Zweiunddreissigster Jahrgang*
Montag, 16. April 1888.
fr. 107. Abendblatt
rankfurlerAeitung
und Handelsblatt
(Heue Frankfurter Zeitung«)
(Frankfurter Handelsneitnng.)
Politische Uebersicht
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gegen 122,000 Stimmen, die andern, Ribot und Pierre Legrand, erhielten noch größere Majoritäten, und schließlich '. stellten die Monarchisten gar keine Kandidaten mehr auf.
Auch diesmal hatten sie keinen Kandidaten, sie stimmten aber offenbar in hellen Haufen für Boulanger. Das Departement
wurde es mit einer Majorität von 164,000 gegen 123,000 Stimmen von den Monarchisten erobert. Da diese sich jedoch nur als Konservative vorgestellt hatten und nach ihrem Siege die Maske abwarfen, entzog ihnen das Departement seine Unterstützung und wählte bei mehreren nach einander eintretenden Vakanzen wieder republikanische Deputirte. Der erste derselben, Trystram, erhielt 148,000
zu machen, und zugleich Garantien zu geben, daß keine politischen Folgen sich an das Ehebündniß kmipfen wüv- bcn. Der Rücktritt des Kanzlers liege überdies garnicht im Interesse Rußlands, denn in diesem Falle würden sich die Einflüsse der englisch-österreichischen Allianz in Berlin in überwiegendem Maße geltend machen und mit der vom Kaiser Wilhelm auf seinem Todbette empfohlenen schonenden Politik gegenüber Rußland wäre es zu Ende. Diese Gründe, sowie die Erwägung, daß Fürst Bismarck leicht wieder an's Ruder gelangen und dann Derjenigen, welche ihn zu stürzen geholfen hätten, gedenken könne, hätten den Zaren veranlaßt, den Fürsten Bismarck zu unterstützen. In der That haben sich die anerkannt offiziösen Blätter, wie das „Journal de St. Pc'tersbourg", der „Nord" und der „Warschawski Dnjewnik" für die von dem Reichskanzler vertretene Politik ausgesprochen. In Petersburg erwartet man natürlich, daß derselbe sich nun noch freundlicher und hülfsbereiter gegenüber Rußland zeigen werde als bisher. Es ist ziemlich sicher, daß solche Erwartungen den Ruffen viel Enttäuschungen bringen werden, denn die Behandlung des Heirathsprojektes von Seiten des Fürsten Bismarck ist ja nicht durch Berücksichtigung russischer, sondern deutscher Interessen bedingt.
® zählt 363,935 eingeschriebene Wähler, von denen 267,530 abstimmten, noch nicht ganz so viel wie bei der Wahl Trystrams. Ob Diejenigen, welche zu Hause blieben, die . nämlichen sind wie bei jener Wahl oder ob Konservative, die sonst stimmten, diesmal sich der Stimmabgabe enthielten, läßt sich nicht sagen, aber das Facit der Wahl läßt sich für die Republikaner in anderer Weise sicher feststellen. Boulanger erhielt 172,528 Stimmen, der oppor- ' tunistisch - radikale Kandidat Foucart 75,901 Stimmen, dcr^ radikal-sozialistische Kandidat Moreau 9647 Stiminen; 9454 Stimmen zersplitterten sich. Zählt man die Stimmen Foucarts und Moreaus zusammen, so haben die Republikaner 85,548 Stimmen erhalten, d. h. rund 63,000 Stimmen weniger als bei der Wahl Trystrams. Da diese 63,000 Wähler sicher nicht zu Hause geblieben sind, w können sie nur für Boulanger gestimmt haben. Die Wählerschaft Boulangers würde sich hiernach aus 63,000 Republikanern und 109,000 Konservativen zusammen- Wn. Die Bedeuutng der Wahl im Nord liegt also darin, daß der Abfall im republikanischen Lager ganz riesige Dimensionen anzunehmen beginnt. Wenn die parlamen- larische Republik das Weitergreifen dieses Abfalls hindern toitl, so bedarf sie dazu anderer Mittel als der Reden, und wären sie auch noch so schön und kräftig wie diejenige m, die der Ministerpräsident Floquet gestern gehalten hat.
