Bindungen und als solche gültig. Der Einzelne ist der Un- Gebundene und, weiter, eben jener, von dem ich sage, daß er sich stets zugleich für mehr und sür weniger hält als alle anderen. So kann er zum Anderen nur durch oder über den verborgenen Gott. So ist dieser verborgene Gott Bindung, die Bindung oller Einzelnen, Gesetz. Er gleicht in seiner Ver­borgenheit das Große und das Kleine aus und ist dennoch zugleich die Ursache davon, daß das Große gegen das Kleine stehe und der Mensch, sich selber überlassen, maßlos und zer­rissen sei. Ter Gegenspieler des verborgenen Gottes ist der Götze. So einer ohne Augen, mit weit aufgerissenem Maul und einem riesigen Geschlechtsteil. Der Sinn dieser offen­baren Bcrzerrtheit ist, daß es kein Groß und kein Klein gebe oder daß Groß groß (wie beim Geschlechtsteil) und Klein klein und der Mensch mit allem, was er ist, an den anderen gebunden sei und daß es kein Sein außerhalb der Bindung gebe, es sei denn das Sein des Götzen.

Harmonie.

Ein schöne?, ein geistvolles Gesicht. Völlig ohne Eitelkeit. Ein vollkommener Mensch, wenn wir aus dem Gesicht auf den Menschen schließen dürfen. Die Frage ist: Wie, durch welche Pforten usw. dringt die Welt in ihn ein? Denn nichts kann sich in ihn stehlen, nichts durch Verrat, bei Nacht in ihn oder bei ihm einschleichen, das ist klar. (Und doch ist das, was wir seine Verschlossenheit nennen müssen, Offenheit, seine Offen­heit, nur so unterscheidet er sich von einem Ding, einem HauS oder einem Kasten, die alle entweder zugeschlossen oder offen find, fo ist er Person...) Antwort: Er muß und kann nur vom Ganzen bewegt werden, das in ihm ist und an dem er teilhat. Also wird er sich in seinem Sohn auf die rechte Weise perpetuieren und darauf Wert legen, daß es so geschehe. Oder der Sohn wird sich auf die rechte Weise von ihm ablösen und den Vater dort, wo er sich von ihm ablöst, nicht bloßstellen. ,

D i e H a u t.

Der eine (über einen dritten): Ja, er ist reif, wunder­bar reif, überall mtb rundherum reif. Seine gute, alte, run­zelige Haut gleicht der Schale eines Borsdorfer Apfels. Er ist gut, so wie er ist. Gut geworden. Vielleicht hat es in seinem Leben einmal einen Augenblick gegeben, wo er ebenso­gut ein Lump oder Spieler hätte werden können. Es ist so gleichgültig, sich vorzustellen, wie anders er hätte werden können. Darum ist er eben reif geworden, damit wir uns nicht solchen oder ähnlichen Vorstellungen hingeben. Er will

Mittwoch, 1. August 1928 LZ

Erstes Morgrnblutl

Iuhrgung. Uri 868

BEZÜtiö-PBElB

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auch mich ärgern dürfen, wann und wo es mir beliebt. Und wann ich nichts von alledem tue, so will ich gleichgültig sein, so will ich Gleichgültigkeit sühlen und durch diese meine beson­dere und bestehende Gleichgültigkeit von der Empfindung aller anderen wie durch Wall und Graben getrennt sein. Warum darf ich das nicht? Oder warum sollte ich das nicht dürfen?

Zugegeben, wir alle hier dürfen so sein, wie wir wollen, wir alle dürfen also auch gleichgÄtig sein: wer aber darf es sicherlich nicht? Vielleicht verstehen Sie dann besser, was ich meine.

Sie werden tiefsinnig.

Es bleibt mir nichts anderes übrig. Wer also darf es nicht? Trotz allem nicht? Wer allein darf es nicht? Oder bei wem allein würde Gleichgültigkeit oder Indifferenz nur Un­sinn sein, Widersinn? Sie wissen es nicht?

Nein.

