Dienstag, 1 August 1933

Dreimalige Ausgabe

S« Pfg

Zuzug aus der heimatlos gewordenen Jugend zu «chatten. Aus derFucht nach vorn", wie man den plötzlich erwachten Reformeifer der gefährdeten Parteien zunächst spottend nannte, ist inzwischen unter Führung der liberalen Jugend eine neue, an Parteienstclle getretene Front formiert worden, deren Kampftichtung Aufmerksamkeit verdient. Mit der Parole Gegen das Unschweizerische!" haben sich die vordem im Angriff liegenden Nationale Front und Eidge­nössische Front in die Verteidigung drängen lasten muffen. Damit ist die Auseinandersetzung über die innenpoli­tische Erneuerung der Schweiz auf ein außerordentlich schwie­riges Terrain gedrängt, auf dem außenpolitische Impondera­bilien schließlich stärker wirksam werden können, als den Be­teiligten von vornherein im Sinne gelegen haben mag.

Zwar darf festgestellt werden, das nirgendwo in der Schweiz etwa Deutschland eine unkorrekte Beeinflussung der schweizerischen Innenpolitik zum Vorwurf gemacht wird; doch wird man sich in Deutschland darauf gefaßt machen müssen, daß bei einer etwaigen Verschärfung des inneren Parteikampses mit den Waffen der nationalen Empfindlichkeit eine stim­mungsmäßige Trübung des Verhältnisses im Bereiche der Möglichkeit liegt. Daß die sprachlich« Uebereinsttmmung auch bisher keineswegs Beweis einer außergewöhnlichen Sympathie für das deutsche Volk war, weiß man auch in Deutschland, ohne daß Anlaß zur Beschwerde bestand. Es läßt sich aber

P Zürich, Ende Juli.

Die Schweizerische Eidgenossenschaft zählt heute etwas über 4 Millionen Einwohner, also nicht einmal so viel wie Groß-Berlin. Nach der sprachlichen Gliederung gelten 2.75 Millionen als Deutschschweizer, etwa 850 000 als Welsch- schweizer, während 250 000 das Italienische und 25 000 das Romanische als Muttersprache haben ; berücksichtigt man ferner, daß fast 10 Prozent der Einwohnerschaft fremde Staats­angehörigkeit besitzt, so wird schon einigermaßen deutlich, daß dieser kleine Föderativstaat eine außergewöhnliche Kraft des Zusammenhalts durch die Jahrhunderte seiner Geschichte be­wiesen hat. Natürlich ist er auch in den großen politischen Stürmen, die in der Vergangenheit über Europa hinweg­brausten, zerzaust worden, und die Nachwehen der französischen Revolution und die Ausstrahlungen der 48er Bewegung haben diesen Zusammenhalt der Kantone einer harten Belastungs­probe unterworfen. Aber das allgemeine Kennzeichen dieser inneren Auseinandersetzungen waren ihre überwiegend sozialen, teilweise quch materiellen Wurzeln, die da und dort wohl zu Interessengegensätzen zwischen den deutschen und den welschen Kantonen führen mochten, im Grunde hatten sie aber^doch nichts mit Fragen des Rassengegensatzes zu tun. Selbst während des Weltkrieges waren gefühlsmäßige Ab- und Zu­neigungen gegenüber den kriegführenden Parteien nicht etwa eindeutig durch die Sprachengrenze bestimmt,

