Mittwoch, 1. April 1936
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rrrnsf ü u 80. Jahrgang Ur- 169
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Werner Zschintzfch, heute 48jährig, ist Jurist und Verwaltungsbeamter. Er studierte 1906—09, nahm als Offizier am Kriege teil, und war nach dem Kriege als Regierungsassessor und Landratsamtsverwalter im Kreise Schwitz an der Weichsel tätig, der dann an Polen abgetreten wurde. Nach einigen Jahren bei der Regierung in Marienwerder wurde er 1925 in das PreußischeMinisterium des Innern berufen und dort zum Ministerialrat befördert. Nach der Machtübernahme durch den Nationalsozialismus wurde er am 20. Februar 1933 zum Kommissarischen Regierungspräsidenten in Wiesbaden ernannt und im Juni endgültig bestätigt.
Unterredung mit dem französischen Botschafter Corbin bereits an- grdeutet, daß die englischen Militärs mit sehr gebundener Marschroute nach Paris kommen würden. Weiter wird betont, daß diese militärischen Unterhaltungen mit Frankreich und Belgien mit jedem Land gesondert geführt werden würden.
Wir
11 Uhr quert.
Anordnungen des Reichs-Kraftwagen-Betriebsverbandes auch Güter, die unter die niedrigeren Klassen des Regeltarifs oder unter Ausnahmetarife der Reichsbahn fallen, im Güterfernverkehr zu den bei der Reichsbahn geltenden Frachtsätzen befördert werden können. Diese Regelung ist im Hinblick auf die im Kraftwagengüterverkehr schwer zu lösende Frage einer genügenden Auslastung der Fahrzeuge von erheblicher Bedeutung. Die im Haus-Haus-Verkehr von Wagenladungen vorgesehenen Zuschläge fließen dem Reichs-Krastwagen-Betriebsverband zur Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Aufgaben zu.
Der Reichskraftwagentarif enthält ferner einen Ausnahmetarif für Sammelgut, der mit entsprechenden Anwendungsbedingungen auch für den Sammelgutverkehr der Schiene gilt. Dieser Ausnahmetarif bezweckt im Interesse der verladenden Wirtschaft die Aufrechterhaltung eines leistungsfähigen und vielseitigen Sammelgutverkehrs.
Den Abschluß des Reichskraftwagentarifs bildet die „Kraft- verkehrsordnung" (KVO). <z>te enthält das Fracht- recht des Güterfernverkehrs, das in Anlehnung an das Eisenbahnfrachtrecht unter Berücksichtigung der Eigenart des Kiaftfahrzeugvcrkehrs gestaltet ist.
weiter festgelegt werden. Es ist wahrscheinlich, daß wir die Südküste Englands streifen werden, nicht weit von London, und dann in südwestlicher Richtung abbiegen. Die weiteren Entscheidungen über die Fahrt werden in der Führergondel getroffen nach den Angaben, die uns die meteorologischen Stationen sortlaufend funken.
Hier rüstet sich bereits alles auf das erste Mittagessen an Bord, die Stewards zeigen ruhige Eile, — und die Raucher unter uns hoffen, daß nach dem Essen das Rauchverbot, das bisher noch streng aufrecht erhalten wovden ist, fallen wird. Sie freuen sich auf die erste Zigarette in dem kleinen Rauchsalon.
Auf he« Wege «ach Holland.
= Frankfurt, 31. März. Auf seiner Fahrt nach Südamerika erschien das Luftschiff „Hindenburg" gegen 7 Uhr früh über Stuttgart, gegen 8 Uhr 20 über Frankfurt, kurz vor 10
bedeuten, den sie aus den Kämpfen um die Jahreswende schätzen gelernt haben: daß ihre großen Zufuhrstraßen, die alle von Norden nach Süden führen, nicht immer feindlichen Ueberfällen und Umklammerungsversuchen ausgesetzt sind. Der keilartige Vormarsch des Generals de Bono, in einer schmalen Linie mitten in die feindlichen Armeen hinein, hat fich nicht bewährt; der Mar- scholl BahoMo ist statt dessen zu dem Morsch auf breiter Front üücrgegangen. Man weiß, daß er zu diesem Zweck freilich beträchtlicher Verstärkungen bedurfte, die Bono noch nicht hatte. Etwa acht Divisionen sind Badoglio seit Dezember neu zugegangen; ohne sie vermöchte er die sehr breite Front von heute kaum zu halten.