Gott. Gott allein ist nicht gleichgÄtig oder vermag es nicht zu sein. Auf keine Weise. Gott allein ist vielleicht ganz und gar Person, ganz und gar Persönlichkeit, während wir hienieden eitlen Körpers und sehnsüchtiger Seele sind und also von einander abhängen und uns gegenseitig bedingen. Sicherlich ist es so und nicht anders. Ich gestehe, daß ich jetzt erst einsehe und fühle, was das heißt: Person sein, Persön­lichkeit (ohne Eitelkeit und Sehnsucht, ohne Launen, ohne Schnupfen, ohne dies und jenes). Ja, ich,begreife noch viel mehr, ich begreife das Entscheidende, daß nämlich der Ausdruck dieser absoluten UngleichgAtigkeit, dieses Auf-der-Spitze- Stehens, dieses höchsten Lebens die Gnade sei und daß sich von der Person als solcher nur die Gnade und keine andere wie immer geartete Wirkung abzulösen vermöchte. Und daß auch wir, so wie wir nun einmal sind, nur aus und von dieser Gnade leben, um dieser Gnade willen Person und da und ausgezeichnet und ungleichgAtig seien. Das wollte ich Ihnen noch sagen. Und jetzt können Sie so sein und das tun und lasten, wie und was Sie wollen. Es ist Mir gleichgÄtig. Gewissermaßen wenigstens.

Der verborgene Gott (deus absconditus).

Wer sich im Innern für kleiner und für weniger hält als alle anderen und doch zugleich für mehr (ein Seelenzustand, den erst das Christentum mit seinemverborgenen Gott" er­möglicht hat), der kann nie das Gefühl haben, daß er dem Anderen etwas sei oder zu sein vermöchte. Man ist dem Anderen etwas einzig und allein durch die Bindungen und dank diesem Darum sind alle unsere Eigenschaften letztlich

Frankfurter Zeitung".)

mit einem rassinierte» Verfahren bi« mit der KnipSzange eingepreßten Löcher äusznfiUlen und den Karte» das Aus- sehen von neu gelösten zu geben.

Die weitere Untersuchung förderte überraschende Ergebnisse zutage. Tschernik Halle für den Vertrieb der Karten eine großzügige Organisation von Helfershelfern unterhalten. Die Karten selbst wurden ihm von einem Breslauer Eisenbahn- beamten, der sie im Dienst unterschlug, zugestellt. Der Beamte konnte bisher noch nicht ermittelt werden. Befand sich Tschernik auf Reisen, so stand er ständig mit dem Bahnbeamten in schrift­licher Verbindung, der alle Karten, die gerade für die Tournö des Fälschers Paßten, ihm entweder durch Luftpost oder eilbrieflich zu­stellte. Wie hoch die Summe ist, die der Fälscher mit seiner Bande insgesamt erbeutet hat, konnte noch nicht ermittelt werden. Von den Beteiligten sind bisher zehn fest genommen, gegen die ein Strafverfahren eingeleitct worden ist. Die ReichSbahndirektion Breslau hat gegen 150 derartiger Karten, die einwandfrei als ge­fälscht festgestellt worden sind, in Händen. Auf Vorschlag der Breslauer Verwaltung sind von der Reichsbahn bereits ent­sprechende Vorbeugungsmaßnahmen gegen ähnliche Fälschungen eingeleitet worden.

Diebische Eise«bah«beamte.

lPrivattelegrammderFrankfwrter Zeitung'.)

