Mr. 161. Zweites Morgenblatt. AemMittjiM Achrzar.

Sonntag, 11. Juni 1905

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IMF Des Pfingstfestes wegen wird das »achste Blatt Dienstag Müh ausgegeben und versandt.

Eine offiziöse Auslassung zum plötzlichen Schluß der Reichstagssession.

M Berlin, io. Ium, 9 N. (Priv.-Tel.) Die in Blättern verschiedener Partcirichtung andauernd auftauchen- den Klagen über den plötzlichen Schluß der Reichstagssession, die übrigens, soweit sie parla­mentarischen Federn entspringen, nicht immer von hochpoli- tischen Erwägungen beeinflußt erscheinen, geben derNordd. Allg. Ztg." Anlaß, in einem offiziösen Artikel noch einmal zu versichern, daß eine Brüskierung des Reichstags nicht beabsichtigt gewesen ist. Die wiederholte Vertagung fei inkonskturionell und würde allmählich zu einem Zustande der permanenten Tagung des Reichstags führen. Wir selbst haben schon wiederholt darauf hingewiesen, daß der Schluß der Session nicht durch eine Mtzliche Entschließung der Regierung ober, wie manche andeuten, gar des Kaisers ent­standen ist. Ein unwiderleglicher Beweis dafür ist ja, daß in derFrankfurter Zeitung" wochenlang vorher mehrfach mitgeteilt worden ist, daß die Regierung die Absicht habe, den Reichstag zu schließen und nicht, wie es manche Par­teien, namentlich das Zentrum, aus parteipolitischen Erwäg­ungen wollten, zu vertagen. Es mögen diese Absicht nicht alle Parlamentarier und n<cht alle Fraktionen gekannt haben, denn die Regierung hatte kein Interesse, ihre Absicht bestimmten Fraktionen mitzuteilen, die gewisse von ihnen eingebrachte Anträge gern in das nächste Jahr hinübergc- schleppt hätten. Andere Fraktionen haben es aber gewußt und haben die Regierung in ihrem Beschlusse bestärkt. Der Zeitpunkt des Sessionsschlusses nach Zeit und Stunde stand natürlich von vornherein nicht fest. Wäre der Reichstag be- schlußfähig gewesen, sodaß er die Kamerun bahn und das Börsengesetz hätte erledigen können, dann wäre selbstverständlich der Schluß der Session erst nach dieser Erledigung erfolgt. Er ist erfolgt, nachdem sich hcrausge- stellt hatte, daß an die Erledigung der noch ausstehenden umstrittenen Vorlagen überhaupt nicht zu denken war. Zu- tr&fenb schreibt in dem erwähnten Artikel dieNordd. AG. Ztg.":

Zweifellos ist es bedauerlich, daß so viel unerledigtes Material auf der Strecke geblieben ist. Allein hieran trägt in erster Linie der Reichstag selber die Schuld, dessen Fähigkeit, die Geschäfte fortzuführen, ein mit dieser Raschheit doch nicht zu erwartendes Ende genommen hat, so daß nichts übrig blieb, als ohne Rücksicht auf das noch aus­stehende Arbeitspensum den Verhandlungen dieser Körper­schaft ein schnelles Ende zu machen. Ter Schaden, den der Reichstag dadurch erleidet, daß wichtige und mühevolle Vorarbeiten in den Kommissionen nun unter den Tisch fallen, ckst aber, wie wir bereits früher angedeutet haben, bei weitem nicht so groß, wie er nunmehr von einzelnen Organen und Reichstagsabgeordneten dargestellt wird. Als wertvolles Material bleiben ja die Kommissionsarbeiten dem Reichstag insofern erhalten, als es ihm unbenommen bleibt, bei Wiederkehr der nun im Orkus versunkenen Vor­lagen dieselben Kommissionen wiederzuwählen, die so in raschem Zuge, basierend auf den früheren Besprechungen und Entschließungen, die Beratungen bis zu dem Punkte führen können, den sie in der verflossenen Session erreicht hatten. Ein noch einfacheres Verfahren stände aber in den Fällen offen, wo die Kommissionen ihre Aufgabe bereits bis zu Ende durchberaten haben, indem hier vom Plenum von einer Kommissionsberatung überhaupt abgesehen und die Kommissionsbeschlüsse als Anträge in zweiter Lesung ein­gebracht würden. So betrachtet, sieht man wirklich keinen Grund, weshalb sich manche, wenn auch durchaus nicht alle, parlamentarischen Kreise so sehr darüber aufregen, daß diesmal kraft Kronrechts betreffs Beendigung der Ses­sion ein Verfahren eingeschlagen worden ist, auf das man, als der Regel enffprechend, sich von vornherein gefaßt machen mufjte.

