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Literarisches

Bäder und Sommerfrische«.

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Die Augsburger Textilarbeiter.

K Aus Bayern, 4. August.

Aus Anlaß der Augsburger Tumulte sind in der Prefledie Verhaltn issederAngsburgerF abrik- ar beit er, insbesondere der Textilbranche besprochen worden. Die Münchener klerikale .Neue Bayerische Ztg." brachte über diese Berhältnisie einen sehr abfälligen Artikel. Gegen diesen Artikel wandte sich eine Erklärung deS Vereins der .ordnungsliebenden Arbeiter",und auch die Augsburger klerikale .Postzeitung" nahm Stellung gegen ihre Münchener Partei­kollegin. Diese selbst ließ fich dadurch nicht beirre«, sondern er» klärt, den Nachweis für ihren Tadel führen zu wollen. Augs­burg hat etwa 12,000 Textilarbeiter, wovon die Hälfte Frauen und Kinder sind. Nach den Lohnnachweisen der Süddeutschen Textilberufsgenostenschast vom Juni dieses Jahres so führt das Blatt aus war der Durchschnittslohn eines Vollarbeiters 619 Mk. 91 Pf., also pro Tag bei 300 Arbeitstagen 2,06 Mk. Im Jahre 1896 war er nach dem Bericht der Textilbemfs- genostenschast (Sektion 1 Augsburg) 639% Mark, ist also seit- dem um 20 Mk. gefallen, während Lebmsmittel-und Wohnung?- preise gestiegen sind. Die .Neue Bayerische Ztg." unterzieht nun das Prämienwesen einer sehr abfälligen Besprechung. Die Prämie, schreibt sie, ist heute nicht mehr eine Extravergütung für vorzügliche Leistung, sondern sie bildet einen Theil des Lohnes. Der Arbeiter, der nicht eine bestimmte Lohnhöhe er­reicht, geht der Prämie, w elch e sch on vorher vom Lohn resp. Stück ab gezogen ist, verlustig und büßt also diesen Theil des Lohnes ein.

Man hat es hier mit einer Lohnform zu thun, mit f e st e» und b e w e a li ch e n Sätzen. Der Stücklohn bleibt unverändert, in­soweit nicht beliebt wird, dem Stücke einen anderen Namen zu geben und den Preis herabzusetzen. Die Prämie dagegen ist ver­änderlich und steigt und fällt oder verschwindet, ganz je nach Um­ständen. Bei der großen Berfchiedenartigkeit der Berechnung der Prämie ist es nicht leicht, ein klares Bild zu geben. Voraus ange­führt muß werden, daß der Gr u nd l o h n, nach dem die Berechnung erfolgt, durchwegs Akkordlohn ist. In der Spinnerei berechnet sich der Akkordlohn nach dem Pfund versponnener Wolle oder nach der Anzahl Schneller gesponnenen Garns. Die Prämie wird in der Weise berechnet, daß der Spinner, welcher in zwei Wochen 34 Mark verdient hat, 1 Mark 50 Pfg. als Prämie erhält. Bei 35 Mark Lohn wird 2 Mark, bei 36 Mark, ein selten erreichter Lohn, 2 Mark 50 Pfg Prämie bezahlt. Die Anseher als Spinnerhelier, die einen geringeren Verdienst haben, erhalten schon bei 22 Mark eine Prämie von 70 Pfg. und bei 24 Mark 1 Mark 40 Pfg. Prämie. Doch find die Lohnsätze, wie die Be­rechnung der Prämie nicht überall die gleichen, nicht einmal in ein und derselben Fabrik. Es kommt hiebei auf die Güte der Maschinen, wie auf die Qualität des Garnes an. Je bester die Maschine oder je gröber das Garn, desto höher ist der Akkordlohn- satz, bei dem die Prämie beginnt, desto mehr mästen Pfunde Wolle versponnen oder Schneller Garn gesponnen werden. Die Prämie hat den Zweck, die Arbeiter zum Aeußersten anzuspornen. Sie ist gleichsam die in der Höhe hängende Wurst, nach der di- Spinner mit tollen Sätzen und anfgerissenen Mäulern schnappen sollen. Um den Anreiz zu verstärken und den Ehrgeiz zu stacheln, werden auch Diejenigen, welche den höchsten Satz erreicht haben, belobt und ihre Namen auf eine aushängende Tafel ausgeschrieben. Dl- Prämie in der Spinnerei, von den Arbeitern Hetzprämie ge­nannt, hat unter den Arbeitern viel Feindschaft und Streit her­vorgerufen und ist jetzt glücklicherweise in den meisten Fabriken abgeschafft. Nachdem" die Arbeiter durch die bezeichneten Mittel angespornt, ihre äußersten Leistungen gezeigt hatten, konnte das ja geschehen. In der Weberei hingegen feiert das Prämienunwefm noch große Triumphe. Die Berechnung ist hier eine viel bet« wickeltet-. Bei derselben spielt die Breite des Stückes und die Garn­nummer eine Rolle, auch als Muster. Außerdem wird berechnet pro tausend Schuß, nach Metern oder Stück (60 Meter). In einer Augsburger Fabrik wird diese Prämie auf folgende Weise be-

Während das Verhältniß der Prämie zum Grundloh« bei der ersten Ziffer erst ein Zwölftel ist, steigt dastelbe bei der zweite» Ziffer schon bereits um die Hälfte, also auf ein Sechstel, bei bet .hielten Stelle macht es schon ein Viertel, um am Ende bei 25 Mk. Lohn auf mehr als ein Drittel des Grundlohnes hinaufzugehen.