»rfc Breslau, 31. Juli. Der Fahndungsdienst der Reichsbahn hat in Breslau eine ausgedehnte Diebstahlsafsäre aufgcdcckt. Seit einiger Zeit wurden in Zügen, die Breslau in den verschiedensten Richtungen verließen, vielfach von den Reisenden aufgegebene Reisegepäckstücke geplündert. Die Reisenden bemerkten den Verlust meist erst nach Verlassen des Zuge?, da das Gepäck wieder ordnungsgemäß verschlossen war. Die Ermittlungen brach­ten das Ergebnis, daß die Diebstähle von zwei Beamten begangen worden sind, einem Zugführer und einem Packmeister. Beide sind bereits ihres Dienstes enthoben worden. Die Dieb­stähle sind durch eine Haussuchung bei den Verdächtigen aufgedeckt worden. Bei dem Zugführer wurden außer zahlreichen entwendeten Gegenständen Nachschlüssel vorgefunden, mit denen er die Koffer geöffnet und nach der Tat wieder verschlossen hat. Der Packmeistcr war anscheinend nur das Werkzeug des Zugführers, der übrigens bisher bei der Verwaltung als sehr vertrauenswürdig galt. Der Packmeister hat ein Geständnis abgelegt, während der Zugführer trotz der Vorgefundenen Beweisstücke leugnet.

Pie Urrtee;eichnrmg dos KeLogg-Vakts.-

(Privattelegramme derFrankfurter Zeitung'.)

Berlin, 31. Juli. Die d e u t s ch e A n t w o r t auf bie. Ein­ladung der französischen Regierung nach Paris zur Unterzeichnung des Kellogg-Paktes ist noch nicht ergangen. Minister Dr. Stresemann wird sür den 20. August in Berlin erwartet; die end­gültige Zusage, der Einladung nach Paris zu folgen, hängt aber von dem Ergebnis Hiner genauen Untersuchung seines G e fund- heitszustandes ab. Es ist indessen nach dem jetzigen All­gemeinbefinden Dr. Stresemanns mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß einer Reise nach Paris keine Bedenken entgegen« stehen. Eingeladen sind die Außenminister der in der Präambel des Paktes genannten Mächte. Ausgesprochen werden die Einladungen von der französischen Regierung, die als Gastgeberin auftritt.

Amerikas Ghins-UsMik.

Washington, 31. Juli. (United Preß.) Mit Bezug auf die bereits gemeldete Note der Nankinger Regierung, wonach Dr. Tschao Schu-wu zum Bevollmächtigten für Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten ernannt worden ist, erklärt das Staats­departement, daß eine weitere Revision von chmesisch- ämerikanischen Verträgen solange zurückgestellt werden müsse, bis sich die inneren Verhältnisse Chinas mehr gefestigt Hütten. Dies beziehe sich hauptsächlich auf die Verträge betreffend die Sonderrechte der Fremden in China.

Der ßridsiarmsche Dmiespalt.

(Drahtmeldungen unserer Korrespondenten.)

Belgrad, 31. Juli. Die seit dem blutigen Ereignis vom 20. Juni vertagte Skupschtina tritt morgen zusammen, um zunächst zu den Vorgängen in der letzten Sitzung Stellung zu nehmen,,Zur selben Zeit werden die Abgeordneten der bemä- k r a t i s ch e n B a u e r u k o a l i i i o n in A g r a m im Saale des ehemaligen kroatischen Sabor eine geheime Sitzung abhalten, in der nach Ankündigung der AgramerRijetsch"epochale Beschlüsse' gefaßt werden sollen.

Die von einer Berliner Nachrichtenagentur verbreitete Er­klärung Stefan Rad lischs über die angebliche Forderung der Kroaten nach Schaffung einer Personalunion wird in Belgrad in schärfster Weise verurteilt. Pribiischewitsch sucht den ungünstigen Eindruck dieser Erklärung dadurch abzusch.vächen, daß er Zweifel in die Authentizität der Erklärung Raditschs setzt, während Raditsch, dessen Gesundheitszustand sich wieder ver­schlechtert Hai, schweigt.

*

T- Wien, 31. Juli. Der stellvertretende Führer der bäuerlich- demokratischen Koalition, Pribiischewitsch, hat in der letz­ten Zeit eine Anzahl Drohbriefe erhalten. Infolgedessen haben die südslawischen Polizeibehörden besondere Maßnahmen zu seinem Schutz getroffen. Auch die Jugendorganisation der bäuer- lich-demokraiischen Koalition hat eine ständige Bewachung einge­richtet. Tie Polizei verhaftete gestern drei Personen, die keinen Grund für ihren Aufenthalt in Agram anzugeben wußten; es wurde nur festgestellt, daß sie aus Mazedonien stammen.