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Deutsches Reich.

* Frankfurt, IO. Juni.

Das Schicksal der Berggesetze im Herren- Hause wird sich erst gegen Ende des Monats entscheiden; bis dahin wird man gut tun, alle Meldungen über Annahme oder Ablehnung mit Vorsicht aufzunehmen. Neuerdings

wissen einige Blätter zu berichten, das Herrenhaus würde die Stillegungsnovelle und die Mutungs­sperre nicht annehmen. Bei dem Stillegungsgesetz wäre Die Gefahr einer Verschiebung nicht sehr groß, immerhin muß sich iedoch das Herrenhaus gesagt sein lassen, daß ein verneinender Standpunkt in dieser Frage zu neuen Zechen­stillegungen führen kann, für die dann das Herrenhaus die Berantwonung träfe. Anders liegen die Verhältnisse bei der Mutungssperre. Der vom Abgeordnetenhaus angenom­mene Antrag König ist keineswegs fehlerlos, indessen war hier Gefahr im Verzüge. Wer hier die Allgemein- Jntcressen in Zukunft wahren will, der muß zunächst zur Sperre greifen. Hier ließen sich die Versäumnisse eines Jahres überhaupt nicht wieder gut machen, es wäre das ein Fehler allerschlimmstcr Art. Der Zentrums- presse macht das Schicksal der Bergarbeiterschuhnovelle im Herrenbause besondere Sorge, obgleich hier bei einer Ab­lehnung ooch wenigstens die Berufung an den Reichstag bleibt. So verlangt dieKöln. Volksztg." einen katholischen P a i s s ch u b; sie schreibt:

Das Verhältnis der Wcstclbier zu den Ostelbiern ist im Herrenhause so überaus ungünstig, daß es dringend einer Ausgleichung bedarf, aber, noch mehr lechzt das Verhältnis der Katholiken zu den Protestanten nach Parität. Das Herrenhaus kann doch nicht ewig in dieser o st e l b i s ch - prote st antischen Exklusivität erhalten bleiben, und die Interessenten müssen einmal kräftig auf den Tisch schlagen, das die Regierung das hört. Sollte es nun anläß­lich der Berggesetznovelle zu einem Pairsschub kommen, so bietet sich für die Regierung die gute Gelegenheit, zwei Flie­gen mit einer Klappe zu schlagen: sie kann zugleich die Berg­gesetznovelle durchbringen und die Zurücksetzung der West- elbier und Katholiken gegen die Ostelbier und Protestanten aufbessern. Zu diesem Zwecke wäre die Ernennung von einem paar Dutzend katholischer Notabeln aus den westlichen Provinzen zu Mitgliedern des Herren­hauses ein vortreffliches Mittel.

Ganz ausgezeichnet! Noch besser für den Bergarbeiter- schutz wäre es freilich, wennein paar Dutzend" strammer Linksliberaler und Sozialdemoftaten in das Herrenhaus ge­schoben würden. Endlich ist diese ganze Art, eineBolk"- Vcrtretung zusammenzusetzen, geradezu grotesk, und es ist unerträglich, daß ein derartiges Haus jeden Fortschritt hemmen kann. Die beste Parole ist Demnach : Weg mit dem Herrenhaus!

N Berlin, 10. Juni, 9 N. (Priv.-Tel.) Der Kaiser hat an den Oberbürgermeister Kirschner folgende K a - binettsordre gerichtet:

Nachdem der Festjubel verrauscht ist, der die Feierlichkeiten der Vermählung meines Sohnes, des Kron­prinzen, und insbesondere der Einzug seiner erlauch­ten B r a u t in meine Haupt- und Residenzstadt Berlin be­gleitet hat, drängt es mich, meinem aufrichtigen Danke Andruck zu geben für die freudige Teilnahme, welche die Stadt Berlin und ihre Bürgerschaft in den verflossenen Tagen in so erhabener Weise bekundet haben. Ich habe mich außerordentlich gefreut über die ebenso groß­artige, wie geschmackvolle Gestaltung der historischen Ein­zugs- und Fesistratze, die prächtige Ausschmückung der öffent­lichen und privaten Gebäude, sowie die musterhafte Haltung des Publikums. Das herzliche Willkommen, mit dem meine geliehteSchwiegertochter begrüßt wurde, die sympathische Aufnahme meiner hohen Festgaste in Berlin und die mannig­fachen freudigen Zurufe haben mich von neuem erkennen las- Sri, welch begeisterten Widerhall das Glück meines Hauses in n Herzen der Berliner Bürgerschaft findet. Ich ersuche Sie, den städtischen Behörden und der gesamten Einwohner­schaft Berlins meinen wärmsten Dank für alle Kundgebun­gen treuer Anhänglichkeit bekannt zu geben. Berlin, 10. Juni 1905. gez. Wilhelm.

Man merkt, der Verlaus der sestlickM Ta^e hat Wil­helm II. sehr befriedigt. Noch etwas weiter in der Aus­deutung des Massenandranges und der Haltung der Be­völkerung geht dieNordd. Allg. Ztg.". Sie meint, daß unverhohlener, aufrichtiger Enthusiasmus sich nicht bloß der oberen Zehntausend, sondern gerade auch der breiten Volksmassen bemächtigt habe, deren politische Bearbeitung sonst die Sozialdemokratie als ihr Vorzugsrecht in Anspruch zu nehmen sich mühe. Und dann fährt das offi­ziöse Blatt fort:

Daß die Sozialdemokratie dem Herzen des Volkes Steine statt Brot gibt, das läßt sich bei solchen Gelegenheiten am besten konstatieren, wo die Parteiparole plötzlich versagt und die Liebe zum Vaterland und die Anhänglichkeit an das an­gestammte Fürstenhaus mit elementarer Gewalt auch in sol­chen Kreisen sich wieder anmeldet, die von der Sozialdemo­

kratie gewiß längst in ihre eigenste Domäne eingerechnet worden waren. Freilich, ohne Kampf ließ die sozialdemo­kratische Presse diese Erweiterung eines Familienfestes am kaiserlichen Hofe zu einer Feier der erweiterten Familie, des gesamten Volkes, nicht über sich ergehen. Die ganze Be­geisterung, die auch ein Blinder mit Händen greifen konnte, existierte für diese Presse nicht, die durch ihr Verhalten wie­der einmal bewies, daß sie dafür nicht das geringste Ver­ständnis besitzt. Um so erfreulicher war der spontane Aus­druck der auch in den Massen fortlebenden Empfindungen inniger Anhänglichkeit, die eine sichere Gewähr bietet für die ForUiauer der für Volk und Vaterland so segensreichen inne­ren Gemeinschaft zwischen Herrscherhaus und Nation.

Die Psychologie her Volksmenge bei großen militärischen Schauspielen und Festlichkeiten des Hofes und beim persön­lichen Erscheinen des Kaisers in der ^Öffentlichkeit ist ein schwieriges Ding! Es zieht da mancher den Hut und ruft auch Hurra, der bei den Reichstagswahlen in der Hauptstadt einen sozialdemokratischen Stimmzettel abgibt. Und nicht jede festliche Begeisterung gibt einen sicheren Maßstab für die politische Gesinnung oder gar für das Verhältnis zur M larchie und zur Person des Monarchen. Die Sozial- dex efrotie hat Mitläufer neben den überzeugten Anhängern. Dst Monorchie und der Kaiser haben auch sehr viele Mit- läp er außer denen, die aus Tradition und Ueberzeugung zu ihmn stehen.

* M inheim, 9. Juni. Der W. S. C. (93 e r 6 ö n b der C 0 rps der technischenH 0 chsck> ulen), der hier tagte, faßsi tot Frage derakademischenFreiheit einstimmig folgende Resolution:

Ter Weinheimer Senioren-Konvent steht fest und einmütig auf dem Boden der in Eisenach und Weimar ge­iahten Belchlüsse des Verbandes deutscher Hochschulen und hält es sür seine Pflicht, für die Wahrung studentischer Interessen und sür die tatkräftige Unterstützung der bedrängten Studentenschaftm nach Kräften einzutreten.

Süd-Amerika.

Wirtschaftliches aus Argentinien.

