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Donnerstag, 1. Januar 1925

Erstes Morgenblatt

69. Jahrgang. Nr. 1

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(Vergl. auch den HandelSteil.)

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in unser Aller Seelen. Wir wollen uns Zu ihm bekennen, damit wir Zeitlosen aus ihm auch Ewigkeit gewinnen-

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Der Berliner Finavzskandal.

Verhaftung der Gebrüder Barmal.

Fernsprech -Anschlüsse i Amt Hansa 91609175

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Jahreswende.

Gshm Tage, Wochen, Jahre,

Regen rinnen

Uhren schlagen

Stürme tragen Glück vorbei

Ist gekommen

Ist gegangen

Immer wieder immer wieder.

modernes Heer und eine starke Marin« haben mit allen modernen Krlegsmitteln, besonders einer starken Luftflotte, und ist bereit, sehr viel Geld darauf zu verwenden, da sie meint, die Zukunft Schwedens hänge davon ab.

Die liberal Partei findet, daß eine Reduktion des Militär^ budgets notwendig ist, will aber in dieser Richtung nicht so weit wie die Sozialisten gehen.

Es ist kaum wahrscheinlich, daß die sozialistisch« Regierung «in Militärprogramm ohne Stütze der Liberalen durchführen kann. Es ist also wahrscheinlicher, daß die Sozialisten ihren Vorschlag so weit modifizieren müssen, daß dieser von den Libe­ralen akzeptiert werden kann. Dann werden sie im Reichstag eine Majorität haben und können ein Programm durchführen.

In Norwegen spielt jetzt die Rüstungsfrage keine große Rolle, und es wird verhältnismäßig wenig davon ge­sprochen. Seit dem Kriege gibt es natürlich auch hier viele Leute, die meinen, daß eine Rüstung für ein kleine« Volk wie das unsrige eigentlich hoffnungslos ist, falls man von einer Großmacht angegriffen wird. Auf der anderen Seite meint man aber, daß, wenn man von Nachbarn umgeben ist, die alle gerüstet und zum Teil stark gerüstet sind, e« ganz un­verantwortlich wäre, nicht selbst gerüstet zu fein, um sich ver­teidigen zu können, falls man angegriffen werden sollte. Es ist auch eine allgemeine Auffaffung, daß In internationalem Verkehr ein Volk, das gerüstet ist, mehr Einfluß hat, als wenn es abgerüstet hätte. Da aber die ökonomischen Verhältnisse unserer Zeit so schwierig sind, sind alle Parteien der Mei- nung, daß es notwendig ist, das Rüstungsbudget so viel wie möglich zu begrenzen. Die Meinungen sind aber sehr ver­schieden, wie weit man in dieser Beziehung gehen darf. Eine Kommission arbeitet seit längerer Zeit mit einem neuen Pro­gramm Nir unser Heer und Flotte, imd es wird versucht, die ganze Schuhwehr auf eine möglichst ökonomische Basis einzu­richten. Besonders von militärischer Seit« wird stark hervor­gehoben, daß man in dieser Beziehung zu weit gegangen ist, und besonders betont man die Notwendigkeit einer längeren Rekrutenschulung als der jetzigen, die nur 48 Tage dauert. Das Militärkomitee hat zwar 60 Tage vorgeschlagen; man | meint aber, daß 90 Sage ein Minimum sein sollten.

Es wird mehr als ein Jahr dauern, bis die ganze ; Rüstungssrage bei uns in Norwegen aktuell wird; denn erst dann ist es zu erwarten, daß die verschiedenen Vorschläge so i weit vorbereitet sind, daß sie unserem Reichstag vorgelegt i werden können, und was dann geschehen wird, ist nicht vor­auszusagen.

Der konflikk Ruppre chk-Ludendorfi.

'S München, 31. Dezbrr (Priv.-Tel.) Zu dem Versuch ben Konflikt zwischen Prinz Rupprecht und Ludendorff bei­zulegen, teilt dieAugsburger Postzeitung'' mit:Die Initiative ging von Ludcndorff miS, der den Boykott, den die bayerische Gene­ralität und die Vorstände der drei bayerischen Offiziersvereini­gungen über ihn verhängt haben, militärisch und gesellschaftlich schwer empfindet. Die Verhandlungen scheinen aber be­reits wieder i n S Stocken geraten zu sein. Auch Rupprecht steht offenbar auf dem Standpunkt, daß es weiterer Verhand­lungen überhaupt nicht bedürfe. Ludendorff brm'chte nur zu er­klären, daß er Rupprecht grundlos beleidigt hat und daß er die Beleidigungen restlos zurücknimmt, bann wäre die Affäre ohne weiteres von selbst beigelegt. Bedingungen, die geeignet wären, Ludendorff auch nur einen Schein von Berechtigung zu seinen Be­leidigungen zu verleihe^ wird Prinz Rupprecht entsprechend feiner bisherigen Haltung nicht annehmen.'