So die Darstellung der..Neuen Bayerischen Ztg." In Bamberg soll es ähnlich sein. Diese Verhältnisse verdienen wohl näher geprüft zu werden. Leider geht unsere Presse hier recht leichtfertig zu Werke. Liberale Blätter machen All das, was etwa zu Ungunstcn der Augsburger Fabrikherren gesagt worden ist, mit einem Hinweis auf die ihnen über alle Anzweiflung stehende Erklärung derordnungsliebenden Arbeiter" ab. Das ist nicht die Art, in der man öffentlich erhobene Klagen "mögen sie nun berechtigt sein oder nicht erledigt. Die Presie sollte ihre Aufgabe doch etwas größer nehmen. Daß in Augs­burg viel für Arbeiterwohlfahrtseinrichtungen geschehen ist, darf von ernster Prüfung der erhobmen Klagen nicht abhalten.

Deutsches Reich.

OV Berti«, 4. Aug. Eine Lohnbewegung der PosamentierarbeiterDeutschlands in großem "Maßstabe steht für den Herbst bevor. Die Forderungen, welche die Arbeiter stellen, wollen, werden schon jetzt dahin formulirt: 1) Einführung der zehnstündigen Arbeitszeit und Abschaffung der Akkordarbeit, 2) Minimallohn von 24 Mk., 3) Beschrän­kung der Ueberarbeit und ihre Bezahlung mit 50 pCt. Auf­schlag, 4) Geschäftsschluß in den Geschäften ohm Fabrikordnung um 6 Uhr. Diese Forderungen sollen in allen Betrieben der Branche, hauptsächlich in Sachsen, SüddeutschlMd und dem Rheinland, zu gleicher Zeit aufgestellt werden.

Rußland.

M Helstngfors, 31. Juli. Hier wie in Schweden gibt es eine Unzahl von P r i v a t v e r e i n e n, welche gesellschaMche, wohlthätige und literarische Zwecke verfolgen, und jedes Jahr vergrößert sich ihre Zahl. Unlängst haben sich nun wiederum einige Dutzende neue Vereine gebildet, welche, wie das Gesetz erfordert, sich an den Senat wendeten, um bestätigt zu werden. Selbstverständlich hatte der Senat nichts dagegen zu erinnern, ^wohl aber der Generalgouverneur, General Bobrikow. Er widersetzte sich der Bestätigung und ließ die Angelegenheit durch den Minister-Staatssekretär für Jinland dem Kaiser persön­lich unterbreiten. Soeben ist die kaiserliche Entschließung hier eingetroffen; sie lautet wie folgt:Unter dm gegeuwärtigm Verhältnissen finde ich die Existmz von Vereinen von gar keinem Nutzen für das Volk. Künftighin werden Gesuche um derartige Bestätigungen direkt an mich zu richtm sein jedoch nicht früher als im Jahre 1901/

rechnet:

Bei 12 Mk. Lohn in 2 Wochen Mk. 1. Prämie 1.70 ,

DerStil in den bildenden Künsten undGe»' w erben aller Zeiten. Herausgegeben von Georg Hirth. I. Serie: Der schöne Mensch in bet; Kunst aller Zeiten. l.Band: Der schöne Mensch int Alterthum; bearbeitet von Dr. Heinrich Bulle. 216 Tafeln und 38 Text - Illustrationen. Münchm und' Leipzig, G. Hirth's Kunstverlag.

Der Vergleich zwischen dem End- des vorige» und dem Ausgang unsres Jahrhunderts ist nachgrade so trivial geworden, daß er sich nicht mehr in die Feder drängen sollte. Und doch tritt uns ange­sichts dieses erschöpsenden, übersichtlich g»rdneten Studienmaterials für di- bildende Kunst unwillkürlich die bescheidene Freude vor Augen, mit der Goethe im Jahre 1797 berichtet, daß in Frankfurt für das Kunststudiumschon jetzt im Garten des Herr» von Beth- monn eine Sammlung von Abgüsse» antiJet Statue» steht'oder die Offenbarung, die eine Reihe von Jahre» früh« Schiller aus dem Anblick der Mannheimer Abgüffe schöpfte. Wie lückenhaft und vom Zufall abhängig jene Eindrücke, aus denen fich vor hun­dert Jahren das Bild von der Kunst der alten Welt zusammen- setzte! Wie begünstigt ist unsere Zeit, wenn ihr das Beste und Edelste, oder wenigstens das Lehrreichste und Bezeichnendste aus bet Entwickelung der Kunst in die Hand geschoben wird, verständ­lich fommentitt und gruppirt und schließlich gegen ein Aequivalent an Geld, das die Abonnementskosten einer Leihbibliothek noch nicht erreicht. ,, ..

