Gatten. Gegen dieses von der Berufungsinstanz bestätigte Ur. teil legte ber Klagevertreter Revision beim Obersten Gerichts­hof ein und machte geltend, eS könne in der Eifersucht der Klägerin für jedermann, der in der Psychologie der Frauen­seele bew>ändert sei. bloß ein Beweis dafür erblickt werden, daß sie ihren Gatten liebte, und nicht widerspruchslos ver­lieren wollte, so daß dieser Umstand nicht als Scheidungs­grund gegen sie verwertet werden könne. Der Oberste Ge­richtshof hat die Revision a b g c w i e s e n mit der Begründung, daß grenzenlose Eifersucht ja an sich häufig nicht hinreichcn möge, die weitere Fortsetzung der Ehegemeinschaft als Mveck- toidrig oder unmöglich erscheinen zu lassen; aber wenn die Leidenschaft dahin führe, beleidigende Anwürfe sowohl unter vier Augen als vor ander« Personen zu erheben und Be. schimpfungeu wiederholt auszufprechen, so könne nicht ver­kannt werden, daß hierin empfindliche Kränkungen liegen. Stach diesem dreifachen Gerichtsspruch wird man die bekannte Definition der Eifersucht variieren müssen: Eifersucht ist eine Leidenschaft, Pi« mit Eifer sucht, was Scheiden schafft.

s: sTer Aukttonsmarkt Barlin.) Man schreibt uns aus Berlin, 30. November:Der große Cäsar, tot, und Lehm geworden!" Josef Kainz, tn die tiefste Versenkung ver­sunken, hingegangen zum letzten Malab durch die Mitte", erledigt und abgetan; und nun wird auch schon sein prunk, volles Erbe und selbst sein intimstes Hab und Gut in alle Linde verstreut. Der große Cäsar, der ahnungsvolle Ham­let!Stoch eh' das Salz der Unstillbaren Tränen getrocknet!" Hat er nicht selber diese Worte gesprochen? VorauSgefühlt gar? Es ist in der Tat so gekommen; es mußte wohl so kommen! Die lebendigen, tausendfach lebendigen Schätze seiner Woh- nung in Wien hat man mit unverhohlener Eil« nach dem gro­ßen und vielversprechenden Auktionsmarkt Berlin transpor- tiert; da waren sie denn ein paar Tage lang aufgebaut, halb noch Reliquien, halb aber schon ihres Sinnes, ihres Rahmens beraubt, vielfältiger Kram, Antiquitäten und Trödel, und nun eine frühe und trübe Stovemberstunde: Auktion im Auktions. Haus R. Lepke: ein staubgrauer Saal; ein Paar Sessel, reiben und vorerst nur noch wenig Besucher; ein paar Probe, stücke reichen Mobiliars an den Wänden, auf die der Blick prüfender Händler fällt. (DaS einzige Stimmungsvolle an der Veranstaltung höchstens das Katalogvorwort Arthur ülocsserß.s lhib im Einzelnen? Eine fürstliche Louis Oua- »orze-Couchette, Eisen und Bronze mit weinrotem Samtbrokat, aus dem stilvollen Arbeitszimmer. (An ihr arbeitet jetzt ein Berichterstatter, der feine Notizen ausbreitet.) Ein schwarz, geschnitztes Buffet aus dem Renaissance-Speisezimmer, das vielleicht Liebhaber finden wird. Mobiliar schließlich aus dem Biedermerer-schlafzimmer, das feiner Liebhaber ganz sicher fein kann, da es ja dem heutigen Geschmack so entgegenkomm.t, lind gerade diese Möbel sind auch tatsächlich von besonders reizvoller Arbeit, bestes, altes Wiener Kirschmaker mit richtig biedermcierisch auffteigenden kleinen Flämmchen im Ho'z, und man denkt unwillkürlich: das hier tvar »vohl di, Ausstattui'g dkr 'nt,nuten _ aller kainzischen Welten, seiner heimatlich, viterresthischen, letve^ValenttnS-Wett, jener Welt, tn der Rai.

Nummer 332 Seite 2

Wagner- Schmiedeberg, erledigte L a n d t a g s m a ii d a t der Fortschrittlichen Bolkspartei erhalten bleibt. sDas Wahlergebnis der Urwahl ist folgendes: "198 fortschritt- gliche, 189 nationallibcral-konservative und 7 sozialdemokra­tische Wahlmänner. Ter verstorbene Abgeordnete Wagner wat im Jahre 1908 in Gemeinschaft mit dem Geh. Regie- 'rungsrat Büchtemann mit 192 gegen 180 Stimmen bei der Hauptwahl gewählt worden. Die tzlvialdcmokraten haben bei der letzten Wahl Stimmenthaltung geübt und werden cs dies­mal wahrscheinlich wieder tun. "Bei der Ersatzwahl waten einige 60 Wahlmänner neu zu wählen. Ter Fortschrittlichen Lolkspartci ist es gelungen, in der Person des früheren Gold- schiucdes. jetzigen Rentiers Hugo Wenke - Hirschberg, einen 'Kandidaten aus dem Wahlkreise selbst und einen Mann au5 dem Mittelstände zu finden. Bon nationalliberalcr Seite ist der sehr weit rechts stehende Landgerichtsrat a. D. S c y d e I- Hirichbcrg aufgestellt worden.

§ Gonsenheim bei Mainz, 1. Dez. Bei der gestrigen G e- meinder«tswabl siegten die verbündeten Liberalen rrnd Sozialdemokraten mit 692 Stimmen gegen 438 des Zen­trums. Gewählt wurden 3 Liberale und 2 Sozialdemokraten. ^Die Nieder! c g e des Zentrums ist um so bemerrens- werter, als Gonsenheim bisher als uneinnehmbare Zcntrums- burg galt.