Daran, nämlich an die faktische staatsbürgerliche Einheit zwischen verschiedenen Nationalitäten zu erinnern, scheint angebracht in einer Zeit, wo wieder politische Umwälzungen ihre Brandungswellen an die Grenzen der Eidgenossenschaft schlagen lasten und gleichzeitig der Krisenzustand der Weltwirtschaft die soziale Struktur der Schweiz in Mitleidenschaft zieht. Die aus dem Volkscharafter entspringende Entschlossenheit, in solchen Krisenzeiten wie den jetzigen die politische und wirtschaftliche Drehscheiben-Funktion der Schweiz auszuschalten und durch eine betonte Jnselpolitik zu ersetzen, hat sich in der Haltung des Landes während der zwei letzten Jahre wiederum deutlich ge­zeigt. Zunächst wirtschaftlich, als die teils deflationistische, teils inflationistische Wirtschaftsführung der Konkurrenzländer der auf direften und inbircften Export angewiesenen Schweiz das Leben nicht nur draußen schwer machte, sondern auch den in­ländischen, auf hohem Lebensstandard fußenden Markt in Ge­fahr brachte. Diese egozentrische Betrachtungsweise, die^sich in der Aufrichtung von schwer übersteigbaren Mauern aus Schutz­zöllen, Einfuhrkontingenten und -verboten, gleichzeitig in der systematischen Aufzüchtung einer inländischenErsah"-In­dustrie mit Hilfe von öffentlichen Subventionen ausdrückt, mag vom Standpunkt der I&fralcn Wirtschaftsauffassung reichlich robust und unvorbildlich erscheinen ; daß sie diese Charaktere fierung verdient, wird auch von den verantwortlichen Persön­lichkeiten nicht bestritten. Die angeführte Begründung, daß die Schweiz mit ihrem Heinen wirtschaftlichen Volumen nicht den kostspieligen Ehrgeiz entfalten könne, dem verfahrenen Welt­wirtschaftskarren neue Wege zu weisen uni) neue Zugpferde zu liefern, läßt sich schwer mit herkömmlichen Wirtschaftstheorien als falsch abtun, solange größere und mächtigere Länder, wie London gezeigt hat, von solcher Solidarität wenig erkennen lassen.

Die st a a t s p o l i t i f ch e Krise, wenn man von einer solchen heute schon sprechen kann, ist ebenfalls »aus zweiter Hand" gekommen, wenigstens was deren äußere Ausdrucks­formen angeht. Ihre Voraussetzungen sind, wie auch ander­wärts, überwiegend wirtschaftlicher und sozialer Natur. Namentlich das soziale Spannungsfeld, für dessen Vorhanden­sein die blutigen Vorgänge vom 9. November in Genf nicht einmal der eindeutigste Beweis war, hat sich aus vielfältigen Stufenfolgen der letzten Jahre ergeben: Börsenverluste für die große Schicht der Keinen Sparer, Zusammenbruch des agra­rischen Preisstandards für die Landwirtschaft und Export- unfähigkeit der verarbeitenden Industrie für die Arbeiterschaft und schließlich die allgemein schrumpfende Kaufftast für die

leibet nicht in Abrede stellen, daß In den letzten Monaten ohne Zusammenhang mit der Frontenbewegung auch in den sonst als aufgeschlossen geltenden Kreisen der schweizerischen Wirtschaft eine Verschlechterung in diesem Verhältnis einge­treten ist. Nachdem schon die anfänglichen Begleiterscheinungen bet deutschen Umwälzung hier und da zur Erschwerung des deutschen Imports geführt hatten, ist die Aufputschung der kleinen, durch die Tansftr-Regelung betroffenen Glöubiger- kreise ebenfalls nicht ohne siimmungsmäßige Folgen geblieben.

Es ist jedoch nicht so, als ob etwa im gleichen Verhältnis die Sympathien sich stärker dem westlichen Nachbarn zugewandt hätten. Die Tatsache, daß die jüngften, noch nicht vergessenen Attacken auf den Schweizerfranken von Frankreich ausgingen, ist wohl verwerft worden, und auch die über­raschende Aufkündigung des Handelsvertrages durch Frank­reich wird auf längere Zeit hinaus wenigstens den wirtschaft­lichen Beziehungen zu diesem, in der Geschichte der Eidge- nossenschast oft und lange einflußreichen Nachbarlande ihren Stempel ausdrücken.

DaS äiibert aber nichts daran, daß der noch ungewisse Aus­gang der innenpolitischen Auseinandersetzung möglicherweise außenpolitische Perspektiven eröffnet, die mit aller Nüchtern­heit und Sachlichkeit und ohne Wunschträume beobachtet wer-, den sollten.

Geplolwttskatastrophe in Krnun.

Ein Hotel eingestürzt. Zahlreiche Tote.