Georg Hirth hat den großen Verdienste» um die Verbreitung des Kuustintereffes, die er fich durch denFormenschatz',DaS deutsche Zimmer',Das kulturgeschichtlich- Bilderbuch u. A. er­worben, in der vorliegende» Sammlung ein neues hinzugefügt um so größer, je mehr Muth dazu gehörte, ein Unternehme«, dessen Durchführung Jahrzehnte erfordert, in vorgerückten Jahren in die Welt zu setzen. Die vorliegende» 18 Hefte sind nur die erste 9lb« theilung der auf 50 Hefte berechneten ersten Gruppe des Stiles', der 16 solcher Gruppen umfassen soll. Allerdings werde« wohl die folgenden de» Umfang der erste« Gruppe nicht annähernd erreiche«. Den« wen« Baukunst und Änng* gewerbe (von letzterem besonders VII, T-xtilkunst, und X, Keramik) alle Kulturperioden von den frühesten an umfassen, so find für andere Gruppen, wie für XV (Schrift- und Druckwesen) und XVI (Landschaft) die Gebiete zeitlich beschränkter. Daßbet schöne Mensch' eine derartig eingehende Behandlung erfährt, er­hält seine Erklärung aus dem in Form einer D-vis- vorangesetzten Goethe'schen Wort: .Das letzte Produkt der fich immer steigern« den Natur ist der schöne Mensch.' Trotz dies« Belegstelle kam» der für diese Sammlung gewählte Titel nicht glücklich genannt werden; es liegt in ihm, wie in manchen von Hirth gewählten Be­zeichnungen (berg!Deutsch-Tanagra" für Porzellangruppen!) eine leise Hinneigung zur Reklame, die nur da nicht stört, wo sie durch vollendeten Geschmack regulirt wird. Aber wir wollen uns durch diesen kleine« Stein des Anstoßes dte Freude an dem vorzüg. liche» Unternehme« nicht störe« lasse«, «nf 215 Tafeln gibt q

oft wissen die Belgier (dieferKollektivname sei hier gestattet) nicht, wer ihr Oberherr sei. Die ganz natürliche Folge davon ist, daß ft« fich auf eigene Füße stellen und einen Staat, vielmehr eine Interessengemeinschaft für fich bilden. Di- staatliche Gestaltung bestand zur Kärliugerzeit (Königreich Lotharingieit), im späteren Mittelalter (Herzogthum Burgund) und sie besteht jetzt (König­reich Belgien). Nach der Theilung Lotharingiens kamen die bel­gischen Lande zum deutschen Reiche; aber schon im elften Jahr­hunderte begannen die llebergriffe Frankreichs. Selbstverständlich sind es die mächtigste» Fürsten des Landes, der Herzog von Bra­bant, der Bischof von Lüttich und der Gras von Flandern, die führend die belgischen Jntereffen vertraten. Jan I. von Brabant und Guido von Flandern behaupten, jener nach der deutschen, dieser nach der französische» Seite hi» die Selbstständigkeit. Aber mittlerweile war neben der Fürstenmacht ei» anderes Element onf de« nationalbelgischen Kampfplatz getreten: Die Bürger, die zum Theil durch Handel, zum Theil durch Industrie mächtig geworden waren. ES braucht bloß der Erwähnung der Namen Gent, Brugge, Np-rn, Antwerpen. Aber im Bürgerthum selbst lagen Gegensätze, soziale und wirthschaftliche: die Händler Ware« die Ausbeuter bet Industrielle», damals wie heute und wie vormals. Patrizier und Plebejer, Kapitalisten und Zünftler ge- riethen bald aneinander, am eheste» in Flandern. Das hatte Einfluß auch auf die nationalpolitischen Jntereffen; die Aristo­kratie suchte Anlehnung an di- französische Ritterschaft ; die Demo­kratie hielt an der Selbstständigkeit fest und a« den Grafen, die ihre Jntereffen vertraten. Di- Demokratie war eB auch, die de« glänzenden Sieg in der Sporenschlacht bei Courtrai über die Franzosen errang, der zugleich als Sieg beSbietschen" Regiments über das walsche betrachtet werden kann. Nichtsdestoweniger kam er in feinen Folgen de« Belgiern nicht zu gut. Damit bricht bett Banb ab. Wir sinb dem Versaffer dankbar, daß er uns nach Lamprecht'scher Methode ein übersichtliches klares Bild der Ent­wickelung der gesummten Verhältnisse gibt, daß er die territorial- historischen Wirrsale geschickt durchsteuert. Die Einfügung der kulturelle» Momente, die mit der Entwickelung des Volks » und WirthschaftSlebens zusammenhängen, ist in geschickter Weise er­folgt. An dem Danke hat auch der deutsche Uebersetzer Theil, der nicht nur di- Sprache, fon.bent auch den Sinn und Geist deS Autors fließend verdolmetscht hat. Dr. C. S.