S Rosario, 12. Mai. Der Reichtum Argentiniens be­ruht ohne Zweifel auf Ackerbau und Viehzucht. Was an Mineralien noch in den südlichen Territorien sowie in dm Anden ruht, das wird die Zukunft lehren, wenn diesen Reichtümern mehr Interesse geschenkt wird als bisher. Gerade in letzter Zeit sind verschiedene Gründungen zur Ausbeutung dieser' verborgenen Reichtümer erfolgt. In London bildete sich eine Gesellschaft zur Ausbeutung von Kupferminen, welche reich mit Gold und Silber vermischt sind und sich in der Provinz Catamarca befinden. Im Feuerland arbeiten bereits verschiedene Goldwäschereien mit Erfolg; kürzlich wurde eine neue Gesellschaft mit großem Kapital zur Ausbeutung dieser Betriebe gebildet. In der Provinz Cordoba bestehen einige Glimmerminen, welche jedoch noch sehr primitiv aus- gebmtet werden. Verschiedene Deutsche betreiben die Aus­beutung dieses gesuchten Artikels, der an Güte hinter dem Glimmer Indiens nicht zurückstehen soll. Ferner finden wir in Cordoba große Marmorbrüche und Kalkwerke. In der Provinz Salta »erben von belgischen Kapitalisten kürzlich ent­deckte Boraxlager ausgebeutet. Das alles sindabernur Anfiknge und cs ist gewiß, daß Argentinien sich mit den Jabren neben einem reichen Ackerbaustaat auch zu einem Industriestaat eniwrckeln wird.

AIS Aclerbaustaak tritt Argentinien von Jahr zu Jahr mehr hervor und die jährlich sich vermehrende Einwanderung erschließt immer neue Ländereien. Im letzten Jahre hatte Argentinien einen Zuwachs von rund 100,000 Einwanderern zu ver­zeichnen , eine Ziffer, die bisher unerreicht dafleht. Vor­nehmlich sind es Italiener und Spanier, welche hier einwandern, in letzter Zeit auch sehr viele Russen. Der Zuwachs aus dem Heimatlande ist geringer. Im Jahre 1895 waren annähernd 5 Millionen ha angebaut, heute sind es bereits über 12 Millionen, die unter dem Pflug stehen. Die Produktion der drei Hauptprodukte, Weizen, Mais uns Leinsamen wird sich auf annähernd 8 Millionen Tonnen belaufen, über eine Million mehr als vergangenes Jahr. Argen­tinien ist ohne jeden Zweifel dazu berufen, einer der ersten, vielleicht der erste Ackerbaustaat der Welt zu werden. Was Viehzucht, namentlich Schafzucht anlangt, so stehen wir obenan. Mit einem Stock von 120 Millionen Schafen dürste Australien überflügelt fein. Und doch hat sich in den letzten Jahren die Wollproduktion vermindert. Nach der Statistik wurden im Jahre 1899 231.000 t Wolle exportiert, die höchste bisher erreichte Menge. 1901 waren es nur noch 223,000 t und gar 1903 sank ine Ausfuhr aus 193,000 t. Die Ursache

liegt in dem enormen Wachsen de? Exports lebender Schaff 1899 wurden rund 2i/z Millionen Tiere ausgeführt, im letzte» Jahre betrug der Export bereits 2 Millionen Tiere mehr. Ver­suche mit Seidenzucht und der Anbau von Baumwolle, bet itt den letzten Jahren stets in der Zunahme begriffen ist, lassen uns hoffen, daß auch auf diesem Gebiete Argentinien sich einen Platz' aus dem europäischen Markte sichern wird.

Generalversammlung des Weröandes deutscher Wergaröeiter.

Af Berlin, 10. Juni. (Priv.-Tel.) Der Verbau 8 deutscher Bergarbeiter trat heute hier im Ge­rn e r k s ch a f t s h a u s e zu seiner alle zwei Jahre statt», findenden ordentlichen Generalversammlung zusammen. Die Verhandlungen stehen natürlich noch völlig unter dem Eindruck des letzten Streiks. Der Vor­sitzende Sachse erinnerte in seiner Eröffnungsrede ort den von allen vier Organisationen einberufenen a l l g e » meinen Bergarbeiterkongretz, der vor weni­gen Monaten im selben Saale getagt habe, um die Stellung der Arbeiter zur Berggesetznovelle klarzulegen-' Die Stimme der Arbeiter fei ungehört verhallt; die Bei schlüsse des Abgeordnetenhaus es bedeuteten! einen schmählichen Verrat an den Berglens t e n. Darin seien alle vier Organisationen einig.