Prag, 31. Juli. (T. 1t.) Montag gegen 8 Uhr früh ereignete sich in Brünn im Zentrum der Stadt eine katastrophale Explosiv n, beten Folgen jur Zeit noch nicht zu übersehen sind. Der gesamte Frontteil des vierstöckigen Hotels Europa wurde vom ersten Stockwerk bis zum Dachboden zertrümmert und stürzte mit ungeheurem Getöse auf die Straße. Im Augenblick der Explosion schlugen die Flammen 60 Meter hoch aus dem Ge­bäude heraus. Das erste Stockwerk, in dem sich ein Cafä befand, wurde vollkommen zerstört. Einige Hotelgäste wurden schwer ver­letzt, einer von ihnen ist während der Ueberführung ins Kranken­haus gestorben. Bisher wurden aus den Trümmern die verstüm­melten Leichen einer Frau und eines Kindes geborgen. Man nimmt an, daß unter den Trümmern noch mehrere Verschüttete liegen. Die Ursache der Explosion konnte bisher noch nicht fest- gestellt werden. Es wird das Gerücht verzeichnet, daß die Frau, deren Leiche mit der ihres Kindes in verstümmeltem Zustand aus dem Schutt geborgen wurden, in selbstmörderischer Absicht eine Ekrasitbombe zur Explosion gebracht habe.

Die USDAP in Steiermark.

DaS Ruhen ihrer Mandate vom Landtag beschlossen.

Graz, 31. Juli. (Wolff.) Der steirische Landtag, der in seiner letzten Sitzung ohne eine Beschlußfassung über die Frage der Annullierung oder des Rubens der Mandate des nationalsozia­listischen Heimatschutzes auseinandergegangen war, hat nach längerer und teilweise sehr erregter Aussprache einen Antrag des Verfassungsausschusses auf das Ruhen derMandate der NSDAP, deS steirischen Heimatschutzes, des H e i m a t b l o ck e s und schließlich der Kommunistischen Partei mit allen gegen die Stimmen der beiden großdeutschen Abgeordneten angenommen. Die Abgeordneten des steirischen Hei- matschutzes hatten vor der Abstimmung den Sitzungssaal ver­lassen. Ferner wurde ein Antrag des Landbundes angenommen, wonach der Landeshauptmann beauftragt wird, Gemeindever­tretungen aufzulösen und Regierungskommissare einzusetzen, falls sich die Mehrheitsverhältnisse infolge des Ruhens der Mandate grundlegend änderten. Auch ein Gesetz über besondere Straf­maßnahmen gegen Landes- und Gemeindebeamte und Lehrer wegen staats- und regierungsfeindlicher Handlungen wurde ange­nommen.

Arthirr Henderson.

London, 31. Juli. (Wolff.) Henderson, der Präsident der Abrüstungskonferenz, ist als Kandidat der Labourparty für eine Ersatzwahl in Derbyshire aufgestellt worden.

Geschiistssrdnttngsmaßrge Korrseqnettzen.

aus der Staatsumwälzung.

ch Berlin, 31. Juli. Das Reichskabinett hat, wie schon kurz erwähnt, die gemeinsame Geschäftsordnung der Reichsministerien geändert. Es hat aus den neuen staatsrechtlichen Verhältnissen auch für die Form der Gesetzgebung die Konsequenzen gezogen. Es handelt sich in erster Linie um die Folgen, die sich daraus er­geben, daß das Reichsparlament kein Faktor der Gesetzgebung mehr ist. Infolgedessen lautet in Zuunft nach dem Beschluß des Reichskabinetts, durch den die Geschäftsordnung in einigen Punk­ten abgeändert wird, die Präambel der Reichsgefetze nurDie Reichsregierung hat das folgende Gesetz beschlossen, das hierti verkündet wird".

Ferner treten grundsätzlich neue Reichsgefetze am Tage nach ihrer Verkündung in Kraft. Wie bekannt, geschah dies nach dem bisherigen Recht erst nach Ablauf von 14 Tagen nach der Ver­kündigung. Auch bei Verträgen mit ausländischen Staaten fällt die Beteiligung deS Reichstags roeg. Hatte bisher der Reichs­tag ein Gesetz beschlossen, bann übersandte der Reichstagspräsident den Entwurf in der endgültigen Fassung dem Kabinett. Nach Aus- fchaltung deS Reichstags, mußte nunmehr eine Regelung dafür ge­troffen werden, daß der richtige Kabinettsbeschluß in der endgültigen Form der Oeffentlichkett bekannt gemacht wird. Es ist deshalb in einer weiteren Aenderung der Geschäftsordnung fefigelegt werden, daß der Sachbearbeiter des federführenden Mi­nisteriums die Richtigkeit des dem Kabinett vorgelegten Wortlautes persönlich zu überwachen hat.

