Komstaz, 1. Dezember 1934

SO Pf»

CtftSXhH 79- Nr. 61t

Zweimalige Ausgabe

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Eröffnung des österreichischen Kundestags.

(Drahtmeldung unse

W J Wien, 30. Nov. Heute vormittag trat zum ersten Mal nach der Verkürzung der neuen Verfassung der B u n d e s t a g zu­sammen. Um 9 Uhr vormittags fand im Stefansdom ein feierlicher Gottesdienst statt, zu dem sich die gesamte Bundesregierung, die Spitzen der Behörden und die Mitglieder der neuen gesetzgebenden Körperschaften versammelt hatten. Um (-2II Uhr begann dann die feierliche Eröffnung des Bundestages mit einer Begrüßungsan­sprache des Präsidenten Graf Hoyos.

Danach ergriff der Bundeskanzler Dr. Schuschnigg dos Wort zu einer einstündigen Ansprache, in der er die politische und wirtschaftliche Situation Oesterreichs in großen Umrissen schilderte. Am Schluß der Rede führte er u< a. aus: Die Regierung sieht es in Oesterreich als ihre Ehrenpflicht an, den wenigen Minoritäten Oesterreichs vorbildlichen Rechts- und Kulturjchutz zu gsben. Seit es den Namen Oesterreich gibt, hatte dieser Name eine eminent deutsche Bedeutung. Das neue Oesterreich ist wieder ein deutsches Land und wird immer ein solches bleiben,

Der Bundeskanzler sprach dann über die Notwendigkeit des Be­standes der freiwilligen Berbände, die die staatliche Exekutiv«, deren Umfang durch die Friedensverlräge begrenzt ist, unbedingt ergänzen müßten, um die Sicherheit des Staates zu gewährleisten.

Tann sprach der Kanzler über den Einfluß der Kirche auf die österreichischen Angelegenheiten, indem er geradeheraus er­klärte, alles, was geistige und seelische Belange.im neuen Oesterreich betreffe, solle der Kirche überlassen bleiben. Im neuen Oesterreich des christlichen Ständestaates dürfe nur ein österreichischer Kurs herrschen.

Die Sitzung des Bundestages galt als öffentlich, doch wurden an das große Publikum Eintrittskarten nicht ausgegeben, da die verfügbaren Plätze auf den Galerien bereits durch die dem Bundes­tag nicht angehörenden Mitglieder der vorberatenden Körperschaften und ihre Angehörigen in Anspruch genommen waren. Der Sitzungs­saal war bedeutend voller, als er der Zahl der Mitglieder des Bundestages entsprechend hätte aufnehmen können. Die 59 Mit­glieder des Bundestages füllten nur die ersten vier Reihen des inneren Kreises der halbkreisförmig angeordneten Sitzreihen aus, während die dahinterliegenden Bänke durch andere, dem Bundestag nicht angehörende Mitglieder der Körperschaften besetzt waren.

e 3 Korrespondenten.)

Der österreichische Landerrat rnsammengetreten.

Wien, 30. Nov. (DNB.) Ter Länderrat hielt seine erste kon­stituierende Sitzung ab. Der Präsident des provisorischen Länder­rates, der Landee.bauptmann von Burgenland, Ingenieur S y l- o e st e r, wurde als Präsident des Länderrates vereidigt. Die Landeshauptleute und der Bürgermeister von Wien gaben gemäß der Verfassung die Erklärung ab, daß sie selbst die Vertretung der Länder im Bundestag übernehmen werden.

Würdiger Grsatz der Prager Jnstgnie«.

X Prag, 30. Nov. Ter Rektor der Deutschen Universität, Grosse, hat nach nochmaliger Rücksprache mit dem Tchul- minister eine Erklärung abgegeben, in der er mitteilt, daß er so­wohl wie die Dekane der Fakultäten von den Rücktrittserklärüngen Abstand nehmen. Tie maßgebenden staatlichen Faktoren haben der deutschen Universität einen würdigen Ersatz der Insignien zugc- sichert. Die neuen Insignien sollen von deutschen Künstlern ent­worfen werden.

Der Senat hat beschlosfen, am 9- Dezember wieder mit den Prüfungen zu beginnen. Ter Lehrbetrieb der deutschen Hochschulen in Prag bleibt bis zum 7. Januar geschlossen.