Ein Blick auf die Karte lehrt, welche beträchtlichen Marsch- leistungen zum Teil die italienischen Truppen in den vergangenen Wochen bewältigt haben. Das IV. Korps, das fast während der ganzen Februarkämpfe in Eritrea in Reserve stand, hat gegen Ende dieses Monats die Grenze östlich des Takazze überschritten und versucht, der dort kämpfenden abessinischen Armee in den Rücken zufallen. Dieses Manöver war ihm mißlungen, da der Ras Jmru aus der Niederlage der weiter südlich stehenden Armeen gelernt hatte, und da er sich schneller zurückzog, als die Italiener durch die Wüste marschieren konnten. Das IV. Korps ist dem Ras Jmru dann nachmarschiert und steht heute in der Gegend südlich von Cafta. Drei andere Armeekorps: das II., das Eritrea-Korps saus zwei Askari- und einer weißen Division bestehend) und das III., halten das Gebirgsland von S e m i e n umklammert. Das schwer zugängliche Semien mit
Englische Weirmngsverschirbeicheiten über die Oeneralstakskesprechnrrgerr?
London, 31. März. (Europapreß.) Die Gerüchte über Meinungsverschiedenheiten innerhalb des britischen K a - binetts in der Frage der englischffranzösischen General- stabs-Unterhaltungen werden von sämtlichen Blättern in großer Aufmachung wiedergegeben. Weiter melden die Blätter, daß die Unterhausabgeordneten mit Briefen ihrer Wähler überschüttet würden, in denen heftig gegen diese militärischen Unterhaltungen jwotestiert wird.
Nichtsdestoweniger gilt als feststehend, daß diese Unterhaltungen s.pätesten § nach Ostern, vielleicht aber schon früher beginnen werden, und zwar deswegen, weil die englische Regierung sich in dem Locarnoplan darauf festgelegt habe und nicht mehr zurück könne. Andererseits wird von zuständiger Stelle aber immer wieder die Tatsache unterstrichen, daß diese Besprechungen sich in äußerst engen Grenzen halten würden und die sehr weitgehenden französischen Wünsche unter keinen Umständen berücksichtigt werden könnten. Anscheinend hat Außenminister Eden in seiner gestrigen
Der englische Außenminister Eden, der ursprünglich seinen Osterurlaub in Marokko verleben wollte, hat, wie zuverlässig verlautet, diesen Plan aufgegeben und wird seinen Erholungsurlaub in England verbringen. Der Entschluß des Außenministers ist, wie in politischen Kreisen erklärt wird, darauf zurückzuführen, daß man nach der Ueberreichung der deutschen Gegenvorschläge für die ganze nächste Woche mit Verhandlungen und Besprechungen rechnet.
Der sowjetrussische Flieger Wodopjanow hat einen neuen Flug in die Arktis angetreten. Er benutzt das Flugzeug „N 127" und das Ziel seines Fluges ist Franz-Josefs-Land. Der Flieger Machotkin begleitet ihn in dem Flugzeug „N 128" des gleichen Typs. Die beiden Flieger sind in Archangelsk eingetroffen, wo sie sich kurze Zeit aufhalten werden.
Der neue Staatssekretär im Reichserneknngs- ministerium.
Berlin, 31. März. (DM.) Der Führer und Reichskanzler hat den preußischen Regierungspräsidenten Werner Zschintzfch zum Staatssekretär im Reichs- und Preußischen Ministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung ernannt.
U»r dem Mittagessen.
MC An Bord „LZ 129" (über Norddeich), 31. März.