Eine neue Fassung haben auch die Bestimmungen bet Ge­schäftsordnung erhalten, die die Beziehungen zwischen Regie­rung und Presse regeln. Hier heißt es, daß alle Berössent. lichungen und ahle Mitteilungen an die Presse und an den Rund­funk, die über fachliche Mitteilungen aus dem besonderen Arbeits­gebiet des Ministerium hinausgehen, namentlich solche, die poli­tischen Chatafter haben oder politische Wirkungen auslösen kön­nen, durch die Presseabteilung der Reichsregierung gehen müssen. Dies gilt auch für Interviews. Unmittelbar fachliche Veröffent­lichungen sind der Presseabteilung gleichzeitig in Abschrift zuzu- stellen.

Eine Ueefassimgsklage gegen Roosevelt

Chicago, 31. Juli. (United Preß.) Die unabhängigen Milch­händler von Nord-Illinois haben in aller Form den Code für die Milchwirtschaft alsverfassungswidrige Anordnung der Regierung" bezeichnet und haben sich an das Bundesgericht gewandt mit dem Ersuchen, eine einstweilige Verfügung gegen die zwangsweise Durchführung des Code zu erlassen.

Die Stadt Stuttgart hat dem Reichskanzler bei seiner Anwesenheit beim Deutschen Turnfest durch Oberbürgermeister Dr. Strölin den Ehrenbürgerbrief überreichen lassen.

Der neueKing"

Bayreuther Fe st spiele 1933.

Wenn man die neue Inszenierung des Nibelungenrings, mit der soeben die erste Bayreuther Festspielserie abgeschlossen wurde, sieht, steht man in einem Wald von Problemen Das Bühnenbild. Das Spiel. Der Gesangsftil. Die Sänger. (Vor allem die Sänger!) Die Probleme wurden in Bayreuth 1933 fast restlos gelöst, fast restlos. Andere sagen allerdings anders, sie sehen Revo­lutionäres, wo unsereins gerade nur den Versuch, nicht nach- zuhinken, seststellen kann.

Emil Preetorius (München), Professor, Doktor, der die szenische Neugestaltung durchzuführen hat, ist alles, nur kein Revo­lutionär. Er ist ein sehr seiner Graphiker, Illustrator (mit Ver­gnügen denkt man an seine Buch- und Notcnhest-Umschläge), also ist er ein gescheiter und geschmackvoller Maler, er ist, das hat sich in Bayreuth herausgestellt, überdies ein vorzüglicher Kenner des Wagnerschen Werkes, der Wagnerschen Gedankengänge. Wie er seine Arbeit aufgefaßt haben will, hat er imBayreuther Fest­spielführer" bargelegt. Er will Natural i st sein, wo es das Werk verlangt, er will darüber hinaus Symbolist fein, wenn es gilt, Gedankliches in Augenfälliges umzusetzen. Er schafft also farbigeLeitmotive", die auch den Teil des Publikums auffläten, die mit der Wagnerschen Tonsprache noch auf dem Kriegsfuß leben.

Tie Kenner des Wagnerschen Werkes haben zu entscheiden, ob die musikalische und szenische Motivik sich decken. Sie. haben e§ in fast allen Fällen getan. Und darum können die Gralshüter zu­frieden seinSein Stein wankt im Gestemm" des Wagnerschen Werkes.