Nerla«ger«ttg der Militardieustzeit in der Tschechoslowakei.

X Prag, 30. Nov. Die Regierung hat int Parlament eine Vorlage eingebracht, um die Dienstzeit von 14 Monaten auf zwei Jahre zu verlängern. Schon der seit November 1933 im Dienst befindliche Jahrgang, der zum bevorstehenden Jahresende hätte entlassen werden sollen, soll die zusätzlichen zehn Monate nachdienen. Gleichzeitig wird die Dienstzeit der Ersatzreserve auf fünf Monate statt bisher drei festgesetzt. Die erforderlichen Mehrausgaben sollen durch Ersparnisse bei der Staatsverwaltung und, soweit diese nicht genügen, durch Aufnahme von Krediten gedeckt werden. Sie werden auf 164 Millionen Kronen jährlich geschätzt.

Ausbau der baltischen Entente.

Zur erste» Staalen-Konferen; i» Reval.

(Von unserem Korrespondenten.)

jg. Riga, End« November.

. Durch die Anfang November erfolgte Ratifizierung des Baltenvertrags hat sich die seit dem Bestehen der drei Oftsee- staaten angestrebte und vorbereitete Einigung endgültig, tvenigstens nach außen hin vollzogen. Ob damit tatsächlich die Grundlage für eine praktische und fruchtbare Zusammenarbeit geschaffen worden ist, dürste sich bereits in allernächster Zeit erweisen. Der Vertrag sieht regelmäßige Zusammenkünfte der Vertreter der drei Staaten in den Hauptstädten der Länder vor. Eine erste derartige Konferenz wird am 30. November und am 1. Dezember in Reval stattfinden. Litauen und Estland werden durch ihre Außenminister vertreten sein. Lettland entsendet den Generalsekretär des Außenministeriums, Minister Munters, der einer der aktivsten und repräsentativsten jungen lettischen Politiker ist.

Unter den zahlreichen Problemen, die in Reval zur Be­ratung stehen sollen, gibt es, neben den rein internen, d. h. spezifisch baltischen Fragen, eine Reihe wichtiger außen­politischer Angelegenheiten, die im Zuge der großen Politik eine Rolle spielen werden. Bei den bisher weit auseinandergehenden und ost sogar völlig entgegengesetzten Anschauungen Lettlands und Estlands einerseits und Litauens andererseits, wird es nicht leicht sein, sich ^gerade in außen­politischer Hinsicht auf eine einheitliche Stellungnahme zu einigen, die zwar der sehr vorsichtig abgefaßte Vertragstext nicht ausdrücklich verlangt, die aber dem Baltenpakt erst Sinn und Gewicht verleihen würde.

Es erscheint z. B. mehr als fraglich, ob sich Litauen in­zwischen dem Standpunkt Lettlands und Estlands in der

wiederaufgetauchten Ostpaktsrage genähert hat. Dte in letzter Zeit beobachtete Zurückhaltung in Kowno ist wohl weniger aus eigenem Antrieb, als mit Rücksicht aus die bal­tischen Verbündeten geübt worden, ebenso wie die Bcmiihun- gen der litauischen Presse, sich neuerdings einer gemäßigteren Sprache zu befleißigen und die früheren krassen Ausfälle gegen einige benachbarte Großmächte tunlichst zu vermeiden. Immer­hin wird fich.eine konkrete Stellungnahme, geschweige denn ein Zusammengehen der drei Baltenstaaten in der Ostpaktfrätze nicht so bald erreichen lassen, und bei den Revaler Beratungen wird cs sich höchstens um einen eingehenden Meinungsaus­tausch im Hinblick auf die durch den Baltenvertrag geschaffene Lag« handeln.

Die von der baltischen Presse in der letzten Zeit wieder aufgewärmte Frage des Beitritts eines vierten oderfünftenStaateszum baltischen Dreibund ist im Augenblick nicht aktuell, da sich Polen aus naheliegenden Gründen in absehbarer Zeit zu einem solchen Schritt nicht entschließen wird, während Finnland, das als weiterer Kan­didat genannt ist, nach wie vor mehr Interesse für eine An- nähemng an die skandinavischen Länder, als für einen An­schluß an die Baltenstaaten zeigt. Es erscheint aus diesem Grunde müßig, die bevorstehende Reise des litauischen Außen­ministers nach Helsingfors mit derAnschlußfrage" in Zu­sammenhang zu bringen.