Die widerspruchsvolle Beurtheilung der deutschen Kanz- Icrkrise von Seiten der russischen Presse findet Me Erklärung in der Unsicherheit, welche anfangs selbst hi de» maßgebenden Kreisen Rußlands geherrscht hat. = die Bismarckkrise begann, so hat, dem Wiener 1 Minies" -Korrespondenten zufolge, ein dem Petersburger Hast angehörender Mann nach Wien geschrieben, waren . Ansichten am Hofe darüber getheilt, welche Stellung a. Rußland der Krise gegenüber einnehmen sollte. Fürst Bis- : ^urck und Prinz Alexander von Battenberg seien den Russen gleich verhaßt. Eine starke Partei. am Hofe hielt .für das Beste, wenn der Zar privatim in Berlin mit- heilen lassen würde, daß er eine vom Kaiser Friedrich Zkbilligte Heirath als Privatangelegenheit ansehen werde ~~ wUches Manöver nach Ansicht der erwähnten Russen I ft-nt ^trirze des Fürsten Bismarck hätte führen müssen. ; ^'"e andere Partei am Hofe, mit Herrn v. Giers an | J.r Spitze, sei jedoch der Ansicht gewesen, daß es dem I yursteu Bismarck in erster Reihe gar nicht darauf an- k die Battcnbergische Heirath zu verhindern, sondern Lfe”en Einfluß gegenüber der Kaiserin zur Geltung zu ■ 1: Ltln9cn- Diese Partei meinte, daß, falls Bismarck und K^k ^oiserin auf sreundschi'^tlichem Fuße stünden, nichts : E v^'Ocher für den Reichskanzler sein wiirde, als vertraulich - ly m russischen Hofe Mittheilung über die geplante Partie
vermischtes.
A St. )»ban«, 14. April. Wie Wir heute erst m Erfahrung gebracht haben, find am 6. b. M. Abends in der Grube Louisen- thal sechs Bergleute, darunter der Abtheilungssteiger, durch eine Explosion von Schlagwettern verletzt und in das Lazareth nach Völklingen gebracht worden. Zwei havon haben schwerere Verbrennungen erlitten: von ihnen ist einer bereits am 12. b. ben Brandwunden erlegen. Die übrigen vier, barunter ber Abtheilungssteiger, sollen mit leichteren Verletzungen davon gekommen sein. Dem Vernehmen nach ist die Entzündung durch Loslassung eines Dynamitschusses hervorgerufen worden, obschon vor dem Schuß weder von den Bergleuten, noch von dem Steiger an der Arbeitsstelle Wetter gefunden worden sein sollen. Wahrscheinlich wurde durch die Sprengung ein Wetterherd aufgeschlagen.
△ Gera, 15. April. Heute ist in aller Frühe von dem Gesellenausschuß der hiesigen Maurer ein Flugblatt ver- thcilt worden, in welchem sie unter Darlegung ihrer Erwerbs- Verhältnisse einen Strike in Aussicht stellen. Nach diesem Flugblatt erhalten die Geraer Maurer einen Stundenlohn von 24 bis 28 Pfennige, was zusammen einen Jahreslohn von circa 785 Mark macht, von welchem Arbeitsertrag eine Familie unmöglich leben könne, und zwar um so weniger, als ein Maurer höchstens 38 Wochen im Jahre arbeiten könne.
— Ästljofe», 16. April. Nachdem die Sekundärbahn Osthofen-Westhosen am Samstag dem allgemeinen Verkehr übergeben worden ist, fanden gestern Vormittag bereits, kurz vor der hiesigen Station, zwei Entgleisungen statt; die Ursache derselben scheint darin zu liegen, daß die Wagen für die kurze scharfe Kurve, an welcher die Entgleisungen stattfanden, zu lang find und einen zu großen Radstand haben.
* Wien, 15. April. Rennen. Handicap. 1000 st. Dist. ca. 1600 Meter. 1) SB. v. Huszar's „Gemma". 2) Steady's „Babilas". 3) Fürst M. Fürstenberg's „Immortelle". — Kisber-Rennen. 2000 st. dem ersten, 200 st. dem zweiten Pferde. Für Dreijährige. Dist. 1600 Meter. 1) Baron S. Uechtritz's „Pity the blind". 2) Nie. v. BlaskovU's und Herrn A. v. Maher's „Csaloka". 3) Graf E. Hunyady's „Weatherby". — Verbena-Rennen. 1000 fl. Dist. 2000 Meter. 1) Graf Nik. Esterhazh's „Soll ich". 2) Graf Joh. Sztaray's „Buzgo". 3) Col. Anthony's „Bamboozler". — Verkaufs-Rennen. 1000 fl. Dist. 1600 Meter. 1) V. Silberer's „Bosco". 2) C. Wood's „Salvanos II." 3) A. v. Pechy's „Allein". — Maiden-Handicap. 1000 fl. Für Dreijährige. Dist. 1200 Meter. 1) Graf G. Degenfeld's „Moz- donh". 2) Baron S. Uechtritz's „Czarewna". 3) Graf SB. Zichh's „Oroszlan". — Hürden-Rennen. 1000 fl. beut Sieger, 200 fl. bem zweiten Pferde. Dist. ea. 2400 Meter. 1) Graf Moritz Esterhazy jun's- „Vinaigrette". 2) Fürst Fr. Auersperg's „Troja". 3) Prinz P. Esterhazy's „Reservist". — Jägerhaus-Steeple-Chase. 2000 fl. dem ersten,200 Gulden dem zweiten Pferde. Dist. 4000 Meter. 1) Prinz Paul Esterhazh's „I o b". 2) Graf Nik. Esterhazy's „Alfons". 3) Prinz E. Taris' „Argonaut".