Die Krise im Keichs!arrdlrMd.

Berlin, 31. Juli. (Wolff.) Zur Vorbereitung der für Mittwoch «ngesctzten. Vertreterversammlung .des Reichslaud- bundes fand heute eine Bun d e s v o rstan ds s itz u n g statt, in der, wie das Nachrichtenbüro des VDZ erfährt, die Frage der Einbeziehung des früheren Reichsernährungs­ministers Schiele in die Bundesleitung erörtert wurde. Die Beratungen waren vertraulich und dauern noch an. Für die morgige Vertreter Versammlung wird, wie dem Nachrichtenbüro des VDZ versichert wird, als. voraussicht­liches Ergebnis angenommen, daß anstelle des. ausgeschiedenen bisherigen ersten Präsidenten des Reichslandbundes, des Grafen Kalckreuth, der frühere Reichsernährungsminister Schiele tritt, während der bisherige zweite Präsident Hepp als Vertreter der Bauern im Rcichslandbund sein Amt behalten wird. Der Plan, den Reichsernährungsminister a. D. Schiele als eine Art Oberpräsidenten über Kalckreuth und Hepp zu nominieren, ist endgültig fallen gelassen worden. Dagegen wird noch eine Satzungsänderung dahin be­schlossen werden, daß in den Bundesvorstand, der bisher aus Vertretern der einzelnen Landesteile zusammengesetzt war, von nun ab im Interesse einer strafferen wirtschaftlichen Organisierung die ehrenamtlichen Vorsitzenden sämtlicher Landbünde delegiert.werden sollen. In der zu erwartenden Debatte dürfte auch die Frage der wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Land bundgenossen, schäften eine Rolle spielen. Bekanntlich haben diese Ge­nossenschaften ein Defizit von mehreren Millionen Mark, das allerdings noch nicht so hoch wie das Minus der Raiffeisen­genossenschaften ist.

Kkichmße mtb Heblmßen.

Von Rudolf Kassner.

Der Fakir.

Es sind nun schon zwanzig Jahre her, daß ich ihn in Alla­habad in Nordindien sah. Vor dem Stadttor im Staube sitzend mitten unter Bettlern, Gauklern, Schlangenbeschwörern Alles, was am Morgen aus den Dörfern zum Markte kommt und vor Sonnenuntergang wieder heim will, mußte an ihm vorbei. Zweirädrige Zebugespanne, lange, schlanke Greise^mit Prophetenbärten in enganliegenden, bis an die Knöchel reichenden Röcken, auf kleinen Eseln trabend, halbnackte Büßer mit langem, bis an die Knie herabhängendem Haar, den Leib und die Stirn mit Asche oder Kreide bestrichen, verschleierte Frauen, Bäuerinnen ohne Schleier, Witwen mit durchlöcherten Ohrlappen, aus denen nach dem Tode des Mannes die Ge­hänge gerissen worden waren, Wasserträger, hoher Kasten. zu­gehörig mit Ziegenschläuchen am Rücken, kastenlose Kehricht­feger mit kleinen Besen ans irgendeinem Strauch, freilaufende Kühe, Hammelherden usw. Er war die große Sehenswürdig­keit der Stadt und saß da und glich einem Götzenbild und die an ihm vorbeizogen Tag für Tag, sahen ihn nicht, so wie sie den Ganesha mit dem Elefantenkopf oder einen der zahllosen rot gestrichenen, mit Reiskörnern bestreuten Lingams unter den gewaltigen indischen Feigenbäumen oder, weil wir in einer vornehmlich von Mohammedanern bewohnten Landschast sind, das Grabmal eines heiligen Mannes nicht mehr sehen. So war er da und gehörte zu allem dazu, uttd alles gehörte zu ihm. Das Erstaunliche, seine große Leistung bestand, darin, daß er seit ich weiß nicht wieviel Jahren den rechten Arm cmporgestreckt hielt. Nicht mehr und nicht weniger als das. Der Arm war dürr und hart geworden wie die Arme der ein­balsamierten Mumien in altäghptischen Gräbern. Oder wie der tote Ast eines Akazienbamnes mitten unter belaubten und blühenden, so stak er im leuchtenden, braunen Fleisch des starken, trotz hohem Wer jungen Körpers. Die Nägel an den Fingern glichen Krallen, das Haar an den Händen war wie schütteres, abgestorbenes GraS oder Moos. Der Arm war nach keiner Richtung hin beweglich, und wenn einer gekommen wäre, um ihn mit einer Hacke abzuhauen, so würde es der Fakir ebensowenig gespürt haben, wie der Baum es spürt, wenn der Gärtner einen verdorrten Ast aus der Krone herauS- bricht denn der Schmerz war sür alle Zeiten besiegt. So faß