« Ltratzburg, 1. Dezbr. Straßburger Blätter, dies- mal merkwürdigerweise die gouvernementaleStraßburger Post" und die fozialdtmokraftscheFreie Presse" im Bunde, versuchen in der Angelegenheit des bekannten Blumen- t h a l s ch c n Interviews in einem Pariser Blatt die Rtchtigkeit unserer Slngaven zu verdächtigen. Demgegenüber sei nochmals auf das entschiedenste festgestellt, daß mir über- einstimmend von Seiten des Herrn Blumenthal und der Re­gierung versichert wurde, daß eine Zitation des Colmarer ^Bürgermeisters wegen seiner angeblichen deutschfeindlichen "Aeußcrung nicht stattgefunden hat, daß vielmehr Herr Blu­menthal ohne Zutun der Regierung und vor einer Unter- Hebung mit dieser, die gelegentlich der Besprechung einer hier­von unabhängigen Angelegenheit stattsand, den Anstoß er­regenden Passus des Interviews als erfunden dementiert hat. .Damit fallen alle pikanten Details, u. a. die der Regierung litt den Mund gelegte Drohung, wenn Blumenthal das gesagt schabe, würde er auch nicht einen Tag länger Bürgermeister von .Colmar bleiben, in sich zusammen. Interessant für die Art. .^mit der gegen Blumenthal polemisiert wird, ist auch, daß weder dieStraßburger Post", noch bivFreie Presse" im Laufe der Auseinandersetzung verraten hat, daß das Blumen- ithalschc Interview eine Entgegnung auf ein in demsel­ben Pariser Blatt erschienenes Interview des Sozialdemo- ,Traten Peirotes war, in dem dieser Blumenthal auss heftigste angegriffen hatte und bis auf den Schlußpassus nur (sachliche Erwiderungen Blumenthals enthält. Es bleibt jetzt alHuwarten, ob die Blätter ihre grundlosen Auslassungen i rektifizieren.

* Berlin, 30. Novbr. Ter Minister der öffentlichen Arbei­ten hat im Interesse der Vereinfachung der Ge­schäftsganges und der Verminderung des Schreibwerks angeordnet, daß die O.rtsdauveam- ;ten und die mit den Befugnissen von solchen ausgestatteten Höheren Baubeamten über die Annahme, Beurlau­bung und Entlassung von Hilfskräften im Vertragsver. 'hältnis, soweit dazu bisher die Genehmigung der Provinzial» behörden vorgeschrieben war, hinfort s c l b st ä n d i g zu be- 'finden haben. Ferner hat der Minister der öffentlichen Ar- .beiien die Bestimmungen über die Vereinbarung von Kün­digungsfristen und die Sortgewäbrung der 2 o h n v e r- Gütungen in Behinderungsfällen zugunsten der j im Vertragsverhältnisse stehenden Landmesser und sonst:, gen technischen Hilfskräfte erweitert, um den auS den Kreisen der Beteiligten laut gewordenen Wünschen nach Möglichkeit entgegenzukommen, eso soll die Kündigungsfrist bei einjähriger Bewährung der Hilfskräfte auf sechs Wochen ausgedehnt und zum Vierteljahrsschluß ausgesprochen werden. Ferner soll unter der Voraussetzung einer gleichen Bewäh- ^rungsdauer die Fortzahlung der Lohnvergütung bei Arbeits- Versäumnis infolge von Krankheiten und militärischen Pflicht, .Übungen bis zu sechs Wochen stattfinden. Auch ist >te Er- imächtigung erteilt, die Lohnvergütung bei Beurlaubungen bis zu 14 Tagen weiter zu gewähren.

Hauptversammlung der Deutschen Kalouialgesekschast.

ß Elberfeld, 1. Dez., 1.20 N. (Priv.-Tel.) Die Haupt­versammlung der Deutschen Kolonialge- sell schäft wurde heute Vormittag durch den Präsidenten, Herzogregenten Johann Albrecht eröffnet. Nahezu ein­stimmig wurde folgender Antrag des Gauverbandes Rheinland angenommen:Tie Deutsche Kolonialgesell­schaft begrüßt es dankbar, daß die NeichSregierung die Er­richtung eines höchsten Kolonial» und Konsularge­richtshofes mit dem Sitz im Deutschen Reich in Aussicht genommen hat. Sie hält cs für geboten, daß sämtlichen Mit­gliedern dieses Gerichtshofes alle Garantien persönlicher Un­abhängigkeit gewährt werden, welche die Richter nach dem deutschen Gerichtsverfassungsgesetz genießen." Folgender An­trag der Abteilungen Lübeck, München und Nürnberg fand ebenfalls Annahme:Der Reichstag wird ersucht, eine Aenderung des Entwurfs eines Gesetzes über die Errichtung eines Kolonial- und Konsulargerichtshofes zu beschließen, so daß an Stelle von Berlin als Sitz des Gerichts Hamburg bestimmt wird." Die Beratungen dauerten einige Stunden. Für den Sitz beS Gerichts in Berlin plädierte Geheimrat Hamm- Bonn. Auch für Leipzig wurde gesprochen. Ge­heimrat v. Bitter, der Präsident des Oberverwaltungsge­richts, sprach für Hamburg, das allein wegen seiner über­seeischen Verbindungen in Frage kommen könne. Der Ge­richtshof müsse in ein Milieu'- versetzt werden, wo er der Welffremdheit entrückt fei. Auch seien die Richter in Ham-

AkendSKrtt der S-rattuftttfet Zeitung

Jnrcg besser imstande', die technische Seite des Verkehrs kennen zu leinen, als in Berlin.

fei, daß sie diese Aufgabe am besten lösen könne, so werde sie zu gleicher Zeit auch am besten für die Verteidigung der Küsten organisiert sein. . Zwei Erfindungen der Neuzeit kämen hauptsächlich für die Entwicklung der Verteidigung jedes Landes, besonders aber für die Großbritanniens in Be­tracht, erstens die drahtlose Telegraphie,, die mehr als alles andere zur Sicherung der Küsten Großbritanniens getan habe und zweitens die Erfindung der Unterseeboote

Italien.