* Saris, 15.April. Rennen. .Prix Biennal. 20,000 Francs. Für Dreijährige. Dist. 2000 Meter. 1) Baron Sou- beyran's „St. Gall". 2) A. Lupin's „Endymon". 3) C. Donon's „F.-H." v. Le Destrier a. b. La Flanbrie. Mit bret Längen gewonnen; 7 Pferde gelaufen. — Sa Coupe. Ehrenpreis im Werthe von 10,000 Francs, nebst 10,000 Francs baar. Dist. 3200 Meter. 1) M. Ephrussi's . Br isolier". 2) H. Jenning's „Waverley". 3) P. Aumont's „Siberie". Siegte mit einer Länge; fünf Pferde liefen. •
* Tonban, 13. April. (Sandown Park.) Rennen. (Nachtrag.) Great- Sandown Hurdle Race (Handikap) 300 Sovs. pK 6000): 1) Blake's „Conservator"; 2) Maher's „Dictator" ; 3) A. Bictor's „Athgarvan".- — Pall Mall Haubicap 200 Sovs. (JC 4000), Eclipse Stakes Course, 1% Meile. 1) Felix Sinlon's „Cockenzie"; 2) N. Carrington's „Breda" ; 3) T. Johnson's „Lady OnNow". „Cockenzie" ist für das Welter-Handicap zu Croydon am 20. April unter dem Namen des Mr. Abington genannt.
Deulsches Weich.
E Berlin, 15. April. Das große Ereigniß der ver- flossenen Woche, die „Kanzlerkrisis", klingt in den Erörterungen der Presse noch immer nach; die Eindrücke, die es in weiten Schichten der Bevölkemng hervorgerufen hat, werden nur sehr langsam verschwinden und es wird von ihnen ein Rest zurückbleiben, der Denen, die jetzt scheinbar triumphiren, wahrscheinlich noch in späterer Zukunft unangenehm werden wird. Das Bedauern, daß wir nicht unmittelbar vor allgemeinen Wahlen stehen, ist in politischen Kreisen in diesen Tagen mehr als ein Mal laut geworden. Die Opposittons- parteien Hütten sehr gern und mit guter Zuversicht diese allein richtige Probe auf das Exempel gemacht, ob die Volksstimmung wirklich hinter den gouvernementalen Organen steht, die nur deshalb so zügellos und mit brutalem Lärm den öffentlichen Markt beherrschen, weil sie sich sicher wissen vor der Hand des Staatsanwalts, der, wenn die Oppositionspresse nur annähernd Aehnliches gewagt hätte, eine reiche Ernte von einigen hundert Jahren Gesängnißstrafe eingeheimst haben würde. Es ist als eine direkte und nach dem gleichen Ziele hinstrebende Fortsetzung der offiziösen, an die Kanzlerkrisis ange- knüpsten Agitation anzusehen, wenn jetzt in denselben Blättern mit einer Offenheit, die doch nur wieder brutal ist, die Hoffnungslosigkeit des Leidens des Kaisers proklamirt und der jüngste Zwischenfall, der zur Auswechslung der Kanüle führte, als eine Erstickungsgefahr hingestellt wird, die nur durch das rechtzeitige Eintreffen des Profeffors Bergmann noch einmal beseitigt worden ist. Nachdem man durch die kaum abgeschloffene plebiscitüre Hetze in der öffentlichen Meinung den Erfolg für die Auffassung der Stellung des Herrn Reichskanzlers erzielt zu haben glaubt, den bis zum 9. März das bekannte «MmiM' des verstvrbenen Kaiser« gesichert hatte, schreitet man jetzt noch dazu, über den Gesundheitszustand und damit doch über die Regierungsfähigkeit des Kaisers durch Uebertreibungen und direkte Unwahrheiten eine faische Vorstellung zu envecken. Daß man dabei zugleich Gelegenheit erhält, wieder die Hetze gegen den englischen Arzt zu eröffnen, ist ein Nebengewinn, den sich als eine besondere Belusttgung bei ihrem traurigen Handwerk die nationalen Chauvinisten um so weniger entgehen lassen, je mehr die kurze Zeit gezwungener Enthalssamkcit das Bedürfniß nach diesem Sport bei ihnen gesteigert hat. Die Wahrheit bricht sich immer nur langsam Bahn ; und so wird man wohl auch darauf verzichten müssen, daß diejenigen Organe, welche selbst zugestchcn, daß die „Krisis" nie bestanden hat, oder daß sie wenigstens, soweit sie bestand, bei Beginn des Preßlärms schon überwunden war, nunmehr ehrlich