(Copyright by „Frankfurter Zeitung“.)
halten geraden Kurs auf den Haag, haben gegen halb die holländische Grenze bei Roermond ü-ber- Ze nach der Gunst der Wettermeldungen wird die Route
Dee Start in Friedrichshafen.
(Drahtmeldung unseres Korrespondenten.)
O Friedrichshafen, 31. März. (6 Uhr.) Tas Luftschiff „LZ 129" („Hindenburg") ist soeben, um %6 Uhr, zu seiner ersten Amerikafahrt aufgestiegen. Nach Eingang der letzten Wettermeldungen wurde der Befehl zum Start gegeben. Zum Abschied hatte sich auch der Kommandant des „Graf Zeppelin", Kapitän von Schiller, eingefunden, der dem neuen Schiff in guter Kameradschaft seine Grüße nachrief. Durch das weitgeöfs- nete Tor der Halle wurde plötzlich das Schiff sichtbar, die Scheinwerfer strichen über seinen Leib dahin, schnell drehte es sich in die Windrichtung und wurde dann von dem Ankermast gelöst.
Fünfzig Kilogramm Post sind an Bord, die letzten Säcke wurden noch kurz vor dem Start in die Ladeluken geworfen, der Be- triebsftoff reicht für 120 Stunden aus, und mehr alz zwei Tonnen Proviant stehen auf Abruf für die Speisekarte zur Verfügung.
Der Frachttarif für dr« Güterkraftverkehr.
(Privattelegramm der „Frankfurter Zeitung")
Berlin, 31. März. Das Gesetz über den Güterfernverkehr mit Kraftfahrzeugen vom 26. Juni 1935, die deutsche Lösung für die Ordnung des Konkurrenzverhältnisses zwischen Eisenbahn und Kraftwagen, ist vom Reichsverkehrsminister durch den Erlaß einer umfangreichen Durchführungsverordnung und durch die Genehmigung des von dem Reichs-Kraftwagen-Betriebsverband gemeinsam mit der Deutschen Reichsbahn vorgelegten Reichskraftwagentarifs in wichtigen Teilen ergänzt worden. Das gesamte Gesetzgebungswerk tritt am 1. April in Kraft.
Aus der Durchführungsverordnung sind hervorzuheben: Die Abgrenzung der genehmigungsfreien Nahzone und des Werkverkehrs, die Verpflichtung aller Unternehmer von Güter-Fern- und Nahverkehr, ihre Kraftfahrzeuge für einen bestimmten Standort anzu- mclden und äußerlich zu kennzeichnen, die rechtliche Trennung des Güterfernverkehrs von dem sonstigen Gewerbebetrieb des Unter- nebniers, die Ermächtigung für die Genehmigungsbehörden, außer Genehmigungen für das gaiye Reich auch solche für bestimmte Verkehrsbeziehungen und Güterarten zu erteilen und die erleichternden Ueiergangsbestimmungen für Altunternehmer, die auf Grund des bisherigen Rechts vor dem 1. Juli 1935 eine Genehmigung erhalten werden.
Um die TarifgebundcnheitauchderSpe diteure zu sichern, kann der Leiter der Reichsverkehrsgruppe Spedition und Lagerei ermächtigt weiden, die Kundensätze der Spediteure im Sammelladungsverkehr verbindlich zu bestimmen und ihre Einhaltung durch Ordnungsstrafen zu erzwingen. Von dieser Ermächtigung ist für die Zeit vom 1. April bis 30. Juni Gebrauch gemacht worden. Zur Ueberleitung des bisherigen Rechts in das neue Recht sind die den Mitgliedern des Reichs-Kraftwagen-Betriebsverbandes erteilten Genehmigungen bis auf weiteres aufrechterhalten worden.
Der Reichskraftwagentarif ist das Ergebnis aus- gedchnter und gründlicher Verhandlungen zwischen Reichskraftwagen-Betriebsverband und Reichsbahn. Er umfaßt, wie wir bereits angekündigt haben, die Klassen A bis D des Regeltarifs der Reichsbahn und sieht darüber hinaus vor, daß nach entsprechenden, im Einvernehmen mit der Reichsbahn getroffenen
Dar dem Aufstieg.