Blättern wir ein wenig im Bilderbuch der Preetoriusschen Ring-Plätze, so finden wir Lösungen von überraschender Sug- gestionskaft. JrnR h e i n g o l d" der starke Gegensatz zwischen der freien Gegend mit der kühnen Bergnase, auf der die Götter gen Walhall ziehen, und dem zerklüfteten, verwinkelten Nibelheim, wo die Schwarzalben Hausen In derWalküre" das Hunding- Haus, das Haus eines reichen Mannes, aber doch eines Menschen. Göttlicher Gegensatz dazu das weite Felsengebirge des mittleren Aktes, die Einsamkeit des Brünnhildensteins. ImSiegfried" dertiefe Wald", das Meisterstück: beherrscht von einer riesigen Linde, von der man nicht viel mehr sieht als den Stamm und das wie Lindwürmer über den Boden hin kriechende Wurzelwerk, zu­erst geheimnisvoll-düsterer Schauplatz für das Gespräch zwischen Wanderer und Alberich, bann, wenn die Sonne zitternde, bunte Farbkringel auf den Boden malt, ein Wald, in dem das holdeste Vöglein nisten kann. In der t i e r d ä m m.e r u n g" die ge­waltige Architektonik der Gibichungcn-Halle, gemildert durch einen pastellzarten Hintergrund: so sitzt Gunther wahrlichherrlich am Rhein". Sehr geschickt die vielfachen Anforderungen desUfer- raums" gelöst. Grandios das Schlußbild.

Da sind wir bei den Helfern. Bei dem berühmten Friedrich

nicht verschweigen. Es läßt sich nicht verschweigen, baß der als Alberich wahrhaft dämonische Robert Burg fttnnnlich abgewirt­schaftet hat. Daß auch Sigrid Onögin (Fftcka) gesanglich nicht immer einwandfrei fft. Daß Max Lorenz zwar ein besserer Sieg­fried als ein Watlher Stolzing, aber noch lange kein idealer Helden­tenor ist. Aber wo sind die idealen Wagnersänger gerade für diese Fächer? Sehr gut, besonders imSiegfried", der Mime Erich Zimmermanns. Eine unwahrscheinlich schöne Stimme hatte die Ungarin Enid Szantho für die Erda bereit. Schöne Stim­men bei den Rheintöchtern, den Nomen, den Walküren, vor allem, wie auch die Chöre derGötterdämmerung", von Hugo Rüdel glänzend abgestimmt.

Karl Elmendorfs beftätigt die Eindrücke, die man bet den Meistersingern" gewonnen hat. Ohne kleinlich zu fein, gibt er die Einzelheiten iy schöpferifcher Belebung, unterstützt von dem Orchester, dem einzelnes nachzurühmen alle Schönheiten des Wagnerschen Werkes nacherleben hieße. Man wird überdies noch oft an Bayreuth 1933, das neue Bayreuth und feinen neuen Ring, zurückdenken. Mit Dank und Anerkennung für Frau Winifred Wagner, die das Erbe des Meisters nicht nur hütet, sondern mit Weitblick ausbaut, Lx.

Gustav ßmödeu.

Eine Würdigung

In der Nacht vom 25. auf den 26. Juli starb plötzlich Gustav E m b b e n, ber weltberühmte Vertreter oer chemischen Phy­siologie an bet Universität Frankfurt. Er starb an einem Herzleiden. Als das Sommersemester begann, setzte er seine Lehr­tätigkeit trotz der unruhigen Zeitverhältniffe fort, sah sich aber bald gezwungen, das Semester abzubrechen und seiner Gesundheit zu leben.

Gustav Embden wurde zu Hamburg am 10. November 1874 geboren. Am Straßburger Physiologischen Chemischen Institut unter Hofmeister machte er seine Lehrjahre durch. Unter diesem großen Lehrer wurde er zum physiologischen Chemiker. Als solcher arbeitete er in Zürich unter Gaule, am königlichen Institut für erperimenteffe Therapie in Frankfurt a. M. unter Paul Ehrlich, bann wieder in Straßburg unter Ewald und wurde schließlich Vorstand des chemischen Laboratoriums der städtischen Kranken­anstalten Franffurt a. M-Sachsenhausen. Dieses Institut war ein bescheidener Bau, nicht mehr als ein Krankenhaus-Pavillon. Aber in dieser Blütezeit der Medizin in Frankfurt a. M. war damals Carl v. N o o r b e n Krankenhausdirektor und Leiter der inneren Abteilung. Es war die Zeit, in ber v. Noorden einen wesentlichen Teil derKrankheiten des Stoffwechsels" schuf und infolgedessen war das chemisch-physiologische Laboratorium des Krankenhauses eine von den wichtigsten medizinischen Arbeitsstätten dieser Zeit. Als v. Noorden 1906 Frankfurt verließ, um für eine Reihe von Jahren die Lehrstelle in Wien zu übernehmen, blieb Embden unter seinem Nachfolger Hugo Lüthje, der nur bis 1908 in Frankfurt

Große Politik und kleines Land.