Ein GSrresdenkmal in Koblenz.

Berlin, 29- Dezbr. (Priv.-Tel.) Wie di« .Germania' mitteilt, wird in Koblenz die Errichtung eines Denkmals für Joseph Görres geplant- Das Denkmal soll zum 150. Geburtstag von Görres am 25. Januar 1926 enthüllt werden. Dem Ausschuß, der den Auftus für di« Errichtung des Denkmals erlassen hat, gehören u. a. an: Reichspräsident Ebert, Altbundeskanzler Dr. Seipel,

Gott, daß es dem Liesbaler Pfarrkollegium graute und den Kandidaten vom Examen ausschloß. In Basel dann erweist der Apostat seine tiefe theologische Wissenschaft; er darf nun Pfarrer werden, und die Pfründe wird ihm angeboten. Aber er schlägt die Versorgung aus. Er weiß, daß über seinem Kirchenwissen ein anderer Gott aus ihm predigen würde. Ein unerbittlicher Gott wie jener, der den Prometheus ht Ketten schmiedete; ein strafender Schicksalsgott, mit dem «8 in Ewig­keit zu kämpfen gibt; kein Gott als Schäfer seiner Gemeinde; ein Gott als Widersacher der Titanen; ein Kampfgott gegen die heroischen Menschengötter; welche die Erde gegen den Himmel türmen. Da wußte Spitteler, daß er von Mensch und Menschengott verlassen sei, ging in die Einsamkeit und dichtete seinen Prometheus.

Und wieder sprach das unzeitgemäße Schicksal: Du sollst dein eigenes Zeitmaß leben, wie es dein Wachstum, deine Seele und dein Geist dir vorschreibt. Und Spitteler nahm sich dreizehn Jahre Zeit, um fein erstes WerkProme­theus und Epimetheus" zu vollenden. Sechs volle Jahre trug er es ungeschrieben in Gedanken; sieben schwere Jahre legte er an die Niederschrift der Visionen. Funfund- dreißigjährig, im Jahre 1880, erlebte er fein erstes gedrucktes Buch. Es ist ein gewaltiges, dunkles Gedicht vom Menschen, der nicht von seiner Seele lassen kann, trotzdem ihm Gottes oberster Engel für diese Seele hochansehnlichen Ersatz geboten: ein Gewissen aus Moral und vorgeprägten Werten, nach deren Gewicht und Maß das Nützliche, das Förderliche und der Allgemeinheit Angenehme sorglos gemessen toerben kann. Die Götzen Hett und Seit sind seine Vollstrecker: die schematisch sinnlosen Anhängsel der idealen Worte Wahr­st e i t oder Gerechtig feit, bei deren mittelmäßiger Nutz­anwendung der Logos des Wahren und Gerechten verloren ssing.

So weigert Prometheus dem Abgesandten Gottes feine wahre und gerechte Seele zum Tausch für Heit und Kett. Sie ist ihm der vom allgemeinen Weltgeist durch diePersönlichkeit' geschiedene Einzel-Äeist: das Individuum in höchster Form, der tragische Uebermensch und Selbsterlöser. Er wird der Gnade und des Glucks verlustig gehen. Er wird das winselnde Hündlein" seiner Glücks- und Lebenswünsche erwürgen. Ihm wird derLöwe' des enttäuschten und wild reißenden Lebens tagtäglich folgen und die Reue über das verlorene Lebens-

Die deutsch-französischen Mrtschaftsverhandlungen,

Paris, 31. Dezbr. (Wolff.) Wie berichtet wird, ist der neue fran zSsische Zolltarif, der in Kraft gesetzt werden soll, wenn der diesbezügliche der Kammer bereits vorgelegte Gesetz­entwurf angenommen fein wird, den deutschen Handels­vertragsdelegierten gestern mitgeteilt worden. Diese hätten wegen der Erhöhung der Zollsätze für eine große Anzahl von Artikeln Einwendungen erhoben und gebeten, während der bevorstehenden Feiettage diesen Tarif eingehender zu prüfen, um alsdann im ganzen dazu Stellung zu nehmen.

Der Konflikt zwischen Peru und Chile beigelegk.

