachgekommen und haben dort die anfangs Ausgeschlossenen bereit» an den Gemeinderaths- sitzunge» theilgeuommen. Auch in Reudnitz steht die Einsüh- runy de» dort gewählten Sozialisten Stelzer bevor. Rach dieser zweimaligen Zurückweisung dürsten die Herren Gr meindevorstände und Gemeinderathsnritglieder schwerlich noch Lust verspüren, von de« sächsische« Behörden die Nichtachtung kommunaler Rechte zu verlangen, zumal sich unschwer Voraussagen läßt, daß einem Anklopsen beim Ministerium des Innern eine Antwort folgen würde, deren Energie und Deutlichkeit in progressivem Verhältniß zu de» Tenor der amtS- und kreishauptmannjchast- lichen Abfertigungen stehen würde.

I Derrmi avl, 12. März. Heute hielte:', beide Kam­en e r der Stände gleichzeitig Sitzung ab. Die erste arbei- tetete da» Eruuahmebudget aus eutd trat mit 14 gegen 9 Stimmen der Verschmelzung der Hauptstaat»lasse mit der StaalHschuldentitgnngSkasse bei. Die zweite Kammer nahm nach kurzer Debatte die Vorlage an, wonach der Staat für die Beiträge zum Eisenbahugeläudeerwerb bezüglich derjenigen Ge­meinden auszukommen hat, welche nach dem bekannten Aus- spruch des höchsten Gerichtshof» beitragisrei erscheinen. Der Be­trag, um welcheu es sich hier handelt, beläuft sich auf 168,000 JC. Weiter genehmigte man den hessischen Beamten und Be­diensteten der Marn-Neckar-Bahn endlich die ihnen seit­her provisorisch gewährte Behaltserhöhnng um ein Sechstel de- I finitiv, stimmte bann der Berufung eines vorerst mit 3300 M. Horror rten Kult urtechnikers bei und erneuerte die be- I reitS früher bewilligten Kredite für die Rheincorrection zwischen Mainz uud Bingen, bei welcher Gelegenheit die Re­gierung die Zuversicht aussprach, daß eS gelingen werde, mit Preußen ein befriedigendes Abkommen über die gemeinsame Au»- I führung dieses schon so lange projektirten Werkt zu erzielen. I Die heutige Bewilligung betrug 212,000 JL ®et auf dem vorigen Landtag an dem Widerstand der erste« Kammer geschei- teile Gejetzeseutwurf, - bete, die Ausübung de» Erziehung»rechts in Bezug auf die Religion der Kinder, welcher davon ausgeht, daß dem Vater die Entscheidung obliegt und alte Vertrags- I bestimmungen in fraglicher Beziehung für unwirksam erklärt, wurde nach kurzer Verhandlung mit allen gegen sechs Stimmen angenommen.

rm Meer." Sonderbar, höchst sonderbar! Sonst das Blatt bett reichskanzlerifchen Ideen immer ein paar Pferdelängen voraus, und heute zerstört st so leichtsinniger Weise die Prämissen, auf welche er r Schlüsse baut. Der Reichskanzler will die ländlichen zlöhner durch ein paar Erbpachtgrundstücke den Guts- tzern erhalten wissen, und sein Leiborgan ver- ßt eine Statistik der Schicksale der Auswanderer eits des Oceans, smtemal die Leute sich doch bei ! unzufrieden fühlen. Fürchtet man vielleicht nun- fr, ein Aufspüren der Auswanderungsurfachen ne Resultate ergeben, welche in sehr hohen Kreisen mgenehm berühren würd-n? Verzeichnet doch die Gliche Statistik des preußischen Staates schon längst den Hauptgrund der Auswanderung unser Mili- hstem, als am meisten bei der Entziehung von Militärpflicht brtheiligt die alten Provinzen!