* In dem offenen Briefe, den der frühere Ministerpräsident General P e 11 o u r an den Ministerpräsidenten Luzzatti richtete, um gegen die Rede des Bürgermeisters Nathan zu protestieren, war u. a. auch gesagt, daß im Laufe der vierzig Jahre das Papsttum die Forderung der Wiederherstellung seiner weltlichen Herrschaft vergessenen haben schien und daß erst Nathans Rede ungeschickter Weise die römische Frage wieder auferweckt habe. Dagegen protestiert nun sehr scharf derOsservatore Romano"; das vatikanische Blatt behauptete daß das Papsttum niemals aufgehört habe, die weltliche Herr­schaft zurüclzufordern, und es habe stets öffentlich gegen die Beraubung, deren Opfer es im Jahr 1870 war, protestiert. Tas Blatt fügt noch bei, der Einmarsch der Italiener sei eine materielle Beschimpfung der Rechte des päpstlichen Stuhles ge­wesen und diese stehe in direkter Beziehung mit den goites- lchterlichxn Aeußeruaaen des Bürgermeisters, weshalb diese den Papst besonders verletzen mußten. Trotz diesen Auslas­sungen des nächtlichen Blattes ist es Tatsache, daß im Laufe der Jahre die Proreste gegen die Besetzung Roms immer selte­ner und matter wurden, so daß man vielfach glaubte, die römische Frage sei eingeschlafen oder werde allmählich eiwschlafen. Die Rede Nathans hat nachträglich wenigstens das eine Ver­dienst, die Unversöhnlichkeit des Vatikans und seine alten uner­füllbaren Ansprüche wieder in helles Licht zu setzen. Oder sollte der Papst neuerdings Grund zu frischen Hoffnungen be- kommen haben? Ta man jetzi in Deutschland an höchster Stelle das engste Bündnis zwischen Thron und Altar prokla­miert, so könnte der Papst sich wohl der Hoffnung hingeben, daß man ihm seinen Thron, wieder errichtet, wenn cr dafür seinen Altar hergibt.

«Herr Armnd und die WaAreforrn.

China.

Ein zweiter Lerfafsungsevikt.

* W:e dieÄgence d'ErlrLme-Orient" aus Peking vom 28. November meldet, ist soeben ein neues Edikt veröffent­licht worden, das eilte Ergänzung des kürzlich erlassenen dar­stellt, durch welches die Errichtung einer Verfassung und die Berufung eines Parlaments auf das Jahr 1913 angekündigt wurde. Durch oen neuen Erlaß werden der Finanzminister Herzog Tsai - Tse und der Präsident des Senats Pu Sun mir der Redaktion des der Krone vorzu­legenden Verfassungsentwurfs beauftragt. Tsai-Tse war der Führer der fünf kaiserlichen Kommissäre, die mit dem Srndium der abendländischen Berfassungszustände letraut worden waren. Das Edikt erklärt, die neue chinesische Verfassung müsse so vollkommen fein, daß eine Aenderung auf lange Jahre hinaus unnötig sein werde. Jeder Arfikel soll alsbald nach jeiner redaktionellen Festlegung dem Regenten unterbreitet werden; wenn der Kaiser den ganzen Text des Grundgesetzes genehmigt hat. wird die Verfassung verkündigt werden. So­dann werden die Wahlen für die beiden Kammern ausge- tchrieben, die in Peking tagen werden.

Gerichtszeitnrrg.

" c gälte o. S., 1. Dez. Tas Schwurgericht hat gestern Abend oae Utlttl gegen die RaubinörderOpitz nndBehrendt gefällt, die am 7. August den polnischen Arbeiter ätejiu bestialisch er­mordet und beraubt hatten. Opitz wurde zuwTode, Behrendt zu vier fahren Zuchthaus verurteilt.

y Paris, 1. Dezbr., 10.aO V. (Priv.-Tel.) Die Erklärun­gen, die der Ministerpräsident B r i a n d vor der zuständigen Kommission der Kammer über die Wahlresorm abgab, waren in der Form sehr verbindlich und bemühten sich, jedem Konflikt aus dem Wege zu gehen. Sie waren aber doch ihrem Inhalt nach von großer Bedeutung und entscheidend für die weitere parlamentarische Behanolung der Wahlresorm. Die Kommission hatte zwar im Prinzip die Regierungsvor­lage zur Grundlage ihrer Beratungen angenommen, sie hatte aber ganz aus dem ersten Artikel das Prinzip der Regier- ungsdorlage, nämlich die Mehrheitsvertretung mit Berücksich­tigung der größeren Minderheiten ausgeschaltet und an seine Stelle das Prfi^ip der Verhältniswahl gesetzt. Herr Breand nahm demgegenüber gestern vor der Kommission Stel­lung. Er sührte auS:

, ES stehen sich vier Auffassungen gegenüber. Sie bertrficn erstens die bisherigen Arrondissementswahl, zweitens die reine Listenwahl nach Departements. Keines dieser beiden Systeme hat eine Mehrheit in der Kammer. Tas dritte System ist das System Hondt. Tas vierte System, dasjenige der Regierung, enthält die Vorteile des alten Systems und der Verhältniswahl. Das Hondtfche System hat sehr schwere Nachteile, denn es entspricht nicht dem Charakter des fran­zösischen Volkes, welcher das Absolute, aber nicht das Relative versiebt. In Frankreich ist eS notwendig, daß das Interesse des Mäklers geweckt wird. Er muß deshalb das Gefütll besitzen, daß er persönlich einen Einsluß aus die Regierung des Landes auSübt. Dieses Gefühl wäre aber mit der Ver­hältniswahl nicht vereinbar.

Herr Driand machte dann darauf aufmerksam, daß er ur­sprünglich die Reform der politischen Verwaltung als Voraus­setzung der Wahlreform für nottoendig gehalten habe, er habe jedoch diese Absicht geopfert und fei bereit, die bisherige Ein­teilung in Departements beizubehalten, um das Zustande­kommen der Wahlresorm, die unbedingt notwendig sei, nicht zu verzögern. Die Kommission müße nun entscheiden, was sie dem Plenum der Kammer Vorschlägen wolle. Bleibe sie bei ihrem Proportionalsystem, so werde eben die Kammer selbst sich über alle Probleme aussprechen und ihre Entscheidung treffen. ES werde sich dann vielleicht ergeben, daß die bisher sehr gering eingeschätzte Regierungsvorlage aus dem Winkel geholt werde, nachdem alle anderen Systeme brachgelegt wor­den feien. AuS diesen Erklärungen VriandS ergibt sich, daß die weiteren Beratungen der Kommission tienig Bedeutung mehr besitzen, ioeil an eine positive Einigung ddr Regierung' und der Proportionisten nicht mehr zu denken ist. Die Ent­scheidung der Reform wird erst im Plenum fallen, aber daS Plenum wird zur Verhandlung darüber erst nach Erledi- gung der Budgetdebatte gelangen, daS heißt nicht vor Mitte Januar.

Z>er Wahlkampf in England.

London, 30. Nov., Lloyd George erwähnte in einer Rede in Llandrindod i'SBaleS), Balfours Vorschlag, daS Prinzip der Tarife e form dem Referendum zu überweisen und stellte die anfrage, ob das bedeuten solle, daß' Balfour gewillt sei, eine tatsächliche Tar ifrefor m-B i l l, nachdem sie in beiden Häusern deS Parlaments durchgegangen lei, der Wählerschaft vorzulegen, das würde allerdings etwas ganz anderes fein, als wenn Baisour nur das Prinzip b^r Tarifreform dem Referendum unterbreiten wolle. Er ver- lange von Balfour Antwort auf diese Frage.

London, 1 Dezbr. Earl of Crewe erklärte in einer Rede in Plymouth zur Verteidigung der Flotten- politik der Regierung, in den Marinewerften würden letzt 5000 Mann mehr beschäftigt als zur Zeit des Amtsan­tritts der Regierung. Die Admiralität fei der Ansicht, daß es die Hauptaufgabe der Flotte fei, den Handel zu bet- eld i g e n. Wenn die Flotte so organisiert und verteilt

Kschwasscr.

d Mannheim, 1. Dezbr, 1.10 N. Tas Hochwasser ist yim Stillstand getommen, nachdem der Rhein von gestern auf heute noch um 20 cm gestiegen ist Auch bie Oberläufe melden Sullstand.

w Bingen, 1. Dezbr. «erRhein ist blö heule früh 6 Uhr auf 3,45 m gestiegen. DaS Wasser steigt nur noch langsam. Die User sind iibelflulei.

O Koblenz, 1. Dez, 11.20 V. Der Peqclstand deS R h c i n s be- tragt »tute morgen 5,12 Meter. Seit gestern ist baS Wasser nach über 40 cm gestiegen Die unteren Wege an beiden Usern sind überflutet. Heute scheint Stillstand im Steigen des Wassers einzutreten >

8t Düffelborf, 1. Dezbr., 11 V. Das Wasser des Rheins ist zum zweiten Mal in den letzten drei Wochen in starkem et eigen begriffen und hat heute die Höhe von 5 Metern erreicht. Ter Zuwachs betrug in den letzten zwei Tagen bei­nahe zwei Meter.

Puris, 1. Dezbr. Aus vielen Gegenden Frankreichs wer­den neuerdings U eberf chw em m u n g e n gemeldet. In 'llngcrS wurden die niedrig gelegenen 'Straßen so rasch über­flutet, oaß keinerlei Vorkehrungen getroffen werden konnten und 5000 Menschen in ihren Wohnungen blockiert worden jiub.

Vermischtes.

Der Walvvestanv um (Srotz-Berlin.