Viel wichtiger als die äußere Erweiterung der baltischen Entente erscheinen int Augenblick naturgemäß der innere Ausbau und die Vertiefung nicht nur der politischen, son­dern in erster Linie der w i r t s ch a f t l i ch e n B e z i e h u n- g e n zwischen den drei Ländern und damit int Zusammenhang die Behandlung der ungelösten Frage einer gemeinsamen Re­gulierung der Auslandsmärkte. Es dürfte Lettland nicht ohne weiteres Klingen, sich mit den litauischen Ausfuhrschwierig­keiten zu befassen und dabei gleichzeitig die eigenen recht ver­

wickelten Außenhandelsprobleme im Auge zu behalten. Tie ersten in dieser Richtung unternommenen Versuche lassen immer­hin auf ein in Zukunft gedeihliches Zusammenwirken schließen.

Noch schwieriger ist der Fragenkomplex hinsichtlich Est­lands gelagert, das, wirtschaftltch gesehen, aus dem Rahmen der baltischen Zusammenarbeit fällt, da es durch die Ab­wertung der Krone in letzter Zeit bedeutend mehr um eine Intensivierung seiner Handelsbeziehungen mit Finnland und Sowjetrußland, als um diejenigen Absatzmärkte bemüht ist, die für Lettland und Litauen in erster Linie in Frage kom­men. Aus demselben Grunde muß die Ausnutzung der mit den baltischen Verbündeten festgelegten Kontingente für Est­land auf Schwierigkeiten stoßen. In jedem Fall erscheint es durchaus notwendig, die bereits eingeleitete Revision der zwi­schen den baltischen Staaten bestehenden Handelsverträge zu beschleunigen, und auch die Staatenkonferenz in Reval dürfte sich zu einer möglichst präzisen Fragestellung auf diesem Ge­biet entschließen.

Weitaus erfreulicher ist das Kapitel der kulturellen Beziehungen zwischen den baltischen Ländern, die neuer­dings durch einige erfolgreiche Versuche eine Belebung und Festigung erfahren haben. Der Jahrestag der Gründung des lettländischen Staates, der eben mit großer Feierlichkeit be­gangen worden ist, hat sowohl in Reval als auch in Kowno überraschend starke Beachtung gefunden, was in besonderem Maße dem regen Austausch von Schauspielern und Sängern zu danken ist, die sich zu fruchtbarer Zu­sammenarbeit auf künstlerischem Gebiet gefunden haben. Auch das gegenseitige Verhältnis der Wissenschafter untereinander dürfte sich mit der Zeit vertiefen, wenn das noch offene Problem einer gemeinsamen baltischen Verkehrssprache gelöst sein wird. Die Konferenz- in Reval wird auch dieser aktuellen Frage ihre besondere Aufmerksamkeit widmen müssen.

Die preußischen Gberpräßdenten ständige Vertreter der Deichsregierung.

Berlin, 30. N»v. In einer Verordnung über den Neuaufbau des Reichs hat der Reichs- und preußische Minister des Innern im Einvernehmen mit dem preußischen Ministerpräsidenten angeorönet, daß bis zur Durchführung der Neugliederung des Reichs die preußischen O b e r p r ä s i d e n t e n in den ihnen unterstellten Pro­vinzen zugleich ständige Vertreter der Reichsregce- r u n g sind.

Die Oberpräsidenten sind befugt, sich von sämtlichen Reichs­und Landesbehörden sowie von den Dienststellen der unter Auf­sicht des Reichs oder Landes stehenden öffentlich-rechtlichen Körper­schaften innerhalb der Provinz unterrichten zu lassen, sie aus d:e maßgebenden Gesichtspunkte und die danach erforderlichen Maßnah­men aufmerksam zu machen sowie bei Gefahr im Verzüge einst­weilige Anordnungen zu treffen. Diese Rechte können sie auf die ihnen beigegebenen Beamten nicht übertragen; ihre Vertreter kön­nen diese Rechte nur ausüben, wenn die Oberpräsidenten nicht nur vorübergehend an der Wahrnehmung der Geschäfte behindert sind.' Die Reichsminister können bei Durchführung von Reichsaufgaben die preußischen Oberpräsidenten und Regierungspräsidenten unbe­schadet der Dienstaufsicht des Reichs- und preußischen Ministers des Innern unmittelbar mit Weisungen versehen.