die ganze Plebiscitäre Agitation als das beurtheilen, was sie war, als ein Mittel, den Kaiser und seine Umgebung davon zu überzeugen, daß das „Niemals", das der ver- storbeneKaiser freiwillig und aus Dankbarkeit ausgesprochen hat, für seinen Nachfolger eine Pflicht und ein Zwang fei. Das Reich ist der Kanzler! Wer wagt diesen Satz noch auzufechteu! Die Fiktion, daß man an das deutsche Volk habe appelliren müssen, um die Verbindung einer deutschen Prinzessin mit dem Battenberger, und damit einen Krieg mit Rußland zu verhüten, wird auch, nachdem die Aufklärung erfolgt ist, unbeirrt aufrechterhalten. Ein hiesiges nationalliberales Blatt, welches nun endlich eingestehen muß, daß die Königin von England die vielgenannte Verlobung nicht protegirt, möchte am liebsten auch daraus einen Erfolg der Friedenspolitik des Reichskanzlers konftmiren. Die Beherrscherin des „perfiden Albions" kommt jo Ton einer unerwarteten Seite zu einer guten Censur und wird zu den Stellen Europas gerechnet, für welche die Friedenstendenz ausschlaggebend ist. Das Lob ist so unverdient, wie es bis vor Kurzem die Angriffe gegen die Königin waren, die bei den Breslauer Patrioten die belustigendste Form der Furcht vor der „kaiserlichen Schwiegermutter" angenommen hatten. Die Königin war in keinem Stadium, wenigstens seit vier Jahren, eine Freundin der beabsichtigten Verbindung, und sie hat, als sie sich vor vier Jahren einmal dafür verwandte, lediglich aus Familienrücksichten den Verwandten nachgcgeben. Daß sie jetzt etwa aus Furcht vor der Breslauer Adresse und um den Frieden Europas nicht zu gefährden, sich erst in letzter Stunde gegen das Heirathsprojeft ausgesprochen habe, ist ein kleiner Schwindel, der zu dem ganzen großen gehött. Das Märchen von der englischen Jnttigue ist ein stehendes Requisit, so oft die äußere Politik benutzt wird, um bei uns auf eine Bewegung oder Stimmung im Innern zu wirken. Es wäre auffallend gewesen, wenn man es diesmal nicht hervorgcsucht hätte. Unterstützt wird dieses Manöver dadurch, daß man in Rußland auch geneigt ist, englischen Einfluß oft zu wittern, wo er nicht vorhanden ist. Die Gunst, deren sich die Batten- berger am englischen Hofe erfreuen, wird stark überschätzt, vielleicht auch von ihnen selbst. Mit der Politik hat sie, wie gute Kenner der Verhältnisse versichern, gar nichts zu thun.
* SBerlht, 15. April. Der jetzige Sultan von Zanzibar hat den Vertrag, den Dr. Peters seinerzeit mit seinem Vorgänger Said Bargasch abgeschlossen, mit einigen unwesentlichen Aenderungen in Zanzibar ratifieirt. Nach demselben fällt der ganze Küstenstrich von Rovuma, nördlich von den Besitzungen der Ostafrikanischen Gesellschaft, den bisher der Sultan beansprucht hatte, mit sieben Häfen und drei Rheden an die Ostafrikanische Gesellschaft.
* Berlin, 15. April. Die auffällige Stockung, welche im Februar d. I. in der Z u ck e r a u s f u h r eingetreten war, ist schon früher bemerkt worden. Wie jetzt aus der amtlichen Statistik bekannt wirb, hat im Monat März d. I. der Export an Zucker einen noch weit größeren Rückgang erfahren. Es sind nämlich, wie die „SB. Ztg." berichtet, in diesem Monat nur 56,490 Doppeleentner Rohzucker, 65,770 Doppelcentner Raffinade I. Kl. und 19,290 Doppelcentner Raffinaden II. Kl., zusammen 141,550 Doppelcentner, ausgeführt, während die Aus- suhr im März 1887 717,290 Doppelcentner Rohzucker, 170,820 Doppelcentner Raffinaden I. Kl. und 29,200 Doppelcentner Raffinaden II. Kl., zusammen 917,310 Doppelcentner erreicht hatte. Der Ausfall geaen das Vorjahr beziffert sich also auf nicht
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Frankfurt n. M., 16. April.