The life of WilHam Ewart Gladstone, edited by SirWemyss Reid. With numerous illustrations. XX and 752 pp. Cassell and Company,

den Beamten beschimpft nnb bedroht und fich der Festnahme wider­setzt. DaS Gericht nimmt a«, daß der Wachtmeisterin rechtmäßiger Ausübung seines AmteS gewesen fei. (Dan» müssen wohl die An­gaben deS Angeklagten keinen Glauben gefunden haben. Wären sie richtig, so könnte man es dem Angeklagten nicht verargen, daß er seinen Stock zurückbegehrte, und müßte daS Weitere feiner Auf­regung zuguthalten. Red.)

jähren bis zur lej, Staatsmann im Rollstuhl ______

die Bildnisse beinahe sämmtlicher AmtSbrüder und auch einiger Gegner Gladstones. Besonders ansprechend ist eine reizende Z-ich- nitttg von Maclise, die Benjamin Disraeli in 1833 dar stellt. Was' für ein Stutzer der spätere Earl of Beaconsfield in seinen Jugend- ;ahren gewesen ist! Seine Haare sind gekräuselt, sein Hals von breiter Kravatte umschloffeu, seine Finger tragen kostbare Ringe und Krausen schließen seine Handgelenke ein. ES, ist nicht, mög- , lich, in einer kurzen Notiz dem Leser von bet Reichhaltigkeit deS Inhalts dieses Buches eine Idee zu geben. Besonders interessant find die von einem mchtgenannten Angehörigen gegebenen Mit­theilungen Über das häusliche Leben Gladstones. Auch feine nächsten Verwandten hatten unter feinen Eharaktereigenthümlich- i feiten zu leiden, find wenn Gladstone von einem Plan so erfaßt" war, daß er für nichts anderer mehr Sinn oder Verständniß hatte,' pflegte man im Schloß Hawarden z« sage«; ,Er hat wieder die Scheuleder an."

London. C. G. S.

Limited, London, Paris, New-York, Melbourne.

Am 19. Mai vorigen Jahres ist Englands größter Parlamen­tarier und Redner, William Ewart G l a d st o n e gestorben, und schon ist feine ausführliche Lebensbeschreibung erschienen, eine »ach dem Rezept beS Lord Rosebery verfaßte Biographie an der mehrere Männer gearbeitet haben. Lord Rosebery hat nämlich jüngst gesagt, man müsse die Aufgabe, das Leben beS große«. Staatsmannes zu schreiben, einem Ausschuß von Männern über­tragen ; ein Mann könne bet vielseitigen Natur Gladstones nicht gerecht werden. Diese Bemerkung Roseberys klingt etwas ent« mnthigend für John Morley, bet mit ber Abfassung einer Bio­graphie beschäftigt ist, die in zwei ober brei Jahren fertiggestellt sein wirb. Zu bem mir zur Besprechung vorliegenden Buche hat Sir Wemyß Reib bie ausgezeichnete Einleitung verfaßt, die de« Charakter und die Laufbahn Gladstones würdigt. Außerdem stammt von ihm ein Theil beS Kapitels über Gladstone in Gesell­schaft, der Rest ist auS ber Feder George Ruffels und th-ilweise. schon bekannt. Alfred RobbinS hat den Abschnitt über Gladstones Vorfahren und Jugendjahre verfaßt, Arthur Buttler schildert ihn als Gelehrten, Kanonikus MacColl als Theologe», der Ehrwürden Tuckwell würdigt seine Leistungen als Kritiker und von Henry W. Lucy, dem trefflichen Berichterstatter berDaily NewS im Saus der Gemeinen, wo er Englands letzten großen Redner in ben tzt-n dreißig Jahren öfters zu hören die Gelegenheit gehabt hat, stammt das Kapitel über seine Stellung als Redner. Die letzte« Tage Gladstones sind wiederum von Sir W. Reid beschrieben. In diese gewiffermaßen von Spezialisten geschriebenen Kapitel sind die Abschnitte über die politische Thätigkeit , und Laufbahn Gladstones von S. W. Hirst eingeflochte«. Sie bilden eine zu­sammenhängende politische Geschichte Englands in ben letzten sechzig oder siebzig Jahren, in denen, der große Parlamentarier thätig gewesen ist. Was mir in diesem Buch am meisten gefällt, find bte viele» Bilder und Karikaturen, die nicht nur eine Zierde, sondern für den Leser eine nothwendige Erläuterung beS Textes abgeben. DaS Titelbild zeigt uxS Gladstone im Talar nach dem von Sir John MillaiS gemalten Bildniß, das im Christchurch College zn Oxford hängt, wo der künftige Staatsmann feine Aus­bildung erhielt. Auch hat mo» Bildnisse euS verschiedenen Lebens-' jähren bis zur letzten photographischen Ausnahme, die ben greifen Staatsmann im Rollstuhl in Cannes zeigt. Äußerbem haben wir

Lange« - Schwalbach. In früheren Jahre« war mo« ber Ansicht; daß Schwalbach hauptsächlich ein .Damenbad' sei. Heute ist eS anders geworden, man sieht sehr viele Männer, die hier ihre Ferien verbringen, und jeder, der einmal hier war, sucht Schwalbach mit Vorliebe wieder auf, weil hier thatsächlich alles geboten ist, waS zur Erholung gehört: prachtvolle Anlagen, wunderschöne Tannenwälder direkt an ber Stadt, eine reine frische Luft, mildeS, nicht zu heißeS Klima. Der Kurverwaltung geT ein besonderes Lob, ebenso ihren Beamten an den Brunnen, B... und Anlagen; alle find sie höflich und liebenswürdig gegen die Kurgäste. Unser Finanzminister von Miquel weilt feit einige« Tagen hier zur Kur. Man begegnet ihm täglich in der Anlage.

