Dirnstag, 18. Juni 1889.

Dreiunddreissigster Jahrgang.

(Nene Frankfurter Zeitung.)

und Handelsblatt

(Frankfurter Handelszeitnng.)

ist Alles ruhig.

Belgien

erreichbar ist, steht dahin, denn allzu scharf macht schartig.

dabei auch nicht alle Wünsche zur Erfüllung kommen, es

Jeuilleton

andere folgen dann wird das deutsche Markenschutz- wesen erst auf seine rechte Höhe gelangen.

die freundschaftlichen Beziehungen zwischen Frankreich und Marokko. Gestern wurde bei Mad. Bouton hier eine Haussuchung nach B o u l a n g e r betreffenden Papieren ge­halten. Die Dame erhielt iwr einiger Zeit von einer ab­reisenden Freundin ein Packet zur Aufbewahrung, ohne de» Inhalt zu kennen, und erfuhr erst durch den Polizeikommiffär Näheres über die Natur des Packeis. Nach den letzten Nach­richten hat der Zwist in der Haute Marne zwischen franzö­sischen und italienischen an dem Bahnbau der Linie Brienne-Lorca beschäftigten A r b e i t e r n in Folge der durch die Behörden getroffenen Maßregeln bedeutend nachgelassen. Eine Kompagnie Infanterie wurde gestern früh, eine andere gestern Abend nach Joinville geschickt. Die Unruhen bauern noch zwischen Bassy und Poissons fortj infolgedessen wurden inehrere Verhaftungen vorgenommen. In Gondrecourt

den könne.

Noch ein Wunsch bleibt nunmehr übrig. Fürst Bis­marck hat einmal gesagt: Die Gesetze sind nur die Gefäße, ausfüllen wüsten sie die Benützenden. Wenn das von irgend einer Gesetzgebung gilt, so ist es sicher die Mar­kenschutzgesetzgebung. Wir sehen in England seit Jahren die trade mark Protection Society, in Frankreich die

beim Uebergang gewiß berechtigte Interessen in Menge, wird aber mit der Zeit zweifellos die Augen in England Frankreich darüber öffnen, baß die deusche Waare im Großen und Ganzen den Vorzug verdient, den sie sich im Lauf der Zeit erstritten hat.

In Deutschland war das Gesetz vom 30. November 1874 lange Jahre noch für viele Industrien ein Buch mit verschlossenen Siegeln. Deshalb sind thatsächliche Mängel erst im Laufe der Zeit bemerklich geworden. Es ist das unleugbare Verdienst des Marken- und Muster- & schutzvereins deutscher Tabakindustrieller, an der Frage der Hs Verbesserung des Markenschutzgesetzes seit Jahren gearbeitet zu haben. Eine erste Denkschrift dieser Art erschien kurz vor der 10jährigen Wiederkehr des Inkrafttretens des Markenschutzgesetzes. Diese Denkschrift gelangte an alle deutschen Handelskammern und größeren industriellen Ver­bände, von denen sich viele sofort der Bewegung an­schloffen, umsomehr, als dieselbe in kluger Mäßigung nur zwei Petita stellte. Zunächst wurde gefordert, daß man sich nicht mehr damit begnügen sollte, jede Marke, wenn sie nur angemeldet ist, als solche anzuerkennen, sondern daß man eine Marke einem bestimmten Borprüfungsverfahren

genen Marken zur Veröffentlichung gelange. Der letztere Wunsch ist ja bereits in Erfüllung gegangen, wenigstens theilweise. Allein trotz der Bemühungen des mehrgenann­ten Vereins schien die ganze Sache doch zu scheitern, weil man sich im Schooße des Ausschusses des deutschen Han­delstages nicht darüber zu einigen vermochte, bestimmte Vorschläge, wie sie von einer Kommission desselben aus­gearbeitet waren, anzunehmen und vor der Reichsregie­rung zu vertreten. Die Sache schlief also wieder einige Jahre.