Das Ansliefernngsdegehrsn.

Die derrtsch-franzSstfcherr Uerchandlmrgerr. Mrva 50 AusUefrrrmgsartLrLge seit 1926.

.(Privattelegramm derFrankfurter Zeitung'.)

"ch- Berlin, 31. Juli. Die Verhandlungen des deutschen Botschafters in Paris, v. H o e s ch, mit Generalsekretär Ber­thelot über das Auslieferungsbegehren verlaufen in der gestern von uns angedeuteten Richtung weiterhin günstig. Man darf annehmen, daß Berthelot und Hoesch nicht nur den «kutan Fall besprechen, sondern bei dieser Gelegenheit auch die prinzipielle Frage behandeln, wie sich ein Modus finden lasse, der für die Zukunft bie auf Artikel 4 des Rhein­landabkommens gestützte eifrige Tätigkeit der Militärs des besetzten Gebietes eindämmt. ES ist möglich, daß nun auch wieder die ins Stocken geratenen Koblenzer Verhand­lungen zwischen dem Reichskommissar für die besetzten Ge­biete und dem frtnzösischen Oberkommissar in Fluß kommen werden. Diese Verhandlungen begannen Ende Dezember 192b unter dem Einfluß von Locarno, mit dem Ziel einer mildern­den Revision der Ordonnanzen. Der hierbei vom Reichs­kommissar vertretene Standpunkt, die Aburteilung deutscher Staatsangehöriger, deren Auslieferung vertragsmäßig ver­langt werden kann, deutschen Gerichten zu überlassen, dürfte nun bei den grundsätzlichen Besprechungen Hoefchs mit Berthelot wieder aktuell geworden sein, wenn er auch für den fraglichen Einzelfall, der mit. dem Auslieferungsantrag wohl erledigt sein wird, nicht in Betracht kommt.

Eine genaue Feststellung der Zahl der Ausliefe­rungsanträge läßt sich nur für die Zeit seit Januar 1926 treffen, das heißt der durch die Ordonnanz Nr. 308 vom 17. November 1925 ermöglichten Wiedereinrichtung des Reichskommiffariats für die besetzten Gebiete. Seitdem sind etwa 50 Auslieferungen verlangt worden. Dem Verlangen ist bekanntlich stattgegeben worden in etwa fünf bis zehn Fällen, die sich auf den ganzen genannten Zeitraum erstrecken, so daß also die Presse der Rechten höchst unvorsichtig war, als sie aus der jetzt schwebenden Angelegenheit innerpolitisch nach strupellofesten Methoden Kapital zu schlagen versuchte. Uebrigens sei daran erinnert, daß der Artikel 4 des Rhein­landabkommens natürlich nicht nur Frankreich sondern auch England und Belgien das Recht des Auslieferungs- Verlangens gibt. Aber sowohl die englischen als auch. die belgischen Behörden haben von diesem Recht bisher keinen Gebrauch gemacht, es sei denn, daß man die Auslieferung von Deserteuren verlangt hat, die nicht auszuführen, für die deutschen Behörden kein Grund vorlag. Formell werden die Auslieserungsverlangen -tont Oberkommissar gestellt, tatsLchiiw gehen sie vom Militärkommando aus. Dieses Verhältnis. und der Umstand, daß für die Aburteilungen Militärgerichte zu­ständig sind, auf die bie Zivilbehörde des Oberkommissariats keinen Einfluß nehmen kann, birgt die besonderen inner- französischen Gegensätze und Schwierigkeiten, die einer be­friedigenden Aenderung des Zustandes mit im Wege stehen. Die einzige wirkliche Lösung ist nach wie bor' die Räu­mung.