----- Nordseebad Wyk auf Föhr. Am Abend deS 3. August war für die Kurgäste ein Ballfest auf dem Salon-Schnelldampfer Silvana" arrangirt. Di- Direktion derNordsee-Linie' hatte auf Antrag ber Badekommission das Schiff für diesen Zweck bereitwilligst zur Verfügung gestellt. Gegen 300 Personen nahmen an der Festlichkeit theil. ES herrschte bie fröhlichste Stimmung und erst nach 1 Uhr verließen die letzten Th-ilnehmer ben eigen­artigen Ballsaal. Auch in anderer Weise ist die Babeverwaltung stetig bemüht, den hier weilenden Fremde« Augen-und Ohren­weide zu verschaffen. Fast jeden Tag werden Ausflüge zu Waffer oder zu Lande gemacht. Dreimal täglich concertirt die Kurkapelle. Besonders wird auch der Kinder gedacht, deren Zahl in unserem Nordseebade verhältnißmäßig sehr groß ist. Kriegsspiele, Wett­spiele, Fesizüge und bergt, finden zu ihrer Unterhaltung statt. Bei allen Veranstaltungen kommt in diesem Jahr die herrliche Witterung sehr zu statten.

u Gurnigel (Schweiz). Die Frankfurter wiffen den Werth und die Reize Gurnigel'S zu schätzen, denn eine Anzahl dor­tiger Familien verfehlt nicht, sich regelmäßig in dieser staubfreien, ozonreichen, anregenden Höhenluft zu stärken. DaS Kommen und Gehen hört vom Juni bis in den September hinein nicht auf; Monate voraus, ja von Jahr zu Jahr werden die Zimmer vor­sorglich bestellt; zu bedauern ist der Ankömmling, ber fich im Voraus nicht Unterkunft gesichert hat, benn meist muß er umkehren und auf die erhoffte» schönen Tage verzichten. Trotz den vorhan­denen 600 Betten ist eS dem Direktor schon feit einigen Tagen nicht möglich, auch nur einen Wandrer über Nacht zu beherbergen. Braucht man «och die Gründe anzugeben, bie ben Sommergast mit Gewalt hierherziehen ? Hier auf bem Gurnigel ist er sicher, zu­nächst reine Höhenluft, eine prachtvolle Aussicht, bei klarem Weiter sogar einen Blick auf die schneebedeckten Spitzen beS Berner Ober­landes, ein vortreffliches Unterkommen, eine vorzügliche Verpfleg­ung und eine äußerst freundliche Bedienung anzutreffen. Eine» besonderen Reiz erhält Gurnigel durch prächtige Waldungen, die dicht ans Hotel sich anschmiegend von dort fich meilenweit er­strecken. Vorzüglich gehaltene Wege laben nach allen Richtungen zum Wanbern im kühlen Waldesschatten ein. Die anS zwei Brünnlein fließende Schwefelquelle dient zu mannigfachen Heilzwecke«; sie wird getrunken und zu Badezwecken verwendet, «euerdingS find nach Emser Muster Jnhaliervorrichtungen eingeführt worden. ,

=ä Vaduz (Fürstenthum Liechtenstein). DaS in derFrkf. Ztg." bereits erwähnte Alpenkurhaus Gaflei, prächtig am Fuße' beS Dreischwestenistockes gelegen, erfreut sich auch von reichS» deutscher Seite eines lebhaften Besuchs. In der Höhe von 1500 Metern mit herrlicher Aussicht auf Rheinthal, die Appenzeller Berge und ben Gebirgsstock bei Calanda erschließt cS dem Wan­derer die Schönheiten des noch viel zu wenig besuchten LSndchenS. Ein neues 33 Zimmer umfassendes LogierhauS wurde dieser Tage der Benutzung übergeben. Pei der bequemen Bahnverbindung auf österreichischer wie schweizerischer Seite darf b»3 neue Unter­nehmen während ber Reisezeit eines lehaften Zuspruchs sicher fein.

--- (Kleine Notizen.) Im Juli fliegen in den Gasthöfen und Pensionen Luzerns 28,294 Fremde ab, etwa 5000 mehr als 1898. Aus Deutschland entfallen davon 10,109, auf bie Schweiz 4462, auf England 4071, auf Nordamerika 2812, auf Frankreich 2317. Kreuznach hatte bis Anfang August 6600 Kurgäste, Langenschwalbach 3841, Sylt 6435,

Natalia ed altri racconti di Enrico Castei- nuovo. VIII e 352 p. Milano, Fratelli Treves Editori.