Zwickau, 30. Nov. (DNB.) Am Donnerstag abend wurden drei Bergarbeiter eines Tiefbauschachtes, die nach Beendigung der Schicht ihren Arbeitsplatz verlassen wollten, durch Einsturz ein» geschlossen. Tie Rettungsarbeiten wurden sofort ausgenom­men. Zwei Bergarbeiter wurden erst Freitag früh als Leichen ge­borgen. Zu. dem dritten Verschütteten ist man vorgedrungen; er lebt, doch konnte noch nicht festgestellt werden, ob er verletzt ist.

Der tschechische Mat nach der Devalvation.

(Von unserem Korrespondenten.)

FH Prag, im Nov. Aehnlich wie in anderen Ländern, die die Wucht der Wirtschaftskrise zu spüren hatten, hat auch die Tschecho­slowakei in den vorhergegangenen Jahren von Mal zu Mal ihren Staatshaushalt drosseln müssen. Balancierte das allgemeine Bud­get 1931 noch mit 9.84 Milliarden Kronen, so wurde es bis 1933 auf 8.63 und für das laufende Jahr um eine weitere Milliarde auf 7.63 reduziert. Dennoch genügten die Ersparnisse, die im Rahmen der gesamten D e f l a t i o n s p o l i t i k des Staates und der früheren Nationalbankleitung vorgenommen wurden, niemals, um den Einnahmenfchwund auszugleichen. Regelmäßig kam es zu einem Defizit, das 1933 noch die bedeutende Höhe von 1.7 Milliarden erreichte. Wenn für das laufende Jähr von Opti­misten damit gerechnet wurde, daß ein Defizit werde vermieden werden können, so hat sich auch dies als ein Irrtum herausge- stellt. Der Finanzminister hat in seiner Budgetrede zugegeben, daß auch für 1934 mit einem Fehlbetrag gerechnet werden müsse, der jedoch infolge der gebesserten Wirtschaftslage merklich niedriger sein werde als in den Jahren vorher. Tatsächlich haben die Steuereingänge erst in den letzten Monaten begonnen, die vorjährigen zu überschreiten. Immerhin berechtigt diese Tat­sache zusammen mit den Zahlen der Produktion und des Außen­handels sowie den übrigen Konjunktursymptomen den Finanz­minister wohl zu der optimistischen Aussassung, man habe nun endlich Boden unter den Füßen und könne dem im neuen Bud­get Rechnung tragen. Dessen Ziffern liegen mit 7.985 bzw. 7.983 Mill. Ke. auf der Einnahmen- wie auf der Ausgabenseite um 353 Mill, über denen des Vorjahres. Tie darin zum Ausdruck kommende Erhöhung der Ausgaben entfällt zum größeren Teil, nämlich mit 218 Mill., auf die sachlichen Aufwendungen. In ihrem Bereich sind überhaupt erhebliche Verschiebungen zu ver­zeichnen.

Noch keine Tilgung der Staatsanleihen.

Die größte Neuausgabe ist die Einsetzung eines Betrages von 150 Mill, zum freihändigen Ankauf von Staatspapieren. Für 1934 war durch besonderes Gesetz die planmäßige Tilgung der fundierten inneren Staatsschuld ausgesetzt worden. Für das nächste Jahr hatte man die Wiederaufnahme der Verlosungen erhosft. Dies aber hat sich jetzt als unmöglich erwiesen, und der eingesetzte Betrag für den freihändigen Ankauf dient nun dazu,

die Enttäuschung darüber zu lindern und zusammen mit anderen Maßnahmen, wie der Tätigkeit des Stützungskonsortiums, der Einführung des Börsenlombards usw., dem Anlagemarkt An­regung zu geben. Im Etat des Finanzministeriums kommt diese Ausgabe nur in einer Erhöhung der gesamten Ausgaben um 88 Mill, zum Ausdruck, da sie durch Ersparnisse teilweise ausge­glichen wird.