ueber die letzten Vorgänge in Afghanistan escht ein merkwürdiges Dunkel. Während die eng- »m Minister im Parlament erklären, daß mit Ab Khan, dem neuen '

edensverhandlungen angl ..._______

I von anderer Seite über blutige Kämpfe und so- .überNiederlagen der englischenTruppen berichtet, ß die Letzteren mehrere vorgeschobene Posten, wie fisch! und Kelat-i-Ghilzai wieder aufgegeben haben, zweifellos und auch die Rückkehr deß Generals »ulph aus Candahar nach Indien sowie die anßer- Mtliche Schweigsamkeit der englischen Korrespon-

Anzeigem

Sie «chtspaltige PetilzerK oder beten Statut vkrd mit 30 Pf. berechnet; im Text die vierspaltige Petit zeUe mit t Anzeigen-Annahme bei der Expedition «W bett St« kannten Agenturen sowie bei bet Fllial- Expedite« GuteubergSPlatz 10 neu, ht Mainz,

Bureaux: «rotze Esch-Uheimergaffe XL

deuten find einigermaßen verdächtig. Indessen ist trotzdem nicht daran zu zweifeln, daß die englische Regierung schließlich die lange angestrebten An­nexionen erhalten wird. Nach den letzten Andmtun- gen des Ministers würde die Nordwestgrenze des bri­tischen Reiches in Indien etwa um 70 englische Mei­len vorgeschoben werden und dürfte das eroberte Ge­biet ungefähr 70,000 englische Quadratmeilen um­fassen. Ob der neue Herrscher von Afghanistan ohne weitere Kampfe zu einet solchen Verkürzung feines Landes feine Zustimmung geben wird, ist sehr frag­lich, wie es auch bezweifät werden muß, ob die wil­den Volksstämme jener Gebiete sich der neuen Ord­nung der Dinge fügen werden. Die geplante Er­oberung steht jedenfalls in schroffem Gegensatze zu der Proklamation des englischen Oberbefehlshabers, welcher beim Beginn des Krieges den Afghanen er­klärte, daß derselbe nicht gegen sie, sondern nur gegen Shir Ali geführt werde, weil er die Ehr' Englands angegriffen habe. Da die neuen Besitzungen durch eine Garnison von mindestens 5000 Mann gesicher t werden müssen, so ist völlig unverstäMich, wie die Organe des Torh-Mnifieriums im Ernste von einer Beschränkung der anglo-indischen Armee reden können.