Schweizerisches Staatsbiirgerturn ttt der Krise. - Außenpolitik und innere Auseinandersetzungen.

(Don unserem Korrespondenten.)

Frerndenindusttie und die weitübersetzte Schicht der Gewerbe­treibenden.

Diesen Boden zu neuer Bebauung umzupflügen, schienen die bestehenden politischen Institutionen und Parteien nicht ausreichend gerüstet, der Glaube an die Bewährung über­kommener Methoden und Personen war jedenfalls in weiten Kreisen erschüttert seit dem Augenblick, in dem man öffentlich zugestehen mußte, daß diese Krise nicht durch einfaches Augen- fchlicßen überwunden werden könne, daß vielmehr jeder einzelne Staatsbürger an ihren Folgen werde mittragen müssen. Daß diese Erkenntnis der unlösbaren Verkettung in der Krise so stärke moralische Auswirkungen auf die Bevölkerung ausüben konnte, erklärt sich weitgehend aus der Tatsache, daß der große Reichtum des Landes an materiellen Reserven ihm durch zwei Generationen hindurch ohne den Einsatz entsprechender Risiken zugewachsen" ist, teilweise sogar alsAbfallprodutt" politischer und wirtschaftlicher Umwälzungen außerhalb der Grenzen. Ein Anlegen sozialer Maßstäbe etwa aus den vom Weltkriege be­troffenen Ländern auf die schweizerischen Begriffe von arm und reich würde zwar zu interesfanten Ergebnissen führen, wäre aber für die Realität der Erscheinung von nur bescheidenem Nutzen. Jedenfalls muß man als Tatsache sesthalten, daß ein nicht ge­ringer Teil des schweizerischen Volkes in der Verwirrung der Geister sich an wirtschaftliche und politische Parolen Hämmert, i)ic einen völligen Bruch mit der Tradition der Eidgenossenschaft bedeuten könnten.

Die politischen, vorwiegend von der Jugend und einigen älteren Einzelgängern getragene Formierung derFronte n" umfaßt allerdings nicht restlos das, was sich gegenwärtig als parolenverkündende Bewegung in der Schweiz charakterisiert. So geht z. B. die zeitweise sehr rührige und robuste Bewegung für die Schwundgeld-Theorie in einigen Bauernkantonen quer durch die Fronten und Parteien, und die korporative Idee wird von einigen Fronten deren Zahl nicht eindeutig feststeht bekämpft, dagegen von einigen, nach neuem Boden suchenden Parteigruppen gefördert; Auch die Frage nach der letzten Ziel­richtung der Fronten gibt eine Reihe von Rätseln auf. Ihre geistige Befruchtung oder wenigstens ihre Geburtsstunde geht auf den politischen Umbruch in Deutschland zurück. Doch besagt diese Feststellung noch nichts über die heutige, teilweise sogar schon erheblich gewandelte Auffassung ihres Reformwillens. Das mag wesentlich daran liegen, daß bisher sich aus den Fronten noch keine Persönlichkeit abzeichnet, deren Führerformat irgend­wie in Vergleich etwa mit der weitgehend nachgeahmten Be­wegung in Italien oder Deutschland gesetzt werden könnte. Vielleicht liegt es auch daran, daß sich bereits ein deutliches Nachlassen der zunächst revolutionär scheinenden Schwungkraft dieser schweizerischen Erneuerungsbewegung erkennen läßt.Wsth ren noch in den ersten Monaten der Werbung dem Grundsatz der demokratischen Staatsverfassung Kampf bis aufs Messer ange- segt wurde, Hingen heute die substantiierten Forderungen für den Umbau der Verfassung allenthalben schon wesentlich zurück­haltender. Wenn man sie auf ihren Kern zurückführt, gipfeln sie in der Beschränkung der die politische Maschinerie stark hemmen­den Einrichtung des Volksentscheids in lebenswichtigen und dringlichen Fragen, bei denen eine Ueberwindung egoistischer Interessen mit dem Stimmzettel kaum möglich erscheint. Da­neben verlieft der Proporz im Wahlrecht immer mehr Freunde, nachdem die Parteidynastien hinreichend zu seiner Mißachtung beigetragen bähen. Die Stellung der Fronten zur Sozialdemo­kratie als Vertreterin des Marxismus scheint unftarer als vor Wochen. Auch Höft man nur noch selten die Forderung nach Aufrichtung einer Diktatur ohne Verantwortlichkeit nach unten. In dieser Frage und in der schematischen Übertragung aus­ländischer Vorbild-Bewegungen auf die schweizerische Politik haben die Fronten an die Staatsbürger-Empfindlichhkeit gerührt; ohne diesen, die geistige Grundlage der Eidgenosson- schaft mißachtenden Fehlgriff einiger Fronten-Redner wäre, es wahrscheinlich den alten Pafteiinstitutionen nicht möglich ze- toefen, aus der Verteidigung einer fast schon vorloren gege­benen Position zum Gegenangriff überzugehen und hierbei