Die größten Mehraufwendungen finden sich im übrigen bei den Etats der sozialen Fürsorge und der Nationalver- teiöigung. Tie Ausgaben des Fürforgeministeriums steigen um 60 Millionen, von denen 42 auf die Sozialversicherung, 15 aus die Wohnungsfürsorge entfallen. Mit 802 Millionen steigt damit der Anteil der Sozialfürsorge an den Gesamtausgaben auf etwas über 10 Prozent. '* .

Aufrüstung und Mo!^'-*ung bet Armee.

Der weitaus größte Postehkircdem Etat des Finanz­ministeriums entfällt wi herum auf "ine Na tionalverteidi- flu-ng. Mit 1.280 (i. V. 1.227) Mill, weist er eine Steigerung um 53 Mill. aus. Davon entfallen 10 auf die Automobilisierung, 4 auf die Nachrichtentruppe, 2 auf das Geniewesen, 3 auf Hano- feuertoaffen usw. Jedoch stellt dieser Posten nur einen kleinen Teil des eigentlichen Rüstungsneuaufwandes dar, da das Heeres- ministerium noch über einen besonderen R Ü st u n g s s o n d s ver­fügt, der jährlich außerhalb des allgemeinen Budgets 350 Mill, ausmacht, und da weiterhin der Finanzminister vom Parlament eine Sonderermächtigung erhalten hat, um darüber hinausgehende Erfordernisse der Nationalverteidigung durch Kreditauf­nahme zu decken. Einschließlich des Rüstungsfonds beträgt der Posten Nationalverteidigung mit 1.63 Milliarden schon über 20 Prozent des gesamten Ausgabenvoranschlages, ungerechnet nie besonderen Rüstungskredite. Jedenfalls ist angesichts der ftarf ", seit Monaten anhaltenden Propaganda, die für die Stärkung Cer militärischen und besonders der militärtechnischen Bereitschaft des Staates betrieben wird (und über die unlängst anläßlich der großen Manöver hier berichtet wurde) damit zu rechnen, daß die erwähnten Rüstungskredite ein beträchtliches Ausmaß erreichen werden.

Auswärtiger Dienst und Flugnetz werben erweitert.

Das Budget des Unterrichtsministeriums, das im

Jene Sorschungsergeönisse in der Ghemie der yochmolekutaren organischen Verbindungen.

Naturwissenschaftliche Berichte

1. Was ist eine hochmolekulare organische V er- bizdung? Was ist chemische Konstitutionsaus- klärung? Als organische Verbindungen werden solche chemi­schen Verbindungen bezeichnet, die sich vom Kohlenstoff ableiten. Ein organisches Molekül enthält also vor allem immer Kohlen­stoffatome, die gewissermaßen seine Gerüstsubstanz bilden und die von anderen Atomen, am häufigsten Sauerstoff- und Wasserstoff­atomen, umgeben sind. Der Zusammenhalt aller Atome im Mole­kül wird durch chemische Bindung bewirkt. Der Zusammenhalt der Moleküle untereinander wird durch schwächere, sogenannte zwischenmolekulare Kräfte bedingt. Niedermolekulare Verbindun­gen haben wenig Atome im Molekül; z. B. besteht ein Zucker­molekül aus 12 Kohlenstosfatvmen, 22 Wasserstoffalomen und 11 Sauerstoffatomen lBruttosormel: CuH«On). Hochmolekulare Verbindungen enthalten taufende von Atomen in einem einzigen Molekül; B. kann ein Cellulofemolekül etwa 6000 Kohlenstosf- atome, 10 000 Wasserstoffatome und 5000 Sauerstoffatome besitzen (Bruttoformel: CsoooHiooooOmoo).

