ft*, so«. Erstes Morgrnblatt.

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SamFtag, 1. November i»®a

Schweix.

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(Neue Frankfurter Zeitung

Amerika.

Faris Agenoe Havas;

JSew-y.'ork uns. Agentur

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Wag u. Drucks. Frank, tritt Societäts-Druckerai 4QeseHs<*hnft. m.b. H4

Oesterreich (Wien auch Ztg.-Bur.WoUz. 6)Kr.l 1.49 Ingin.....Kr.12.62

Lt.....Fr. 13.80

Belgien.....Fr. 18.92

Rur für den Militärdienst behandelt man sie nicht als Fremde. Der Militärdienst ist auferlegt durch das Gesetz" vom November 1882 den Einwoh« nern des Landes. Die Juden sind Fremde, aber sie bewohnen das Gebiet, sie müssen deshalb den Militärdienst leisten. Um zu sehen, mit welcher Geschicklichkeit die Re­gierungen dieses Landes das Instrument der Gesetzgebung handhaben, muß man den Kriegsminister General Manu hören, der während der Berathung deS Gesetzes im Senat sagte:Der Eingeborene, der in der rumänischen Armee dient, wird dadurch noch nicht rumänischer Bürger. Die Blutsteuer, die man zahlt, hat mit der Naturalisation nichts zu thun. Der Sohn eines Fremden, geboren im Lande, kann das Loos ziehen und in der Armee dienen, er wird dadurch noch nicht rumänischer Bürger; um dies zu werden, mutz er die Naturalisation durch Vermittelung der Kammern er­halten. Diese können sie ihm gewähren oder verweigern, ohne, durch die Thatsache, datz er in der Armee gedient hat, gebunden zu fein.*

Nicht ein Wort wird von den Juden gesagt, aber diese Söhne von Fremden, geboren im Lande, welche dienen müssen*, sind die Juden. Sie bleiben Fremde selbst nach Ableistung des Militärdienstes. Man kann sie aus dem Lande vertreiben. Man hat sie auf Grund des Gesetzes vom 7. April 1881 aus den Landge­meinden vertrieben. Die Regierung hat dasselbe Gesetz be­nutzt, um die Israeliten aus Rumänien zu vertreiben, welche auf dem Wege der Presie gegen die ihren Glaubens- genvsien zu Theil gewordene Behandlung protestirt hatten.

Alle diese gesetzgeberischen Matzregeln zusammen haben ihre traurigen Folgen gehabt: die jüdische Bevölkerung in Rumänien ist ruinirt; langsam sah sie sich die Mittel zum Leben entrissen, und als vor zwei Jahren die Wirth- s ch a f t l i ch e Krise, die Rumänien so hart getroffen hat, eintrat, wurde das Elend der Juden so grotz, datz sie keine andere Wahl als Tod durch Hunger oder Aus­wanderung hatten. Angesichts dieses Unglücks eröffnete die Alliance Jsraelite eine Subskription, welche ihr ge- statttee, in allen volkreichen Mittelpuntten unentgeltliche Küchen für die unglücklichen Hungernden zu organisiren; seit fast zwei Jahren muhte sie Tausenden von Familien, die aller Hilfsmittel beraubt sind, Wohnung und Nahrung verschaffen; dieses Hilfswerk hat bereits bedeutende Sum­men verschlungen, sie mutzte es aufrechterhalten, da sonst schlimmeres Unheil entstanden wäre. Diejenigen, welche die Kraft zum Geben haben, ziehen fort. Im Jahre 1900 hat man gesehen, wie sich zahlreiche Banden von Emigranten bildeten, sie berlietzen das rumänffche Gebiet, ohne zu wiffen, wohin sie gehen sollten; sie strandeten in den benach­barten Gebieten, als sie nicht mehr die Kraft hatten, weiter zu gehen. Die am meisten Glück hatten, haben sich haupt­sächlich nach den Vereinigten Staaten begeben. Die an­deren Staaten Europas haben deren eine gute Anzahl em­pfangen, wir haben sie auch in Paris ankommen sehen; es waren zum gröhten Theil junge Leute, Arbeiter, beseelt von dem lebhaften Wunsche, zu arbeiten, aber geschwächt durch die langen Leiden. Dieser Auszug dauert fort. Im Laufe des Jahres 1902 haben mehr als 10,000 rumänische Ju­den Rumänien verlasien. Es wandern nicht allein Ar­beiter aus, zahlreiche Familien, die noch einige Mittel be­sitzen, aber keine Möglichkeit sehen, ihr Schicksal zu beffern und die riskiren, das, was ihnen geblieben, zu verlieren oder zu erschöpfen, bereiten sich ebenfalls zur Auswander­ung vor. Man kann feststellen, daß auf eine Bevölkerung von 250,000 Seelen mehr als drei Viertel keine an­dere Abhilfe für ihr Elend als Auswanderung sehen.