Da bemächtigte sich vor Kurzem die Lenneper Han­delskammer zusammen mit den übrigen Handelskammern int Bergischen und in der Mark mit Berufung auf ihre Kleineisenindustrie der Angelegenheit, arbeitete einen ganz

fugniste aber so liberal wie möglich sein sollten. Wenn also Jemand ein Zeichen anmeldet, so kann zunächst das Äeichszeichenamt, ähnlich wie das heute schon bei dein Patentamte der Fall ist, feststellen, ob das angemeldete Zeichen eine täuschende Aehnlichkeit mit einem schon ein­getragenen Zeichen hat. Im Bejahungsfall erhält der Anmeldende die freundliche Vermahmntg (avis prealable), lieber von der Eintragung abzustehen. Folgt er, so ist die Sache erledigt. Thut er es aber nicht, so wird nun­mehr das Aufgebotsverfahren zur Anwendung gebracht, d, h. das Reichszeichenamt macht Erhebungen bei Han­delskammern, kaufmännischen Korporationen, Berufsgenossen­schaften oder etwaigen für einzelne Lättder entstehenden Zeichenvereinen (letzteres ist besonders ein Wunsch von Berg und Mark"). Auf Grund des eingelaufenen Ma­terials entscheidet sodann das Reichszeichenamt darüber, ob das vorhandene Zeichen ein neues und originales ist oder nicht. Diese Entscheidung soll aber nicht schlechterdings unanfechtbar sein, sondern, allerdings unter erschwerten Verhüliniffen, noch einmal angefochten werden können und ztvar aus den ganz gleichen Gründen, wie ein Ent­scheid des Reichspatentamtes vor dem Reichsgericht. Welches diese Instanz sein soll, wurde noch offen gelaffen; denkbar ist ein zweiter Senat im Reichszeichenamt oder das Reichs­gericht selber. Diese Analogie, welche auf solche Weise das Markenwesen künftig mit dem Patentwesen, nach An­nahme dieser Vorschläge, gewinnen würde, ist nur ge­eignet, die Benutzung des Gesetzes erheblich für Industrie und Handel zu vereinfachen, weil sie an bereits bekannte und gegebene Verhältniffe anknüpft. Von dem Vertreter der Handelskammer Bremen wurde der Versuch gemacht, besondere. Kriterien dafür festzustellen, wann das Reichs­zeichenamt eine Marke mit einer schon eingetragenen als ähnlich zu betrachten, wann der Straf- und Civilrichter bei ihm vorgelegten Fällen ein Gleiches zu thun hat. Aber man hob dagegen mit Recht hervor, daß die Faffung des § 18 des bestehenden Gesetzes und die von § 13 und 14 schwerlich durch eine bessere Fassung ersetzt wer-

Frarikfmt, 17. Jurü.

Daß nachgerade in allen europäischen Staaten dem gewerblichen Markenschutze eine ganz beson­dere Bedeutung beigelegt wird, ist zunächst wohl mehr ein weiteres Sympton dafür, wie scharf die großen volks- wirthschaftlich, d. h. industriell wie kommerziell ausgebil­deten Nationen auf dem Weltmärkte mit der Zeit anein­ander gerathen. Großbritannien künstelt schon seit ein paar Jahren an seiner Markenschutzgesetzgebung herum, und es scheint, daß die augenblicklich bestehende Gesetz­gebung noch nicht einmal einen vorläufigen Abschluß bildet. Auch Frankreich beschäftigt sich mit der Frage, ohne freilich noch weiter gekommen zu sein, als bis zu einer kommissionsweisen Berathung eines dem englischen Vorbilde folgenden Entwurfes. Oesterreich ist seit Jahren bestrebt, seine aus dem Jahre 1858 datirende Gesetzgeb­ung zeitgemäß uinzugestalten. Endlich wird in Deutsch­land seit längerer Zeit aus industriellen Kreisen lebhaft darnach verlangt, offenbare Mängel, die sich im Laufe der Zeit in dem deutschen, nunmehr gerade 14 Jahre in Kraft befindlichen Gesetze bemerkbar machten, zu heben. Freilich gehen die genannten Staaten in den Endzielen dieser Reformen weit auseinander. Oesterreich und Deutsch­land erstreben lediglich das Ziel, ihre Industrie mächtiger und leistungsfähiger auf dem Weltmärkte zu machen. Eng­land und Frankreich verfolgen aber offenbar noch den weiteren. Zweck, speziell die deutsche Industrie von dem französischen und englischen Markte >vie von dem ihrer r Kolonien, soweit möglich, zu verdrängen. Ob dieses Ziel