Der Titel könnte irre führen; denn es handelt sich nicht blos umErzählungen", sondern oft auch nm Skizzen und Feuilletons, die man aber gerne mit in den Kauf nimmt. Castelnnovo ist kein Neuling mehr, er ist ein älterer Herr, der viele Werke veröffent­licht hat. Während andere ältere Herren oft grämlich werden, ist er ein lachender Philosoph geblieben, der zuweilen den Humor Gottfried Kellers zeigt. Aber nicht nur Humor, sondern auch tiefe warme Menschenliebe bringt Castelnnovo in feinenErzähl­ungen', bte meist in Venedig spielen und baS intimere Leben ber Lagunenstadt enthüllen. Was am meisten bei ihm wiederkehrt, ist daS Motiv ber verrathenenDame", bie bei bem Libertin von Gatten aushältder Kinder wegen. Geradezu ergreifend ist dies Motiv inNatalia' und inAffolto' behandelt. Von ent­zückendem Humor ist die NovelleDie Ritter ber Unbefleckten'. In Florenz spielt sie. Eine reiche Amerikanerin hat burch ihre Schönheit die ganze Lebewelt unterjocht. Doch jeder Ansturm war vergebens. Nur fünf Ritter halten zu ihr; sie selbst habe» zwar auf jede Hoffnung verzichtet, aber sie bilden nun gewisser­maßen einen Tugendbund zur Verehrung berReinen" und zur gegenseitigen Ueberwachung. Da taucht ber Gemahl auf, nimmt bie Gattin nach Amerika, und nach einiger Zeit meldet die Post bte Geburt eines Knaben. Trotzdem Castelnnovo die heikelsten Themata berührt, bleibt er doch immer dezent und beweist dadurch, daß ein wahrer Künstler Alles sagen sann. Voll feiner Satire ist die Erzählung des Pensionsdirektors, der bei einem Glase Wein enthüllt, wie er das Kunststück fertig gebracht, sechs Töchter ohne jede Mitgift an den Mann zu bringen. Politisch-satirisch gewürzt ist die SkizzeDer Minister in den Ferien"; an Anzengruber er­innert die NovelletieBeunruhigte Gewissen", die von einem auf dem Krankenbette fromm gewordenen Apotheker und feinem Beichtvater handelt. Nach seiner Bekehrung betrügt ber Pillen­dreher niemals mehr, sondern fertigt die Rezepte der Aerzte ge­wissenhaft an. Aber die Folgen sind schrecklich; die Patenten sterben wie bte Fliegen. In feiner Bedrängniß bittet er den Pfarrer, ihn doch wieder betrügen zu lassen zum Heil und Segen feiner Mitmenschen; der Pfarrer tragt de» Fall dem Bischöfe Vor, und dieser entscheidet zu Gunsten beS Apothekers, worauf ber Landgeistliche stark an seinem Glaube» irre wirb, jy A

Schönheit und Liebe. Ein philosophischer Versuch von Dr. Phil. Josef Schenk. 82 S. Meran, F. W. Ellmenreichs Verlag.

Wenn auch ber Titel btefer kleine» Schrift in nur allzu wohl- begründeter Schüchternheit von einem bloße» philosophischen Versuch spricht, so ist ihr Versaffer doch kühn genug, um nichts Geringeres alsein neues Fundament der Aesthetik zu legen". Alle bisherigen Definitionen des Schönen können ihn nicht beftie- bigen, bte eines Plato so wenig wie bte ber Schopenhauer ober Vischer, weilbaS darin beschriebene Ding nichts, oder nur wenig Reizendes hat. Es müßte aber soviel habe», als bie Schönheit selber, sonst ist eS eben kein Aequivalent". Nach bem Versaffer besteht eine gute Definition nämlich inder Angabe eines bekannten Dinges von ganz gleichem Werth mit bem zu erklärenden". Nach hsiser traurigen Probe von der logischen Bildung beS Verfassers, die er schon auf der zweiten Seite seines Machwerks anftifcht, wollte ich eigentlich denVersuch" auf fich beruhen lassen, aber die gebundene Form, in bet er seine eigenen Ideenvon Begeister­ung getrieben* vorträgt, machte mich doch neugierig. In der That fand sich auch hier mancher GallimathiaS, aber nur vorübergehend; benn bet Verfasser kommt dem Leser, der seine Poesie nicht versteht freundlichst zu Hilfe, indem er sich selbst fommentitt und zwar in leicht zugänglicher Prosa. Da findet er auch paffende Gelegenheit, i zur Aufstellung von ästhetischen Problemen, an deren Lösung arm« < stlige Stümper wie Kant, Herbart und Lotze mit ihre» Theorien ! nicht heranreichen konnten, obwohl nach Ansicht des Verfassers das Wesen deS Schönen etwas so Einfaches und leicht Verständliches ist,daß auch der Niedrigste es verstehen und lieben kann'. Wes­halb z. B. mißfallen rothe Nasen (S. 50) ? Weil sie erfroren und entzündet auSsehen, beibeS krankhaft. Und aufgestülpte ? Weil sie an Schweine und andere widrige Thiere denken machen. (S. 52.) Weshalb finden wir baS Schnattern ber Gänse und Gackern der Hühner bald lästig ? Weil eS wie die gleichgenannte Thätigkeit unserer Frauenzimmer auf Geistesarmuth deutet." Und dabei ist der Versaffer keineswegs ein Weiberfeind. _ Ueber die Schönheit ber Verse belehrt vollkommen ausreichend ein Beispiel:

Lügen redet, wenn einer, derjenige, welcher bie Schönheit Leugnet von ber, die er liebt, doch sie z« lieben gesteht

Heinrich Driesmans: Die plastische Kraft in Kunst, Wiffenschaft und Leben. VIII und 215 S. Leipzig, C. G. Nauman«.