Kranich, dem Meister der Maschinen, bei Paul Eberhardt, dem Lenker des Lichts, der auf der modernen Bayreuther Beleuch­tungsanlage spielt wie auf einem Jnstrumentalkörper. Und find doch wieder bei Preetorius, denn die Partitur der Farben hat er geschrieben. Auch da Naturalist, wenn er die vielfältigen Stimmun­gen um Fels und Baum schafft, auch da Symbolist, wenn er in den Gewändern geheimnisvolle Bezichungen zwischen den Hand­lungsträgern schafft, wenn er Wagnersche Akkorde (und welch ein Maler ist Wagner im Ring, welch herrliche Farbtonmusik schrieb er hier!) in reale Farben umfetzt, wenn er mit Hilfe von Farben nicht nur das Bühnenbild, sondern auch die Vorgänge plastisch macht. Der Höhepunkt: das Schlußbild derGötterdämmerung", die zusammenttachende Gibichungen-Halle, der alles überflutende Rhein und die in Flammen ausgehende Götterburg. Selbst der Feuerzauber" sand eine einigermaßen das Auge, das musikalische Empfinden und den gefunden Menschenverstand befriedigende Lösung.

So viel über Preetorius, weil seine Arbeit am weitesten vorne an der Front steht. Der Spielleiter Heinz T i e t j e n mußte gleich Gründliches, aber nicht so sehr Neues schaffen. Am ftärfften in der Wirkung die großen Szenen, die Ausfüllung des gebotenen Raumes mit Massen. Im.Meingold" das Gewürm der Nibelungen, unter den Peitschenhieben Alberichs aiuseinanderstiebend. In derWal­küre", eine der besten Regieleistungen, das aufgeregte, angstvolle Flattern der Walküren. In derGötterdämmerung" der Empfang Brünnhildens, die Vorbereitungen der Hochzeit. ImKammer- spiel" der Einzelpersonen (woran es merkwürdigerweise in diesem Riesenwerk gar nicht mangelt) neben wenigen mißglückten viele vorbildliche Einzelzüge. Ich muß mich auf Stichproben beschränken. Das Gespräch Hunding, Siegmund, Sieglinde. DaS Gespräch Hagen, Gunther, Gutrune. Die Todverkündung. (Ueberhaupt die Ausnutzung der Felsen!)

Aber liegt das nicht auch an den Schauspielern? Ja, Tietjen hat singende Schauspieler zur Hand, wie man sie sonst nicht findet, und er hat darstellende Sänger. Sänger und Deklamierer beides verlangt ja Wagner. Und Bayreuth 1933 bietet Beispiele. Das beste: Franz Völker als Siegmund. Darsteller (wie gestaltet et die Erzählung seines Leids), Deklamierer (wie klar ist sie in bet sprachlichen Formung), Sänger (wie blüht die Stimme auf in den Winterstürmen"). Bei ihm sollten alle Heldentenöte in die Schule gehen. Bocke!mann, der den Wotan mit sich steigernder Kraft singt, ist ebenso vorbildlich, wie es die mädchenhaft liebliche Sieg­linde Maria Müllers ist. Und welck ein Hagen der von Emanuel List! Es ist nicht nur die Seltenheit derschwatzen Bässe", eS ist die ganz persönliche Färbung von Stimme und Spiel dieses Sängers, die ihn zur Einmaligkeit macht. Ist das eine Uebcr- treibung? Als er seinen Hunding mit dem Hagen an Eindringlich­keit noch schlug, wat dieses Urteil fertig. Ausgezeichnet auch Fritz Wolfs als Soge. Schwer fällt es bei Frida Leider, der Btün- hikde, nicht ganz bedingungslos Ja sagen zu können, denn es ist eine wundervolle Leistung. Aber daö Manko der Höhe läßt sitz