Vom Tage.
-g- Heute Nacht verstarb dahier nach längerem schwerem Leiden Herr I a c o b S t i e b e l im 64. Lebensjahre. Aus einer alten Frankfurter Familie stammend, bewährte er sich stets als echter Patriot. Seinen bürgerlich-militärischen Pflichten kam er. im Kavalleriekorps der Stadtwehr anf's Eifrigste nach und erlangte, wenn wir richtig berichtet find, eine Charge in demselben. Seitens mehrerer südamerikanischer Staaten wurde er mit dem Konsulat, bezw. Generalkonsulat betraut; seine Bemühungen auf diesem Felde sind von verschiedenen Staaten durch Ordensverleihungen anerkannt worden. Das Interesse, welches Stiebe! für die Wissenschaft bekundete, bezeigte er durch seine Zugehörigkeit zu den bezüglichen Vereinen. Besonders widmete er sich wohlthätigen Bestrebungen, bei der Gründung neuer und der Unterstützung bestehender Vereine fehlte Stiebe! ebensowenig, als er sich den privaten Hilfegesuchen entzog. Im Gegentheil war er im Stillen unermüdlich bestrebt, Elend und Noth zu lindern. Als int Jahre 1866 eine drangvolle Zeit über unsere Stadt her- einbrach, benutzte er seine Beziehungen mit aller Energie zu deren Gunsten und hatte die Freude, daß seine Anstrengungen nicht vergebens waren. Sein Familienleben war ein musterhaftes. Das Begräbniß findet Mittwoch um 9 Uhr vorn Sterbe- hause Klüberstraße 15 statt. ,
Die Jubiläumsfeier des lünfztgsten Frankfurter Pferbemarktes nimmt kommenden Sonntag, Nachmittags 3 Uhr, mit einer Vorführung der fchönsten Gespanne und nachfolgender Preisvertheilung ihren Anfang. Abends wird int Zoologischen Garten em Bankett stattfinden. Das geplante Reitfest ist infolge der Weigerung der Privatreiter, nicht zu Stande gekommen. Zu der erwähnten Vorsührung voit Pferden und Gespannen, sowie zum Pferdemartt haben auch Nichtmitglieder gegen Zahlung eines Eintrittsgeldes von 5J Pfennig Zutritt. Die Einnahmen find für die Ueberschweniinteu bestimmt.
Das warme, sonnig-helle Wetter der beiden letzten Tage hat wahre Wunder gewirkt. Ueber Nacht scheint die Natur aus ihrem langen Winterschlafe zu neuem Leben erwacht zu sein; Überall keimt und sprießt es, allerwärts springen Knospen hervor. Bietet sich auch dem Auge noch fein volles saftiges Grün bar, so schimmert doch an jedem Baume, in jedem Garten das junge keimende Leben. Ein Spaziergang in den Wald oder auch nur durch unsere prächtigen Anlagen belehrt uns, daß es endlich doch Frühling geworden ist. m „
-g- Die Preisvertheilung an Lehrlinge des Bauschrei ner- unb Porteseuillearbeiter-Geschästs seitens des Kunst- gewerbevercins fand gestern (Sonntag) statt. Von den ausgestellten Arbeiten — vorgeschrieben war eine nach Zeichnung anzufertigende Dreifüllungsthür in Naturholz, bezw. eine Brieftasche mit Schloß ans Kalbleder ober ein Geldtäschchen aus einem Stück Leder mit Schloß, ober ein Zigarrenetui nut Büge! ober eine Falttasche mit Bügel — würben diejenigen brämiirt, welche folgende Lehrlinge geliefert hatten: der L-chreinerlehrling Heinr.. Brie! bei Gebeäder Brie! mit dem 1. Preis (Staatspreis) JL 50, der Schieinerlehrling Wilhelm Zwick bei Herrn H. Wichmann den 2. Preis (Vereinspreis) «.N. 40, ber Schreiner- lehrling Joseph Gottschalk bei W.Dieckelmann ben 3.Preis- (Vereinspreis) °4l 25; von Portefeuillearbeiten Karl Krauß bei Otto Müller für ein Portemonnaie ben 1. Preis (Staatspreis) <4150, Jakob Hanitsch bei Hermann Zindel in Offenbach für eine Brieftasche den 2. Preis (Vereinspreis) mit «ft 40, Moritz Maerksch bei L. Kittel in Offenbach für ein Etui ben 3. Preis (Vereinspreis) mit «ft 25. Sämmtliche Prämiirte erhallen außerdem die Berechtigung zum unentgeltlichen Besuche ber kunstgewerblichen Vorschule des Vereins (Sonntags- und Abendschule) auf die Dauer des dreijährigen Kursus. Eingelie- fert waren 9 Arbeiten von 9 Bauschreinerlehrlingen und 5 Portefeuillearbeiten von 3 Konkurrenten. Als Preisrichter fun- girten die Herren Konsul Becker, Professor Luthmer, Architekt CH. Welb und August Osterrieth, ferner für die Schreinerarbeit die Herren M. Groß, C. Susenbeth und W. Werkmeister, für die Portefeuillearbeiten die Herren L. Hirfchfeld und L. Oppel.