Während 20 Jahren haben Me rumänischen Israeliten gehofft, datz die Signatarmächte des Berliner Vertrages für die Durchführung der Bestimmungen des Artikels 44 durch Rumänien Sorge tragen würden. Nachdem diese Hoffnung geschwunden ist, sehen sie für sich Heil nur im EM. Die amerikanische Republik, die ihnen eine so edle Gastfreundschaft gewährt, hat die Auf­merksamkeit der europäischen Regierungen auf die Verletz­ung des Berliner Vertrages gelenkt. Es ist, wie wir über­zeugt sind, nicht unnütz, datz sie sich an Frankreich ge­wandt hat. Es wird Frankreich ewig zur Ehre gereichen, in jeder Epoche die Sache der unterdrückten und verfolgten Völker vertheidigt zu haben. Die französische Republik hat einen bedeutenden Antheil an den Beschlüssen des Berliner Kongresies genommen, der die Emancipation der Völker der Balkanhalbinsel gesichert hat; sie ist es gewesen, die borgeschlagen und die Annahme der Vertragsbestimmungen, welche den rumänischen Juden die Rechte von Bürgern sicherte, durch jene hohe Versammlung bewirkt hat. Glauben Sie nicht, Herr Minister, daß die Tradition Frankreichs, die Bedeutung seiner Rolle in den Verhandlungen des Ver­trages von 1878, die Achtung vor einem diplomatischen Instrument, das seine Unterschrift trägt» die Regierung der Repichlik nicht dazu führen muß, das im Jahre 1878 be­gonnene Werk zu vollenden und die vollständige Ausführ­ung des Artikels 44 des Berliner Vertrages zu verlangen? Wir wisien, Herr Minister, daß wir rechnen können auf

TkrrWMümg.

W Gießen, 28. Oct. Die Strafkammer verurtheilte heute nach neunstündiger Verhandlung die unbestrafte 45 Jahre alte Wittwe des praktischen Arztes Dr. Tille von Bad Nauheim wegen zweier selbstständiger Fälle der schweren Urkundenfälschung in Jdealkonkurrenz mit Betrugsversuch, unter Zubilligung mildernder Umstände, so­wie wegen einer einfachen Urkundenfälschung zu 6 Monate Gefängniß. Frau Dr. Tille, die in Bad Nauheim eiste Villa besitzt und in guten Verhältnissen lebt, hat ganz gewerbs- mäMg Nauheimer Geschäftsleute dadurch betrügen wollen und auch theilweise betrogen, daß sie Waaren auf Borg ent­nahm und die ihr darüber zugestellten Rechnungen mit einem Quittungsvermerk fälschte und dann unter Vorlegung der Quittung Zahlung verweigerte. Das Motiv der That ist Geiz und Habsucht gewesen. Die Verurtheilte wurde sofort in Haft genommen.

Eine neue Kundgebung gegen die rumänische Fremdengesetzgebung.

Am 17. September d. I. wurde in Washington die Note veröffentlicht, welche der Staatssekretär John Hay unterm 11. August an die Vertreter der Vereinigten Staaten bei den Signalarmächten des Berliner Vertrages gerichtet hatte, um sie zu veranlassen, gegenüber Rumänien Vorstellungen W erheben, damit dieses endlich die Bestimmungen des Berliner Vertrages über die GleichsteÄng der 3uden mit den übrigen Rumänen durchführe. Von rumänischer Seite hat man den von der amerikanischen Regierung erhobenen Protest gegen die Sei« aewaltigung der Juden in Rumänien oadurch zu ent« frästen versucht, daß man die Sache so barfteute, als i>6 es sich nur um die Verweigerung politischer Rechte an Feinde eingewanderte Juden handle. Daß diese Behauptung m schroffstem Widersprüche zur Wahrheit steht, haben wir Wiederholt nachgewiesen. Wir sind nun in der Lage, nach- -stehenddetne Petition wiederzugeben, welche das Central« 'Gom116 der Alliance Jsraslite in Paris ?n die französische Regierung gerichtet hat und m der kurz, aber klar die gegen die rumänischen Israeliten gmchst.fe Geschgebung Rumäniens in unanfechtbarer Weise gekeniizeichnet und um die Intervention Frankreichs gebeten wird. Dieses Schrrslstück lautet in der Ueoersetzung aus dem Französischen wörtlich folgendermaßen;

Ast Herrn Delcass£, Minister der Auswärtigen An­gelegenheiten, Paris.