(so solle» jetzt die Nihilisten in, Rußland bezeichne werden), welche die neuesten Ereignisse in Eharkov und Kiew »och zu Übertreffen scheint. In Odessa soll nikm» lich ein bekannter Oberst der Gendarmerie, Knoop, in feiner Wohnung erdrosselt worden sein. Dm Polizei­meister von Odessa ist inzwischen eine anonyme Zuschrift zugestellt, unterschrieben da»Revolution» Comitee", in welcher die» Komitee eine Proklamation in Aussicht stellt, in der die Motive dieserMaßregel" Largelegt werden sollen. Da» tragische Ende der Obersten Knoop wird allgemein bedauert. Der russischen ZeitschriftRußkaja Reisch" entnimmt derHamb. E." folgendes Ueber ine nihilistische Propaganda in Rußland. Der Verfasser weist «ach, daß während im übrige« Europa der Sozialismus an concrete Verhältnisse sich anzulehnnr bemüht in Rußland er durchaus abstract bleibt und jeglicher Basis ermangelt. In Rußland gibt e» nicht einmal Classen, welche al» Factoren eine» ClaffenhaffeS sich gestalten könnte».Ein Häufchen Leute" wirkt an­dern Versteck oder vom Auslande her und zwar nur mit phantastische» Phraseologien. Nur die extremsten Anschauungen werden aufgetischt, und zu diesem Zwecke die Geschichte der beide» Räuber Stenka Nasi» (16671671) und Pugatschew (1772) gewaltsam »rngemodelt. Die eine Richtung, die von Lawrow und den ZeitschriftenWpered" undObstschina" vertretene, will eine Revolution mit vorbereitender Organisanition der Revolutionäre und Bearbeitung de» Volke». Die Richtung von Tkatschew und den ZeitschriftenRabat" undSernljä i Woljä" will ohne Vorbereitung Revo­lution machen, weil die Vorbereitung wirkungslos bleibt und da» Volk alle Emissäre den Behörden ausliefert. Beide Richtungen kennen für die Revolution aber leinen andern Zweck, al» den des bekannten Agitator» Bakunin, nämlich da» Zerstören um de» Zerstören» Wille« die sogen, vollkommene Anarchie. Bakunin hat unter mannigfachen Varianten den Zweck der Agitation untf der angestrebten Revolution so präcifirt:Zerstörung aller Reiche, Vernichtung der ÄourgeoiS-Civilisatio«,,, freie Organisation von unten nach oben vermittelst freier Bereinigungen; Organisation der entfesselten Proletari rmaffe der gesammten befreiten Menschheit^ Erschaffung einer neuen allgemein menschlichen Welt."' Dazu bemerkt das russische Blatt:Jedem Manne im Volke leuchtet das Unsinnige und zugleich Verbrecherische dieses Programms ein, aber unter unsere» Gebildetem gibt eS Viele, die dafür schwärmen und damit unserm Volke gegenüber die ganze Bildung selbst in Mißkredit bringen. Jemehr bte Agitation im Volke sich all» wirkungslos herausgestellt, desto mehr greift die Pro­paganda zu Dolch und Revolver, und das schwankende Verhalten vieler officieller Persönlichkeiten, die um keinen Preis ihre progressive Gesinnung verdächtigt sehet» wollten, hat den verbrecherischen Unfug allein zu solcher Bedeutung emporwachfen lassen, daß rna» davon letzt Io viel Notiz zu nehmen, genöthigt wird."

Deutsches Reich.