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Agenee Havas. Paris.

Zwei Kapellmeister.

Porträts aus der Theaterwelt.

Bon Otto Weitz (Wien).

1) Herr U-

Seit einigen Jahren ist er an einem mittleren nord­deutschen Theater als Operndirigent engagirt. Eine Würde trägt er zur Schau, die man im ganzen Personal nur an dem Regisseur und an dem Herrn Direktor bemerkt. Er geht moderato,' benimmt sich ritenuto, der notengefüllte Kopf sitzt maestoso auf den Schultern. Begreiflich. Er ist ein Feld­herr, bayt ausersehen, eine musikalische Armee zu leiten und dem Sieg entgegenzuführen. Und er siegt immer; denn er kann sich keiner 'Niederlage- erinnern, wenigstens fein«, die er Verschuldet hätte. Er operirt auf den Gebieten des Tempos, des Vortrags, der Gesangsbegleitung. Ob eine schnelle Nummer langsamer, eine zarte Stelle stärker genommen, eine unwichtige Jnstrumentalsigur zur Hauptsache gemacht werden soll, das hängt nur von ihm ab. Seine Auffassung ist maßgebend nicht weil sie richtig, ab« richtig, weil sie maßgebend ist. Da er nach eigenem Geständniß (er behauptet, 46 Jahre alt zu fein), das fünfzigste Jahr bereits überschritten hat, nähert er das Zeitmaß zumeist dem Andante. Das rasche Tempo erhitzt ihn zu sehr, und ein Adagio breit zu nehmen, dazu fehlt ihm schon längst die Geduld. Tempi passati! Als schlanker Dreißiger ja damals! da birigirte er das Allegro mit einem Feuer, welches gewöhnlich eine wahre Panik unter den Orchester Mitgliedern erzeugte, die kaum Zeit hatten, das Allernöthigste ihrer musikalischen Habe auf dieser Prestissimo-Flucht mitzunehmen; jetzt aber ist feine Auffassung gereift, um zwanzig Jahre dicker geworden.

Uebrigens glaube man nicht, daß er immer so behäbig birigirt. O nein! Wenn beispielsweise seine häßlich gewordene Frau ihm vor der Vorstellung eine unbegründete Eifersuchts­scene macht, bann wird er zornig und nimmt Abends die Tempi so rasch, daß er sich richtig Punkt s/dO zu einem Rendezvous mit einer hübschen Solodame einfindet, die heute ihn und nächste Woche seine Protektion erwartet. Hinaus ersieht man, daß « denn d o ch noch Temperament besitzt und

unterwerfen sollte. Bei Beginn der Wirksamkeit des Ge- Peines ^Reichszeichenamtes, dessen Zusammensetzung und^Be- setzes bestand nämlich eine große Zahl von Zeichen, von , ,rr ' '-**

denen Niemand behaupten konnte, daß sie einem Einzelnen gehörten, einfach deshalb, weil sie schon Jahrzehnte lang ganz allgemein seitens ganzer Industrien in Gebrauch ge­nommen waren. Das deutsche Gesetz hatte nun diesem Gesichtspunkte dadurch Rechnung zu tragen versucht, daß es bestimmte, derartigeFreizeichen" sollten nicht mit Erfolg eingetragen werden können. Diese Maßregel war nur eine halbe, weil sie es den Parteien selbst überließ, einen Beweis zu führen, der in den seltensten Fällen gelang, jedenfalls aber große Kosten verursachte. Die Folge davon war, daß sich im Laufe der Zeit Privilegien, Monopole einzelner besonders kapitalkräftiger Unternehmer herausbildeten, die der Gesetzgeber gewiß nicht gewollt hatte. Die zweite Forderung der Denkschrift ging dahin, daß eine regelmäßig geordnete Sammlung aller eingetra-

Krankreich.