Ai Berlin, 1. Dezbr. DemLokal-Anzeiger" zufolge ist die Frage der Schaffung eines Wald-undWiesengürtels um Groß, Berlin jetzt in ein neues Stadium getreten. Im Vordergrund der Verhandlungen, die bisher zwischen dem Forstfiskus und dem Ausschuß von Groß-Berlin wegen Er­haltung eines bestimmten Waldreviers geführt wurden, hatte der Plan gestanden, die Waldreservate den Gemeinden in Pacht zu geben. Die Pachtsumme sollte der Verzinsung des Kapitals gleichkommen, die den Wert der Wälder darstellt. Ter Ver­trag sollte von 30 zu 30 Jahren erneuert werden. Jetzt hat die Regierung diesen Gedanken aufgegeben. Sie will die Frage lediglich durch den Verkauf der Waldbestände lösen, und dem Kaiser hat nach einem Vo rtrage, den der Land- wirtschaftsminister ihm auf der Fahrt nach Breslau darüber gehalten hat, feine Zustimmung dazu erteilt. Die Regierung beabsichtigt, von dem vorhandenen Forst eine Fläche bis zu 11,200 Hektar, d. f. 44,800 Morgen, an einen zu bildenden Zweckverband Groß . Berlin zu verkaufen und zwar zum Preise von Mk 178 Millionen., Das ergebe für das Qua­dratmeter einen Durchschnittspreis von Mk. 1.59. Bei der Wertberechnung hat die Regierung anerkannt, daß 8 00 0 Hektar unbedingt für Dauerwald erhalten werden müßten. Hier schwankt die Berechnung zwischen 50 Pfg. und Mk. 2 pro Quadratmeter. Bei dem Rest deS Waldbestan- deS geht der ForstsiSkuS von der Ansicht auS, daß eine solche Notwendigkeit der Erhaltung nicht borliegc, und hat den äugen, blicklichen VeraußerungSwert als Maßstab angenommen, der zwischen 60 Pfg. und Mk. 6 pro Quadratmeter schwankt. ES verteilt sich der Forstbestand wie folgt: Oberförsterei Grüne­wald 3040 Hektar Tegel 1763, Grünau-Dahme 2443, Köpe­nick 1635, Potsdam 1193, Oranienburg 381 und Schönweide 745 Hektar. Es werden demnächst Karten angefertigt und den Gemeinden Groß-BerlinS zugesteüt i»erben, worauf bann die weiteren Verhandlungen erfolgen sollen.

§ Mainz. 1. Dezbr. Als heute Morgen gegen 6 Uhr die 34jäferige Margareta Diehl, die feit 15 Jahren nf einer HauptmannSfamilie in der Uferstraße 23 bedienstet ist, von der Kirche nach Haufe zurückkehrte und sich in ihr Manfardenzimmer begeben wollte, trat ihr ein Ein­brecher entgegen, der dem Mädchen einen S t i ch inS Herz veriehie. Da? Mädchen konnte noch zum Haufe hinauSeilen und um Hilfe rufen, stürzte dann aber tot zulammen. Ein Fuhrmann namens Legel, der auf die Anzeige des Hausbesitzers hin verhaftet wurde, bestreitet entfch-eden, in dem Haufe gewesen zu fein; sei» Taschen- uiesfer zeigt auch keinerlei Blutspuren.

Hunan, 1, Dezbr. Der bekannte Silberwarenfabrikant Ludwig Neresheimer ist g e ft o r b e n.

Iorrrrerskag, 1. Dezember 1910

Breslau, 1. Dezbr. Die unverehelichte Näherin Bun. ze l, die den 80jährigen pensionierten Bahnbeamten Karl Weitz ermordet und beraubt hat, wurde im Hose deS Land. gcricbtSgcfängniffcS hingerichtet.

c Nordhauser, 1. Dez Tie Geuickstarre wurde in W i e b a am Harz an einem 17jährigen Mädchen festgestellt. Das Mädchen ist der Krankeil erlegen.

st Düsteltwrf, 1. Dezbr. Bei der gestern zu Ende gegange­nen Stadtverordneten . Stichwahl in. oer dritten Abteilung siegte die Zentrumspartei mit 15,100 Stimmen gegen die Sozialdemokraten, dte 11,400 Stimmen erhielten. Von den Liberalen stimmten etfca die Halste für die Sozial- demolratie, die andere Halste für das Zentrum. Von der libe­ralen Parteileitung war die Stimmenabgabe fieigegeben war- den. Gegen die Wahl vor zwei Jahren haben die TogtaU demokraten ihre Stimmen um 00 Prozent vermehrt. ES steht jetzt noch eine Stichlvohl zwischen dem Zenirum und den Libe. raten um ein Mandat in der zweiten Abteilung auS. Unab­hängig von dem AuSgang diese', letzteren Wahl erleidet die Zu. sammensetznng der Parteien keine erhebliche Aenderung; in. depen ist bie frühere Zweidrittelmehrheit Der Liberalen nicht mehr vorhanden. ES werden ihr daran in Zukunft ein bis zwei Stimmen fehlen.

c Stuttgart. 1. Dezbr. Der Geh. Hof rat Dr. v. Pfeif, f e r hat anläßlich seines 75jährigen ©eburtstages 2er Staat 100 000 Mark zu wohltätigen Zwecken überwiesen. Tie Stiftung soll in der Hauptsache für Heilung und Pflegung tuberkulöser Kinder Verwendung finden. Die Stadt hat die Stiftung angenommen.

KriwksurLer Angelegenheiten.

Frankfurt, 1. Dezember.