MG Friedrichshafen, 31. März. (4.45 Uhr.) Nun sind die Fahrgäste an Boro. Sechsunddreißig sind wir an der Zahl, etwas verschlafen noch und doch schon erfaßt von dem Wirbel eines solchen Starts in früher Stunde. Auf dem Wege zur Werst hinaus, an den breiten Tischen der Zollbeamten, beim Erklettern des Fallreeps und beim flüchtigen Ablegen des Handgepäcks in den Kabinen werfen wir uns die ersten freundlichen und neugierigen Blicke zu. Professor Dickmann, der den Luftschiffbau Zeppelin in allen Funkpeilangelegenheiten berät, nimmt teil an der Fahrt, die befreundete Lufthansa vertritt Direktor Wronsky, und von der amerikanischen Marine ist Commander Peck zur Stelle, ein alter Vertrauter unserer Zeppelinluftfahrt. Schließlich nimmt auch Dr. Hugo Eckener als Beobachter an der Fahrt teil. Das Schiff steht unter der Führung seines Kommandanten, des Kapitäns Lehmann, der es nun auf der ersten Südamerikafahrt befehligt.
Inzwischen fft das Gepäck verteilt worden; auch ein schneeweißer Korb, eine geflochtene Hütte für einen Hund fft dabei. Nicht lange, und das Kommando zur Ausfährt wird ertönen. Die letzten Besucher verlassen das Schiff, unter ihnen auch Oberbürgermeister Dr. Krebs, der daran denken mag, daß die künftigen Fahrten von dem neuen Weltflughasen in Frankfurt am Main ausgehen werden.
Uhr über Köln, wo es nach einer Schleife um die Türme des Domes in nordwestlicher Richtung Kurs auf Holland nahm.
Die erste« Stunde«.
Meldung unseres Sonderberichter st atterS durch Briefbeutelabwurf.
MG An Bord „L Z 129", 31. März.
(Copyright by „Frankfurter Zeitung“.)
Soeben, acht Uhr morgens, wenige Minuten vor Frankfurt, wird mir erlaubt, einen Brief über der Stadt abzuwerfen. Schnell die Schreibmaschine zur Hand, und in einigen Stichworten den ersten Eindruck von den ersten Stunden.
Die Fahrt über s ch w ä b i s ch e m L a n d, bei starkem Morgen-' nebel, den allmählich die Sonne durchbrach, war von bezaubernder Schönheit. Der ganze Reichtum der Landschaft an bäuerlichem Besitz, an kleinen Städten, an Industriezentren, an alten Kulturstätten enthüllt sich in der großartigen Uebersicht eines Panoramas. Eben bricht die Sonne über dem Taunus durch.
Beim inspizierenden Gang durch das Schiff bemerkt man die in eine Nische eingelassene Bronzebüste Hindenburgs; sic ist sehr schön und gibt einen Eindruck von dem Wesen des Mannes, dessen Namen unser Luftschiff an seinem Bug trägt.
Wir nehmen Kurs über den Haag, werden dann durch den etwas stürmischen Kanal gehen und danach auf das freie Meer hinausfahren. Die Schiffsführung hat sich zu diesem Weg über Holland entschlossen, da die nachgesuchte Genehmigung zum Ueberftiegen französischen Gebietes bisher noch nicht erteilt worden fft.