Herr Ministerl

Es sind 24 Jahre her, datz die Französische "Republik durch ihren ersten Bevollmächtigten, Herrn Wa d dingion, auf dem Kongresse der in Berlin .vereinigten europäischen Mächte vorschlug,der rumänischen UnaAhängigkeit dieselben Bedingungen wie der serbischen Unabhängigkett zu stellen* und die Israeliten, welche Rumänien bewohnen und keinem fremden Staate an- gehören, zu rumänischen Bürgern zu proklamiren. Dieser vom Kongreß angenommene Vorschlag wurde Artikel 44 des Berliner Vertrages, der feierlich erklärt,datz in Rumänien der Untschied des Glaubens und der Bekenntnisse Niemandem gegenüber geltend gerstacht werden darf als ein Grund der Ausschließung oder bjcr Unfähigkeit bezüglich des Genuffes der bürgerlichen und politischen Rechte, der Zulasiung zu öffentlichen Diensten, Aemtern und Ehren oder der Ausübung Ler verschiedenen Berufs- und Gewerbs-Zweige, an welchem Orte es auch sei*.

Die offizielle Anerkennung Rumäniens durch die europäischen Mächte hing von der Annahme des Artikels 44 des Vertrages ab. Rumänien mutzte dem seine innere Gesetzgebung anpassen; seine Regierung beschräntte sich darauf, den Artikel 7 der Verfassung vom Jahre l866, der die Naturalisation von Nicht-Christen verbot, durch eine Besttmmung zu ersetzen, die besagt, daßdie Verschiedenheit des religiösen Glaubens und der Konfession in Rumänien kein Hinderniß «bildet bei der Erwerbung und Ausübung der bürgerlichen mnd politischen Rechte*. Die Bestimmung regelt gleichzeittg die Naturalisation der Fremden. Sie besagte ferner, daß die Naturalisation im Allgemeinen nicht anders als durchwein besonderes Gesetz erlangt werden kann, datz sie eine individuelle ist, und datz nur die Rumänen oder naturÄksirte Rumänen im Fürstenthume Landbesitz erwerben können. Dieses Gesetz wurde am 13./25. Oktober 1879 promulgirt. Demselben folgte die Naturalisation einer klei­nen Anzahl Israeliten, die den Feldzug von 1877/78 mit» gemacht hatten, durch das Parlament.

Die französische Regierung war der Ansicht, datz dies eine unvollständige und fruchtlose Anwendung des Artikel 44 des Berliner Vertrages war. Um den Widerstand der Mächte, insbesondere Frankreichs, Deutsch- landes und Englands zu überwinden, erklärte der rumänische Mini st er desAeutzern in einer an den Agenten des Fürstenthurns in Paris gerichteten und dem Minister der auswärtigen Angelegenheiten übergebenen Depesche:

Es ist nutzer allem Zweifel, datz diese Aus­führung des Gesetzes (vom 13./25. Oktober 1879) loyal und aufrichtig fortgesetzt werden wird und datz die staatlichen Körperschaften es in Zukunft an wenden wer­den, wie sie es in ^ber Gegenwart angewendet haben, um dem jüngst botirten Gesetze Achtung zu sichern und die An­wendung desselben fortzusetzen. Die Zeit wird so die stufenweise fortschreitende Entwicklung der in die Gesetzgebung eingeführten Reform hetibei- führen.*

Angesichts dieser formellen Versicherungen enffchlossen sich die Regierungen von Frankreich, Deutsch­land und England, Rumänien als unabhängigen Staat an­zuerkennen, aber es wurde unter ihnen ausgemacht, daß sie

eine identische Note an Rumänien richten sollten, um ihre Reserven zu formuliren. Diese wurde am 20. Februar 1880 übergeben. Die französische Regierung erklärte barm, datz die zur Ausführung des Berliner Vertrages be­schloßenen konstitutionellen Bestimmungen unzulänglich seien, und bemerkte wörtlich:Die Bestimmung, welche ganz ^sonders Einwendungen erregt, ist diejenige, die nicht- chrrstlrchen Personen, die in Rumänien wohnen und sonst keinem fremden Staate angehören, die Verpflicht­ung auferlegt; sich den Formalitäten der individuellen Naturalisation zu unterwerfen*.