Washington, 29. Dezbr. (Europapreß.) Im Jahre 1922 haben die Vereinigten Staaten einen Schiedsrichterposten übernommen, um den Konflikt zwischen Peru und Chile wegen der Provinz Tacna und des st en striche" Arica zu regeln, die Chile nach dem Kriege von 1883 in Besitz genommen hat. Die Vereinigten Staaten haben nun erreicht, daß die chilenische Re­gierung die Provinz Tacna und den Küstenstrich Arica an Peru z u r ü ck g i b t und gleichzeitig eine Entschädigung von 10 Millionen Dollar entrichtet. C o o l i d g e selbst hat sich für das Uebercinkommen, das voraussichtlich binnen zweier Monate unterzeichnet wird, eingesetzt.

Ein Angriff Radeks auf die deutsche Presse.

Moskau, 28. Dezbr. (Ost-Expreß.) V. adek richtet in der Prawda" einen auffallend scharfen Angriff oegen die deutsche Presse, die in den Revaler K o m mu n l sie n u n - ruhe n den Einfluß der Moskauer Sowjetregienmg sehen wolle. Behauptungen dieser Art, erklärt Radek drohend, würden die müh­sam hcrgestellten deutsch-russischen Beziehungenin Frage stellen". An seine Warnungen knüpft Radek eine schroffe Kritik der deutschen Presse, derenBlindheit bei der Abschätzung internationaler Ver­hältnisse" zu der heutigen Lage Deutschlands in erheblichem Maße beigetragen habe.

Führer, hat sich bei verschiedenen Gelegenheiten sehr stark für bi« Notwendigkeit einer Schutzwehr des Landes klar ausgesprochen. Die Sozialisten meinen aber, daß di« jetzigen schweren ökono­mischen Verhältnisse eine bedeutende Reduktion des RüstungS- budgets nötig mache, und unter den jetzigen Verhältnissen in Europa eine solche Reduktion sich verteidigen lasse. Wie be­kannt, ist es die sozialistische Partei, die jetzt die Regierung in Schweden mit Branting als Staatsminister gebildet hat. Es gibt zwar in Schweden auch eine kleine Partei, die ganz ab« rüsten möchte; diese Partei hat aber kein« sehr große Be­deutung.

Die sozialistische Regierung hat dem schwedischen Reichstag einen Vorschlag vorgelegt, wodurch das ganze Militärbudgä sehr stark reduziert und di« Rüstungen auf ein Mini- mum beschränkt werden. Dieser Vorschlag wird von der konser­vativen Partei wütend bekämpft. Diese Partei will ein starkes

der Engel Gottes nieder, da wird ihm die Bürgertrone der Menschenherrschaft angeboten. Aber es erwiderte und sprach Prometheus, der Me und bom Leben Müde, zu dem Engel:

Erhabener Herrl Wohl ist's ein edles Amt, das Du in Deiner Gnade mir gewährst, und wahrlich Schöneres auf Erden kenn' ich nicht, als Gottes Reichs zu warten und zu pflegen, samt an Deiner Statt zu herrschen über Berg und Tal, so daß zu Recht und Satzung sich verwandelt jedes Gute, das ich irgend wünsche, daß ich nach meinem Bilde präge das gesammte Volk, und niemals schafft mein Geist ins Leere, son­dern alles, was ich um mich schaue, eignet sich zu meiner Ar­beit! Damm hab ich alles dies in meiner Jugend Sagen sehr begehret.

Jedoch Du weißt: kurzlebig ist der Menschen Art und zwischen Werden und Vergehen liegt des Schaffens eine kleine Zeit, und wehe Jenem, der sich irrt, es sei durch eignen oder fremden Irrthum!"

Denn Euch ist Irrthum zwar erlaubt und herrlich gleich der Sonne durch die Nebel offenbart sich Eurem Geist durch Täuschung die Erkenntnis, daß Ihr nach gezahlter Buße wüthiger und weiser wiederum beginnt ein neues Streben. Aber also nicht die Erdgebor'nen. Sondern wenn für uns der späte Tag erscheint, der Tag des Rechts, der Wahrheit und Vergeltung, ist verbraucht des Körpers kleine Kraft und eigne oder fremde Reue bringt sie nimmer wieder."

Und drum, dieweil ein böser Irrthum meinen Leib und all mein Wesen hat zerstört, und ist in mir gestorben so der Löwe als das Hündchen, bleibt'» für mich zu spät, und einzig Einsamkeit begehrt mein Herz und erdwärts blicken meine Augen."