Gin Kapitel englischer Geschichte.

Zur Edrvaed-ÄrsgNaphie vmi Sidney Kes.

(Von unserem Korrespondenten.)

E K London, im Juli.

König Edward VII.", die zweibändige Biographie, die Sir Sidney Lee geschrieben hat*), ist ein gewichtiges Werk, so gewichtig, daß es nicht populär sein kann. Aber es verdiente populär zu werden wenigstens der zweite Sonb, der auf 750 Seiten Edward als König und Herrscher schildert denn alles verdient populär zu fein, was uns die ver­rückten Zustände schildert, denen wir den großen Krieg ver­danken. Die Engländer lieben es, Edward VII. als peace- maker zu bezeichnen. Die wilhelminischen Geschichtsforscher sehen umgekehrt in ihm einen Erzintriganten, der Deutsch­landeingekreist" habe. Die Literatur auf beiden Setten ist unerschöpflich, und Sidney Lee trug das Material mit unend­licher Mühe zusammen. Er starb zu früh, um den zweiten Band selbst abzuschließen. Ein unbedeutender Mensch tat das für ihn. Es ist schwer zu sagen, wieviele derunhi,tori­schen" Schlußfolgerungen, die in dem Buch gezogen werden, und die sehr oft den nötigen Takt vermisfen lassen, auf Sir Sidney selbst zurückzuführen sind. Sicher nicht wenige. Dieser Mangel an Zurückhaltung ist ein schwerer Fehler des sonst in vieler Beziehung meisterhaften Buches.

Die Begebenheiten zwischen 1901 und 1910 ermuntern zu einem Vergleich zwischen den beiden Hauptakteuren der euro­päischen Politik, Edward und Wilhelm. Sir Sidney Lee findet die beiden Herrscherin mancher Hinsicht" ein­ander sehr ähnlich: in ihrer Fähigkeit, charmant zu sein in ihrem Mangel an Bildung und ernster Belesenheit, in ihrer Fertigkeit, rasch Informationen anzusammeln und auszunutzen und bie Dinge rasch aufzufassen. Aber Wilhelm, so fa0t See, war voller Launen, Edward dagegen beständig undvolltom- nien.menschlich". In diesem Punkt bestätigt Sir Sidney sein eigenes Urteil nicht restlos, denn an anderer Stelle schildert er mit großer Ungeniertheit die beträchtlichen Störungen im Gemüt des Königs. Wir sehen dann einen sehr reizbaren Herrn, der ganz systematisch seinen Garderobechef als Blitz­ableiter für gelegentliche Wutanfälle gebraucht; oft auch einen schwer leidenden Patienten, der mehr als einmal im Zustand nervöser Erschöpfung zusammenzubrechen droht und nur mit Mühe von seiner Abdankung zurückzuhalten ist. Aber in seinem öffentlichen Auftreten und in seiner Gesinnung wgr Ed­ward VII. ein vollkommener Gentleman. Der größte Teil seiner Erfolge beruhte gerade hierauf. Unter den zahlreichen Beispielen, die das Buch bietet, ist die geradezu großartige persönliche Diplomatie das beste Beispiel, mit der Edward, als er sich entschlossen hatte, die politische Anlehnung nicht in Deutschland, sondern in Frankreich zu suchen, bei seinem ersten offiziellen Besuch die eisige Stimmung der öffentlichen Meinung Frankreichs in eine begeisterte Sympathie nmzuwan- deln verstand. ,