Schließlich wiedscholte Herr d. Freycinet, Minister des Aeußern, in einem am 16. IHril 1880 an den diplo­matischen Agenten Frankreichs gerichteten Rundschreiben dre tn her von den drei Regierungen übergebenen Note enthaltenen Vorbehalte und nahm Aktvon den durch die rumänische Regierung gegebenen be- be stimmt en Versicherungen, von ihrem Ent­schlüsse, vorwärts zu marschireir auf dem von nun an eröff­neten Wege und sich so viel als möglich in ihren Anstreng­ungen dem angezesgten Ziel zu nähern*.

Die rumänische Regierung wurde anerkannt, ihr Ziel war erreicht. Sie wissen, Herr Minister, was aus den formellen Versicherungen geworden ist, welche sie in ihrer Depesche vom 22. November 1879 gegeben hatte,daß die Ausführung dieses Gesetzes aufrichtig und loyal fortgesetzt werde*. In dem Zeitraum von 22 Jahren von 1880 big 1902 haben kaum achtzig Jsraeltten ihre Natiira- lffatwn um den Preis großer Gefahr und demüthigendster Schritte erlangt. Seit 10 Jahren schiebe die rumänische Kammer systematisch alle Naturalisations-Gesuche von Israeliten bei Seite. '

Die rumänischen Israeliten find daher heute Fremde in einem Lande, in dem sie geboren sind, Fremde, obgleich ihre Niederlassung in den Donaufürsten- thümern durch die Historiker des 13. und 14. Jahrhunderts festgestellt ist; Fremde inmitten eines Volkes, mit dem sie ihre Existenz bereinigt haben; Fremde, trotz ihrer Betheilig- ung an allen öffentlichen Lasten, an der schwersten aller, dem Militärdienste, dem sie mit Ehren auf den Schlachtfeldern nachgekommen sind; Fremde gegenüber ihrem Lande, ohne einem anbern Staate anzugehören, der Ausweisung aus­gesetzt, ohne irgendwo sonst Staatsbürgerrechte zu haben.

Hat man jemals in ähnlicher Weise das Völker­recht herausgefordert? Haben die Israeliten wenigstens die den Fremden in allen cibilfirten Ländern zuerkann- ten Rechte? Nein, Rumänien hat gegen diese Fremden eine ganze Gesetzgebung gemacht, die dazu Bestimmt tft, sie physisch und moralisch zu ruiniren, sie in unerträgliches Elend zu bringen, sie zur Auswan­derung zu zwingen. Es gibt Gesetze, um sie vom Handel, der Industrie, den Fabriken) und Werkstätten, der öffentlichen Verwaltung, den freien Künsten zu entfernen, sie von den Schulen auszuschließen, sie aus den Landgemein­den, ja selbst vom Territorium Rumäniens zu verjagen.

Gesetz vom 29. März 1884, welches den Hausirhandel untersagt.

Gesetz vom 15. Febr. 1872 und 28. Febr. 1887 über den Verkauf von Tabak oder Angestellte im Dienste der Regie. '

Gesetz vom 24. Juni 1886 über die Wechsler und Makler.

Gesetz vom 26. Juni 1893 über die Verwendung im Staatsdienste.

Gesetz vom 8. November 1893 über die Drogmsten.

Gesetz vom 9. April 1878 über den Verkauf und Handel mit geistigen Getränken.

Gesetz vom 24. Juni 1887 über Fabriken und Werk­stätten . .

Gesetz vom 8. Juni 1884 üb ex Advokaten.

Es gibt auch.Gesetze über die Schulen: Man muß die Juden berhindern, sich zu bilden. Der erste Artikel des Gesetzes vom 12. Mai 1896 ist fol­gendermaßen abgefaßt:Der Elementarunter­richt ist obligatorisch und unentgeltlich für die Ru­mänen. Die Fremden außer denen, die tn der Do- brudscha wohnen, bezahlen eine Steuer, die durch ein Re­glement über die Anwendung dieses Gesetzes festgestellt wird. Wenn die Zahl der Kandidaten die Zahl der zur Verfügung stehenden Plätze überschreitet, wird der Vorzug den Kindern der Rumänen gegeben," Ein an die Vorsteher der Stadtschulen gerichtetes Circular vom September 1898 ist her beredteste Kommentar zu diesem Gesetze:In Folge der Unzulänglichkeit der Lokale beträgt die Zahl der Kinder, welche die rumänischen Schulen besuchen, nur 42,367, so daß ein Lehrer auf 31 Kinder statt auf 80 kommt. Dieses Ergebniß ist ein unglückliches. Bei dem gegenwärtigen Stande der Dinge kann von Zulassung frembet Kinder nicht einmal die Rede fein, da die Lokale nur die Hälfte der ru­mänischen Kinder aufnehmen können." Dieselbe Ausschließ­ung der Juden findet sich in dem Gesetze vom 4. April 1898 über den Sekundär- und höheren Unterricht, in dem Gesetze vom 23. Februar 1893 über den p r o - feffionellen und kommerziellen Unterricht in allen Graden.