Dies schrieb der Dichter vierzig Jahre fror feinem Tode. Damit hatt« er den Tod als Zeitlichkeit bereits besiegt. Pro­metheus mit den Zügen des Herakles blieb sein Lebensheld, der ihn nie verließ. Sein letztes Werk, das seine greisen Hände uns vor wenigen Wochen übergaben, nannte der Alte Prometheus der Dulder". Hier hat er das Bekenntnis seiner Jugend mit der heiligen Ruhe des Alters aus dem wahn­vollen, dunklen Pathos der Ergriffenheit in klare Formen übertragen: deutlicher der Vernunft, aber ohne die dämonische Kraft des Leidens und des Haffes seiner jungen Fahre: ara Kunstwerk ohne gültigen Vergleich mit jenem dunkelfarbigen Gesang aus Not und Gram. Nur die Weisheit ist weiter: denn Me Versöhnung mft der Welt ist der vollendeten Größe gelungen. Nicht dasIch" des ttebermenschen darf die Welt regieren: das niäre irdisch und der Zeitlichkeit noch untertan. Sondern dio ungeheure Formel wird gefunden, durch Die der Genius den Einzelgeist mit dem Eesamtgeist einig werden läßt; sie heißt:Ich-Alle". So ist uns der Dichter als einIch" gestorben: aber fein Tod legt dieses mächtige Ich

Berlin, 31. Dezbr- (Wolff.) DaS Gerücht von der B erhaf- tung des Generakdirrttors Jacob Michael trifft nicht zu; eS dürste durch da» Vorgehen gegen den Barmatkonzern veranlaßt worden sein-

Line Anfrage über den Fall Kukisker.

ch- Berlin, 31. Dezbr. (Priv.-Tel.) Di« sozialdemo­kratisch« Fraktion des Landtag» hat an die preußisch« Regierung fügende Groß« Anfrage gerichtet:

Ist die Staa'Sregierung bereit, Auskunft zu geben über Ur­sachen und Umfang der Mißstände, die sich bei der Kreditgewährung der Preußischen Staatsbank (SeehandlunV) im Zusammenharw mit dem Fall KutlSker herausgestellt haben? Welche Maßnahmen hat die Staatsregie­rung für die Zukunst zur Kontrolle der Kreditpolitik der Staats­bank getroffen r

Die Ellipse der mswärllzen Iolitik.

Rückblick 1924,

W. t. D. Abermals ist der Jahreswechsel für daS deutsche Volk von einer schweren auswärtigen Krise begleitet. So war: es seit dem Zusammenbruch Deutschlands im Weltkrieg Jahr für Jahr. Stets wurde die Festwoche des Jahresendes durch be­sonders bedrohliche äußere Gefahren überschattet. Aber die Sov- gen, die wir heute empfinden, dürfen uns nicht den Mick für das verdunkeln, was das nunmehr abgeschlossene Jahr an Fort­schritten gebracht hat. Beim vorigen Jahreswechsel stand üb ec* Haupt noch Deutschlands Existenz auf dem Spiel. Bange; Monate wirtschaftticher Zerrüttung und innerer Zersetzung Monate, in denen auch der Beste unter den Deutschen zur Verzweiflung geneigt war, lagen hinter uns. Die Entwicklung begann schon hinaufzugehcn, dich wir vermochten ihr noch nicht zu trauen, da ihr noch die Basis der außenpolitischen Regelung fehlte. Am Ende dieses Jahres aber haben wir Aw* laß, an Deutschlands Kraft zu glauben und aus diesem Glauben das Vertrauen, die bestimmte Zuversicht zu schöpfen, daß Deutschland auch die gegenwärtige Krise überwinden wird, daß diese in der großen Linie der deutschen Geschichte nach 1918 nur eine vorübergehende, eine überwindbare Gefahr be­deutet.

DaS deutsche Volk hat allen Anlaß, dem Fahre 1924 dank­bar zu fein. Schweres, Schwerstes steht noch bevor. Aber auf dem Wege der Beruhigung Europas wurden Fortschritte erzielt, die sich auch durch eine rückläufige Bewegung nicht wieder aufheben lassen werden. Jnbezug auf Deutschlands außenpolitische Geschicke war die Londoner Konferenz der Gipfelpuntt' im politischen Werden dieses Jahves. Sie gab der Finanzkraft des Reiches die WiedergenesungSmöglich- keit, indem sie durch Inkraftsetzung des DaweS-PlaneS einen Modus zur ^Regulierung der Deutschland von seinen ehemaligen Kriegsgegnern aufgebürdeten schweren Lasten nach dem Maße der deutschen Leistungsfähigkeit herstellte. Sie bei werkstelligte, daß die gefahrbringende Reparationsftage end­gültig aus dem Gebiet der Politik verschwand. Sie bewirkte, daß das Ruhrgebiet, das wir nach dem Zusammenbrechen des passiven Widerstandes für verloren halten muhten, innerhalb der Frist eines Jahres zu räumen ist Sie führte ein Schieds- sifftem ein, nach dem in Zukunft Streitigkeiten, die noch in' der Sache der Reparationen entstehen können, zu schlichten sind, und sie gab dadurch überhaupt dem Schiedsge» danken in der gesamten europäischen Politik eine Be­deutung, die ihm bis dahin noch nicht zuerkannt worden war. Die Tatsache, daß die Londoner Regelung Deutschland schwerste Lasten und Fesseln aufbürbete, was in Anbetracht der bestehenden politischen Verhältnisse unvermeidbar war, darf dem deutschen Volk nicht die Ertenntnis der von ihr ge­brachten Vorteil« nehmen.