Das ist vielleicht das Bezeichnendste: von den vielen Vor­urteilen, die Edward VII. persönlich und die England poli­tisch gegen sich hatte, verstand er eines nach dem andern mit bewilndernswerter Ausdauer taktvoll zu überwinden. Als er zur Regierung kam, glaubte mancher, das Beste an ihm, sei, daß er der erste Thronfolger Englands sei, der dank seinen sachkundigen Freunden keine Schulden mit auf den Thron bringe. Als er starb, wußte England, daß das Land einen seiner bedeutendsten Könige verloren hatte,, und Europa seinen Führer, so meint Sir Sidney Lee, im Glauben, daß Edward den Sturm von 1914 zu meistern verstanden hätte. Was ihn dem Herzen des Volkes näherbrachte, war nicht seine Politik oder Diplomatie denn wer wußte davon und wie­viele kümmerten sich darum? sondern die natürliche Selbst­verständlichkeit, mit der er sich trotz der eminent hohen Auf­fassung, die er von seiner Bedeutung als König hatte, ins englische Leben einordnete und es gerade dadurch führte, daß er sich einorbnete. Der Sport schuf babei ein wichtiges Binde­glied. Edward war für England ein Befreier. Nicht etwa, weil er mit weittragenden sozialen Planen und segenspenden- ben Ideen auf ben Thron gelangt wäre, sondiern weil Eng- lanb, das prosperierende, lebenslustige England, durch diesen heiteren König von der entsetzlichen Langeweile befreit wurde, die Queen Vietoria als Witwe in ihrer noblen, aber alle Lebensfreude erstickenden Trauer um sich verbreitete. Endlich erschien wieder ein Mensch auf dem Thron: ein Mann, der ein gutes Rennen, ein gutes Essen und ein gutes Spielchen liebte, kurzum ein Engländer, wie ihn die Gesellschaft gern hat. Edward erfand geradezu bie London Society von heute und bekanntlich hält sich diese für etwas sehr Ersprießliches. Edward umgab sich mit klugen Ratgebern besonders auch auf finanziellem Gebiet und mit einerbrilliant

*) Bei Macmillan & Co, London.

Bukarest, 31. Juli. (Wolfs.) Das Amtsblatt veröffentlicht einen Erlaß, durch den Tituleseu vom 31. Juli ab ein einmonatig i Urlaub gewährt wird. Vintila Bratianu wird die Geschäfte des Ministeriums des Aeußern interimsweise bis zur Rückkehr Tituleseus führen.

(Privattelegramm der

Breslau, 31. Juli. Die Fahndungsabteilung der Breslauer Reichsbahndirektion hat gemeinschaftlich mit der Breslauer Krimi­nalpolizei einen Riesen schwindel aufgebe ckt, der seit Jahren mit gefälschten Eisenbahrfahrkarten be­trieben wurde. Gegen zehn Beteiligte, die bereits der Tat über­führt sind, ist das Strafverfahren eingeleitet worden. Das Haupt des Unternehmens ist ein Breslauer namens Tschernik; er konnte gestern hinter Schloß und Riegel gebracht werden.