M Berlin, 12. März. Aus den Privatmittheilun- gen hervorragender nationalliberalen Abge­ordneten ist zn entnehmen, daß die Mehrheit der Fraktion sich in gedrückter Stimmung befindet, und von einer Auflösung des Reichstag», an die aber für'» Erste nicht zu denken ist, einen starken Verlust ihrer Reichs- tagsfltze fürchtet. Der Reichskanzler macht durchaus kein Hehl daraus, daß er die nationalliberale Partei mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln bekämpfen werde. Ter Deputation von Industriellen aus dem Königreich Bayern, die vor einigen Tagen zur Uebergabe ihrer Zn- stimmungsadreffe eine Audienz hatte, bemerkte der Reichs­kanzler, daß er die von ihm als richtig erkannte Wirth­schaftspolitik nicht verlassen werde; er hoffe mit den Freihändlern im Reichstage, b e ihm feine Pfade zu durchkreuzen suchten, schon fertig zu werden. Immer mehr trete an ihn die Nothwendigkeit heran, ein Zoll­system für Deutschland zu schaffen, welches den deutschen Arbeitsmarkt der Industrie sichere. Aus allen Kundge­bungen geht klar hervor, daß e» dem Reichskanzler mit Durchführung seines Programms zum Schutze der In­dustrie und Landwirthschaft, namentlich der letzteren, voller Ernst ist, und er alle Minen springen lassen wird, um fein Programm durchzusetzen. Noch immer erhält sich die Ansicht, daß der Reichskanzler für den größten Theil feiner Pläne schon im gegenwärtigen Reichstage eine Mehrheit finden wird. Viel Wahrschein­lichkeit hat die jetzt in nationalliberalen Kreisen umge­hende Version für sich, daß der Reichskanzler, nachdem er mit diesem Reichstage feine Zollreformpläne zu Stande gebracht haben werde, eine Auflösung beabsichtige, um ich eine feste konservative Mehrheit für eine Rückwärts- Revidirung der Reichsgesehgebung zu verschaffen. Schon etzt verlautet und das Gerücht hat nach der bekann­ten Sonnabend-Rede be» Reichskanzlers und dessen Ren­contre mit dem Abgeorbneten Lasker viel Glaubhafte» an sich, daß im Reichs - Zustizarnt wiederum c» einer Novelle zum Strafgesetzbuch gear­beitet wird. Die konservativen Ultras sehen ihre Zeit kommen, ihre Sprache ist überaus zuver­sichtlich. Herr v. Kleist-Retzow, bet jetzt Petitionen ber orthodoxen Geistlichkeit wegen Aenderung de» Civilehe- gesetzeS überreicht, verweist auf bessere nicht ferne Zeiten, wo man im Reiche mit der Revision bet Gewerbe- und Ehr-Gesetzgebung, in Preußen mit ber Revision ber neuen Verwaltungs-Organisation und bet Kitchen-Ge» etzgebung vorgehen werde. Der Kongreß ber deutschen Landwirthe hat an die Landwitthe und landwirthschastlichen Vereine Deutschlands ein Cir­kular gerichtet, in welchem in ber lebhaftesten Weise für bie Getreidezölle Propaganda gemacht wird. Es heißt in demselben u. 81.:Jetzt ober nie müssen wir mit un­kten Wünschen hervortreten, bie Ration seufzt unb tein- bet sich unter ber Geißel de» Nothstandes, sie sehnt sich nach grundlegenden Umgestaltungen des seitherige« fal­schen WirthschaftssystemS. Der gewaltige Kanzler hat durch seine Vergangenheit bewiesen, daß das Wohl des Ganzen ihm am Herzen liegt. Aber et muß sich aus bie Wünsche ber Landwirthe stützen können, er muß bie Gewißheit haben, daß bie ganze deutsche Landwirthschaft >inter ihm steht im Kampfe gegen die Angriffe des Aus- andes, des Großhändler- und Speknlantenthums und einer Vertreter im Parlamente. Deshalb müssen Pe- iticnen mit Tausenden und Tausenden von Unterschriften an den Fürsten Bismarck und a« bie Vertreter im iieichStnge seitens ber Landwirthe und landwirthschast- lichen Vereine gesandt werden. Dieses Vorgehen ist schon deshalb geboten, da ber Verein für Freihandel sich vor 1 ängeret Zeit direkt an sämmtliche landwirthschaftliche« Vereine gewendet hat." Nachdem bet Reichstag den bekannten Antrag Stauffenberg angenommen, wird bie GeschäftSorbnnng»-Kom Mission am ©onn- abenb unter dem Vorsitze bes Präsidenten v. Forckenbeck zu ihrer ersten Sitzung zusammentreten. Man will sich zuvörderst darüber schlüssig machen, ob, abgesehen von der Aenderung der Geschäftsordnung, welche sich auf die Disciplin über die Mitglieder beziehe, eine generelle Re­vision derselben vorgenommen wer. en soll. Der von dem Organ Lasker's zunächst gemachte Vorschlag, dem PtSfidenten die Befugnch zu ertheilen, einem Redner gleich nach den ersten Ordnungsrufe, ohne weitere Ap­pellation an das Haus, das Wort entziehen zu können, scheint in der Kommission viele Fürsprecher zu haben.

#-i- ttlln, 12. März. Offiziös wird geschrieben: Der Umstand, daß von M.litSr- und Ci ilbehörden bei Bausub - Missionen Lieferungen von amerikanischen Hölzern, mit Au»jchluß der deutschen ausgeschrieben sein sollen, hat, tote wir hören, Er. Majestät dem Kaiser Anlaß gegeben, von dem Reichskanzler und dem preußischen StaatSmin sterium Bericht über den Sachderhalt zn fordern. Die deSsall» angestellten Er- mittelungen sind noch nicht abgeschlossen. Sie haben bisher er­geben, daß tm Bereiche der Post» und Telegraphenverwaltuug keine Borschrift ergangen ist, durch welche die Verwendung aus­ländischer Hölzer zu Bauau»sühruugeu verlangt wird. Zm Gegentheil find schon seit längerer Zeit sämmtliche Ober-Post- direltionen angewiesen, bei Au»sührung der Bauten grundsätz» ' lich nur deutsches Material zu verwenden, und diese Anordnung ist mit vollem Erfolg zur Ausführung gebracht.