Das Jahr 1924, das Jahr der Wahlen, führte den Um- schwung in Frankreich herbei. Dadurch wurde die Möglichkeit politischer Regelungen erleichtert. Auch «in Poin- cm6 der den Dawes-Plan bereits bedingungslos akzeptiert hatte, hätte wahrscheinlich die Londoner Konferenz nicht sabo­tieren können. Aber möglicherweise hätte dann das Londoner Protokoll doch ander« Züge gezeigt. Di« Grundideen der von der Londoner Konferenz getroffenen Regelung entsprachen dem Glaubensbekenntnis des demokratischen Frankreich, was Herriot bei ihrer Annahme die Rückendeckung durch feine Par- lamentsmehrhett vom vornherein sicherte. So wurde «z dem gegenwärtigen französischen Ministerpräsidenten auch möglich, in den besetzten Rheinlanden wieder die Gesetz« der Menschlich­keit und das Vertragsrecht gelten zu lassen und zur Räumung gewisser im Ruhrkampf vertragswidrig okkupierten Gebiete zu schreiten. Das deutsche Volk, das feit den Verhandlungen der Friedenskonferenz nur mit einem kriegswütigen, rachesüchtigen, imperialistischem Dlachtwillen huldigenden Frankreich zu tun gehabt hatte, hatte Mühe, das Gesicht des neuen französischen Regimes zu erkennen. Das Frankreich Herriots. hat den Wunsch, die Lehren des Pazifismus in die politische Praxis umzusetzen, soweit es die Lage der Politik erlaubt. So wurden die Franzosen die geistigen Führer auf der großen diesjährigen Tagung der Völkerbundsversammlung, auf der von dem dort versammelten halben Hundert von Staaten das Genfer Protokoll aus gearbeitet wurde, dies Instru­ment, das die kühne Zielsetzung hat, den politischen ?>.: .den der Welt organisieren und sichern zu wollen. Es war natürlich nicht bloß Idealismus, der die ftanzösischen Delegierten in Genf dazu bewegte, ihre ganze politische Kunst bei der . Schöpfung dieses internationalen Paktentwurfs spielen zu lassen, sondern sie handelten in erster Linie im Interesse Frankreichs. Es galt ihnen das zweite große Problem, das nach der Regelung der Reparationsftage nwS übrig geblieben war, nämlich die Sicherheitsfrage, einer Lösung ent­gegenzuführen, einet Lösung durch den Völkerbund und nach den Ideen des Völkerbundes. Dies war die Stunde, wo die

Die AbrWimgssruge in den Skandinavischen Ländern.

Von Fridtjof Nansen,

Nansen, bet grofet Forscher, Menschenfreund und Staatsmann, bebatj iu Deutschland kaum einer beson­deren Einführung. Wir Deutsche wissen auch seine Dr- mühungen. Deutschlands Pilot in der VSikcrbundsfrage zu {ein, besonders zu schätzen. Nansen berichtet hier über den Stand der Abrüstungsfrage im Norden Euro­pas, wo die Ideen des Pazifismus besondere Verbrei­tung gefunden haben. Red.

In dm flandinavischm Ländern ist der AbrüstungSgedank« in sehr verschiedener Weise zum Ausdruck gekommen. Am radikalsten ist «r von der sozialistischen Partei in 5) ane ma rl ausgenommen worden. ES gibt in dieser Beziehung in Däne­mark zwei ganz entgegengesetzte Richtungen.

Di« radikale Partei sagt: Bei der modernen Entwicklung der Hilfsmittel des Krieges nützt es einem kleinen Volke nichts, sich zu rüsten. Es ist ja jedenfalls hoffnungslos ver­loren, falls eS fron einem größeren Staat angegriffen wird. Die modernen Hilfsmittel des Krieges sind so kompliziert, so hoch entwickelt und kosten solche ungeheure Summen, daß nur ein großer Staat imstande ist, st« anzuschaffen. Und sie sind so fürchterlich und so vernichtend, daß es ganz hoffnungslos ist, sich dagegen zu wehren, falls man nicht in ähnlicher Weise gerüstet ist und di« notwendigen Angriffs- und Verteidigungs­waffen hat.

Daher hat die jetzige sozialistische Regierung in Dänemark eine vollständige Abrüstung des Landes Borge- schlagen. Man will sich auf eine Polizeistärke oder Gendar­merie von ungefähr 7000 Mann beschränken.