Lösung der soziale« Fragen in Nicaragua.

B NewUork, 19. Oct. Inidealer* Weise hat soebea die Regierung von Nicaragua daSArbeiter» Problem gelüst. Hiusüro wird eS in jenem gesegnete» Land« keine Streiks mehr geben. Es ist nämlich ein neues Gesetz erlassen worden, welches zunächst bestimmt, daß jede Person, die nicht ein Vermögen von 500 Pesos (400 Mark) aufweise» kann, als einArbrtter* anzusehen ist. Ferner wird bestimmt, daß jederArbeiter* einen Arbeitgeber haben muß. Wird ei» solcherArbeiter* gefunden, der keine Arbeit hat, so wird re sofort von der Polizei verhaftet, zwanzig Tage inS Gefängniß gesperrt und dann au RegierungSarbetten beschäftigt, bis sich ein Privatmann seiner erbarmt und ihm Arbeit gibt. Die übri­gen Bestimmungen des Gesetzes handeln von Geldgesthäste« zwischen Arbeitgeber und Arbettnehmet. Ersterer darf letzterem nie Zinsen aufrechnen eine Bestimmung, die in Anbetracht deS mittelamerikanischen Peonen-Systems eine segensreiche ge­nannt werden muß. Streiks sind nach dem neuen Ctzsetz rm- möglich, da ja jeder Ardeiter in Arbeit stehen muß, wenrt et rllchi eingesperrt werden will.

Preise der Anzeigen:

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Unsere übr. Agenturen u.

Frankfurter Haadelszeitnng.) " * Annoncen-Bureaux.

Ihre Gefühle der Humanttät, auf Ihren weitgehenden Li­beralismus, auf Ihre Liebe zur Gerechtigkeit str die Ver­theidigung einer arbeitsamen und rechtschaffenen Bevölker­ung, welche das Opfer der grausamsten Verfolgungen ist. Genehmigen Sie, Herr Minister, die Versicherung unseres tiefen Respekts. .

Für das Central - SomitU Der Präsident Ger. N. Leven.

Wie wir hören, hat das Centtal-Comit6 eine ähnlich» Eingabe auch an die italienische Regierung ge­macht.

Deutsches Reich.

Frankfurt, 31. October.

Die Agitationskommission des Vereinsfürsozia-' les Genossenschaftswesen ersucht uns, folgendes Circular zu veröffentlichen:

Das Genossenschaftswesen ist in den letzte« Jahren in eine neue Periode des Aufschwungs ge­treten. Auch in Berlin und der Provinz Brandenburg macht sich allenthalben ein wachsendes Interesse für dasselbe be­merkbar. Die unterzeichnete Kommission ist deshalb^ von den Mitgliedern des Vereins für soziales Genossenschafts­wesen in Berlin gewählt worden, um eine planmäßige Regel­ung der Agitation für die verschiedenen GenossenschastSarten, sowie die Verbreitung von genossenschaftlichen Kenntnissen und Erfahrungen im engeren Kreise anzubahnen. Diesen Zweck dentt die Kommission haupffächlich durch Vermitt­lung von geeigneten Referenten für die einzelnen Zweige des Genossenschaftswesens (Konsum-, Bau«, Haushaltungs-, Kredit-, landwirthschaffliche und andere Genossenschaften) zu erreichen. Wir bitten deshalb Männer und Frauen, sie geneigt sind, durch agitatorische Vorträgs ober durch fachwissenschaftliche Referate auf dem juristischen, historischen, volkswirthschastlichen und geschäft­lichen Gebiete der Genoffenschastsbewegung mitkhätig zu fein, uns ihre Adressen zugleich mit Angabe des Spezial­gebiets, das sie zu bearbeiten gedenken, zur Verfügung zu stellen. Zugleich fordern wir die Genossenschaften, Solls# bildungS-, Handwerker- und Frauenvereine, vor Allem ober auch die beruflichen Arbeitervereinigungen aller Richtungen auf, die Vermittlung der Kommission auch ihrerseits recht häufig in Anspruch zu nehmen. Sämmtliche Zuschriften er­bitten wir an den Schriftführer der Kommission, Herrn Max Hoppe, Berlin NW., Spenerstraße 23.

Lily Braun. Paul Göhre. Max Hoppe. Fanny, Jmle«

Feuilleton.

Das neue Frankfurter Schauspielhaus.