A Hagen, ll. Mürz. In bet gestrigen außer­ordentlichen etabtDerorbnetenfifrung ist mit 15 ; gegen 12 Stimme« auf Antrag be» Stadtverordneten . Z. Funckl »nb Genossen beschlossen worden, an de» Reichs­tag bie Resolution zu richten:Die Stadtverordneten er- i warte«, daß der Reichstag ave Versuche, die noth- ; wendigen Lebensmittel durch Zölle zu vertheuer«, ; entschiede« abweifen werde." Der Antragsteller, Vor- < fitzender beS Kreiswahlkomitcs ber Fortschrittspartei, hatte die Resülution absichtlich nicht gegen bas gefammte Zoll- i Programm be» Reichskanzler», sondern um gegen bie : drohende» Koriuöüe gerichtet, um eine mögligst große j

neulichen Aeußerungen derProv.-Corresp." über den ^.Hau-Halt und die Finanzreform find zuerst von bet ,9lat.« ' und dann auch m Blättern, die für die Nothwendigkeit umfassenden Tarffresorm eintreten, so gedeutet worden, bamtt etae Wendung der »egierun gSpolitik Mndrgt worden, darin bestehend, daß die Finanzzollfrage der anderweiten Zollreftrm zu trennen sei. Dieser Deut« WLL °,^"".Eerechtignn,, «I, dieProv.- 1p. sich lediglich auf die Aeußerungen still t, die der Mi- r Hotmann zur Erläuterung des Etats und im Hinblick * Fmanzschwierigleiten gethan h t. Es mutzte hierbei neue Seite der Frage in de» Vordergrund treten."

Womit denn, tote dieTribüne" bemerkt, die speftive der Verständigung, die einzige, von der Haupt ernstlich zu reden war, wieder geschlossen Trennung der Fragen wäre allerdings eine ffnzesfion gewesen, aber Konzessionen macht man K, Wenn mit der vollen Forderung nicht durchzu- tztzwen ist. Der Reichskanzler braucht das vorerst ckt zu besorgen; für seine Finanzideale hat er eine ßtzjorrtät durch Konservative und Liberale, für feine Mideale eine solche durch Konservative und Centrum Perwarten und da er nach eigener Erklärung die üindesgenoflen nehmen will, wo er fie findet, so Au es ihm nicht darauf ankommen, welche Achsel- Wpen die Compagnien haben, aus denen sich jeweils k Majorität gruppirt.

- Daß wir in der That eine Statistik der kutschen Auswanderung seit Jahren be- srn, hat nun auch dieNordd. allgem. Ztg." ent- Et, nachdem wir ttt unserem vorgestrigen Morgen- rtt so nachdrücklich, als es uns möglich war, da- uf aufmerksam gemacht hatten. Daß sich aber »tzdem an den von dem Abgeordneten Lingens in