Dieser Politik ist mit einem sehr kräftigen Widerstand, be­sonders von konservativer Seite, begegnet worden. Es wird betont, daß diese hoffnungslose Ansicht demütigend ist, und ein Volk, das sagt, daß es sich nicht gegen Angriffe verteidigen und nicht die dafür nötigen Opfer bringen will, wird von den anderen Völkern als eine quantitß nSgligeable angesehen und dementsprechend behandelt. Viel« sind damit gar nicht einverstanden, daß es ganz hoffnungslos wäre, sich zu vertei­digen; man kann es doch jedenfalls schwierig für einen Feind machen, das Land zu nehmen, wenn auch der Feind viel stärker ist, und falls er gleichzeitig auch andere Gegner hätte, wie es ja gewöhnlich der Fall sein werde, mag es für ihn noch schwerer fein, die nötige Stärke dafür zu verwenden.

Wie e§ sich auch damit verhalten mag, es ist jedenfalls notwendig, imstande zu fein, feine Neutralität zu ver­teidigen und die Grenzen des Landes zu bewachen, um nicht in einen Krieg hineingezogen zu werden. Es wird hervor­gehoben, daß, falls Dänemark während des letzten Krieges nicht imstande gewesen wäre, seine Grenz« und die Territorial­gewässer um die dänischen Inseln herum zu bewachen, und zu verhindern, daß da Kriegsoperationen vorgenommen wür­den, das Land ganz sicher von einer der kriegführenden Mächte besetzt worden und also in den Krieg hineingezogen worden wäre.

Der Konflikt zwischen der sozialistischen Abrüstungspartei und den anderen Parteien, die ein Heer und eine Flotte auf­rechthalten wollen, ist jetzt in Dänemark sehr zugespitzt. Es ist wohl aber sehr zweifelhaft, ob die sozialMche Rraierung ihr Abrüstungsprogramm jetzt im Reichstag' KeMützren kann. Falls es nicht gelingt, wird es gewiß zu einer politischen Krisis führen; der Reichstag wird wohl dann aufgelöst, und 'was eine neue Wahl bringen wird, ist schwer zu sagen. Es scheint mir aber kaum wahrscheinlich, daß die dänische Land­bevölkerung eine vollständige Abrüstung des Landes wünscht, und man wird wohl bann einen Ausweg finden, um ein Heer und eine Flotte in einem beschränkten Maßstab zu behalten.

In Schweden sind die Verhältnisse in dieser Beziehung ziemlich verschieden. Schweden hat ja seine militäre Traditionen, und die Zeit, in der Schweden eine Großmacht war, liegt ja nicht so fern, daß sie nicht auf viele Leute noch einen Einfluß ausüben könnte. Die konservative Partei in Schweden ist verhältnismäßig sehr militaristisch und .will eine sehr starke Armee und Flotte haben mit einet mög- lickst modernen Ausrüstung und will, daß die nötigen Mittel dafür bewilligt werden sollen. Sie meint, daß die Zukunsts- auSsichten nicht beruhigend sind. Sie steht, daß verschiedene Völker in ihrer Nachbarschaft, jedenfalls nicht weit entfernte, verhältnismäßig stark gerüstet sind, und sie fürchten, daß der Völkerbund nicht imstande sein werde, in allen Fällen einen Krieg zu verhindern. Daher sei es nötig, auf solche Even­tualitäten vorbereitet zu sein.

Die liberale Partei in Schweden will auch eine Schutz- < wehr haben, wenn sie auch meint, daß die Zeit es jetzt erlaube, < eine Reduktion des Rüstungsbudgets vorzunehmen. Ja selbst die ; sozialistische Partei, mit Herrn Hjalmar Branting als 1

Berlin, 81. Dezbr. (Priv.-Tel.) DaS Vorgehen der Berliner Staatsanwaltschaft gegen einige der neuen Berliner Finanzkonzerne hat heute vormittag zu einer neuen Sen­sation geführt Die Inhaber des Barmatkon- zsrnS, der außer mehrere Banken, darunter der Deutschen Merkurbank, ein« Reihe fron Jndustrieunternehmungen um­faßt, wurden vorläufig in Hast genommen. Festge­nommen wurden die Brüder JulruS, Salomon und Henry Barmat. Sie wurden sofort der Staatsanwaltschaft zugeführt die eine N a ch p r ü f u n g ihrer Kreditgeschäfte vor­nehmen will. Außerdem ist frerankaßt worden, daß bei den einzelnen Betrieben des Barmattonzems weitere geschäftliche Maßnahmen bis zum Abschluß der Untersuchung unterbleiben. Der Barmatkonzern hat auch Verbindung mit der Seehau o- lun g gehabt und von ihr Kredit« in namhafter Höhe erhal­ten doch wird von dieser Seite ertlfirt, daß in der Geschäfts­verbindung mit der Staatsbank kein Grund für die Festnahme llrer Brüder Barmat erblickt werde. Es ist überhaupt noch ganz unklar, welcher Art die Beschuldigung ist, auf die hin der Staatsanwalt gegen den Barmatkonzern vorgegangen ist. Außer den drei Brüdern Barmat wurde auch ein Sohn Iu liur Barmat jun. festgenommen. Der vierte der Brüder, Da­vid Barmat, befindet sich zurzeit geschäftlich in Hollan d- Zn den Wohnungen der vier Herren wurden die Telephone gesperrt und Haussuchungen vorgenominen- Auch in den Räumen der Deutschen Merkurbank wurde eine Haussuchung vorgenommen und eine Anzahl von Büchern beschlagnahmt