Die Versammlung begann sodann mit der Beratung der vcm Vorstand vorgeschlagenen Beitragserhöhung» Während sonst alle großen Zentralverbände ihre Beiträge! im Laufe des letzten Jahnzehnts stark erhöht und dadurch ihre finanzielle Leistungsfähigkeit fest gegründet habens sind die Beiträge des Bergarbeiterverbandes trotz allen Bemühungen des Vorstandes nicht über 20 Psg. pro Woche hinausgegangen. Der Streik hat in diesem Punkte! erzieherisch gewirkt. Die Bergarbeiter des RuhrrevierS sind heute von der Notwendigkeit einer erheblichen Beitrags­erhöhung, durch die nicht nur die Streikkasse gefüllt, son­dern auch die Fluktuation der Mitglieder vermindert wird, überzeugt. Der Vorstand schlägt Staffelbeiträge von 30, 40 und SO Psg., je nach dem Verdienste, vor. Eine Opposition gegen eine so weitgehende Erhöhung macht sich hauptsächlich bei den oberschlesischen Delegierten geltend» Von den Freunden der Erhöhung ist ein Teil für einheit­liche Bemessung der Beiträge. Morgen werden die Vere. Handlungen fortgesetzt.

Der Krieg zrvklchenAußtand und Japan.

Roosevelts Vermittlung.

London, 10. Juni. Eine dem Reut-riichm Bureau heule aus Tokio zugegangene Depesche bestätigt, daß dies japanische Regierung bereit ist, der Sin-! regung des Präsidenten Roosevelt Folges zu leisten und Bevollmächtigte zu ernennen, die mit den, russischen Bevollmächtigten in Unterhandlungen treten: sollen. . ;

London, 10. Juni. Das Meuterische Bureau meldet ans Washington, es werde dort als wahrscheinlich angesehen," daß Washington, das den Einflüssen von außen her weniger ja-' gänzlich sei als Paris, zum Orte der Friedensver-' Handlungen der Bevollmächtigten Rußlands und Japans" auserwählt werde. Nach Mitteilungen aus Diplomatenkreisen werde wahrscheinlich B a r 0 n v 0 n Rosen, der früheres russische Gesandte in Tokio, zum Vertreter Rußlands bei! den bevorstehenden Verhandlungen ernannt werden.

0 Loudon, 10. Juni, 8.32 N. Der .Central News' aus Tokio zufolge, stimmte Japan zu, Friedensunter-' Händler ernennen zu wollen, falls Rußland darum ersuckt.

Gerichtszeitung.

O Dresden, 8. Juni. Der als unsicherer Heerespflich- tiger bei dem in Chemnitz liegenden Infanterieregiment eingestellte frühere Stallschweizer Tramstenau mußte fort­während Ivegen Subordinationsvergehen be­straft werden. Selbst im Militärgefängnis hörten diese; nicht auf, und wegen einer Kleinigkeit vergaß er sich zuletzt! soweit, daß er einen Unteroffizier mit einer Schaufel zu mißhandeln drohte, beschimpfte und den Gehorsam verwei-i gerie. Tas Gericht verurteilte ihn für diese Ausschreitung zu 1 Jahr 6 Monaten Gefängnis. Dem Gerichtsherrn war die Strafe zu gering und er legte Berufung ein. Doch vor dem Oberkriegsgericht bekundeten zwei Stabsärzte, nach' ihrer Ueberzeugung sei der epileptische Angeklagte ein g e i- st i g minderwertiger Mensch, dessen Zurechnungs­fähigkeit gänzlich aufgehoben werde, wenn eine starke Ge- mütserregung erfolge. Man hätte nach diesem Gutachten annehmen sollen, das Oberkriegsgericht werde den Angeklag­ten freisprechen und in eine Heilanstalt schicken; es sprach

Feuilleton.

Meuchle KKitde.

Sommerbetrachtungen eines Jung­gesellen.

Von Christensen (Kopenhagen).

Tutor. Uebersetzung

von Julia Koppe 1- Hamburg.