Dieser Band von hundert Aphorismen gleicht im Aeußern bis zu den jedem einzelnen Aphorismus besonders vorgedruckten Ueber» schristen durchaus den Büchern Nietzsche'S; Ausdruck, Sprache, Ge­danken verrathen nicht minder die größte Abhängigkeit von Nietzsche. Aber in der Vorrede wird Moriz von Egidy als leuchtendes Vorbild gepriesen.Künst und Wissenschaft nicht mehr neben unserem Leben, unser Leben selbst Verwirk­lichung deS künstlerischen Wesens und der wiffenschafilichen Er­rungenschaften im lebendigen Menschenthurn: daS ist unsere höhere Aufgabe", heißt eS im Vorwort, und ist gleichsam baS Programm des Buches. Man gewinnt überall ben Eindruck, daß der Verfasser ein durchaus ernst und ehrlich suchender Mensch ist, der nichts leicht nimmt und sich nichts leicht macht. Aber bie löbliche Absicht und bet gute Wille reichen für fich nicht aus. Gewiß fehlt eS bem Buche nicht an feinen, tiefen, fruchtbaren Gedanken; mancherlei Erscheinungen nnb Verhältnisse in Kunst, Wissenschaft, Leben find gründlich be­obachtet und ihrem Wesen nach trefflich erklärt; überall, wie schon gesagt, nöthigt die Gesinnung beS Verfassers zum größten Respekt; aber aus der anderen Seite ist wieder so diel Schiefes, Halbver- ftanbeneS, Willkürliches, ja Schrullenhaftes; Nichtigkeiten mit bem höchsten Aufwand an würdigem Gestus vorgetragen; soviel ein­ander, sich selbst Widersprechendes; bisweilen ein plötzliches Um« biegen , ja Zerflattern beS Gedankens, ein Verkennen und Vertauschen voll Ursache und Wirkung: so viel, baß man znm Urtheile kommen muß, eB entspreche dem edeln Wille« und vornehmen Streben beS Verfasser? nicht auch seine plastische Kraft", welche benn, in künstlerischen Dingen wenigstens, zuletzt boch wohl mithöchster Klarheit" gleich­bedeutend ist. Namentlich in ben beiden ersten AbschnittenKunst" undWiffenschaft" wird eS kaum »inen Paragraphen geben, bem man nicht, sollte man mit seinem Grundgedanken, feinem Aus­gangspunkt, seiner Tendenz auch ganz einverstanden fein, doch manchen Widerspruch entgegensetzen, manches Frage- und AuS- mfungSzeichen anfügen möchte. Einen viel reineren Eindruck hinterläßt der letzte Abschnitt:Leben". Hier hat baS Gefühl das letzte Wort zu sprech« nnb bie freie, echt menschliche Gesinnung beS Verfassers kommt schön und gar ergreifend zum Ausdruck. Das Buch kann trotz Allem denjenigen, die für bie Fragen einer höheren Kultur noch ettoaS übrig haben, bestens empfohlen werden: lernt matt doch kaum irgendwo mehr, als da. wo man zum Widerspruch angeregt und damit eufgeforbert wird, in feinen Gedanken möglichst Klarheit zu schaffen. Dr. W. P.

Geschichte Belgiens. Von H. Pirenne. Bd. L

$t§ zum Anfänge des 14. Jahrhunderts. DentscheUeber- setzung von F r i tz A r n h e i m. XXIV und 496 S. Gotha, Friedr. Andreas Perthes.

Eine Geschichte Belgiens, so wie sie in beut vorliegenden Buche bargeboten wird, ist dankenswerth. Sie bringt uns zur Anschau­ung, daß bei aller Zersplitterung beS altenHeiligen römischen Reiches deutscher Nation", trotz dem oft haarsträubenden Terrj- torsiliSmns, einzelne große physische und wirthschaftlicheEinheiten innerhalb ihrer Grenzen gemeinsame politische nnb soziale Ent­wickelungen hatten und sich als historische Ganze betrachten lassen. Eine solche Einheit ist Belgien gewesen, trotz der sprachlichen Zwet- theilung des Gebietes in walsch ende dietsch. Mit großem Geschick hat der Versaffer den rothen Faden der gemeinsamen Jnteressen- entwicklung, der sich durch bie lothringisch-brabantisch-standrisch- holländisch-luxemburgisch-lüttichische Geschichte zieht, ausgesucht und ausgenommen. Die belgischen Gebiete, zwischen der deutschen nnb französischen Machtsphäre gelegen, werben von der einen wie von der anbern als zu ihrem Bereiche gehörig betrachtet. Salb greifen die französischen Köttige herüber, bald die dentschenKaiser;

H grantfttH, 5. August. (Schöffengericht.) Der erst sechzehn Jahre alte Hausbursche Joh. M Dietrich hat einem Stubengenoffen ein Sparkassenbuch über JL 175 entwendet. Urtheil: sechs Wochen Gefängniß. Eine jener Affären, die in der Wirthschaft beginnen und ans ber Pali- zeiwache ende», bringt dem Mechaniker Joh. S ch a a b, einem unbestraften Mann, JL 50 Geldstrafe ein. Er kam mit zwei anbern aus bem Wirthshause. Der Polizeiwachtmeister Schmiede führte einen ber Drei, ber lärmte, unter großem Auflauf nach bem Revier. Sch. ging mit, weil ber Beamte den Stock Sch.'S miige- nommmen hatte, im Glauben, derStock gehöre dem Verhafteten. Der

VmnMes.