Die 84 nun breite Nenner»- Zeile in den blättern 65 Pfennige, im Abendblatt 75 Pfennigs, Die 76 mm breite Reklame-Zeile 5- RAI. Stelleageeech* 35 Pfennige; Familienanzelgen die doppel breite ZeiHi 65 Pfennige. Plate- und Daten Vorschriften ohne Ve$*a bindlichkeit. Anzeigen nehmen an: Goschäftotelle Frankfurt a. M., Große Eschenheimerstr. 3b87? Schiller- straße 20 and unsere auswärtigen Geschäft «teilen 3 Berlin, W. 9, Potsdamerstr. 133, Dresden-A., Waisenhaus- strafte 9, Stuttgart, Poststraße 1. München, Porueasir. h, Offenbach e, Biebererstr. 84; ferner für die ßchweizs Fritz Ewert, Krouxlingen, postlagernd, und für Oester«« leich unsere Geschäftstelle Wien I., Woilzeile 11; außer«* dem unsere Agenturen und die Annoncen-Expeaitioneg||i

Vertag end Druck i Frankftorter Sodetitti -Druckerei 6.b, Kitz Postscheckkonto Frankiert (Mato) 4430

Herr Marr, der preußisch« Ministerpräsident Braun, der baye­rische Ministerpräsident Held und eine Anzahl kirchlicher Wür­denträger mit Kardinal Schulte an der Spitz«.

ch- Berlin, 31. Dezbr. (Priv.-Tel.) Reichskanzler Marx ist wieder in Berlin eingettoffen.

Unverlangte Einsendungen en die Bedaktica sLsch Rückporto können nicht xuröckgesandt werden.

Spitteler.

} Geb. 24. April 1845. Gest. 29. Dezember 1324.

g; Von Bernhard Diebold.

Mit dem vergehenden Fahr, mit der täglich sterbenden 'Zeitlichkeit ging der Dichter Carl Spitteler hinüber in das immerwährende Reich, das wir als Menschen zeitlos nennen, well nur der allmächtige Gott die Ewigkeit zu messen toeiß. Spitteler war unzeitgemäß; in steter Vorbereitung auf das Ewige. Wir Heutigen, gehetzt vom Tempo der Maschinen, er­leben weder Zeitlichkeit noch Ewigkeit. Im banalsten wie im allerticfften Sinne: wir habenkeine Zeit". Wir empfinden nur Zeitpunkte; aber nicht die Linie der Kontinuität. Spitteler aber hielt Richtung. Wir rasen von Geburt zu Tod durch Milliarden Augenblicke. Aber wir halten keine Kurve ein, die fron der Richtung unserer Lebens mit Notwendig­keit bestimmt über sie Todesgrenze hinauLführt ins Ewige. Der Tag wird kommen, wo wir sterben r ssen und unser fliehendes Leben mit Jammern und Geheul die Zett als Ewigkeit zu retten sucht. Spitteler ist zeitlos. Sein Tod ist ein ruhiger Schritt ins Ueberzeitliche: für uns ein Anlaß der Vertiefung und Erhebung. Er war der groß« Unzeit­gemäße wie Nietzsche, jener Andere, der seine Zeit auch nutzte um über seine Zeit hinaus zu leben. Unzeitgemäß zu sein mar Spittelers Tragödie der Verkennung. Unzeitgemäß zu sein war seine Größe, di: ihm das ewige Gedächtnis sichert.

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| Unzettgemäßheit war sein Sch'cksal. Es sprach zu ihm:

lainnda-Beraif: durch die Pcstenstelten. unsere AgenttUiB und die Geschäftete!!, in Frankfurt am Maln.