Die „Kreiizzeitung", der man es zur Ehre rechnen «HS daß sie von ihrem streng royalistischen Standpunkt aus'gegev den Versuch, durch Adressen und Versammlun- den Kaiser zur Kundgebung des „erlösenden Aortes": Niemals zu bestimmen, sowie gegen die be- Mende Hetzmusik der Kartellpresse in kräftiger Weise Mqetreteii ist, sagt in einem Rückblick auf die Kanzler- krisis: „Nach wie vor sind wir der Ansicht, daß es sich hier in "keiner Weise um einen persönlichen Gegensatz han- l&t kann und darf, sondern nur um Erwägungen sach- fichster Art, die als solche an den gegebenen Beziehungen glich des höchstgcstellten Unterthanen zu seinem König Mts zu ändern vermögen und am wenigsten nach dem Willen des ersteren selbst etwas zu ändern berufen sind. Mer aber unter diesen Umständen, sei es auch in bester Absicht — dazu beitrügt, die Welt an einen Konflikt ajauben zu machen, der leistet der Monarchie einen Wechten Dienst und damit auch denjenigen, den er tzxbe» den Monarchen zu stellen versucht, wo niemand ' Lngehöri, als der Monarch a l l e i n." Das abschließende tb Mheil der nationalliberalen „ M a g d e b. Ztg." lau
weniger als 775,760 Doppelcentner ober auf fast 85 Procent. Mr bie Zeit vom Beginn des Betriebsjahres bis Ende März *b. I. hat bie Ausfuhr 2,275,060 (1886/87 3,443,880) Doppelcentner Rohzucker, 734,280 (1886/87 842,550) Doppelcentner Rafsttiabe I. unb 158,540 (1886/87 149,830) Doppelcentner Raffinade II. Kl., zusammen 3,167,880 (1886/87 4,436,260) Doppelcentner betragen. Der Grund für das Sinken ber Zuckerausfuhr dürfte einerseits in der in Ansehung der gewonnenen Gewichtsmenge ungünstigen Rübenernte des Jahres 1887 zu suchen sein. Anderseits scheinen auch die Händler und Raffineure große Mengen Zucker für den inländischen Konsum auf Vorrath in der Erwartung aufznkaufen, daß in Folge der beschlossenen Einführung einer Verbrauchsabgabe von 12 Jt für 100 Kilo vom 1. August d. Js. ab der Zuckerpreis eine erhebliche Steigerung erfahren werde.
* Frankfurt, 16. April. In Verfolg einer Ministettal- verfügunz vom 16. v. Mts. betreffend die ben beutfdjen SEßaarenfenbungen nach Rumänien beizugebenden Ur- sprungszeugniffe sind bie"Lanbräthe auf Grunb besfallsigen Erlasses des Ministers des Innern beauftragt worden, bie zur Ausstellung ber Zeugnisse ermächtigten Behörden noch mit einer dahingehenden Anweisung zu versehen, daß in den Ursprungszeugnissen ausdrücklich unterschieden und entsprechend bescheinigt werde, ob die betreffende Waare wirklich deutsches Erzeugniß ober ob dieselbe nur durch Entrichtung des deutschen Eingangszolles nationalifirte deutsche Waare sei, sowie daß in dem letztem Fall in bem Ursprungszeugnisse die demselben beigefügte Zollquittung genau nach Nummer unb Zollart bezeichnet unb bie Identität bet Waare mit derjenigen, für welche die Zollquittung ertheilt worben ist, bescheinigt werbe.