ee Die Bedeutung der großen Februarschlachten als der bisher wichtigsten Ereignisse des ostafrikanischen Feldzuges wird immer klarer. Nach den Ereignissen der letzten Tage kann es als sicher gelten, daß die Auswirkungen dieser Kämpfe den gesamten nordabessinischen Boden, soweit er dem eigentlichen Kernlande vorgelagert ist, unter die Herrschaft der Armee Badoglios bringen .^werden. Die Abessinier versuchen vorläufig keinen Wider st and mehr. Mag sich nach den Niederlagen im Februar das Bedürfnis zu neuer Ordnung der erschütterten Verbände geltend machen, mag gerade nach diesen Kämpfen auch die nüchterne strategische Erkenntnis von der Nutzlosigkeit großer Abwehrschlachten gegen ein großes europäisches Heer endlich durchgedrungen sein — jedenfalls haben die Italiener während des ganzen März keinen anderen Feind mehr als das Klima und die Geländeschwierigkeiten gehabt. Ohne Kampf haben sie auch Sokota und Debarek, vorläufige Endziele ihrer Operationen, besetzen können. Die Hauptanforderungen in diesen Wochen wurden an die Jntendanturbeamten und die Ingenieure, nicht mehr an die Offiziere des Stabes gestellt.
Strategisch stellt sich der italienische Vormarsch der letzten Wochen als eine gewaltige Linksschwenkung der gesamten Front dar. Diese große Drehung um fast 9.0 Grab bedeutet den Versuch, die italienische Front aus der Nord-Süd- Richtung in die West-Ost-Richtung zu bringen und noch vor der Regenzeit die-Linie zu erreichen, die vom anglo-ägyptischen Sudan in einer fast geraden Linie über Gondar und Sokota bis zum Aschangi-See führt. Das würde für die Italiener den Vorteil
KadogUo auf dem Porumrsch.
Das Gebirge von Semien umklammert. — Ausdehnung der Front um das Dreifache.
Die Südamrrlkafichrt des „Hindenlmrg"
(DrahtmeldungenunsereS Sonderberichterstatters.)
Busoni 1936.
Zu seinem 70. Geburtstag am 1. April.
Unter den Künstlerpersönlichkeiten, die an der Wende dieses Jahrhunderts zu geistiger Führerschaft berufen waren, steht der Musiker Ferruccio Busoni in vorderster Reihe. Obwohl selbst noch verstrickt in die Problematik einer Zeit, deren schöpferische Kräfte-wesentlich von der Auseinandersetzung mit dem vielfältig aufgespaltenen Erbe der Romantik absorbiert wurden, erhob sich dieser freie und umfassende Geist im Zenit seines Schaffens zur Höhe und Universalität einer künstlerischen Schau, die nicht nur die Forderungen der eigenen Zeit klar erkannte, sondern ebenso bestimmt einer kommenden neuen Musik die Wege wies. Das Persönliche seiner eigenen — und wahrlich einer reichen — Entwicklung als Mensch und Künstler erscheint daher bei Busoni eingebettet in einen Strom.von geistigen Kräften, die das Bild heutiger Musik in wesentlichen Zügen bestimmen.
Als Sohn eines Italieners ' und einer Deutschen ist Busoni national nicht eindeutig festzulegen. Schon darin liegt ein Besonderes seiner Stellung am Ende einer Epoche, die das Nationale in der Musik erstmals als selbständigen Wert ausgebildet hatte, darüber aber gerade damals die Fühlung mit dem großen allgemeinen Wachstum der Kunst zu verlieren drohte. Busoni hat die Länder der alten und neuen Welt nicht nur als Virtuose größten Formates bereist, er hat ihr geistiges Leben" in sich ausgenommen und zu einer ganz persönlichen Geistigkeit, zu einem wahrhaft übernationalen Kulturbewußtsein in sich verschmolzen und reflektiert. So ist seine Wirkung als die eines großen Anregers überall stark gewesen. Sie darf in Deutschland, das ihm als das Land eines Bach, Mozart, Beethoven, eines Hölderlin, Goethe, E. T. A. Hoffmann Wahlheimat und im engeren Sinne geistiger Nährboden wurde, als besonders verpflichtend empfunden werden. Endgültig Wurzel zu schlagen, ist Busoni freilich versagt gerieben. Die Gefahr, in abstrakten Spekulationen über eine neue Aesthetik der Tonkunst die Erfüllungen zu suchen, die ihm seine Zeit and seine eigene Natur verwehrten, war für ihn besonders ssroß. Doch immer wieder hat er in einer schöpferischen Unruhe, die, jeden Augenblick begeit, die Brücken hinter sich abzubrechen, beim einmal Erreichten nicht stehen blieb und ständig zu neuen Ufern strebte, die polaren Spannungen seines Wesens produktiv werden lassen. Der Drang ins Unbegrenzte hat ihn in einsame Höben geführt. Aber sie sind erwärmt vom Strahl eines großen und reinen Menschentums, das für jeden die Tore offenhält, der guten Willens ist.