R Paris, 16. Juni. Die Herren Flouren8 und S a r r i e n, Minist« zur Zeit der S ch ri ä b e I e a f f a i r e, versichern nach demGaulois", daß im Ministerrathe nie von dem von B o u l a n g e r erwähnten Dekret die Rede gewesen lei; wenn es wirklich existire, so müffe es eine geheime Ab­machung zwischen Boulanger undGrevy gewesen fein. Der französische Gesandte ist wieder nach Tanger zurück­gekehrt. da der Sultan die Reklamationen wegen der zahlreichen durch marokkanische irreguläre Truppen begangenen Räubereien ans algerischem Gebiet als berechtigt anerkannt hat. Zahlreiche alte Forderungen wurden endgültig geregelt und man erwartet den besten Erfolg vom Besuch des MinistersPatenötr e für die einer anderen ähnlich sieht, gehl plötzlich, statt vorwärts auf den zweiten Theil feiner Arie, zurück auf den ersten. Flugs kommandirt P leise schreiend nack) rechts und links und steuert (indeß die Schiffsleute einander verständigen) rasch zurück, um in die Nähe des Helden zu gelangen, der »«zweiflimgsvoll mit der.brausenden Tonfluth kämpft, deren Wellen ihn zu ver­schlingen drohen. Das an den Ufern sitzende Publikum ist entsetzt und beruhigt sich erst ein wenig, bis dem nach Luft Schnappenden die Rettungsstange gereicht wird, an die er sich . nun krampfhaft anklammert, froh darüber, daß er noch athmen, noch singen, ja sogar noch schreien kann.

Das sind schreckliche Momente im Opernleben, glücklicher­weise auch seltene. Oester jedoch ereignet sich etwas, wenn auch nicht so Furchtbares, doch immerhin noch sehr Fatales. Alle Choristen nämlich laufen plötzlich plötzlich, wie auf Verab­redung! mit einem Allegro so rasch davon, als wär's ein ertheilter Massenvorfchnß, so daß P sich gezwungen sieht, der mehrstimmigen Defraudantenbande mit feinem ganzen blasenden und geigenden Polizeistab schleunigst nachzusetzen, bis er sie endlich bei einer Couronue einholt und sie dort mit dem sich lange hinziehenden Dominant-Akkord so fest znsammenbiudet, daß sie sich nicht mehr rühren und nur noch den Schluß- Akkord fingen können; woraus sie Alle umiachsichllich, wenn auch nicht von der Polizei, doch von einem Bühnen-Hailptmann oder General nach der finsteren Garderobe abgcführt werden.

Man muß gestehen: die Kapellmeisterthätigkeit strengt kör­perlich und geistig Oberleib und Ohren in hohem Maße an. Man begreift also P's überaus freudige Abgespanntheit, wenn eine große Oper sich der letzten Nummer nähert. Endlich ist die längstersehnte Stretta da! . . Vorwärts! . . Er birigirt rapid, mit lockerstem Handgelenk . . . eins zwei eins zwei eins zwei eins zwei! . . Vorwärts! . . prestissimo, quasi Kalbsschnitzel con molto Spatenbräu . . . Nur vorwärts! .. Noch einige Schläge! . . Noch zwei! . . Tschin! Bum! . . Fertig!

Ah! Nun athmet er auf; nun ist ihm leicht, und er ruft unhörbar aus:Wie schön ist doch eine Oper, wenn sie vor­bei ist!"