Arartkreich.
* Paris, 15. April. Das „Journal des Debats" konstatirt in letzter Stunde, daß in der Stimmung der Wäh- lermaffe des Nord ein Umschwung eingetreten sei, und schreibt denselben dem wüsten Treiben der ganzen Boulanger- Clique zu, von den Abgeordneten bis hinab zu den Zeitungs- ausrufem. Vor vierzehn Tagen galt General Boulanger allen Parstien, mit Ausnahme der Führer, für den erwarteten Messias, der einen Jeden für die erlittenen Täuschungen trösten sollte. Nun erschien aber der Messias selbst nicht, und Diejenigen, welche an seiner statt den Völkern die gute Botschaft verkündigten, eussprachen nicht den Träumen der Gläubigen : Laguerre, Laur, Vergoin, Morphy, Michelin waren für die Leute des Nordens nicht die richtigen Apostel. Anfangs schätzten die Korrespondenten der „Debats" die Zahl der Stimmen, welche aus Boulanger entfallen würden, auf mindestens 200,000, Jetzt aber schreibt man dem Blatte:
Alles mußte in diesem rasenden Feldzuge auf bie Wähler schließlich einen ungünstigen Eindruck machen: die wahrhaft unglaubliche Menge Flugschriften, Blätter, Bildniffe, die gratis »ertheilt wurden, das Heulen der aus Paris gekommenen Verkäuferbanden, welche alles Maß überschreiten, das Depattement als erobertes Land behandelten, endlich das jämmerliche Schauspiel ber öffentlichen Versammlungen, bie mit Geschrei eröffnet wurden unb in Prügelpartien ausarteten. Solches Pro- (e^tenthum konnte bei einer so ruhigen Bevölkemng keinen Erfolg haben, unb bie Meinung verbreitete sich immer mehr, wenn bie Herren Vergoin, Michelin unb Genoffen noch todtere vierzehn Tage für Boulanger „arbeiteten“, so würbe dieser nicht gewählt- Die Konservativen, benen um nichts angelegentlicher zu thun ist, als um eine Niederlage des Opportunismus, erkannten die Sachlage und mischten sich nun thätig in ben Kampf, inbem sie in ihren Blättern auf die bisherige übelwollende Neutralität verzichteten unb entschieden für Boulanger auftraten. Wo in den Versammlungen nach dem Rath« gewiffer Pariser Blätter bie „Marseillaise" angestimmt wurde, antwortete man nun alsobald mit der neuesten Nationalhymne: „En r’venant de la r’vue“ unb bie Führer ber Chöre, bie zumeist aus Gaffenjungen unb belgischen Arbeitern, also weder Bürgern unb Soldaten bestauben, sind anerkanntermaßen Bonapartisten. Durch dieses Treiben ist manches Mißverständniß gehoben worden und man darf versichert fein, daß nur verschwindend wenige (?) Republikaner für Boulanger stimmen werden. Die Herren Laur und Vergoin haben die Thore des boulangistischen Tempels halb geöffnet und sogleich schmolz die Schaar der Andächtigen zusammen.
Mehrere Wahlversammlungen im Nord haben mit blutigen Raufereien geendet; n. A. wurde der junge Morphy, Anarchist und Boulangist, übel zugerichtet. Nachdem der neue Direftor der Allg. Sicherheit, Herr G r a g n o n, erklärt hat, weder er noch sein Vorgänger Levaillmtt habe Geheimpolizisten zur Bekämpfung der Kandidatur Boulangers nach dem Nord geschickt, behauptet heute die „France", „die meisten von Denen, welche am geräuschvollsten gegen Boulanger zu Felde gezogen seien, seien deutsche A g e n t e n, aus Belgien und Paris rekutirt!" Der „National" dagegen läßt sich gleichzeitig aus Lille telegraphireu, die Hauptlärmmacher der boulangistischen Partei, die am lautesten „Vive la Revanche!“ schrieen, seinen Belgier, die sehr gerne die srauzüsi- schen Arbeiter in den Krieg schicken möchten, um ihre Plätze einzunehmen. Ohne „espions“ geht es nun einmal auf beiden Seiten nicht ab. Herr D e l o n c l e, Schrist- führer der Patriotenliga, erklärt in einer Zuschrift an die Zeitungen, das Blatt „Drapeau", das die Wähler des Nord aufgefordett hat, „im Namen des empörten National- stolzes" für SBoulanger zu stimmen, werde vom leitenden Ausschuß der Liga nicht beeinflußt, welcher sich über die Frage nicht ausgesprochen habe. Herr Dero ule de, der eifrig für Boulauger thätig ist, gehött, bekanntlich der Liga nicht mehr an.
tzroßkritanuie«.