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Wöchentlich 19 Ausgaben. Beilagen:

Das Technische Blatt Das Lileraturblatt Das Blatt für Hochschule und Jugend Das Bäderblatt

Bet Störungen durch Miere Gewalt oder Streike Manen Ersaltansprtcte tickt beräckslckdgt werd»

Unzeitgemäßheit war des Dichters Schicksal. Was galt den Kritikern der achtziger Jahre ein orphisch dunkler Prediger! Was vermochte der Naturalismus vor 1900, der Schiller miß­verstand, mit gereimten Jamben ! Was tat die spielerische Neu- romantik mit Helden, die mehr Kraft als Nerven hatten! Was sagte den Expressionisten ein -Heldentum, frag, griechische Namen trug! Viele wußten, daß Spitteler irgend ein alter Dichter war; ganz wenige hatten eine Zelle seines Werkes gelesen. Der Nobüpreis, der ihm verliehen ward, trieb einen Ruhm ohn« Echo.

Prometheus und Epimetheus" blieb «in unverstandener Mythus, der die Ideen Nietzsches vom Uebermenschen, von der Umwertung der Moral, vom Herren- und vom Sklaven­menschen zu einer Zeit verdichtete, alsZarathustra" noch un­geschrieben war. Zwei Propheten erlebten dieselbe Vision, zur selben Zeit, in derselben Stadt. Sie kannten sich! faum;i nur der Zeitraum hielt sie im gleichen Fieber. Als Nietzsche tot war, hörte man aus Zarathustra. Nun Spitteler tot ist, wird für ihn Prometheus reden?

O nein, Leichtgläubige, so dürfen wir nicht hoffen, nachdem Zarathustras Predigt im Wind der raschen Zeit beinahe verweht. Prometheus ist ein Buch für Wenige. Mit sieben Siegeln ist es dem profanen Geist verschlossen. Es geht uni Helden! Den schweren Mythus, will die schnelle Zeit nicht tragen.

ImOlympischen Frühlrng" aber tmrb Spitteler die Zeit dereinst besiegen. Hier findet Jeder sein Geschick und Abbild. Hier mischt sich Bild und Gedanke gleicherweise: die Farbe wird nicht blaß vor der Idee. Hier ist dir unbegreif­lichste Einheit von Stil und Realität, von Pathos und Humor, zu Augenschein und Wirtlichkeit geworden. Von 1900 bis 1906 leistet er das Werk; von 1906 bis 1910 wird eine zweite Fassung endgültig. Zehn Jahre Arbeit und fünfimdsechziz Fahre Lebensreife!

In diesem Epos von über 18 000 Zeilen, wird die Mensch* heit zwischen Tod und Leben aufgeführt. Es find griechische Namen, doch gegenwärtige Europäer, die die Rollen spielen Der Göttergeneration des Kronos ist der Tod bestimmt; eilt neues Zeitalter mit neuen Gottern wird aus dem Schlaf des Tartarus erweckt, den Morgenbcrg hinangeführt und in den Himmel der Jugend auf Flügelrössen hochgetragen. Dann männlich reif zum Kampf ums Dasein auf das Feld Agon getrieben, wo um dft Herrschaft der Welt gerungen wird. Apoll und Zeus sind Gegenspieler: der Eine die Idee, die Kunst, die Reinheit: der Andere die trotzige Große und die M a ch t.- Der Eine höchster Priester und Erschüuer; der Andere oberstes Herrscher und ein Held der Daten.. Nach Anankes Willen^

Im ganzen kann eS-aber gesagt werden,, haß' unsere Schutz-^ wehr so klein ist, daß es kaum möglich wird, in der Abrüstung weiter zu gehen, falls man nicht Heer und Flotte ganz auf­geben will.

Franlikurler Zeiluna

fr'"« I und Handelsblatt.^ °

A«gr»ad«1 von Leopold SeBeeweee. Amt Hansa 91609113

glück entfachen. Aber er wird kraft seiner strengen Seele den Teufel Behemot besiegen, der die Himmelsgüter raubt: die idealen Kinder des Gottesengels, die Hoffnungen des Lebens .und der stetig wachsenden Menschheit. Sie zu retten bedarf es Du sollst Dich selber fein und nicht ein bloßer Dienst- i mehr als des moralischen Rechttüms, mit dem der schwache beflissener des Zeitgeists. Du sollst nicht an den Gott. des König Epimetheus im Namen Heils und Keils regiert. Jetzt Anderen glaub'"!, bevor Du selber nicht im brennenden Dorn- braucht die Zeit die große Leidenschaft: die Seele. Da steht husch den Gott von Angesicht zu Angesicht gesehen. Und Prometheus mächtig auf aus seiner Einsamkeit und rettet die Spitteler, der Theologiestudenst sah eitlen so furchtbaren Himmlischen, Da braust der Ruhm, da flattert tief beschämt