- Ein neuer Frankfurter Tamenstist. Die kürzlich iw 90. Lebens­jahr verstorbene Frenn Marie von Günderrode, Ehre»» bürgerin de: Sv-dl Gernsbach a. d. Murg, hat in ihrem Testament zum ehrenden Andenken an ihre Eltern veriügt, daß ihr ganzer Kopckalnachlaß im Betrag von 250 000 Mark durch ihren Testaments­vollstrecker, NecheSanwalt Dr. Alexander Tietz, zur Unterstützung älferer Frauen oder Ehepaare aus besseren Ständm verwendet und fernerhin ihre Villa in Gernkbach den dortigen Pflegelchwestern als dauernder Wohnsitz überwieien werden soll. Die Erblasserin ist von dem Gedanken avsaegangev, daß die vermögenden Frankfurter Familien zwar große Sliflungen für die körperliche und geistige Ausbildung der Jugend und für die in der Sladt zufammenströmende atme Ärbriterbevölkerung errichtet, dagegen für die angemessene Unterstützung ihrer eigenen alternden Angehörigen im Falle der Ver­armung oder SÖEteiuamung noch recht wenig geiorgt hätten, fodaß nach dieser Richtung ein weitgehendes Bedürfnis vorliege. Die Erb» lasserin^ hat nicht Vermögen genug befeffcn, um jenen Gedanken in vollem Umfang ausführen zu können, der TestameutSvollfirecksr hofft aber, daß die von Günderiode'iche Stiftung viele Frankfurter Fa­milien veranlassen wird, sich zu einem großen Frankfurter Familienver- band zuiammeuzufchließen oder wenigstens du>ch weitere Zuwendungen die Gründung eine» großen, standesgemäßen He.meS für ihre eigenen hilfsbedürftigen und alleinstehenden Angehörigen zu ermöglichen. Al» nächste» Ziel ist bie Errichtung eines DamenheimS nach dem Vor» bilde deS KreidelstisteS zu Wiesbaden beabsichtigt.

Tie Amatsur-Borstellung im Opernhaus. Der Bericht im 3. Morgenblatt soll hier den versprochenen kleinen Nachtrag finden. Vor allem ist noch Fran Konsul Siebert-Mül« l e r zu erwähnen, die jugendliche Dame Patronesse deS Festes, die viele Wochen mit den Vorbereitungen beschäftigt war, baS Personal warb und auch um die Aufführung selbst sich verdient machte. Dann sei Herr Stadtrat v. GruneliuS genannt; gestern, bei der Nachfeier, hielt er eine Ansprache, in der er allen Mitwirkenden Dank aussprach und die Mitteilung machte, daß Frau Konsul Siebert zum Eljrcnmitglteb der Theater­pensionsanstalt ernannt worden sei. Aus der großen Reihe der Personen, die der Pantomime zu großem Erfolg verhalfen, seien noch genannt: Frau Hertha Jay, welche die Sonne im ersten allegorischen Bild darstelltc, Frau Else v. G o l d a m < m er, die Eisfee des Schlußbildes, und Frau Eva SB o r g n i 6, die mit künstlerischer Vollendung hinter der Bühne den Weih- nachtschoral fang. Ter hübsche Sporitanz ist eine Schöpfung von Pros. Gustav Spieß. Nicht vergessen seien endlich die Herren B c h r e n d, Sättig und Walter als Meister von Beleuchtungseffekten, maschinellen Einrichtungen und Steterra, tionen. Am Montag wird, iuie schon gemeldet, die Vorstellung wiederholt; nach deren Schluß treffen sich alle Mitwirtendeu bei einem Bankett im Frankfurter Hof.

Fahrlösfize Tötung. In der Wirtschaft Hallgartenstraße 69, im Nordend, unterhielt man sich gestern Abend über bie neuen Pistolen, mit denen die Frankfurter Polizei vor Kurzem auSgestaltet worden ist. Der Wirt Oskar Decker, ein ehemaliger Schuh­mann, holte eine Pistole auS der Schublade, um ihre Einrichtung und Handhabung zu erktären. Plötzlich ging die Waffe los und der Fri'eur Oswald Manig, ein Mann in den vierziger Jahren, stürzte, durch einen Schuß in den Kops getroffen, zusammen; er starb aus dem Tr-nSport inS Krankenhaus,

Vom Tage. OberlandeSgerichlZvräsident Dr. S p a h n hat heute die Amlsge chüfle übernommen. Das Waifenamt macht in feiner Mitteilung an die Armenvorsteher wegen Vorschlägen für die Neu« wähl von Armenpflegern auf die Gewinnung von Frauen für dieses Amt aufmerklam: auch fei eS richtig, daß Angehörige aller wirtschaftlichen und pvlitiicheu Klaffen unter den Armenpflegern vertreten feien. Zn der Generalversammlung deS Krippenvereins wurde Mitgeteilt, daß die Errichtung einer Wald krippe in der Nähe der ÄalderholungSstätten für Frauen mit Tag- und Nacht­betrieb für zwanzig Säuglinge in Aussicht genommen iei. Heute sind e8 25 Jayre, daß Dr. Einst Jstel, Geschäftsführer deS Ch.Mikalieawerkö Griesheim, im Dienste der Firma bezw. ihrer Vorgängerin, Farbwerk Griesheim, tätig ist. Der PeterSklrchenchor veranstaltet Sonntag den 4 Dezember abends 7ftz Uhr in der Pelerekirche ein Konzert unter Mitwirkung von Mathilde Aufsarth (Boman), Hermann Hock (Violine) und Julius Wolf (Orgel). Im zoologischen Garten wird nächsten Mittwoch ein .heiterer Operetlenabend" veranstaltet, beide« daS Hanau-Homburger Opereltenperional von Direktor Sleffter mit­wirkt.Die Fernsprechanschlüsse der städtischen ArbeitS» ver mittelungS stelle haben von heute ab die neuen Nummern 582. 583, 584 und 585, sämtlich Amt 1. Aus derRollfchuh» bahn in der Festhalle kommt morgen, Freitag Abend zwischen 9 und 10 Uhr ein Hockeymatch zwilchen dem Ralllchuhklub Franksurl und dem Rollschuhklub 1909 zum AuSlraz. Sonntag Abend findet von 7 bis 8 llhr ein Stundenreniien statt.