Vielleicht ist das Thema etwas unästhetisch, ich bitte im voraus deswegen um Entschuldigung. Und ich bitte, meine fie­ser, davon überzeugt zu sein, daß nur die Rücksicht auf das Wohlbefinden meiner Mitbürger (und auf mein eigenes) mir diese Zeilen diktiert, deren Quintessenz in folgendem Vorschlag zusammengefaht werden kann:

Wollen wir es an dieser warmen Jahreszeit nicht unterlassen, uns die Hand zu geben?"

Wie häufig ist es mir in diesen Tagen passiert, daß ich, wenn ich einem Sefcnnten begegnete, seinem Händedruck zu entgehen versuchte. Mein Gesicht drückte die größte Freude über die Begegnung aus, meinem Mund entströmten die schönsten und herrlichsten Worte, damit der Betreffende sich nicht gekränkt fühle, wepn ich ihm nicht die Hand bot. Aber umsonst. Eine Hand wird mir entgegengestreckt; wenn ich nicht geradezu unhöflich fein will, mutz ich sie ergreifen. Ich spreche mir Mut zu und erfasse eine Hand, die den Um- ständen nach mehr ober weniger feucht, klebrig oder naß ist. Ich fasse fest zu, um nichts zu fühlen; aber danach kommt der schreckliche Augenblick, an dem ich mich wieder freimachen muß und die beiden Handflächen gleichsam zusammen­kleben. Ich vergesse ganz, auf mein Gesicht zu achten, daS nach und nach den größten Widerwillen gegen den Freund ausdrückt, dem ich so he-zlich entgegenkam.

Ich merke Mißtrauen in den Blicken meiner Freunde, wenn ich ihnen begegne. Oft geschieht es, daß wir unS zögernd gegenüberstehen, am liebsten würden wir uns beide den gewohnten Händedruck schenken; ich lese es in seinen Augen und er es in den meinen; aber wir sind Sklaven einer Macht, die stärker ist als wir selbst. Plötzlich fassen wir uns beide ein Herz und drücken uns mit Ekel die Hand. Hinterher versucht man dann so rücksichtsvoll und diskret wie möglich, seines Taschentuches habhaft zu werden; einige lassen ihre Hand auch sachte die Hosennaht hinabstreichen, was nicht sehr schön aussieht. Ja, es geschieht auch, daß Leute diese sanfte Abstreichung vornehmen, bevor sie einem die Hand geben, und bann wird man von einem Schauder ergriffen, weil man weiß, was einem bevorsteht.

Ein korrekter Gentleman müßte immer trockene Hände haben; ohne mich zu rühmen, kann ich wohl von mir behaup­ten, daß ich bis zum Aeutzersten korrekt bin. Es kommt pie bot, daß mein Kragen cinknjcktt selbst nicht hei her höch­

sten Temperatur; die Schweißtropfen auf meiner Stirn wer­den stets abgewischt, bevor sie eine unangenehme Größe er» reichen. Aber ich kann nicht Herr über meine Hände sein, wenn ich sie nicht für mich behalten darf. Ich setze den Fall, daß ich bei einem Gang über die fashionable Prome­nade 50 Bekannten begegne, von denen 10 Prozent, also fünf, mich anreden, um sich nach meinem Befinden zu erkundigen und mir gleichzeitig die Hand zu drücken (ich selbst Bin zu vorsichtig und spreche in dieser Hitze niemanden an), bann ist meine rechte Hand am Ende der Promenade rot und ver­schwollen und feucht, ganz ungleich der linken, die man in Frieden gelassen hat und die schlank und weiß und trocken ist.

Es ist schon schlimm genug, daß wir den Hut voreinan­der abnehmen müssen. Könnten wir unS nicht wenig­stens den Händedruck ersparen, der, gegeben ober empfangen, gleich unangenehm ist? Könnten wir uns nicht vielleicht bamit begnügen .die äußersten Nagelspitzen gegen« cinanber zu reiben? Am besten wäre es. wir einigten uns über einen neuen Gruß, inbem wir uns z. B. einen Puff mit dem Ellenbogen geben, man könnte sicherlich burch etwas Uebung ebensoviel Innigkeit unb Freundschaft in diese Be­wegung legen, wie in einen Händedruck. Oder wenn wir uns etwa beim Gruß nur auf die Zehen träten? Daran sind wir doch gewöhnt im täglichen Leben! (Lieber Herr Christensen! Düften wir Ihnen ein ganz unschuldiges Mittel betraten, mit dessen Hilfe Sie sich vor solchen Un­annehmlichkeiten am besten schützen können? Ja? Ziehen Sie Handschuhe an! D. Red.)