Und dennoch sollte man es glauben? eine Viertel­stunde später sitzt er im Gasthaus und birigirt bort weiter eins, zwei, drei, vier fünf, sechs Krügel Bi«! Und damit ist's noch immer nicht genug. Denn während er nach Mitter­nacht im tempo rubato nach Hause geht, birigirt er aber­mals: diesmal feinen Gang, mit einem langen, dicken Diri­gentenstock, d« ihn (von einigen Schwankungen abgesehen)

mußten sich manche derselben wenigstens in der Ver­sammlung mit einem Minderheitsvotum begnügen. Die Reichsregierung ist ja aber an die Beschlüsse der Konferenz selbst in keiner Weise gebunden, das Be- schloffene ist nur Material; daffelbe ist übrigens stenogra­phisch ausgenommen worden und wird dadurch auch noch weiteren Kreisen unserer Industrie selbst vor der gesetz­lichen Verarbeitung zugänglich gemacht, so daß auch noch Zeit bleibt, etwaige an die fraglichen Beschlüsse sich knüpfende und begrünbborc Wünsche vorzubringen. Der Vorschlag, das Anmeldeverfahren mit dem Vorprüfungs- Verfahren zu vertauschen, wurde auch hier als der weitaus wichtigste erachtet ; seine Berathung nahm den größeren Theil der Berathungszeit in Anspruch.

Die Beschlüsse der Versammlung habm sich nicht genau an die bestehenden Systeme gehalten. Es bestehen näm­lich drei: reines Anmeldeverfahren, Vorprüfungsverfahren mit Aufgebot und das Institut des avis prealable, wie Letzteres neuerdings in Oesterreich eingeführt werden soll. Man beschloß, eine Kombination der beiden letzteren Systeme zu empfehlen, natürlich zugleich mit Schaffung nicht blos ein fix angestellter Metronom ist, der 400 Mark monatlich sürs Taktschlagen bezieht.

Wenn 9)- bei aufgezogenem Vorhang birigirt. beachtet ihn Niemand; aber während der Ouvertüre und der Entreakte, da konzentrirt sich die ganze Aufmerksamkeit des Publikums aus ihn, indem es kommt, auffteht, kokcttirt, plaud«t und Ersrischungen zu sich nimmt.- Nuner erwiedert diese Aufmerksamkeit nach Gebühr, indem er der ganzen Zuhörerschaft seinen breiten, von einem Mond beleuchteten Rücken zukehrt. Was kümmern ihn diese Leute da hinten? Er ist mit Wichtigerem beschäftigt: mit der möglichst hinreißend korrekten musikalisch-dramatischen Ausführung. Vor Allem achtet er darauf, daß die bereits anwesenden Orchester- mitglieder nicht zu spät oder zu früh kommen mit ihren Einsätzen nämlich. Die Herren davon abzuhalten, ist sein größter Ehrgeiz; denn er weißes nur zu gut: wenn sie falsch cinsctzcu, ist auch erder Esel". Daher seine Hände in fort­währender Thätigkeit sind. Die Rechte taftirt: rasch oder lang­sam, zart oder energisch, mit kleinen oder weitausgreisenden Armbewegungen, je nach dem Charakter der Tonstücke. Auch die Rockärmel nehmen Theil an der Ausführung: sie verharren in Ruhe während eines freundlichen Cantabile in Dur; ziehen sich dagegen in düstere Fallen bei einer leidenschaftlichen Melodie in Moll; und nun gar bei den pompösen Klängen eines Festmarsches, da krachen sie in ihren Nähten fast ebenso, wie die Fortissimos, die 9). mit der Spitze seines Taktirstocks aus den Blechinstrumenten heraushott .... Die Linke gibt allerlei hieroglyphische Zeichen und wendet jeden Augenblick eines der unzähligen Partitur-Blätter um. Sogar der Kopf arbeitet mit und wendet sich bald dahin, bald dorthin, um anzudeuten, zu erinnern, zu begeistern. Jetzt winkt 9). mit den Augenbrauen einigen Posaunisten, ihre Backen für das kommende Kriegsheer bereit zu halten . . . Bald darauf sagt fein linker Zeigefinger dem Pauk« kategorisch, daß die Direktton sür's Pausiren allein keine Gage zahle . . . Später ersucht er mit höflichem Kopfnicken den Flötisten, das Auftreten einer wahn­sinnig gewordenen Koloratursängerin anzukündigen, deren Geist, infolge unglücklicher Siebe, sich während des Zwischenakts so umnachlct hat, daß sie ihre Sprache gänzlich verlor und jetzt nur noch Arpeggim und Rouladen auf a fingen kann . .