b irgend lemand darauf aufmerksam gemacht hat, c Gegenstand sei, soweit es die Umstände erlaubten, Mts erledigt, erklärt das genannte Blatt lediglich «.dem Um,wnde, dass der Direktor Les kaiserlichen Wischen Amtes im Reichstage nicht unter den verungskommissarien anwesend war. So unbedeu- D der Vorgang an sich ist, so bezeichnend bleibt für die Art, in welcher bei uns ost die wichtigsten tzenstände Gehandelt werden. Die Auswanderungs- »e hat fast in jeder Session den Reichstag in str oder jener Form beschäftigt. Wie kommt es ®r daß trotzdem weder irgend eines der Reichstags­tzlieder, noch einer der Regierungskommisfarien ch der Reichskanzler selbst von einer so wichtigen wbedingung jeder emstlichen Behandlung der Frage trrrichtet ist? Wie kommt es, daß trotzdem der Ichskanzler an die ihm nicht bekannten, sondern S vorausgesetzten Daten der Auswanderungsstatistik stÄeihe von Sätzen über die Ursachen der stärkeren theiligung der ackerbautreibenden Provinzen und i Schlußfolgerungen im Sinne agrarpolitischer Mnen knüpfen konnte? DieNordd. allg. Ztg.", iche der Auswanderungsstatistik einen Leitartikel Met, der des Langen und Breiten über die ünge- ügkeit der Aufnahmen sich ergebt, will jetzt plötz- I gar nichts Genaueres von den Ursachen der Mvanderung wissen, und doch werden dieselben in Publikationen des preuß. statistischenBureaus jcdes- l genau verzeichnet. So schließt fie ihre Erörterungen: ad was nun die vom Äbg. Lingens gewünschte atistik der Auswanderungs-Ursachen betrifft, so int uns das gleichfalls ein recht heikler Punkt. ! allgemeine Ursache der Auswanderung dürste ja hl die sein, daß die Leute fich hier unzufrieden len und drüben mehr zu erwerben hoffen; ein ilchtheil geht auch hinüber, weil er hier nichts igt und drüben feine Fehler zu verbergen hofft.

er das aber der Behörde sagen wird? Jnteres- ter als eine Statistik der Auswanderungsgründe w Wohl eine solche der Schicksale der Auswanderer

DK Marpinger Angelegenheit vor Gericht.

# Saarbrücken, 8. März 1879.

«i (Sitzung vom 8. März, 9 Uhr.) ttttg der ZeugenverhbrS. Deca« Klotz au» Baben« yern), Verfasser eines Briefes an Neureuter, schickt» I 20 Jt, verlangte Wasser, erhielt aber durch Pastor Schneider die Antwort, er könne keines schicken, da» Geld stehe zu feiner BerfLgttng; Senge verzichtete indeß in einem späteren Briese ans tat Wiedecerhalt de» Geldes und bat Pastor Schneider, dasselbe zn stammen Zwecken zu verwenden.

Zah. Thom», Wuth zu Marpingen: Wurde zweimal in'»i Pfarrhaus gerufen, um einmal von Dr. ThömeS Über die Vor­gänge bei den Wuudererfcheirmngen vernommen zn toetben,1 dann von einem anderen Herrn. Pastor Neureuter habe sich! an der Vernehmung bei Dr. ThömeS nicht brtheiligt, fei aber im Nebenzimmer auf- «nb abfpazirt. Zeuge gab einem gewisse« Echottle Auftrag, am 13. Znli eine Depesche au die Aktien­brauerei Kaiserslautern de» Inhalt» zu senden: Marpinger MuttergotteS-Erfcheinungen, großer Prlgerzudrang, sendet 7 Hecto Bier an Thomä in Marpingen.

Zeugin Marie Thom» belnudet, da» fie am 5. Juli BbentS die Lehrerin Andrö an der Gnadenstelle sah, dieselbe habe aber keine Fragen durch die Kinder der Muttergottes vorlegen lassen, toie die» andere Anwesende thaten. Rach den Leuten befragt, nennt die Zengin den verstorbenen Ortsvorsteher Fuch». Die sehr zurückhaltend deponirende Zengin wird wiederholt darauf aufmerksam gemacht, daß ihre heutige Angabe in Collifion mit den Aussagen and rer Zeugen stehe. (Die Lehrerin Andri hie, befragt sagt selbst» daß sie zwei Mal durch andere Leute die Kinder habe besragm lassen.) Betreff» des Rektenwald befragt, sagt Zeugen, derselbe habe, von der Gnadenstelle heimlehrend, weinend geäußert:Ach glaube, ich bin geheilt!" In Folge dessen anch Zeugin an die Erscheinungen geglaubt haben will. Zeugin berichtet auch über die angebliche Prüfung der Kinde« betreffs Richtigkeit der Wunder und erklärt, nicht zn wissen^ daß die Kinder vorher der Probe fich untereinander verabredet hätten.