Die chemisch« Konstitutionsausklärung hat durch chemische und physikalische Untersuchungen genaue Angaben zu liefern über: die Zusammensetzung einer chemischen Verbindung nach Atom-Ge- wichtsprozenten, die Anordnung der Atome (und Atomgruppen) im Molekül, die Größe des Moleküls (Molekulargewichtsbestim- mung) und die räumliche Gestalt des Moleküls (Stereochemie). Es ist klar, daß für niedermolekulare Verbindungen die Konstitu­tionsaufklärung grundsätzlich einfacher ist als für hochmolekulare. Die durch solche' Untersuchungen vermittelte Kenntnis der Kon­stitution einer chemischen Verbindung ermöglicht erst die maximale Nutzanwendung des betressenden Stosses, wie die technische Ent­wicklung der Farbenindustrie, der Arzneimittelherstellung usw. auf der Grundlage wissenschaftlicher Erforschung zeigte.

Die Konstitution zahlreicher organischer Produkte war ober dis vor kurzem unbekannt. Ties sind die hochmolekularen Stoffe, wie z. B. Cellulose, Kautschuk, Eiweiß. Man kannte wohl ihre Zusain- mensetzung aus charakteristischen Spaltprodukten, in die sie zerlegt wenden können (Glucose, Isopren, Aminosäuren) und vermutete, daß sie hochmolekular fein müßten. Im letzten Jahrzehnt ist hier aber ein Umschwung eingetreten: die Konstitutionsaufklärung der hochmolekularen organischen Natur- und Kunstprodukte ist in An­griff genommen und besonders erfolgreich durch Professor Dr. Hermann Staubinger und seine Mitarbeiter in Freiburg i. Br. burchgesührt worben. Ueber die gewaltige Entwicklung der Cbernie hochmolekularer Verbindungen kann man sich einen Be­

griff machen, wenn man das 1932 erschienene Buch von H. Stau- dinger:Die hochmolekularen organischen Verbindungen, Kautschuk und Cellulose" ansicht. Man erkennt den inzwischen erfolgten Fort­schritt auch daran, daß in letzter Zeit eine erstaunlich intensive Patenttätigkeit deutscher und ausländischer Jndustriefirmen auf diesem Gebiet eingesetzt hat. Im folgenden soll ein kurzer Einblick in die Untersuchung der Staudingerschen Schule vermittelt werben.

2. Die technisch wertvollen hochmolekularen organischen Natur- und Kunststoffe. Daß die hoch­molekularen Verbindungen technisch von so ungeheuerer Bedeutung sind, verdanken sie in der Hauptsache ihren vorzüglichen physi- kalischen Eigenschaften. Diese sind insbesondere: hohe Reiß­festigkeit und Biegefestigkeit, große Elastizität, und Plastizität, gutes Filuchildungsvermögen, Durchsichtigkeit, Spinnbarkcit, gutes Jsolationsvermögen gegen elektrischen Strom und Wärme, usw. Man braucht nur an die Verarbeitung und Anwendung der nach­stehend aufgezählten hochmolekularen Naturstoffe zu denken, um zu sehen, wie sehr die physikalischen Eigenschaften von Wichtigkeit sind. So ist Cellulose Grundbestandteil des Holzes und des Zei- tungspapieres, weiter von Baumwolle, Flachs, Hanl, Ramie und Jute, des Cellophans, bet Kunstseide (Bemberg-Seide, Acetat­seide), der photographischen Filme (Nitrocellulose, Acetylcellulose), von Autolacken und Celluloid (Nitrocellulose), der neuen deutschen Kunstfaser, der sog. Vistra-Faser, usw. Kautschuk und Guttapercha (hochmolekulare ungesättigte Kohlenwasserstoffe) bilden den Roh­stoff für: Autoschläuche und Reisen, Gummiartikel aller Art, Hart­gummi (Ebonit) und Jsoliermaterial. Vertreter hochmolekularer Eiweißstoffe sind: Wolle und Seide, bas Leder, Horn, Gelatine, Leim usw. Neben den hochmolekularen Naturstoffen ffnden in neuester Zeit hochmolekulare synthetische Werkstoffe eine rapid an­steigende Verbreitung. Bekannte Produkte dieser Art, die aus billigen einheimischen Rohstoffen (wie z. B. Formaldehyd, Phenol, Harnstoff, ungesättigte niedermolekulare Kohlenwasserstoffverbindun­gen) gewonnen werden, sind: die Formaldehyd-Phenol-Harze (Bakelit, Ncwolacke usw.), die Formaldehyd-Harnstoff-Harze (Pol­lopas), die Formaldehyd-Casein-Harze (Galalith), das Polystyrol (Trolitul), das Polhoinylacetat (Movilith). Folgende Ariikel werden z. B. aus synthetischen Werkstoffen hergestellt: Kunstbern­stein, Kunstelfenbein, Kämme, Knöpfe, allerhand Haushalt- und ffunftgegenftäMbe, elektrische Isolatoren, Grammophonplatten, ölfeste Schläuche, Gehäuse für Radioapparate, Jsoliersteine für Kühlschränke, Kunstleder, nichtsplitternde Fensterscheiben (mit Glas), Lacke (j. B. Albertol), Furnierleime, Tschakos für Polizei und Heer, Filme, Kaschierungen für Plakate, Landkarten usw.