Van Dr. Julius Hülfe«, Architekt (Frankfmt).

Das Urtheil über ein Bauwerk von bedeutendem Umfange erhält erst baun einen festen Grund, wenn man die Uebersicht derB e d i n g u n g e n hat, aus denen die inneren und äußeren Formen hftvvrgegangen sind.* Diese, einen anscheinend selbst­verständlichen Standpunkt vertretenden Worte schickte einst Karl Friedrich Schinckel einer anSführlichen Baubeschreibung voraus, mtt dre er die Pläne des von ihm 1*181820 erbauten Berliner Schauspielhauses der Oesfentlichkeit über­gab. Mit Recht, denn auch damals schon war das Bauprogramm eines Theaters voll von schmierten und verwickelten Beding­ungen, die das größere Publikum vor dem fertigen Banwerie gar leicht überfleht, um an den zunächst ht die Augen fallenden, äußeren Formen eine rasche Kritik zu üben.

Das neue Frankfurter Schauspielhaus ist nach dreijähriger Bauzeit soeben vollendet worden und Frank­furts Bürgerschaft schickt sich an, in feierlicher Einweihung das Haus, das schon seit längerer Zett, von den Gerüste« befreit, seine stolzen Fanden den Blicken dargeboten hatte, nunmehr seiner Bestimmung zu übergeben. Da ist es wohl an der Zeit, das von Baurath Seeling geschaffene Werk im obigen Sinne künstlerisch zu betrachten. Hinzu wird eS aber noth­wendig, unSderEntwicklungdeS Theaterbaues in wenigen knappen und großen Umrisse« zuvor zu erinnern.

Jeder Theaterbau zerfällt in zwei Hauptbaumassen, nämlich die Bühne mit den Nebenräume« für den Theaterbetrieb, und den Zufchanerraum mit den Nebenräumen für das Publikum. So war das Bauprogramm schon im Alterthum, in welchem der Theatrrbau zu gewaltiger Entfaltung gelangt war und ein festes Schema gezeitigt hatte. Der tiefgehende Unterschied zwischen dem Theater der neueren Zeit und demjenigen des Alterthums liegt hauptsächlich in der Anordnung der Büh « e. Im Alterthum legte diese sich lang gestreckt, mit flacher, relief- artiger Wirkung vor den Zuschauerraum, die Neuzeit dagegen verlangt eine perspektivische Bühnenwirkung. Dir zweite For­derung im Gegeniatze zum Theater des Alterthumes ist bann die feste, unbewegliche Bedachung des gapzen Baues und die ausgiebige Anwendung der künstlichen Beleuchtung. Die Form des neueren Theaterbaurs hat ihren Ursprung in den italieni­schen Operntheatern des 17. Jahrhunderts, und diese wiederum stammen im Großen und Ganzen von dem berühmten, an die Antike anknüpsenden SchövinngSbaue des Pallabin, dem 1580 errichteten Teatro Olimpico tn Vicenza. An den .Theatern fürstlicher Hofhaltungen läßt sich die Entwicklung ver­

folgen, als deren Prototyp das 17411743 von Knobels­dorfs errichtete alte Opernhaus in Berlin genannt sei, das. im Aeußeren an die antike Tempelform sich anlehnend, Zuschauerraum und Bühnenhaus mtt allen Nebenräumen von einem großen Dache überdeckt sein läßt. Auch das alt« Frankfurter Schauspielhaus, das 17801782 durch den Stadtbamneister Lieb Hardt gebaut wor­den war; zeigt diese Gestaltung des Daches. Erst Schinkel vermochte dem Theaterbau neue, fruchtbringende Anregung zu geben, indem er die verschiedenen Baukörper «ach außen bedeut­sam zur Erscheinung brachte. Wohl sind Bühne und Zuschauer- raum des Berliner Schauspielhauses noch von einem gewaltigen Dache überdeckt, dieses aber ist beträchtlich über die übrigen Bauglieder emporgehoben, die z« beiden ©eiten weit vorspringen. Aber nicht nur diese schöpferischen Bau-Jdeen hat Schinkel hier entwickelt, er verstand es auch, sie in edle, ewigschöne Forme« zu Neiden, die sich den Bamnassen harmonisch anpaßten. Der geniale Semper war es, der dann zwei Jahrzehnte später beim Bau des Dresdner Hoftheaters diese Motive zu mächtiger Steigerung führte, indem er das Bühnenhaus allein über die anderen Theile des Banes thurmartig hoch em­porführte und indem er den hufeisenförmigen Zuschauerraum an der Vorderseite des Gebäudes in einer nach einem Kreisab­schnitte gebogenen, vorgelagerten Loggia «ach anßm zum Aus­druck brachte; die Settentheile wurde« niedriger als der Zu» schauerranm gehalten und überdies so weit als möglich nach außen gezogen, so daß hierdurch das ganze Bauwerk einen brett ausladenden, reich abgefluiten Ansbau erhielt. Diese Grnvpir- ung hat Semper auch in den Entwürfen zu Theatern ül Rio deJaneiro, München (Festspielhaus) und am Wiener Hosburgtheaier(gemeinsam mit Haseuaner) noch mehrfach Uttriiri. Seitdem ist der monumentale Theaterbau um eigent­liche Grundmotive nicht mehr bereichert worden; diese werden auch vorerst so leicht nicht mehr erfunden werden, wohl aber be­steht die Möglichkeit euaet unbegrenzten Anzahl von Neuer­ungen innerhalb dieser einzelnen Bautheile, und jeder neuen!« flehende Theaterbau läßt derartige Versuche erkennen.