mund als Genius gehaust hat. Inzwischen aber hat die Ver. steigerung angefangen. Kleinigkeiten kommen daran, -tarnen und Herren zahlen Summen bis zu 100 Mark für reizende Holzschnitzereien, für Elfenbeinfiguren und japa- nische Sachen. Tann gelangt ein ansehnliches Fernrohr zum Verkauf, auch nicht gerade teuer; ein gewisses anständiges Mit- tetwaß herrscht über den Preisen, und der eigentliche Reli­quienwahnsinn scheint zu fehlen. Immerhin, gerade da ich weggehe, werden beS Künstlers Verzeihung! Kopf- und Kleiderbürsten und Rasiermesser ausgeboten und auch wirtlich verkauft, und ich habe also doch Stoff zu Träuniereien über diesen dankbaren Auktionsmarkt Berlin, der selbst die kühn­sten Erwartungen nicht enttäuscht. In der Tat Berlin tritt gleichwertig an die Seite der alten internationalen Kunst- ruärkte. SS fehlt uns ja längst nicht mehr an den ernsthaften großen Kunstverkänfen, wie jetzt etwa die Auktion Laroche. Ring Wal d bei Schulte einer gewesen ist. Es fehlt uns auch nicht mehr an den kleinen Gesellschaftsbizarrerien, die so gerne den Kunsthandel begleiten. Das Ereignis des Tages: Lasar der Prinzessin Aitguft Wilhelm in Potsdam! Tie Prin­zessin selbst stellt Malereien und ihr Gatte, der Prinz, pikante Silhouetten zum Kauf auS! Die Kaiserin debütiert mit einem Wandschirm und Handtaschen! Was ist der Erfolg? Ter hauptstädtische Kunsthandel schickt seine Einkäufer zu Hofe. Und wirklich: man wird diese kaiserlich-prinzlichen Handarbei­ten schon von morgen an im Warenhaus kaufen Kinnen.

ago.

*= ^Münchener Theater.j Man berichtet uns an» Mün­chen vom 30. November: Die dritte Aufführung deS Neuen Vereins bot im Residenztheater gestern Abend Nju", eine AlltagStragüdie in acht Bildern von Ossip Dy- moto. Ein überaus russisch-müder Alltag, und eigentlich auch eine komplett russische Tragik, auSgeführt von allerlei literarischen Bekanntschaften: Sie, Nju, die daSWunder­bare" sucht; Er, der Geliebte, der als Dichter darüber zu ihren Gunsten verfügt; und der Gatte, ein winselnder Pudel, der zeitweise lebensgefährlich werden will, bann aber instäii- big um ein dreieckiges Verhältnis fleht. Mein Gott, das ist dock so natürlich; warum denn nur nicht? heult der treue Pudel unermüdlich, aber nichtsdestoweniger ermüdend bis gum Verdruß. Trotz alledem: es sind Menschlichkeiten gesehen; gesehen und gefühlt mehr als gestaltet. Nju, ist sterben ge- gtrngem weil sie das höchste Glück, bei dem man an gar lein Glück mehr denkt, nicht erworben hat.Er" und der Gatte begegnen einander in dem leeren PensionSzimmer. Er, der ewige Literat, phrafiert etliches von einem Vöglein, das ent­flogen ist, der Sonne zu ober so. Der Gatte sagt ganz still zum Mädchen:Packen Sie ihre Sachen . . . 9erbtütfen Sie doch den Hut nicht so, ihren Hut" (er streichelt ihn). -Auch baS Bild?" fragt da« Mädchen (es rft das Bild des Ge­liebten, der babeisteht und Phrasen drischt).Ja, auch haS," sagt der gute Kerl, der Gatte. Sie hat ez io geliebt, mehr als mich, denkt er, und sagt ja. Tenn er liefet .sie mehr als ftrf> selbst, und im Tode erst recht. DaS ist dichterisch gefühlt, gesteigert. Und der Pudel wird menschlich rehabilitiert.

WaS aus solchen Bruchstücken darstellerisch zu gestalten war, holren die Herren St einrück und v. Jaeobi re*.oS heraus. Frl. Terwin sah aus wie ein schwermütiges Por­trät von Somoff. DaS Publikum harrte gtoulbig aus und bezeigte sich auch dankbar, obgleich cS an Widerspruch nicht fehlte. HofmannSthalsFrau im fy en ft er" beschloß den langen Abend, ohne ihn sonderlich zu verkürzen. E. K.

n ftTer Sünder am Kreuze.^ Man schreibt uns aus stelgien: Ein aufregender Vorfall ereignete sich im Theätre Royal zu Antwerpen, als manM a r i a - M a g d a - len a" spielte. Mit großem Interesse betrachteten die Zu- schauer bas ^letzte Szenanvild: Christus am Kreuze zwischen den beiden Sündern. Plötzlich schien etwas entsetzliches vor- zugehcn. Ter Mann, der den einen Sünder barfteQte, nahm eine auffallende Stellung ein; der Kopf fiel ihm vorn­über, sein Gesicht verlängerte sich, und der verzerrte Mund stand ihm offen. ^Deutlich hörten einige ein leises Röcheln. In dem grünen Lichte des auf die Szene gerichteten Schein­werfers war die Szene des allem Anschein nach in Wirk­lichkeit am Kreuze sterbenden Sünders spukhaft und gräßlich zugleich. Auch auf der Bühne wurde man aufmerk­sam. Der Vorhang ging nieder, und in aller Eile wurde ein Arzt herbeigerufen. Der sah sich den vom Kreuz genommenen bewegungslos daliegenden Mann an und plötzlich scholl lautes Gelächter hinter dem geschossenen Vorhang hervor, baS sich auch fröhlich über den Zuschauerraum verbreitete, als man die Ursache erfuhr. Ter Statist, der den Sünder »spielte, hatte sich, wie man so sagte, sternhagelvoll betrun­ken. Mit übermenschlicher Energie hatte er feinen Zustand zu verbergen gesucht. Als er aber bequem am Kreuze hing und der lang sich hinziehenden sanften Musik und den Ge- sängen zuhörte, da konnte et nicht mehr widerstehen. Er schlief ein, her Kops fiel ihm über und er schnarchte mit offenem Munde!