3. Die große wirtschaftliche und zukünftige Bedeutung der hochmolekularen organischen Verbindungen. In der gegenwärtigen Wirtschaftslage des Deutschen Reiches stellen hochmolekulare organische Verbindungen den größten Teil der vom Auslände importierten Rohstoffe bar Im Jahre 1933 wurden - B. Baumwolle, Wolle und Kautschuk für übet % Millionen Reichsmark emgesührt. Abgesehen von den

Bestrebungen, durch inländisch erzeugte Naturstoffe den notwendi­gen Import zu verringern, muß darauf hingewiesen werden, daß die Synthese hochmolekularer Verbindungen durch die neuesten Fortschritte der chemischen Forschung in ein Stabium getreten ist, das zu den größten Erwartungen berechtigt. Ebenso ist aus Grund dieser Forschungsergebnisse eine erheblich bessere Ausnutzung und Ausschließung sowohl einheimischer wie importierter Naturstoffe möglich. Die deutsche Chemie ist auf dem Gebiete der hochmoleku­laren organischen Verbindungen führend. Eine glückliche Förde­rung der Forschung durch den Staat ist daher gerade in dieser Richtung von größter Wichtigkeit. Sie ist gleichbedeutend mit der Sicherstellung großer zukünstiger Werte für das deutsche Volk. Synthetischer Kautschuk, synthetische Faserstoffe, synthetische Werk­stoffe werden in Zukunft den Naturprodukten eine stets wachsende Konkurrenz bieten und ihnen in vielen Fällen beträchtlich über­legen sein.

4. D i e Synthese von hochmolekularen orga­nischen Verbindungen aus niedermolekularen durch chemische Kondensation und Polymeri­sation. Es gibt prinzipiell zwei Methoden zur künstlichen Her­stellung von hochmolekularen organischen Verbindungen aus niedermolekularen: a) die chemische Kondensation, b) die chemische Polymerisation. Bei der Kondensation treten unter Abspaltung meist von Wasser die Molekülreste zu hochmolekularen Produkten zusammen, die jedoch selten mehr als 50 Molekülreste in einem Molekül Bereinigen. Tie Forrnaldehyd-Phenol-Harnstofs-Harze sind von diesem Typus. Bei bet Polymerisation entstehen dagegen ohne Abspaltung von bestimmten Gruppen aus ungesättigten Ver­bindungen (z. B. Aethylen und Acetylenderioaten) hochmolekulare (Hochpolymere) Verbindungen, indem zahlreicheGrundmoleküle' chemisch zusammentreten. Bei dieser Art von chemischer Reaktion können Hunderte von Grundmolekülen zu einem einzigen großen Molekül sich Bereinigen, wie H. Stau hinget gezeigt hat.

5. Die synthetischen Hochpolvmeren als Mo­delle der Naturstosfe Cellulose, Kautschuk, Stärke, Eiweiß. Die systematifche Herstellung und Unter­suchung von hochpolymeren Verbindungen wurde von H. Stau- di nger unternommen, um in solchen Stoffen Modelle der Natur­stoffe zu erhalten. Denn diese sind genau so wie synthetische Poly­mere aus einfachen Grundmolekülen aufgebaut, da man bei einem chemischen Abbau Bon Cellulose, Stärke, Kautschuk, Eiweiß ein­fache niedermolekulare Verbindungen in großer Ausbeute erhält (z. B. Glucose, Isopren, Aminofäuren). Tie Naturstoiie sind also auch hochpolymer. Grundsätzlich kann nun ein hochpolymercs Molckiil (Makromolekül) aus einer einzigen Sorte von Grund­molekülen bestehen, oder es kann aus verschiedenen Grundmolekülen in beliebiger Reihenfolge aufgebaut sein. Weiter kann bann eine hochpolpmere Substanz polymereinheitlich sein, ober es können Gemische der genannten beiden Makromolekülarten vorliegen. Solche komplizierten Gemische von Hockwoiymeren gibt es bet vielen Eiweißstoffen. Cellulose und Kauffchuk sind dagegen aus