XX London, 14. April. In der gestrigen Versammlung der Gladstouianer im Nationalliberalen Klub machte sich eine tiefgehende Unzufiiedenheit mit der Apathie der liberalen Leiter in Betreff der Lokalverwaltungsbill bemerkbar und Gladstones nachsichtige Haltung wurde unverblümt getadelt. Der greise Staatsmann hat jedoch persönliche Gründe, weßwegcn er nicht an die Spitze der von den Radikalen gewünschten energischen Opposition gegen die Bill treten will. Er hat zu wiederholten Malen erklärt, daß er blos so lange die Leitung der liberalen Pattei weitersühren wolle, bis das irische Problem gelöst sei und daß er andere Gegenstände jungem Kräften überlassen müsse. Diese Haltung Gladstones befriedigt aber die Radikalen nicht, welche in der Verwaltungsbill eine Menge Mängel entdeckt haben. Ein Redner beschrieb sie gestern als eine Torymaßregel mit demokratischem Firniß. Die Radikalen sind daher entschlossen, in dieser Richtung einen Vorstoß zu machen und die Leiter werden, wie es schon so oft vorgekommen ist, sich gezwungen sehen, sich an die Spitze der Bewegung zn stellen, ob sie wollen ober nicht. Ueber diese unerwartete Entfaltung radikaler Opposition ist nun gewaltige Entrüstung in den konservativen Kreisen, obschon auch der schläsrige Leiter des Unterhauses, Smith, zur Einsicht gekommen zu sein scheint, daß man nicht so ohne weiteres mit dem bequemen Debattenschluß die gründliche Besprechung einer Gesetzesvorlage abschneiden kann, welche tief in das Leben des Volkes eingreift und in vielen Städten und auf dem offenen Lande eine förmliche Umwälzung der Verwaltungsmethode bewirkt. Von einer Frontveränderung der Radikalen, wie ein konservatives Organ behauptet, ist jedoch nicht die Rede. Die Radikalen haben keineswegs die Absicht, die Regierungsvorlage zu Falle zu bttngen, sie wollen nur viele Bestimmungen derselben in radikalem Sinne utnänbem. Da konnte es bann allerbings geschehen, baß bie Regierung sich schließlich vor bie Alternative gestellt sieht, entroeber die ganze Bill fallen zu lassen ober selbst zurückzutreten.
„Das Traurigste und Häßlichste wird die Erinner- Wa an Angriffe auf Persönlichkeiten und Stellen sein, tyflche wahrlich ein- für allemal von dem Streit des i Tages hätten unberührt bleiben sollen und zwar an An- । «jsse, welche von der freiwillig gouvernementalen Gesellschaft ausgegangen find, nicht etwa von Anarchisten und Nihilisten!" Einen heroischen Akt K vollzieht an sich selbst und seiner Biedermanngesellschaft das „Leipz. Tagebl.", indem es schreibt: „Daß niedrige | Leidenschaften in diesen großen tragischen Konflikt, k vor welchen das deutsche Kaiserhaus und mit ihm das f deutsche Volk in diesen Tagen gestellt war, in selbstsüch- | figer Absicht einzugreifen trachteten, kann nach der leider nicht zu vermeidenden theilweisen Entartung der •> menschlichen Natur nicht überraschen, das ändert f aber an der Thatsache nichts, daß das deutsche Volk in I seiner großen Mehrheit sich während dieses Konflikts auf l her Höhe gezeigt hat, welche ihm von der Geschichte an- | gewiesen ist." Bedenkt man, daß die Leipziger mit den Breslauern nicht bei der großen Mehrheit gewesen sind, jo muß man über diese grausame Selbstkasteiung staunen, s Ter Boulangismus hat einen neuen, und dazu noch recht gewaltigen Sieg zu verzeichnen: das Departe- ' ment du Nord ist ihm mit großer Majorität zugefallen. ; Das Departement ist das volkreichste von Frankreich, es / ragt ebenso hervor durch Industrie und Handel wie durch £ seine fortgeschrittene Landwirthschaft; es zählt eine starke Endliche und Arbeiterbevölkerung und weist eine stattliche 7 Anzahl von größeren Städten auf: Lille, Duai, Cambrai, ^^-^^^sttkwchen, Roubaix, Bakeneiennes u. s. w.. Das Depar- 1 tement hatte immer republikanisch gewählt, 1885 aber, ! als es zum ersten Mal nach dem Listenskrutinium wählte,
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