Zakob Kirsch, Bergmann au» Marpingen, Bäte« eine» angeblich geheilten Kindes, über da» seiner Zeit ein Gutachten der Dr. BrauneckS veröffentlich worden, wonach die Heilung Humbug war, unb worin gesagt, daß da» Kind schwächlich sei und einen Kartoffelleib habe. Zeuge erließ gegen diesen ärzt» lichen Bericht eine geharnischte Erklärung in den ultramontanen Blättern, worin er wahrZelt, daß da» Kind nnr durch den wundkrbaren Beistand der Muttergottes geheilt worden fei. (Prä­sident läßt den Zeugen vori.chtShalber und um ihn vor Ein« Wirkung dem Zeugentisch nahe fitzender Beschuldigter zn be» wahren, vor den Gerichtstisch' treten). Zeuge, der früher be­hauptete, er selbst sei Verfasser der fraglichen Erklärung, vom Präsidenten wiederholt und eindringlich ermahnt, zu sagen, wer den Artikel verfaßt, oder wer den Gedanken dazu gah, be­hauptet, er habe ihn verfaßt und acht Tage daran »ffchafft. Aufmerksam darauf gemacht, daß da» b i seinem Bildungsstand ein Ding der Unmöglichkeit sei und er solle seine» EideS einge­denk sein, sagt der Zeuge: geschrieben habe ich ihn. Geschrieben könne er ihn wohl haben, aber nicht versaßt, Zeuge hätte siche« auch dieses behauptet da ruft der Pastor Schneider (wahr­scheinlich, nm dem Manne den Meineid zn ersparen) m Mt Vernehmung hinein:Ten Artikel habe ich gemacht!" (Sen­sation. Der Präsident verweist dem Zeugen seine ganz unge­hörige Einmischung auf» Schärfste, da fie zeige, wie nöthig seine von der Vertheidigung vorher bemängelte Vorsicht betreff» ! de» Zeugen war.) Der Zeuge, sichtbar erleichtert, sagt jetzt I schlau, er würde selbst gesagt haben, daß Pastor Schneider ihm bei dem Artikel geholfen habe. (Der Artikel wird verlefin, ebenso ein im Bett be» Pastor Schneider gefundener Brief be­tresst Strafbarkeit der Urheberschaft der fraglichen Erklärung. $ (Dr. ThömeS hatte fich in seinem Buche über die volkSthümliH Sprache der Erklärung gefreut.) Ferner ein bei Eaplan Dick« beschlagnahmter Bries des Pastor» Schneider, der über den Be­ginn der Untersuchung berichtete, die Abwesenheit de» Adres­saten bedauerte; der Doctor habe fich beruhigt, er fei arg bla* wirk. Haussuchungen hätten noch mcht stattgefunden, aber im Walde seien Bretterbuden errichtet für 9 Gendarmen, der Brief berichtet ferner Über neuerdrngS vorgekommene Erscheinungen, darunter auch Teufel, über die Versexung der Lehrerin Andr« nach Tholey, wodurch man glaubte, da» Vaterland zu retten: die Kinder hätten ab« trotz d« neuen Lehrerin die Erscheinung ba Muttergottes m der Schule gehabt, fie hätte ihnen auch vorige sagt, daß bie Andr« wieder nach Marpingen lammen

Ä«use.^rtfahrend, berichtet üb« die «rankhett feine» da- »als 7 ülästigen Kindes, das äußerst abgemagert, 25 Woche» lang krank gelegen habe und nicht mehr gehen konnte. Befragt, warum et, wenn das Kind so sterbenskrank, keinen Arzt geielZ fafll Zeuge, sie hätten gedacht, wenn da» Kind sterben solle, sterbe e» doch. Zeuge b«ichtet schließlich, daß seine Frau m3 tan Linde in den Härtelwald ging, wo da» Lind Heilung land und fein Zustand täglich besser taube