Dergestalt ist P während der ganzen Vorstellung in v«- ständnißvollster, umsichtigst« Weife thätig, immer in Spann­ung, immer besorgt, es könne etwas passiren. Zuweilen aber nützt alle Um-, Aus-, Ab- und Einsicht nichts. Es passirt doch etwas, etwas Fürchterliches! D« starkbezahlte, ab« schwach- musikalische Heldentenor, inegeführi durch eine Musikphrafe,

M Brüssel, 16. Juni. Die Liberalen fühlen, daß die. Zeit zum Handeln gekommen und keine Zeit mehr zu v«- lieren ist, um eine feste Grundlage für ein dauerndes Zu­sammengehen zu gewinnen. Ans der einen Seite rüsten sich die Klerikalen und das Ministerium zu hartnäckigem Wider­stand, auf der anderen verlangt die Arbeiterpartei, die dem letzten Wahlsieg neben seiner antiministeriellen auch eine ent- schieden revisionistische Bedeutung gibt, deutliche Erklärungen über die Absichten Ianson' s und der beiden liberale» Gruppen bezüglich Wahlreform und der Revision der 93«» faffung. Ein ernster Schritt zur Einigung der Liberalen fcheint gestern erfolgt zu sein. Wie ich nämlich erfahre, Hai gestern Abend ein großes gemeinsames Fest der beiden Logen Union et Progres, deren Großmeister Janson ist, und derAmis Philanthropes stattgesunden, das mit allem üb» liehen heraldischen Ceremonie!! vor sich ging und außerordent­lich stark besucht war. Die Verbrüderung, die daselbst statt- fartb und u. A. durch eine mit Enthusiasmus ausgenommene Rede des Liguisten de Mot bekräftigt wurde, habe, wie mir versichert wird, den gemeinsamen Bund besiegelt und bei alle» Theilnehmern die größte Befriedigung «weckt. DieChrom- que" schlägt bereits heute den Zusammentritt eines liberale» Kongresses vor zur Berathnng über ein gemeinsames Programm, das alle trennenden Punkte ausschließen oder weiterer Fest­setzung überlassen soll, sowie des Ferneren die Bildung ein« schiedsrichterlichen Kommission aus je drei Delegirien dtt Signe", der .Association" und der keiner Gruppe affUiirtcn Wähler behufs Festsetzung einer verhältnißrnäßigen Kandidaten­zahl der beiden liberalen Hauptsrakliouen bei den nächste» Kammerwahlen. Das Blatt hält nämlich die Auflösung d« Kammer sowie die Demission des Ministeriums für eine Even­tualität möglicherweise der nächsten Tage. Es scheint, daß wirklich in der nächsten Zeit ernste parlamentarische Kämpft bevorstehen. Janson wird am nächsten Dienstag seinen Sitz in der Kammer einnehmen und, wie bestimmt verlautet, sofort eine Interpellation au die Regierung wegen der durch den Komplotprozeß an den Tag gebrachten Thatsachen richten. Ob auch das Verlangen «hoben wird, die Minister in An- klageznstand zu versetze«, ist noch nicht entschieden. Der P lan, Jan so n mn Dienstag etn Maffengeleit zum Karnmerpalat» . zu geben, ist als unzweckmäßig und gefährlich aufgegebe» ! worden. Janson selbst scheint die Sache widcrrathm zu haben, da man in diesem Falle ernste Unruhen befürchtet, die bett Klerikalen Wasser auf ihre Mühle sein würden. Dagegen toirb das große Bankett der Siberalen in Brüssel stattfinden, an welchem Datum, ist noch nicht festgestellt. An dem Datum des 23. Juni nehmen die Antwerpener Siberalen, von denen die Initiative in der Sache ausging, Anstoß,, da an diesem Tage in Antwerpen ein großes Fest zum Besten de8 Rothen Kreuzes vom Kongo" stattfindet und gleichzeitig der Schah von Persien dort eintrifft. Die Klerikalen bereiten ihrerseits eine Gegen-Manifestation in Brüssel vor, zn der die hiesigeAssociation Conservatrice" den Anstoß gegeben hat. Das offiziöseJournal de Bruxelles" schreibt:Wenn Ihr schreit, werden wir noch stärker schreien", und das Gent« Bien Public" kündet dieMobilmachung" aller Heritalen Vereine des Landes zu diesem Zweck an. Es sieht ganz so aus, al» ob die Scenen vom 7. September 1884 sich wiederholen könnten. Ans liberaler Seite geht man darum mit großem Bedacht vor.