Im Gegensatz zu seiner erstaunlich früh einsetzenden Entfaltung als Virtuose, die das einstige Wunderkind in raschem Aufstieg zum bedeutendsten Klavierspieler der Neuzeit werden liest, bietet Busoni als geistiger Mensch, das Bild einer eigentümlichen Spätreife. (Zurückschauend hot er selbst einmal seine 2. Violinsonate »on 1901, op. 36 a, als den eigentlichen Beginn seiner „Kom- Ponisten-Exfftenz" bezeichnet.) Gerade dieses relativ späte Erwachen nach einer Zeit unbekümmerten „italienischen" Schaffens hat, so
scheint es, Busoni in Sonderheit zur Erfüllung seiner historischen Aufgabe befähigt. Entfiel für ihn als Romanen die Belastung mit der Spätromantik Wagners und dem akademischen Klassizismus Brahms', so vermochte er nun, da er als reifer, überdies in der „großen Welt" erwachsener Künstler zum „Sehen" kam, um so unbefangener ans Werk zu' gehen. Die Auseinandersetzung mit dem Erbe der deutschen Romantik vollzog sich für ihn von vornherein nicht als Liquidierung, sondern als Neuordnung des Tonmateriales. So konnte, was an wirkenden Kräften über das Reuromantische hinaus damals zur Gestaltung drängte: an Bach erstarkender Sinn für Polyphoni«, Sehnsucht nach Mozarts klassischer Klarheit und Formbewußtheit, die harmonische Freizügigkeit des Impressionismus, bei Busoni noch unmittelbarer ins Werk eingehen als bei manchem seiner Zeitgenossen. Die wichtigsten Arbeiten, die in der Folgezeit entstanden: etwa das Klavierkonzert, die Sonatina seconda, die Berceuse elegiaque, die Fantasia con- trappuntistica, das Nocturne symphonique, die Oper „Arlecchino“, das Concertino für Klarinette und Orchester, die Studien zu „Dr. Faust" — sie alle spiegeln nicht nur die Universalität dieses Verarbeitungsprozesses, der in der Tat alle bedeutenden Zeitströmungen in der Wesenssckmu eines freien und klaren Geistes höchst persönlich zusammensaßt und subjektiv überwindet. Sie nehmen zugleich in der Kühnheit und Neuartigkeit ihres Stiles, ihrer Haltung, ihres Gehaltes Wesentliches von dem voraus, was erst im Schaffen einer jüngeren Generation allgemeiner zum bestimmenden Merkmal wurde.
Tas Schlagwort von der „Jungen Klassizität" braucht an dieser Stelle, an der es zum ersten Male öffentlich ausgesprochen wurde („Frankfurter Zeitung" vom 7. 2. 1920), nicht näher erklärt zu werden. Was Busoni meinte: die Klarheit und Festigkeit der Form bei wesensvoller Sparsamkeit und absoluter Beherrschung der Mittel, die Befreiung der Melodie, die Ucberwindung der Schwere, des „psvchologischen" Klangs, ferner die reine Musik- Oper, die, „an das alte Mysterium wieder anknüpsend, zu einer un-alltäglichen, halb-religiösen, erhabenen, dabei anregenden und unterhaltsamen Zeremonie sich gestalten" solle, schließlich die „Einheit der Musik" im Sinne einer reinen, menschlich erfüllten, aus sich selbst deutkrästigen Kunst — es ist in das Streben gerade der besten unter den heute Schaffenden eingegangen. In ihm erkennen wir das, was über einzelne Erfüllungen, aber auch über manches nur Zeitbedingte und Halbvollendete an Busonis Wirken hinaus als verpflichtendes Vermächtnis auf die Gegenwart gekommen ist.