Kleines Feuilleton.

Ffrankfitrl, 10. Juni.

= [Selifl sind die Friedensstifter!] Aus Bonn schreibt uns ein Leser: Bei den jetzigen Bestrebungen, zwischen Japan und Rußland Frieden zu stiften, dürfte e§ angc. bracht sein, darauf hinzuweisen, daß int Evangelium nach Matthäus geschrieben steht: »Selig die Friedensstifter, denn sie werden Gottes Söhne heißen" (Kap. 5 B. 9, zu Anfang der Bergpredigt). Eine solche Hinweisung ist um so nötiger, als die bräuchliche Fassung lautet: »Selig sind die Fried­fertigen', ein geflügeltes Wort, obgleiches nicht imBüchmann steht; selbst die bisher beste deutsche Uebersetzung, dieWeiz- s ä ck e r s, hält unverantwortlicher Weise an der grundfalschen Uebersetzung fest. Da die Sache allen Fachgelehrten bekannt ist, so führe ich nur an, was der bekannte Straßburger Theolog H. I. H o l tz m a n n in seinem Handkommentar zu den Synop­tikern darüber sagt (1901, S. 203): wie die Verheißung, daß die Friede st ist er (itQrfvonoißl nach Jesu Vorbild Kol. 1, 20. Eph 2,1418; also nicht die Friedfert i gen, waS iiQtfvevovreg Mc. 9, 50 ob.t iißijvtxol Jak. 3,17 hieße) Söhne Gottes sein sollen, an Spot. 21, 7 erinnert". Hoffentlich kommt diese Mitteilung auf irgend einem Wege dem allerchristlichsten Podjedonoszew und dem noch christlicheren Zaren zu Ohren, worauf- sie sich beeilen werden, Frieden zu schließen, oder sich wenigstens genieren, das Friedestiften anderer als tätliche Be­leidigung anzujehen, tote bisher. Dr. L. S.

x sAtts den Annalen der rrrsstschen'Flotte.j Es wird uns geschrieben: Unter allen dramatischen Einzelheiten bet See- schlachtvonTjuschima erregt in Rußland die Uebergabe der vier Panzerschiffe Nebogatows das peinlichste Aussehen, namentlich da diese Fahrzeuge in so gutem Zustande waren, daß sie ohne Unfall die japanischen Kriegshäfen erreichen konnten. In den Annalen der russischen Seemacht sind Wohl große Niederlagen zu verzeichnen, wie die vom Jahre 1790, wo der Prinz von Nassau-Siegen bet Svenkfnnd von den Schweden geschlagen wurde. Damals verloren die Russen 55 Ruder- galeeren mit 400 Geschützen und ungefähr 6000 Mann an Getöteten und Gefangenen. Aber nur einmal in der Geschichte der rus- stschen Flotte ist es vorgekommen, daß ein größeres Kriegs­schiff sich ohne Kampf dem Feinde ergeben hat. Am 11. Mai 1829 begegnete die russische Fregatte »Raphael in der Nähe des Bosporus einem Geschwader von 15 türkischen Kriegsschiffen und ergab sich diesen ohne Kampf. Die Türken be­nannten das erbeutete SchiffFazli- Allah, d. h. Gott hat es uns geschenkt. Kaiser Nikolaus war über das Geschehene außer sich vor Wut. Als die Besatzung des Schiffes nach dem Friedens­schlüsse in die Heimat zurilcktchrte, wurden der Kapitän und sämt­liche Ofsiziere in den Soldateustand versetzt; betreffs des Schiffes aber erließ der Kaiser den Ukas: »Falls es je wieder in unsere Hände gelangt, soll es, als der Ehre unwürdig, die russische Flagge zu führen, den Flammen übergeben werden. Tatsächlich wurde der »Fazli - Allah später bei Sinope von den Russen in Brand geschossen. Wie Unrecht übrigens die Besatzung der Fregatte »Raphael getan hatte, sich den Türken zu ergeben, erhellt aus der Tatsache, daß drei Tage später der »Merkurins, eine kleine russische Brigg von nur 18 Ka­nonen, demselben türkischen Geschwader erfolgreich Widerstand leistete. Die Türken schossen so schlecht, daß sie nur ihren eigenen Schiffen Schaden zusügten. Kaiser Nikolaus aber benutzte diesen Zufall, um seinen Russen und dem glaubensfroheu West­europa tüchtig Sand in die Augen zu streuen und die Legende von derUnüberwindlichkeit der russischen Flotte, die seit der Schlacht bet Tschesme bedenklich verblaßt war, wieder aufzusrischen: Weil die Türken schlecht geschossen hatten, wurde die Bemaituung der Brigg in jeglicher Weise ausgezeichnet und es erschien ein Ukas, kraft dessen auf ewige Zeiten irgend ein russisches Kriegsschiff den NamenPamiatj Merkuria, d. h. »Andenken an den Merkur, zu führen hat.