Montenegro. -

*| Wie derP. C." aus Cettinje berichtet wird, wurde die Thatsache, daß Fürst Nikolaus eine Art von Mobilifirungsplan für die montenegrinische Wehr­macht festgestellt hat, demzufolge jeder waffenfähige Montene­griner zum Kriegsdienste verpflichtet fei, mit der Reise de» Fürsten nach St. Petersburg in unmittelbare Anbindung g» exakt zur Wohnung leitet. Dort angekommen, tritt «con delicatezza ins Schlafzimmer ... entkleidet sich pianissimo... fällt a tempo ins Bett... und schnarcht dann so con amore, daß seine Frau poco a poco erwacht und, entrüstet üb« diese musikalische Auffassung der Nachtruhe, dem Gatten einen skorzako Stoß in die Seite gibt, der ihn zwingt, feine Schlummer-Arie mit einem jähen Staccato abzubrechen.,. Doch der verschlafene 9). ist zu sehr Theaterpraktiker, um e» dabei bewenden zu lassen. Er folgt dem alten Bühnenbrauch der Sänger, den zweiten Theil der Arie auf der andern Seite vorzutragen legt sich also auf diese und schnarcht un­bekümmert fort bis zur letzten Note, die ihm die Natur vor» geschrieben.

2) Herr I.

Nach seinem Aeußern darf man ihn nicht beurtheilen. Etwas beschränkt und ordinär sieht er allerdings aus; dennoch gehört er zu den intelligentesten, vornehmsten Kapellmeistern. Das bringt fein Genre mit sich. Er birigirt nämlich Werke geistigeren Inhalts: nicht Opern unb Operetten, fonbem Tra­gödien, Schauspiele, Lustspiele, Possen. In lebhaftester Füh­lung mit der dramatischen Literatur, hat er ein so starke» Interesse für dieselbe, daß er sich während der Darstellung fast jeden Aktes mit den wichtigsten Personen des Stückes hint« den Coulissen beschäftigt. Er wünscht dem Naturburschen gute» Morgen; er theilt dem seriösen Alten eine komische Neuigkeit mit; er tröstet den Bonvivant über den Durchfall eine» Rivalen; er klopft dem jugendlichen Liebhaber lächelnd auf bett zunehmenden Bauch; er flüstert der Naiven geheimnißvolft Pikanterien zu; er macht die Sentimentale auf eine ihm zu­sagende Nüance ihres Wuchses aufmnksam; n kneipt bett Heldenspieler rückwärts und verschwindet...