Am neuen Frankfurter Schauspielhause sind es zwei Bautheile, die in diesem Sinne eine bisher noch nicht ange­wandte Ausbildung «fahren haben, nämlich an der Außenseite die mächtige Betonung des Bühnenhauses durch die riesige vierseitige Kuppel, welche in diesen stattlichen Dimensionen an einem Theaterbau noch nicht vorkommt, ferner im Inneren des Gebäudes die Anlage des Foyers in eng« Verbindung mtt den Korridoren der drei Ränge.

Die Grundidee: die der gesammten Bauanlage innewohnt, ist folgende: an der Neuen Mainzerstraße sollten aus Rücksichten d« Rentabilität Wohnhäuser mit Läden errichtet werden, in deren Erdgeschoß ein Thratre-Restaurant uuterzubriugen war; zwilchen diese uno das Theater schiebt sich ein zum Wirthschafts- betriebe geeignet« Garten. Das Theatregebäude erstreckt sich

längs der UMermain-Anlage mtt der Vorderfront nach Norden. Die südliche Grenze des Grundstückes bildet zum größten Theile ein Privatgarten, an dem die Stallungsbauten der Hofflraße liegen. Zwischen dem Theater unb den Häusern an der Neuen Mainzerstraße läuft im Hintergründe des Theatergartens nach Süden gelegen ein schmaler Verbindungsbau, welcher Werkstätten unb Magazine enthält. Hinter diesem Flügel liegt ein kleinerer, von der Neuen Mainzerstraße aus zugänglicher Hofraum, unter welchem die unterirdische elektrische Licht- und Kraftanlage, ein Werk des Elektroingenieurs H. K a y s e r vom hiesigen Hochbauamte, Platz gefunden hat.

Was den Grundriß des Theaters anbelangt, so hat Bau- rath Seeling, wie es von ihm als Erbauer zahlreicher Theater nicht anders zu erwarten war, das Chaos von Näu- men, die hier vom Publikum, ben Schauspielern und der Ver­waltung, von der gesammten technisch-maschinellen Einrichtung und von der Beleuchtung, Heizung und Feuersicherheit gefordert werden, mit kundiger Hand gesichtet und Alles mit praktischem Blicke an die richtige Stelle gesetzt. Der vortreffliche Grundriß bildet ein längliches Rechteck, an dessen Seiten Risalite vor­springen. Die Treppenhäuser für das Publikum sind, für die drei Ränge getrennt, nach der Vorderseite geschoben, zu deren beiden Setten sie symmetrisch angeorbnet sind. Die Grundform des Zuschauerraums ist wie üblich aus den schräg ge­stellten ProszeniumSwändm unb ein« daran schließende« Huf- eisensorm gebildet, deren Schenkel gerade unb parallel »«laufen. Es ftnb im Ganzen 1115 Sitzplätze vorhanden hierzu kommen noch 51 Stehplätze auf der mit dem dritten Rang verbundenen Gallerte. Die Bühnenöffnung nach dem Zuschau«raum hat eine Brette von 10,50 m; die Vorderbühne ist 24 tn breit und 15,74 m tief, die damit verbundene Hinterbühne 14,80 na breit und 7,94 m tief, sodaß die gejammte Bühnentiefe 28,68 m be­trägt. Daß die technische Bühueneinrichtung mit ihrer dop­pelten Unterkellerung, ben Versenkungen, Beleuchtungsmitteln, Ziebvorrichtungen für bie Kulissen, beut Schnürboden, ben Gallerieen, Brücken, Treppen, Flugmaschine«, mit bem Regen- apparate unb dem eisernen, hydraulisch betriebenen Vorhänge unb sonstigen Vorkehrungen zur Feuersichreheit allen neuesten, hohen Anforderungen entspricht, bedarf kein« besonderen Er­wähnung; ein Gleiches gilt von der Heizungsaulage im ganzen Gebäude. Im Zuschauerraume steigt die, im Kellerraume in einem komplizirten System von Kammer« «wärmte und ge­mischte Lust durch schmale, unter den Sitzen angebrachte Gitter nach oben. Der sehr praktisch mtt einer Besichtigungs-Galierie für Die am Boden ausgespannten Kulissen, mit vortrefflicher natürlicher und künstlicher Beleuchtung versehene Malnsaal ist in bet Höhe des dritten Obergeschosses links vom Bühnenraume untergebracht. Alle Ankleideräume für bie Schauspiel«, für das Statistenpersonal, fern« bie Bureaux ber Verwaltung liegen zu beiden Seiten ber Bühne; sie sind reichlich bemessen unb einfeä und gediegen auSgeftatteL Auch an Kleber- unb