= ^Akademische Nachrichten.^ Aus Würzburg wird uns geschrieben: Für das Wintersemester find an der hiesigen Universität 1425 Studierende (darunter 14 Damen) immatrikuliert. Dazu kommen 36 Hörer und 59 Hörerinnen^' Tie Frequenz der juristischen Fakultät ist zurückgegangen. Wir wir erfahren, wird sich Dr. E. Fasse, vormals a. o. Professor für polifische Celonomie in Heidelberg, jetzt Haupt, anttficher Dozent an der Handelshochschule in München, an der Universität der bayerischan Hauptstadt für die Fächer VolkStofitschaftKtehre» Finanzwissenschaft und Wirtschafts, gcschichte habilitieren. ~r- Aus Kiel wirb uns berichtet: Der o. Professor der Mathematik an der hiesigen Universität, Dr. Lothar Heffter.hat den Ruf nach Freiburg i. Br. an­genommen. Fn Rostock habilitierte sich Dr. G. Hofe­rn a n n für Chirurgie.

ss [filcittc Mitteilungen.! Der Oberbibliothekar an der Universität Upsala, Jsak C o l l i j n, hat kürzlich in Mainz in einem Frühdruck des dortigen bischöflichen Seminars ein aus dem Benebikttnerkloster auf dem Jakobsberge daselbst stam­mendes Bruchstück einer Handschrift deS Nibelungen-

liebes gefunden. Teile davon find bekannt und im Besitze der Kgl. Bibliothek in Berlin. CollijnS Fund umfaßt 54 neue Strophen, die von derselben Hand geschrieben sind wie der erste Teil der Berliner Stücke, und zwar bilden sie die Blätter 11, 12, 15 und 16 der Handschrift. Eine Bücherauk­tion, tote man sie in Frankreich seit der vor 30 Fahren er­folgten Versteigerung der berühmten Bibliothek von Ambroise Firmin-Didot nicht gesehen hat, wirb im kommenden Früh­jahr in P a r i S stattfinden. ES handelt sich, wie dieOpi- nion" berichtet, um bie kostbare Bibliothek beS Pariser Sammlers Leboeuf be Wontgermont. Man schätzt den Wert dieser Sammlung, der in Paris von Privatbiblio- thekeri nur die berühmte Bibliothek von James be Rothschild au bie Seite gestellt werden kann, auf über drei Millionen Francs. Die seinerzeit in derFrankfurter Zeitung" ver­öffentlichte ErzählungDie Liga der Kontorsräu-! lein" von Elin Wägner fit nun im Verlage der Süddeut­schen Monatshefte (München) in Buchform erschienen.

IFranksnrter Staüttheater.i Wie die Intendanz des Schauspiels mitteilt, wird morgen wegen Unpäßlich­keit im Personal stattDon Carlos"Die törichte Jungfrau" (um %8 Uhr bei ermäßigten Preisen) gegeben werden.

^Chronik der Sünftc.] Zum Andenken an Felix Mendelssohn-Bartholdy wurde, tote man uns be­richtet, in Eppstein i. T., an dem GasthausZur Sonne", in dem der Komponist bei seinem Aufenthalt im TmrnnS oft Einkehr hielt, eine Gedenktafel enthüllt. Wie man uns mitteilt, wird Herr Heinrich Hensel vom Kgl. Theater in Wiesbaden bei den Bayreuther Festspielen im nächsten Jahre als einziger Vertreter der Partie den Parsifal fingen. Ferner wird Herr Hensel bie Partie beS Loge imRheingold" übernehmen, die in Bayreuth bisher Dr. Briesemeister gesungen hatte. Man schreibt uns aus London: Im British Museum ist zur Zeit als Leihgabe eine zweite Venus von M e - dici ausgestellt, die sich nur in wenigen Kleinigkeiten von der berühmten Florentiner Statue in der Tribura unterschei­det. Doch sind die Kunstgelehrten noch nicht darüber einig ge­worden, ob hier tip wirkliches antikes Originaltoerk ober «ne römische? Kopie vorliegt oder gar eine Kopie aus der Renais­sance. Einige sehen in dieser Venus eine Arbeit des Gio­vanni da Bologna nach der Florentiner euatue. Dft> Statue ist noch unverkauft. AuS Kopenhagen wird unS be» richtet: Vom 5. bis 7. b. M. wirb feite im AUSstq! Eharlottenborg Peter Severin KrqyerS Nach!

aus Gemälden, Skulpturen, Zeichnungen und öffentlich versteigert iverden. Bei dieser Gele auch Werke anderer Künstler (dänischer und die sich in KroyerS Besitz befanden, mitverkau In der NotizKarlsruher Oper" (in Nr. 3? Münchner Hofopernsänger Otto Wolf irr te Darmstadt tätig genannt worden.