blieb und schon 1915 im Weltkrieg an Flecktyphus starb. Gustav Embden hatte schon früher dem chemischen-phyflologischen Labora­torium, 'öd8 seiner Natur nach kaum mehr war als ein Zentral­laboratorium der städtischen Krankenanstalten, die Selbständigkeit ; eines wissenschaftlichen Instituts errungen. 1906 wurde er zum Direktor des chemisch-physiologischen Instituts der Städtischen Krankenanstalten ernannt, denn ans dem bescheidenen Labora­torium war mittlerweile ohne bauliche Veränderung und ohne be- , sonderen Aufwand «in wissenschaftliches Institut geworden. Als ' Embden nämlich die Lettung des Krankenhaus-Laboratoftums übernahm, hatte er von vornherein das Ziel, mehr ans der beschei­denen Anstalt zu machen als ein Zentrallaboratorium im Dienste ber Kliniken. Et wollte hier selbständige Wissenschaft um der Wissenschaft willen treiben, et wollte feine eigenen Gedanken auf dem Gebiet ber physiologischen Chemie entwickeln. Et konnte da­mals noch nicht wissen, wie groß sich dieses Institut unter seiner Leitung entfalten würde. Schon 1907 habilitierte er sich in Bonn für experimentelle Pathologie. 1909 wurde er im Lehrkörper dieser Universität außerordentlicher Professor. Als 1914 zu Kriegsbeginn die Frankfurter Universität eröffnet wurde, erhielt er in Frankfurt das Ordinariat für vegetative Physiologie. 1917 siedelte er aus dem primitiven Saboratoriumöbau in das großartige Theodor-Stern- Haus über und wirkte dort neben Albrecht Bethe, der die ani­malische Physiologie übernahm, fast bis zu feinem Tode.

Mit Embden und Bethe an der Spitze war das Theodor-Stern- Haus feit den ersten Friedensjahren eine ber in jebent Sinne des Wortes führende Forschungs- und Lehranstalt der Physiologie. Sein Lehrerfolg war von Anfang an groß. Eine ungewöhnlich große Zähl eigener Forschungen und Forschungen feiner Schüler wurden vom Theodor-Stern-Haus unter regster Teilnahme der Aerzte und Naturforscher aller Länder veröffentlicht. Zu Beginn des Weltkriegs stellte er seine Wissenschaft in den Dienst der Lan­desverteidigung. Seine Forschungen hatten ihn gelehrt, daß die Zuführung eines Natriumsalzes der Phosphorsäure die Leistungs­fähigkeit der Muskulatur steigert. Auf seinen Vorschlag führte die Heeresleitung das Präparat ein, als ber Bewegungskrieg noch hohe Anforderungen an die Marschleistungen der Truppen stellte. Der Eftolg enffprach nicht den Erwartungen. Das Phosphat leistete zwar die Dienste, die theoretisch von ihm ermattet werden mußten, aber die unerwünschte Abführungswirkung durchkreuzte die Hoffnungen, die man aus den Erfahrungen der Muskel- physiologie herauSheben durfte. Als Regressal hat sich das Mittel aber zur Behandlung erworbener Schwächezustände und als Kräftigungsmittel in der Rekonvaleszenz bis heute im Heilschatz der Aerzte erhalten. Embdens nüchtern klare und tiefgründige Ar­beitsweise brachten seiner Autorität als Lehrer und Forscher immer mehr zur Geltung. Er wurde einer der Herausgeber des großzügig angelegtenHandbuchs ber normalen und pathologisch^ Phy­siologie". Seine streng wissenschaftlichen Veröffentlichungen wurden immer zahlreicher. Der Kreis seiner erfolgreichen Mitarbeiter und Schüler wuchs. Seine Klarheit und Planmäßigkeit, seine echte Bescheidenhett vor jeder wissenschaftlichen Arbeit, sein schlichter

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