gleichartigen Grundmolekülen aufgebaut (Glucosereste, Jsopren- rcste). Staudinger und seine Mitarbeiter haben nun bewußt darauf hingearbeitet, synthetische Verbindungen aufzusuchen, deren Aufbau genau bekannt ist und welche die für hochmolekulare Natur­stoffe charakteristischen Eigenschaften besitzen. So konnten typische Eigenschaften der Naturstoffe Cellulose, Stärke, Kautschuk und Eiweiß an den Polymerisationsprodukten des Formaldehyds (den Polyorymethylenen), des Aethylenoryds (den Polyäthylenoryden) des Styrols (den Polystyrolen), der Acrylsäure (den Polhacrhl- säurcn) entdeckt und ihr Zusammenhang mit der Konstitution dieser Stoffe aufgeklärt werden. Diese Hochpolymeren synthetischen Pro­dukte zeigen also auch die charakteristischen Lösungs- und Oucllungs- phänomene der Hochmolekularen und geben hochviskose, d. h. sehr zähe Lösungen, deren osmotische Drucke sehr klein sind. Die mikro­kristallinen Produkte (Polyoxymethylene, Polyäthylenoxpde) be- sttzen die gleichen charakteristischen kleinen Elementarzellen, wie sie die Röntgenaufnahmen z. B. an Cellulose zeigen. Ferner weifen diese Hochpolymeren Stoffe im festen Zustand die bekannten großen plastischen und elastischen Eigenfchaften wie die Naturprodukte auf. So haben sich die synthetischen Polymeren als Modelle der Natur­stoffe sshr bewährt. Dr. E. R. Sauter, Freiburg i. B.

(Tchlutz folgt.)

Hanseatische Kamille.

Ter Lenat der Freien Hansestadt Hamburg hatte Lchrist- leitet der deutschen Zeitungen zu einem mehrtägigen Auf­enthalt in Hamburg eingeladen, damit sie an Lrt und Stelle von den künstlerischen und kulturvolitischen Angelegenbeiten Hamburgs Kenntnis nähmen. Ein aus diesem Anlatz erfolgtet Aufenthalt in Hamburg gab die Anregung zu drei Bei­trägen, deren ersten wir beute veröffentlichen. Die beiden anderen Werden über kulturpolitische Fakten berichten und Im­pressionen von Stätten des Hamburger Kulturlebens enthalten.

Tie Lchriftleilung.

Ein Abend blieb zu unserer freien Verfügung. Ich besuchte die Familie B. Nirgendwo hätte ich den Abend besser zubringen können als bei ihr. Zwar liegt ihr Haus schon außerhalb der Staaten-Grenze, mit der das souveräne Hamburg vom preu­ßischen Gebiet rings umschlossen ist, außerhalb der die Städte und die Freiflächen und die Siedlungen jäh durchjpringenden Linie, der, wie wenig sonst auch in Deutschland die Hoheitsgrenzen in her Praxis des öffentlichen Lebens noch bedeuten mögen, doch keineswegs eine nur imaginäre Funktion zukommt, sondern die, was Industrie, Kommimalwirtschast und Handel auf Land und Löasser betrifft, bis in die jüngste Vergangenheit hinein zum Anlaß manchen ernsten von Staat zu Staat ausgetragenen Disputs wurde. Zwar liegt das Haus, in dem die Familie B. wohnt, schon im Preußischen, auf jenem hoch über der Elbe mit Parks und Landhäusern, holsteinischen Bauernanwesen, Weiden, Gärt­nereien sich breitenden Terrain, eine gute weite Strecke die Elbe abwärts, schon jenseits des eigentlichen Stadtbezirks von Altona. Und das Haus wurde, als die Familie B. es sich zum Land-