In dieser Weise füllt er den größten Theil des Theater­abends aus, wie es fein Beruf erfordert, und nur einige Minuten, ehe der Vorhang aufgezogen wird, gibt er sich ein wenig der Muße hin. Er stattet dem Orchester einen kleine» Besuch ab und nimmt dort an einem erhöhten Pult Platz, um eine Ouvertüre ober eine Zwischenaktsmusik zu birigirt«, die « ober ein Anderer komponirt hat was ja, wie man weiß, bei Kapellmeister-Kompositionen dasselbe ist.

I Merkwürdig ruhig birigirt er; fast gelangweilt. Rührt diese meironomische Gleichgiltigkeit vielleicht daher, daß ihn die Literatur-Musik nicht interefsiri? Das wäre speziell bei Z. sehr zu verwundern. Komponirt er doch die meisten in seinem Theater gespielten Musikstücke selbst. Eigenhändig! Und nut welch genialer Raschheit! Er sitzt eine Weile am Schreib»

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r ausdrücklich. und deutlich. die Thatsache zu»! Ausdruck zu bckinHen, daß 'die 'WciärenV die von Deutschland kommen,

?' wirklich nur m Deutschland gemacht sind, »llerbings./ver- ____________ ._

bunden mit zahlreichen vexatorischen Bestimmungen, schädigt iiu Wesentlichen wiederfinden dürften. Freilich tonnten

neuen Gesetzentwurf ans, und bestimmte den letzten ordent­lichen deutschen HmidclStag vom Februar d. IS., eine außerordentliche Sitzung des Handelstages einzuberufen und hierzu alle diejenigen Handelskammern zu bitten, welche Industriezweige vertreten, die an einer raschen nnd gründlichen Berichtigung des bestehenden Markenschutz- gesetzes Interesse haben. Diese Versammlung hat nun, wie an anderer Stelle dieser Zeitung bereits sofort nach den beiden Sitzungen derselben berichtet wurde, Ende April b. Js. getagt und man kann hinzufügen, dieser Handelstag, insofern eine Art Unikum, als nur einige 3040 Handelskammern ihr Interesse an der Sache durch Vertretung kundgegeben haben, hat vielleicht mehr Erfolg gehabt, als mancher größere. Dazu hat nicht am Wenigsten g«ade die deutsche Reichsregierung selbst beige- , ... ..... ...., . ,

tragen dadurch, daß sie einen Tezerueuten in dieser Bia- ( unter öffentliche Autorität gestellte Vereinigung von r^abri- terie zu den Verhandlungen entsandte; dieser Beamte ist i kanten zum Schutze gegen Markenrechtsgeführdungcn, wir durchaus Herr des äußerst schwierigen nnd vielseitigen \ sehen, wie deren wohlunterrichtete Anwälte beständig in '--- .... 1'Mxn Ländern, wo linker englischer und. französischer Marke

ikwLhiuftr, Waaren cirkutiren, ängstlich Wache halten^ bet deutschen. Gerichten mit großem Erfolge ihre Rechte ver­folgen n. s. w. Sollte das nicht auch in Deutschland. . möglich--ftur? Leider bis seist nur- spärlich. Der Eingangs, genannte Biarkcn- und Mufterfchutzverein deutscher Tabak- industrieller ist ein Anfang hierzu, aber selbst hier fehlen noch zahlreiche deutsche Fabrikanten. Die Nadelindustriel- len. haben sofort dieses Vorbild in geschickter Weise copirt, sie haben auch selbst sich Recht geschaffen und ihre Frei­zeichen in ihrer Industrie selbst anerkannt. Es geht also. Möchten dem Beispiel dieser Branchen noch zahlreiche

5fr.' 169. Erstes Morgrndlatt.;

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Der Zwang; auf allen nach England ausgeftchrten Waaren gesetzlichen Stoffes, und so darf man ruhig sagen: es

*' 1'',ir -3 fieg: eine durchaus

sthüHgesch vor, deren "Ergebnisse sich in einem int Lauft des, Jahres zur Ausarbeitung gelangenden Gesetzentwürfe