Danzig, 4. Aug. Eine Warnung für Amateurphoto, graphen liegt i» den Erlebnissen deS unter dem Verdacht der Spionage in Danzig verhaftet gewesenen Kaufmanns Berg. Der genannte Herr schreibt demBerl. Tagbl.": Samstag, ben 22., früh um 6 Uhr, fuhr ich per Rab von Danzig nach Neufahr- waffer und ließ mich nach Westerplatte übersetzen, um dort zu baden. Vorher ging ich den Strand entlang, um mir ben Leucht­thurm anzuseheu, und machte dort auch einige Aufnahmen vermittels meines kleinen TafchenapparatS. Von dort auS wollte ich mich nach bem Herrenbade begeben. Mein Weg führte mich au einer Uebungstelle ber Artillerie vorbei; ich machte eine kurze Zeit Halt unb sah, wie noch mehrere andere Herren, den militärischen Uebungen zu. Meinen Apparat hatte ich dabei in der Hand. Plötzlich rief ein Leutnant dem wacht­habenden Posten zu, daß er mich sofort arretiren sollte, ich hätte Photograph irt. Aus deffen Aufforderung ließ ich mein Rad stehen und nahm neben bem Schilderhaus Ausstellung. Ties Vor­gehen gegen mich erschien einem anwesenden Major jedoch noch nicht genug. Er trat auf mich zu, nahm mir ben Apparat von ber Schulter und übergab ihn bem Posten. Mit dem Gesicht gegen bie Wanb mußte ich, bis die nächste Patrouille kam, im S childerhanS stehen. Ich wurde alsdann zwischen Sol­daten mit aufgepflanzten Bajonetten nach dem nächste» Wachtposten befördert. Nachdem meine Personalien festgestellt waren, wurde ich trotz der Vorschrift, welche besagt, daß möglichst wenig belebte Straß« benutzt werde»sollen, die Hauptallee entlang, am Kurhaus vorbei nach der Uebersähre gebracht, alsdann in Neu- sihrwaffer unter dem Gejohle ber Hafenarbeiter, immer den Hafen entlang, nach ber Polizeiwache. Dort legitimirte ich mich ein zweites Mal, bann wurde ich, nachdem mir alle übrigen Sachen, die ich bei mir führte, abgenom- men waren, per Dampfer in Begleitung eines Schutzmanns nach Danzig expedirt. Ich bekam nun zuerst eine recht unan- genehme Zelle im Polizeipräsidium angewiesen. Wände, Fußboden und bie Strohsicke wimmelten von Unge­ziefer. Ich wurde mehrmals durch Kriminalbeamte verhört und wurde durch die Neugierde des eine» bald in eine recht unan­genehme Sage versetzt. Der Herr wollte fich bie belichteten Platte« besehen, um fich gleich persönlich von meiner verbrecherischen Handlung zu überzeugen. Wie wäre eS wohl geworden, wenn meine harmlosen Platten durch baS Tageslicht vernichtet worden wäre«; wäre nicht der Verdacht auf mich gefallen? Hätte ich nicht statt sechs Tage sechs Monate fitzen können? Abends wurde ich durch eine«Kriminalbeamten nach bem Centralgefängniß gebracht, wo ich feit früh daS erste Mal ettoaS z« essen bekam. Dort brachte ich nun, ohne an bie Luft gelassen zu werden, fünf Tage in strengster Jfolirhaft zu und wurde erst bau», als von Leipzig, wo meine Photographien reichSgerich tlich geprüft würben, telegr aphifcheVerf ügung kam, auf freien Fuß gesetzt. Das also kann in Deutschland einem unbescholtenen Staatsbürger auf einen ganz vagen Verdacht hi« passiren. Wenn man schon Jemand, ber einen photographi­sche» Apparat trägt, ohne jede weitere Verdachtsgrundlage in Hast nimmt, wie darf man ihm eine so unerhörte Behandlung zu Theil werde« lassen, als wäre er ei« überführter gemeiner Verbrecher? Ist baS ber Rechtsschutz, ben deutsche Staatsbürger genieße«? Und werden die an diesem Verfahre« Betheiligte« straflos auSzehe«? U. A. w. g.

Holling, 3. Ang. Gestern wurde auf bem Torrennerjoch bei Golling der Leichnam eines abgestürzten 2 on« ist en gefunden. Der Unfall dürfte fich vor ungefähr drei Wochen er­eignet haben. Der Absturz war von so schrecklicher Gewalt, daß die Leiche in Stücke zerschmettert aufgefunden wurde. Hut, Rock, Stock unb Werthfachen des Todte» fehle«. Er trug eine loben» braune Kniehose, neue graugrüne Strümpfe, Bergschuhe unb ein neues Wollhemd. Ehering und Sacktuch toaren mitL. H. ge­mäßst. Außerdem fand man bei bem Tobte», ber im kräftigsten Mannesalter gewesen und ben wohlhabenderen Ständen ange­hört haben dürste, ei« Signalpfeifchen auS Rehgeweih. Der