Waffenkammern, sowie Räumen für Möbel unb sonstige Requi­siten ist kein Mangel. Das Vestibül und barüb« bas Foyer sind an bie Sotberfeite gelegt.

Nach diesem kurzen Ueberblick üb« die Veetheilung der Baumassen und bie Grundzüge b« Inneren Eintheilung, dürfen wir uns ber Betrachtung bes äußeren Organismus zuwenden, um alsdann noch da? Innere in sein« künstlerischen Ausge­staltung zu würdigen.

Von ber so verschiedenartigen Raumerforberniß im Innren bleiben bie Farad en ber Hauptsache nach durchaus ab­hängig ; damit ist aber nicht ausgeschlossen, daß manchmal ein Raum, z. B. in der Feusterstrllung, sich ein« etwaigen Symmetrie einer Fahnde oder ähnlichen Erwägungen anbe­quemen muß. Dieser Widerstreit zwischen rein praktischem unb rein künstlerischem Etsorderniß, ber eigentlich bem Architekten bei ber Gestaltung eines {eben Bauwerkes theils hemmend, theils fördernd entgegentritt, und der um so leicht« zu überwinden ist, je mehr der Architekt sich der sogenannten malerischen Behandlung des Baues hiugibt, bildet gerade beim monu­mentalen Theaterbau eine nicht zu unterschätzende Schwiatg- leit, die anwächst, je einfacher die Formgebung wird. Seeling hat diese Schwierigkeiten gemeistert, indem « das Hauptgewicht auf eine völlige Ausnutzung der Gruppirung legt, bie durch bie verschiedene Höhe unb Breite b« Bautheile unb burch bie An­lage beS nach der Straße bmch eine Säulenkolonnade abge­schlossenen Theatergartens gegeben, ist unb inbem re bie einzelnen Theile in starken, stellenweise harten Accenten aegeneinanber abhebt; fast jeb« Baulheil «hält sein eigenes System, wobei unstreitig eine lebhafte, bekorativr Fernwirkung zustanbe kommt. In der Nahwirkung jeboch. na­mentlich an ber westlichen nach ber Promenade gelegenen Seite des Theaters regt sich in ben Architekturformen eine leise Un­ruhe, die jeboch beim Fehlen größ«« ruhiger Wandflächen nicht zu vermeibm war. Es muß auch hervorgehoben werden, daß zu ben letzteren ein Hinderungsgrund vorhanden ist, durch das un­umgängliche Erforderniß hinreichender Lichtöffnungen in nicht allzu großen Fa^adenstSchen, die bei einigem Abstande vom Ge­bäude burch ben kolossalen Maßstab des Kuppelbaues eher noch kleiner erscheinen, zumal diese Flächen durch diffreenzirte Glie­derungen und plastische Bildwerke und Ornamente reichlich auSgefflUt sind. In ben Gliederungen, zu denen Renaissance und Barock den Grundton abgeben, läßt Seeling überall, mehr ob« wenig« impulsiv, neuzeitliche Formgebung anklingen. Die Vorbreseite deS Theaters zeigt einen, von einem hohen Dreieck- giebel überragten Mitteltheil, welcher von ben drei mächtigen Fenstern des bahinterliegenden Foyers durchbrochen wird; « ist flanktet von zwei schmalen pylonenartigen Frontthürmen mit eigenartigem oberen, kuppelförmigem, kraftvoll ornamenlirtem Abschlüsse. (Am Oberthette dies« Pylonen ist bem Archi­tekten ein kleines heraldisches , wohl vom Publikum kaum beachtetes Versehen unterlaufen, indem nämlich die bei»