Ueber die Riesenschwindeleien mit gefälschten Fahrkarten werden noch folgende

Einzelheiten

bekannt: Der Fahndungsdienst der Reichsbahnbirektion Breslau hatte seit längerer Zeit Kenntnis von ber Existenz einer Orga­nisation, bie sich mit ber Fälschung unb Wieberverwenbung bereits abgefahrener Eisenbahnfahrkarten befaßte. Die gefälschten Fahrkarten tauchten vornehmlich in Ost- unb Mitteldeutschland auf, zuletzt auch in Sübbeutschland. Es hanbelte sich babei um reklainierte Karten, bie am Ausgabeschalter zurückgegeben worben waren mit ber Begrünbung, baß sie nicht benutzt worben seien. Da bie Gültigkeitsbauer eingehalten war unb bie Karten nur sehr schwer als Fälschungen zu erkennen waren, zahlten bie Schalterbeamten bie betreffenben Beträge fast stets anstanbslos zurück. Erst später erregten bie Karten Verbacht, zumal es auffiel, daß sämtliche Karten als Endstation Breslau cmf- wiesen. Sie lauteten fast ausschließlich auf weite Strecken, für bie also ein ziemlich hoher Betrag zu zahlen war. Vor etwa einem Jahr glückte es, den Ueberbringcr einer dieser Karten zu stellen. Es war ein junger Mann aus Breslau, ber Sohn eines Univer­sitätsprofessors. Er wurde damals verhaftet unb erklärte, bie Karte von seinem Frennb Tschernik, einem 29jährigen Kauf­mann, angeblich Holzhänbler, erhalten zu haben. Diesem Tschernik, der ebenfalls festgenommen wurde, war jedoch nichts nachzuweisen. Im Oktober nahm man Tschernik, der sich erneut verdächtig ge­macht hatte, ein zweites Mal in. Hast, aber wieder mußte seine Entlassung erfolgen, da das Material zu feiner Ueberführung nicht ausreichte. Dieser Tage erfolgte nun in ber Breslauer Wohnung Tscherniks unvermutet eine Haussuchung, bie über bie Zu­sammenhänge voll Aufschluß gab. In einem Gepäckstück fanb man zahlreiche Fahrkarten nach allen Richtungen, bie schon abgefahren, aber von b e m Fälscher Wichet erneuert waren. Tschernik hatte es verstäuben.

er da. Mit Lumpen behangen. Ohne Kopfbedeckung. Mit dem leuchtenden, glühenden Auge des Ueberwinders. Von weitem hatte es den Anschein, als zöge er einen mit der un­geheuren Strahlung seines Blickes aus der Menge heraus bis zu sich, doch sobald man vor ihm stand, sah er über einen hin­weg oder durch einen hindurch.

Die Menschen werden sagen: o dieser übergroße, dieser ungeheure Wille. Gewiß war er das: übergroß und un­geheuer wie der Wille des Tigers, der in der Umgebung der Stadt nicht selten verkommt. Doch das ist es nicht. Wo Wille ist, dort ist auch Gegenwille, wo ein übergroßer Wille ist, dort ist ein übergroßer Gegenwille. Mit einem solchen Willen allein vermöchte sich ein Mensch nur selber aufzuheben, gleichwie ein Gewicht von dieser oder jener Größe von einem anderen gleicher Größe aufgehoben wird. Ich sage darum: welche große, welche ungeheure Einbildungskraft! Sie bindet Willen und Gegenwillen zusammen. Damit ist der Mensch dann da unb Gestalt und reicht bis an die Gestirne und füllt den Weltenraum.'

Ein G efpräch:

Sie waren gestern schlechter Laune.

Woraus schließen Sie das?

Aus meiner Empfindung.

Ist Ihre Empfindung alles?

Alles, worüber ich in Ihrer Gegenwart verfüge oder zu verfügen mich getraue.

Ich war gleichgÄtig, wenn Sie gestatten. Oder darf ich das nicht?

Nein, das dürfen Sie nicht.

Warum nicht, mein gestrenger Herr?

Weil Sie dort stehen, wo niemand anderes steht, weil Sie sozusagen in einer ausgezeichneten Position sind.

Verzeihen Sie: ausgezeichnet wodurch?

Durch meine Liebe, durch meine Anbetung, durch die Liebe und Anbetung sehr tieler, ich weiß gar nicht: wie vieler.

Ich sehe. Sie wollen aus mir ein Idol machen und mir auf diese Weise Gewalt antun.

Sie wissen sehr gut, daß das, was Sie bei mir Gewalt nennen, Ihnen gegenüber zur Ohnmacht wird und daß sich einstweilen daran nichts ändern läßt.

Meinetwegen. Ich will aber so sein, wie ich bin, und nicht anders. Ich will mich bewegen, amüsieren, will tanzen und