Heinz Joachim.
„Die Weiöerlist von Weinsöerg".
Berlin, 31. März. *
Nimmt man das Thema der „Weiber von Weinsberg" als gegeben an — sonderlich günstig scheint es mir nicht zu fein — i» hat Gert v. Klaß in seiner „Werberlist von Weinsberg", di- kürzlich bereits über die Frankfurter Bühne ging, zweifellos den rechten Weg beschritten. Er differenzierte. Er sah auch den Mann, der zu stolz fft, sich auf Frournrücken zu flüchten; auch den an
dern, der um keinen Preis heiraten will; den dritten, der seine Frau mit einer anderen hintergeht. (An dem verliebten Turteltaubenpärchen, das dem Stück auch sinnliche Reize verliehen hätte, ließ er es selt'amer Weife fehlen.) Aus solcher Differenzierung war das gesamte Spiel zu gestalten; sie mußte künstlerisch ernst genommen werden, sollte wahrhaft lustige Wirkung erzielt werden; schade drum. Gert v. Klaß hat Allerweltmotive von Aristo- pbanes bis aus „Charlehs Tante" in sein Stück hineingetragen, anstatt in seiner Differenzierung ins Detail, auch ins seelische Detail, zu gehen. So wendet sich seine Komödie, wie sie nun vorliegt, an eine anspruchslose Zuhörerschaft, die jeden Scherz, gleichviel ob er aus der Handlung und den Charakteren erwachsen oder nur aufzeklebt fft, scherzhaft zu nehmen bereit ist. Den besseren Weg hatte der Verfasser erkannt, und beschritten — er ist ihn nicht zu Ende gegangen.
Ter Regisseur der Volksbühne (Theater am Nollendorfplatz) Earl Ludwig Achaz-Duisberg war nicht ohne Erfolg bemüht, durch anmutiges, stellenweise allzu betontes Bewegungs- spiel der Komödie aufzuhelfen. Aber vielleicht hätte er gut daran getan, den Verfasser ein wenig zu vergewaltigen, anstatt ihm respektvoll zu folgen. Die Folge davon war, daß Lustspiel- und Possenfiguren auf der Bühne unvermittelt nebeneinander standen. Auf der Lustspielseite Renee S t o b r a w a, die manchmal mit gefügigem Lächeln zu früh kam, Paula Denk; bereits etwas dezidierter Tony van Eyck, Erich Musil. Links aus der Possentür kamen Josef Sieber, als Ratsherr Adalbert, Kurt Klopsch, Hans Herrmann--Sckmusuß (Sekretarius), der denn freilich auch in differenzierteren Wirkungen gefallen durfte. Eine zwiespältige Aufführung, zwiespältig wie die Komödie. Ter Beifall wurde dadurch nicht beeinträchtigt. E. H.
Aer vereidigte Womanheld.
Beinahe jedem neuen englischen Roman wird man bsutzutage eine kleine Notiz vorgedruckt finden, die eine Versicherung des Verfassers an den Leser enthält, daß keine in diesem Buch geschilderte Person oder Situation dem wirklich? Leben entnommen sei. Dem Uneingeweihten mag es eine sonderbare, ja rätselhafte Sitte der Schriftsteller scheinen, durch eine solche Erklärung auf den freischwebenden Charakter ihres Werkes, in dem der Leser doch die Früchte der Lebenserfahrung eines scharfsinnigen Beobachters nicht weniger zu finden hofft, als die einer dichterischen Phantasie, von vornherein zu verzichten. Wieso? fragt er fich, ist dies also ein Märchen, oder bloß eine Schauergeschichte?, welcher ehrliche Romanschriftsteller der Welt wird denn alle lebenden Vorbilder, alles Schöpfen aus der Wirklichkeit aus seinem Werk weglougnen?