--- (Heiteres ans Bibelstunden.j Man schreibt unS aus London: Der Religionsunterricht spielt in der englischen Volksschule eine hervorragende Rolle. Der Abgeordnete M a c m a m a r a hat nun in feinem Merkchen:Schulstnben-Hmnor" einige Beispiele von Schüler-Antworten gesammelt, von denen hier eine kleine Auslese geboten sei; es sind vielleicht nicht einmal die besten, nur solche, die sich übersetzen lassen.

Lehrer:Bei welchem Anlaß und zu wem hat unser Heiland die Wofte gebraucht: Bei Gott sind alle Dinge möglich?" >

Kleine Schülerin:Zur Frau, die sieben Manner hatte,"- - "

Bei der jährlichen Prüfung in der Religion stellte bet Schulinspektor einige Fragen aus dem Katechismus r Bei der Taufe wurde an Eurer Stelle ein Versprechen abgelegt, daß Ihr gegen drei Uebel kämpfen würdet. Welches sind diese Uebel?" ,

Die Antwort eines Jungen lautete:Meine Tauf« Paten."

In einer ähnlichen Prüfung stellte der Inspektor art seine Prüflinge die etwas auffallende Frage:Angenom­men, Christus käme in dieses Zimmer und erböte sich, für Euch ein Wunder zu verrichten; was würdet Ihr fort ihm verlangen?"

Kurze Zeit herrschte tiefes Schweigen. Dann ging eine Hand in die Höbe und auf die Frage des Inspektors kam die Antwort:Den Teufel auszutreiben."

Auf die Frage des Inspektors, warum Elffa über den Tod des Sohnes des Sunnaniten betrübt war, kam clg Antwort von einem Jungen die tiefsinnige Beobachtung:

Weil er nicht mit einer Witwe allein gelassen sein: wollte."

Bei einer neulich abgehaltenen Religionsprüfung stellte der Examinator folgende Frage:Welches war die erste Handlung Noahs, nachdem er aus der Arche gekommen toar?"

Ein kleine? Mädchen streckte die Hand in die Höhe und antwortete:Mit Verlaub, Herr; er hat die ersoffenen Menschen begraben."

Lehrer:Was meinte David mit den Worten: Er wolle lieber ein Türhüter im Hause des Herrn fein?" ; >

Junge:Als Türhüter konnte er draußen umher- bummeln, während drinnen gepredigt wurde."

In einer Klasse wurden über die Parabel vom bertorenert Sohn Fragen gestellt. Lehrer:Wer war böse über die Rückkehr des verlorenen Sohnes?" ,

Knabe, nach langem Nachdenken:Das gemästete Kalb."

Ein ebrirürbiger Erzdechant stellt Fragen über dis Taufe.Welches sind die zwei in Katechismus vorgeschries Denen Bedingungen zur Taufe?"

Wasser!"

Ganz recht, Kinder; aber welches ist die andere Bea dingung? Was ist noch notwendig? Weiß es niemand. Nun, kleines Mädchen, was sagst Du?" >

Mädchen:Mit Verlaub, Herr, ein Wickelkind!"

Pfarrhelfer, noch ganz jung, befragt seine Klasse über die Geschichte der Kinder Israel zur Zeft ihres Aus­zugs aus Egypten.Wessen Gebeine haben sie mit sich aus Egypten genommen?"

Sam, einen Augenblick verdutzt, hat einen glücklichen! Einfall.Ihre eigenen, Herr!"-

Warum hat Moses seine Schuhe ausgezogen, als et; sich dem brennenden Busch näherte?"

Achtjähriger Bengel:Um ferne Fuße zu wärmen."

Wie viele Apostel gab es?

Dreizehn," antwortete ein kleiner Jungtz