Um hinter die Beweggründe eines so ängstlichen Vorbehalis zu kommen, erwähne man einmal einem englischen Autor oder gar seinem Verleger gegenüber das Wort „Beleidigungsklage". Es geht das Gerücht, daß der Schriftsteller durch den bloßen Klang der Wortes gezwungen werden könne, den Helden und
den Hauptteil der Handlung aus seinem neuesten Roman zu streichen, während der Verleger, dem man es ins Ohr flüstert, automatisch zum Scheckbuch greife und frage: Wieviel? Denn es besteht die nicht unwitzige Tatsache, daß sich das „freie" englische Schrifttum von heute in einer hilflosen Zwangslage gegenüber den Beleidigungsgesetzen befindet, die in den letzten Jahren aus der quantitativ so mächtig gewachsenen Literatur das zuverlässigste und fruchtbarste Operationsfeld für Leute auf der Suche nach mühelosem Verdienst gemacht hat. Ein offener Brief der bedrängten Schriftsteller, in starken Worten eine umgehende Aenderung der gesetzlichen Lage fordernd, drückt es so aus: „Im Augenblick steht das Gesetz so stark zu Ungunsten des Autors, daß man wahrheitsgemäß sagen kann, es gebe für ihn keine wirksame Abwehr der Klagen und Anforderungen, die in bezug auf feine veröffentlichten Werke gegen rhn erhoben werden können... Ter Kläger behauptet, die Beschreibung einer Romanfigur stelle eine Beleidigung gegen ihn dar. Um einen Gerichtsfall in Gang zu bringen, braucht er nur ein oder zwei Zeugen zu haben, die schwören, daß sie in dem betreffenden Romanhelden den Ankläger „erkennen". Die Zeugen mögen unwissend, falsch informiert, böswillig oder gar Komplizen einer kaum verhüllten Erpressung sein, aber ihre Aussage genügt, um Autor und Verleger die kostspielige Notwendigkeit aufzuerlegen, vor Gericht zu beweisen, daß der Kläger mit der Romanfigur vernünftigerweise nicht identifiziert werden kann . . . selbst wenn der Autor den Kläger nie gesehen noch von ihm gehört hat, kann er trotzdem zu hohen Gerichtskonen und Entschädigungen verurteilt werden . . . Unter heutigen Bedingungen bedeutet ein solcher Gerichtsfall für Autor und Schriftsteller schwere Verluste, ganz gleich, ob sie ihn gewinnen ober verlieren; und aus diesem Grunde neigen die Verleger dazu, nach Möglichkeit einen außergerichtlichen Vergleich zu schließen."
Der letzte Satz erklärt, warum sich der Hauptteil dieses legalisierten Schmarotzerfeldzugs hinter den Kulissen abspielt; man muß schon ein wenig Einblick ins englische Verlagswesen haben, um den Umfang zu erkennen, in dem der beleidigte Romanheld zur Landplage für die Literatur geworden ist, und die Höhe der Schecks die zu seiner Beruhigung jahraus jahrein geschrieben werden. Die Gerüchte nennen märchenhafte Summen; kein Wunder, daß der Brauch des Beleidigt-Seins rapide um sich greift, je mehr Bücher erscheinen und je erfolgreicher sie sind, und daß es bei aller Vorsicht für einen Verleger gar nicht mehr möglich ist, solche Mißhelligkeiten zu vermeiden. Neulich wurde der Briefwechsel eines sehr bekannten verstorbenen Schriftstellers mit einem Verwandten veröffentlicht, aus dem der vorsorgliche Herausgeber alle Hinweise auf die überlebende Gefährtin des großen Mannes entfernte, denn sie war nicht seine Frau gewesen. Prompt erhoben sich jedoch die heftigsten Klagen der Dame: die Rolle, die sie im Leben des Schriftstellers gespielt habe, sei durch diese Streichung iälschlich als geringfügig dargestellt worden, wodurch ihr Ruf und ihre gesellschaftliche Lage geschädigt sei.
Ganz abgesehen von den Kosten und Aergernissen aber, die der Bücherwelt aus den Anomalien des Law of Literary Libel ent-